Profilbild von tinstamp

tinstamp

Lesejury Star
offline

tinstamp ist Mitglied der Lesejury

Melde dich in der Lesejury an, um dich mit tinstamp über deine Lieblingsbücher auszutauschen.

Anmelden

Meinungen aus der Lesejury

Veröffentlicht am 06.11.2019

Jedes jahr ein Muss: Petra Schiers Hundeweihnacht

Stille Nacht, flauschige Nacht
0

Auch 2019 gibt es den alljährlichen Flauschangriff zu Weihnachten. Petra Schiers neuer Weihnachtsroman "Stille Nacht, flauschige Nacht" ist bei mir eingezogen und wurde nun endlich verschlungen.
Ich liebe ...

Auch 2019 gibt es den alljährlichen Flauschangriff zu Weihnachten. Petra Schiers neuer Weihnachtsroman "Stille Nacht, flauschige Nacht" ist bei mir eingezogen und wurde nun endlich verschlungen.
Ich liebe die weihnachtlichen Hundebücher mit Santa & Co., genauso wie die sommerlichen Hunderomane. Und ist das Cover nicht wieder allerliebst?

Santa hat diesmal einen ganz besonderen Weihnachtswunsch zu erfüllen. Ihm erreichte ein langer Brief von Joel, der mit seiner Zwillingsschwester Jessica seit dem Tod der Mutter beim Papa wohnt. Joel wünscht sich nichts sehnlicher, als dass dieser endlich mehr Zeit für ihn und Jessica hat und wenn möglich auch noch eine neue Mama und einen Hund. Und Santa möchte im gerne alle Wünsche erfüllen...doch da hat er sich eine äußerst schwierige Aufgabe aufgehalst.
Die Eltern der verstorben Mutter beginnen einen Sorgerechtsstreit und wollen die Kinder zu ihnen holen. Doch weder Joel, noch Jessica möchten zu ihnen oder ins Internat geschickt werden. Für die Meiningers ist Patrick, der Vater der Kinder, ein Taugenichts, der in jungen Jahren in Heimen und bei Pflegeeltern aufgewachsen ist bis ihn die Steinbachs adoptiert haben. Mittlerweile ist er ein erfolgreicher Geschäftsmann, der ein gutgehendes Bauunternehmen für Holzhäuser aufgebaut hat. Doch gerade dieses bereitet ihm schlaflose Nächte, seitdem seine Bürokraft gekündigt und auch sein Schreiner die Firma verlassen hat. Im Moment wächst ihm alles über den Kopf. Da schlägt ihm seine Schwägerin Laura ihre Freundin Angelique vor, die vor kurzem ihren Job verloren hat und in den Ort gezogen ist. Sie soll ein Organisationstalent sein und hatte bei einer großen Firma alle Fäden in der Hand. Doch Angelique und Patrick sind sich schon einmal über den Weg gelaufen und mochten sich von Anfang an nicht. Und so ist auch das Betriebsklima zuerst sehr unterkühlt, denn Angelique krempelt alles ohne nachzufragen um. Als auch noch Flauschnase Oskar einzieht, den die Kinder aus dem Tierheim holen, ist das Chaos perfekt....

Patrick und Angelique sind einfach Figuren mit Charakter ;) Beides Sturköpfe und Kontrollfreaks, die wundervoll von der Autorin dargestellt sind. Obwohl Angelique nicht immer nur sympathisch rüberkommt, schließt man auch sie ins Herz. Die Zwillinge Joel und Jessica sind im Charaktere eher unterschiedlich, wobei Joel der Ruhigere und Besonnene ist.
Natürlich sind auch wieder die Gedanken von Oskar in kursiver Schrift festgehalten. Der ist anfangs so gar nicht begeistert Befehle zu bekommen. Viel lieber möchte er wieder ein Vagabund sein und herumstreunen. Doch schon bald hat auch Oskar sein Herz an Patrick, Angelique und die Kinder verloren.
Auch den Rest der Familie Sternbach begegnen wir erneut, so wie auch manchen "alten" Bekannten aus einem der Vorgängerromane.
Die Liebesgeschichte ist wie immer stimmig und erwärmt genauso das Herz wie Oskars brummelige Antworten, wenn er sich Gedanken macht, ob er denn wieder abhauen soll.

