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WinfriedStanzick

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Meinungen aus der Lesejury

Veröffentlicht am 22.10.2019

Das empfehlenswerte Buch zeigt die Vielfalt der Lebensweisen um uns herum in eindrucksvollen Bildern voller Intimität verschiedener Familien

Mio war da!
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Tanja Szekessy, Mio war da, Klett Kinderbuch 2019, ISBN 978-3-95470-220-6

In ihrem neuen Kinderbuch für Kinder, die gerade in die Schule gekommen sind, lässt Tanja Szekessy ein kleines Kuscheltier namens ...

Tanja Szekessy, Mio war da, Klett Kinderbuch 2019, ISBN 978-3-95470-220-6

In ihrem neuen Kinderbuch für Kinder, die gerade in die Schule gekommen sind, lässt Tanja Szekessy ein kleines Kuscheltier namens Mio erzählen.

Mio ist ein kleiner Kuschelpinguin und gehört zur Klasse 1 d. Zur Klasse 1 d gehören 14 Kinder (eine wirklich kleine Klasse!), Frau Kippel, die Lehrerin, bei der die Kinder lesen, rechnen und schreiben lernen und Herr Macke, der die Lehrerin bei ihrer Arbeit unterstützt. Wären doch nur alle ersten Klassen so klein und so gut mit Personal ausgestattet!
Und natürlich gehört auch das Klassenkuscheltier Mio dazu. Seine Aufgabe ist es zuzuhören, zu kuscheln und einfach da zu sein, wenn man ihn braucht.

Alle Kinder sind seine Freunde. Und jedes von ihnen hat ihn schon einmal für eine Nacht mit nach Hause nehmen dürfen. Und von diesem vierzehn „Hausbesuchen“ erzählt Mio nun nacheinander. Zuerst ist er bei Helene. Sie hat zusammen mit ihrer kleineren Schwester den ganzen Nachmittag bis zum Abend mit ihm Musik gemacht und gesungen.

Der Besuch bei Hugo konfrontiert ihn mit lauten, streitenden Eltern und laufenden Fernsehgeräten in allen Zimmern.

Juli ist sehr schweigsam in der Schule und auch zu Hause, während ihre Mutter dauernd redet und Juli Hausaufgaben machen lässt, auch wenn sie gar keine aufhat.

Marlon kann sich schon allein Essen machen und bei der lustigen Maya geht es in der Wohnung sehr trubelig zu

Insgesamt 14 Kinder besucht Mio nacheinander zu Hause. Auf diese Weise lernt er und die das Buch betrachtenden Kinder ganz unterschiedliche Lebenswelten und Lebensschicksale von Kindern kennen. Mio erlebt fröhliche Abende, hat aber auch ganz andere, weniger schöne und angenehme Einblicke. Tanja Szekessy wertet und urteilt nicht bei ihrer Beschreibung der vielen Lebenswelten. Doch ihre Texte und Illustrationen lassen staunen und laden zum darüber reden ein.

Das empfehlenswerte Buch zeigt die Vielfalt der Lebensweisen um uns herum in eindrucksvollen Bildern voller Intimität verschiedener Familien.

Veröffentlicht am 10.10.2019

Ausflugstipps für die eigene Naturbeobachtung runden dieses modern gestaltete Naturbuch ab, in dem sich durch die beeindruckenden Fotos die