Die winterliche Atmosphäre am Weihnachtsmarkt wurde von Petra Schier wunderbar eingefangen, genauso wie die herzliche Stimmung beim Plätzchen backen bei der quirligen Familie Steinbach. Am liebsten würde man ins Buch hüpfen, einfach mit ihnen gemeinsam in der Küche stehen und diese wohlige Stimmung genießen.

Schreibstil:
Petra Schier schreibt gewohnt lebendig, herzlich und voller Emotionen. Die Dialoge sind spritzig und besonders zwischen Santa und seiner Frau sehr humorvoll.
Der Roman ist wieder in 25 Kapitel eingeteilt, perfekt für die Adventzeit....obwohl...wenn man einmal angefangen hat, kann man kaum abwarten weiter zu lesen und sicherlich schneller durch den Roman als in 25 Tagen.

Fazit:
Mit viel Humor und Fingerspitzengefühl hat Petra Schier wiederum eine liebevolle und spritzige Weihnachtsgeschichte geschrieben, die das Herz erwärmt und die Tage bis Weihnachten verkürzt. Auch dieses Jahr habe ich die Portion Hunde- und Liebesglück sehr genossen.

Veröffentlicht am 28.10.2019

Komplexer und temporeicher zweiter Band

Zimmer 19
0

Nach "Schlüssel 17" hat Marc Raabe seinen zweiten Band um seinen LKA Ermitttler Tom Babylon und Psychologin Sita Johanns veröffentlicht. Ich habe Band 1 gelesen, aber ausnahmsweise hier keine Rezension ...

Nach "Schlüssel 17" hat Marc Raabe seinen zweiten Band um seinen LKA Ermitttler Tom Babylon und Psychologin Sita Johanns veröffentlicht. Ich habe Band 1 gelesen, aber ausnahmsweise hier keine Rezension geschrieben.

Auch der zweite Band startet rasant. Bei der Eröffnungsveranstaltung der Berlinale kommt es zu einem Skandal. Statt des Eröffnungsfilmes wird den Zuschauern ein Snuff-Video geboten, in dem eine Frau brutal ermordet wird. Es ist Sinje, die Tochter des Berliner Bürgermeisters Otto Keller, die seit kurzem als vermisst gilt. Die Polizei ist sich nicht sicher, ob es sich hier um einen wahren Mordfall handelt oder um einen gestellten Film, denn Sinje ist Schauspielerin. Was ist real und was manipuliert? Der Täter hinterlässt jedoch eine unmissverständliche Botschaft für einen bestimmten Personenkreis. Geschockt registriert Sita, dass die Zahl 19, die im gezeigten Video eine besondere Bedeutung hat, auch in ihrer Vergangenheit eine Rolle spielte. Das LKA ermittelt auf Hochtouren, als ein weiteres junges Mädchen als vermisst gemeldet wird.

Wie bereits in "Schlüssel 17" ist der Spannungslevel den ganzen Thriller über sehr hoch. Von Beginn an ist man gefesselt von der Geschichte, die nicht nur in Sitas, sondern auch in Toms und in die deutsche Vergangenheit führt - zur Zeit des eisernen Vorhangs. Es geht um Macht, Korruption und alte Schuld. Tom wird außerdem von einer seltsamen Begegnung abgelenkt. Auf dem Video zur Eröffnungsfeier sieht er ein cirka elfjähriges Mädchen an der Hand eines älteren Mannes, das seiner vor 20 Jahren vermissten Schwester Viola wie aus dem Gesicht geschnitten ist. Schon im ersten Band ist Tom erfolglos auf der Suche nach einer Spur zu seiner vermissten Schwester. Dieses Ereignis lässt ihn bis heute nicht los.
Im Vordergrund steht diesmal aber Sita. Sie hatte alles andere als eine behütete Kindheit. Es verwundert, dass sie aus diesem Sumpf herausgefunden hat und Psychiaterin geworden ist. Beide kämpfen mit den Dämonen der Vergangenheit, wobei Sitas früheres Leben Einfluss auf die aktuellen Ereignisse im Fall hat. Rasante Szenenwechsel und überraschende Wendungen erhöhen den Spannungsbogen.

Raabe erzählt seine komplexe Story nicht nur in der Gegenwart, sondern er blendet auch zurück ins Jahr 2001. Hier liegt das Geheimnis betreffend den Entführungen und Morde begraben, das sich dem Leser erst zum Ende hin eröffnet und sich schlussendlich beide Zeitebenen zu einem Ganzen zusammenfügen.

Schreibstil:
Marc Raabe schreibt fesselnd und temporeich. Die Kapitel sind eher kurz gehalten.
Tom und Sita sind zwei sympathische und vielschichtige Charaktere. Beide haben ihr Bündel zu schleppen. Tom reagiert oftmals bei den Ermittlungen unüberlegt und setzt sich über die Anordnungen seines Chefs hinweg.

Fazit:
Ein temporeicher und komplexer zweiter Teil um LKA Ermittler Tom Babylon und der Psychiaterin Sita Johannis, der fesselt und süchtig macht. "Zimmer 19" hat mir noch besser gefallen, als "Schlüssel 17". Ich werde definitiv auch den nächsten Band der Reihe lesen.

Veröffentlicht am 22.10.2019

Atmosphärischer Familienroman zum Abtauchen

Die Zeit der Weihnachtsschwestern
0

Der neue Weihnachtsroman/Familienroman von Sarah Morgan fällt, wie schon ihr letztes Buch "Die Stunde der Inseltöchter" ein bisschen "erwachsener aus, als ihre Manhattan Reihe, die wirklich reine Liebesromane ...

Der neue Weihnachtsroman/Familienroman von Sarah Morgan fällt, wie schon ihr letztes Buch "Die Stunde der Inseltöchter" ein bisschen "erwachsener aus, als ihre Manhattan Reihe, die wirklich reine Liebesromane sind. Und das gefällt mir sehr gut!

In "Die Zeit der Weihnachtsschwestern" lernen wir die drei Schwestern Posy, Beth und Hannah kennen, die verschiedenartiger nicht sein könnten. Alle drei haben ihr Leben nach einem Unglück völlig unterschiedlich gemeistert.
Posy lebt bei ihren Zieheltern Suzanne und Stewart in den schottischen Highlands. Sie ist aktives Mitglied bei der Bergrettung und hilft Suzsanne im Café, einem beliebten Treffpunkt für Touristen und Einheimische. Posy würde gerne die Welt kennenlernen und mehr klettern, möchte aber ihre Eltern nicht alleine lassen.
Beth und Hannah sind beide in den USA geblieben, wo sie ursprüngliche geboren wurden. Beth ist Hausfrau und Mutter zweier Töchter. Während ihr Mann Jesse von einem dritten Kind träumt, aber kaum zuhause ist, möchte Beth endlich wieder in ihrem alten Job arbeiten. Als Beth ihren Mann darauf anspricht, kommt es zu einem großen Streit. Beth packt ihre Koffer und reist früher nach Schottland, als geplant.
Auch Hannah ist mit ihrem Leben nicht gänzlich zufrieden. Sie ist zwar sehr erfolgreich im Job, aber privat hat sie kaum soziale Kontakte. Sie hat eine richtige Mauer um sich herum aufgebaut und lässt kaum Gefühle zu.
Alle drei Schwestern haben sich die letzten Jahre gefühlsmäßig auseinander gelebt und treffen sich fast nur mehr zu Weihnachten in Schottland. Suzanne möchte ihnen zu dieser Zeit ein ganz besonders liebevolles Zuhause bieten, denn zu dieser Jahreszeit jährt sich das furchtbares Unglück, das ihr aller Leben vor 20 Jahren sehr verändert hat. Das Geheimnis um diesen Wendepunkt in ihrer aller Leben erschließt sich erst Stück für Stück und hält die Spannung aufrecht.

Wie die meisten Romane von Sarah Morgan war ich sofort mitten in der Geschichte. Man fühlt sich heimelig in den schottischen Highlands, riecht die gebackenen Köstlichkeiten in Suzannes liebevoll gestalteten Caféi-Imbiss und friert im Schnee bei einer lustigen Schlittenfahrt. Die Landschaftsbeschreibungen sind malerisch und der Weihnachtszauber wird immer mehr spürbar. Auch der Humor bleibt nicht auf der Strecke, obwohl die Kernpunkte des Romans von Ängsten, Verlust und Vergangenheitsbewältigung erzählen. Aber auch ein bisschen Liebe und Romantik bilden wie gewohnt den ganz besonderen Mix von Sarah Morgans Romane, die mit ihrem herzlichen und kurzweiligen Stil zu einer meiner Lieblingsautorinnen geworden ist.

Abwechselnd wird aus der Sicht von Posy, Beth oder Hannah in der Gegenwart erzählt. Jedes Kapitel steht für eine andere Schwester. Dem Leser fällt es somit sehr leicht die unterschiedlichen Ängste, Wünsche und ihre Charaktere besser kennenzulernen und sie auf ihren Wegen zu begleiten.
Zusätzlich erhalten wir aus Suzannes Sicht einige Rückblicke in die Vergangenheit und in das Trauma, das alle vier Frauen noch immer nicht wirklich verarbeitet haben. Jede von ihnen geht unterschiedlich damit um und versucht es mehr oder weniger zu verdrängen.
Die Figuren sind so facettenreich und realistisch gemalt, dass man sie trotz ihrer Macken einfach mögen muss. Einzig die Männer, die im Leben der McBride Frauen eine Rolle spielen, sind kleine Märchenprinzen, die mir im wahren Leben noch nicht begegnet sind ;) Hier muss man eben ein Auge zudrücken...oder zwei.

Wie schon in ihrem letzten Roman hat Sarah Morgan auch diesmal als Hauptthema die Vergangenheitsbewältigung und die Beziehung zwischen Mütter und Töchter als roten Faden verwendet. Gespickt wurde das ganze noch mit winterlichen und weihnachtlichen Flair und einer Prise Romantik. Bezaubernd!

Fazit:
Ein wunderschöner und atmosphärischer Familienroman mit einem Hauch Weihnachtsflair, in dem es um Verzeihen und Vertrauen geht. Eine Geschichte zum Abtauchen und perfekt für die Vorweihnachtszeit. Ich empfehle diesen neuen Roman von Sarah Morgan für entspannte und gemütliche Lesestunden auf der Couch.

Veröffentlicht am 11.10.2019

Breite deine Flügel aus und flieg...

Wenn Schmetterlinge fliegen lernen
0

"Wenn Schmetterlinge fliegen lernen" ist mein zweites Buch der Autorin und konnte mich noch mehr begeistern als ihr Debütroman "Wie Nebel in der Sonne". Die geborene Schweizerin, die auf Mallorca lebt, ...

"Wenn Schmetterlinge fliegen lernen" ist mein zweites Buch der Autorin und konnte mich noch mehr begeistern als ihr Debütroman "Wie Nebel in der Sonne". Die geborene Schweizerin, die auf Mallorca lebt, hat einen ausgesprochenen bildhaften und ausdrucksstarken Schreibstil.
Astrid Töpfers neuer Roman punktet nicht nur mit einem traumhaften Cover, sondern auch mit emotionalen und vielschichtigen Inhalt.

Olivia ist eine junge Frau, die bereits einige Schicksalsschläge hinter sich hat. Ihre Eltern, beides Wissenschafler, sind gestorben, als sie noch ein Kind war. Olivia ist bei ihren strengen und lieblosen Großeltern in Zürich aufgewachsen. Als sie volljährig ist, verlässt sie die Schweiz und will ihr altes Leben hinter sich lassen. Niemand und nichts hält sie mehr in der alten Heimat. Rastlos reist sie durch die Weltgeschichte. Schlussendlich landet sie in Ägypten, wo sie Rashida kennenlernt, die zu ihrer "Seelenfreundin" wird. Als sich ihre Großmutter immer mehr in ihrer eigenen Welt einer Demenzkranken verliert, wird Olivia von dessen Haushälterin und Freundin Marie gebeten nach Zurück zurückzukommen und sich mit ihrer Großmutter auszusöhnen. Auch Rashida spricht ihr ins Gewissen und es kommt zu einem Streit, der eine weitere Tragödie in Olivias Leben auslöst. Daraufhin kehrt sie nach Zürich zurück, doch so einfach ist es nicht sich den Schatten der Vergangenheit zu stellen. Als sie auf Tom trifft, ihren Freund aus Kindheitstagen, und sich ein früherer Assistent ihrer Eltern bei ihr meldet, der sie zum Unfalltod ihrer Eltern interviewen möchte, bleibt ihr nichts anderes übrig, als ihrem Gedächtnis auf die Sprünge zu helfen....

Olivia ist nach außen hin eine selbstbewusste junge Frau, die das Abenteuer sucht. Sie liebt das Meer und das Tauchen und möchte der kalten Schweiz am liebsten sofort wieder den Rücken kehren. Zürich sollte nur eine kurze Etappe sein. Doch innen drinnen weiß sie, dass sie sich endlich der Vergangenheit stellen muss. Olivia hat damals ihre Eltern begleitet, als sie bei einer wissenschaftlichen Reise in Nicaragua ums Lebens kamen. Sie ist seitdem traumatisiert und kann sich an nichts erinnen. Ihre Bindungsangst und ihre Zwänge, wie auch ihre unnahbare und spröde Art, machen es ihr schwer. Olivia ist gefangen in ihren Ängsten und doch innen drinnen zart und zerbrechlich. Auch ihrem Sandkastenfreund Tom gelingt es nicht gänzlich. Außerdem hat er auch so seine Geheimnisse. Seine Schwester Valerie bemüht sich hingegen gar nicht ihre Abneigung Olivia gegenüber zu verheimlichen. Und dann ist noch der etwas kautzige André Edelmann, der früherer Assistent ihrer Eltern, der unbedingt das Geheimnis des seltenen Schmetterlinges wissen möchte, dem ihre Eltern damals auf der Spur waren.
Nach und nach werden die Erlebnisse aus der Vergangenheit, sowohl bei Olivia, als auch bei Erika offenbart. Der Titel des Romans ist gut gewählt, denn es dauert lange bis Olivia ihren Kokon verlässt und ihre Flügel ausbreitet....

Was anfangs noch ein Roman über Trauerbewältung und eine Reise zu sich selbst ist, wandelt sich am Ende zu einer spannenden Stalkergeschichte, wobei sich aber die Themen nicht im Wege stehen, sondern ergänzen.

Schreibstil:
Astrid Töpfner schreibt ausdrucksstark, flüssig und gefühlvoll. Man fliegt förmlich durch die Seiten und fühlt sich den Figuren eng verbunden. Mit viel Empathie und Gefühl beschreibt Astrid Töpfner ihre Charaktere, die allesamt Ecken und Kanten haben. Auch die Alzheimer Erkrankung von Großmutter Erika wird authentisch vermittelt. Die anfangs immer abwechselnden lichten und dunklen Tage dieser Krankheit, deren Zeuge ich selbst wurde, sind einfach erschreckend.
Die Landschaftsbeschreibungen sind lebendig und anschaulich.

Fazit:
Nicht nur ein tiefgründiger Roman mit einigen überraschenden Wendungen, sondern auch ein toller Mix aus Spannung und Unterhaltung, wobei die Aufarbeitung eines Traumas und die Suche nach sich selbst im Vordergrund steht. Durch den lockeren und lebendigen Schreibstil fliegt man durch die Geschichte und erlebt ein wahres Auf und Ab an Gefühlen. Ich fand es wunderbar!

Veröffentlicht am 07.10.2019

Bleibt in Erinnerung

Luzies Erbe
0

Dieser Generationenroman basiert teilweise auf wahren Begebenheiten der Familie der Autorin.
Als Luzie Mazur fast hundertjährig zuhause stirbt, hinterlässt sie nur einen Koffer und viele unbeantwortete ...

Dieser Generationenroman basiert teilweise auf wahren Begebenheiten der Familie der Autorin.
Als Luzie Mazur fast hundertjährig zuhause stirbt, hinterlässt sie nur einen Koffer und viele unbeantwortete Fragen. Ihre Tochter Thea und ihre Enkelin Johanne haben sie die letzten Jahre gepflegt und trotzallem war das Schweigen im Hause übermächtig. Die Mazurs lebten am Rande der Gesellschaft - sie gehörten nicht wirklich dazu. Dieses Gefühl ist bereits seit drei Generationen übermächtig. Dabei war Luzie einst eine fröhliche junge Frau, die gerne lachte und tanzte. Sie war mit August verlobt, als der Zweiten Weltkrieg ausbricht. Und in den kommenden Jahren sollte sich für Luzie alles ändern....

In "Luzies Schweigen" erzählt die Autorin auf zwei Zeitebenen. Diese sind nicht wie üblich voneinander getrennt, sondern springen oftmals unkontrolliert hin und her, was ein konzentriertes Lesen erfordert. Allerdings gewöhnt man sich schnell daran. Rückblicke und Erinnerungen der einzelnen Familienmitglieder ergänzen die Geschichte rund um Luzies Leben und die Nachwirkungen, die sich daraus ergeben haben.

Man hat beim Lesen das Gefühl nicht in der Gegenwart, sondern irgendwann in den 50iger Jahren zu stecken. Die Frauen leben in ärmlichen Verhältnissen und nehmen ihr Schicksal ergeben hin. Nur Helen, die Schwester von Thea ist aus dem "Mazurschen Schweigen" ausgebrochen und hat das Dorf in jungen Jahren verlassen. Enkelin Johanne lässt der Kofferinhalt keine Ruhe und sie beginnt nachzuforschen. Sie will endlich die Vergangenheit abschließen. Dabei stößt sie auf den polnischen Zwangsarbeiter Jurek Mazur, der ihr Großvater und Luzies große Liebe war. Die Rassengesetze der damaligen Zeit erlaubten keine Liebe zwischen einer deutschen Frau und einem Zwangsarbeiter einer minderwertigen Rasse. Trotzdem wurden Luzie und Jurek ein Paar und waren vortan vielen Gefahren ausgesetzt. Harte Arbeit und die unterschwellige Angst machten beiden das Leben schwer. Luzie wird ernst und schweigsam. Nach dem Krieg durften sie endlich heiraten, doch an ihrer Lage änderte sich rein gar nichts. Das Dorf ächtete die junge Familie und in Folge auch ihre Nachfahren. Und Johanne fragt sich: Warum hat Jurek Luzie verlassen?

Die Frauen der Familie sind allesamt ohne Vater aufgewachen und haben eine schwierige Mutter-Tochter-Beziehung, die sich erst bei den Enkelkindern ändert. Ein Krieg, der nicht nur die Generation, die ihn miterleben musste beeinflusste, sondern auch die Kriegskinder und -enkel. Es geht um unerfüllte Träume und Ausgrenzung. Eigene Gefühle sind dabei kaum zulässig, denn jede der drei Frauen versucht mit der mütterlichen Unzulänglichkeit umzugehen. Erst durch Johannes Nachforschungen und durch ihre Tochter Silje wird das Mazurische Schweigen langsam durchbrochen und ein Schicksal, das über Jahrzehnte andauerte, überwunden.

Schreibstil:
Der manchmal poetische und dann wieder nüchterne Schreibstil der Autorin nimmt der Geschichte etwas von der Düsternis und Traurigkeit. Eindringlich beschreibt Helga Bürster die Gefühlswelt der Frauen aus vier Generationen, die nicht aus sich herausgehen können und das Schweigen der Kommunktion gegenüber bevorzugen.
Die plattdeutschen Dialoge geben dem Roman mehr Authentizität und versprüht Lokalkolorit.

Fazit:
Ein nachdenklich machender Roman, der die Auswirkungen des Krieges auf mehrere Generationen einer Familie aufzeigt. Die Geschichte bleibt in Erinnerung und hat mich sehr berührt. Ich gebe gerne eine Leseempfehlung!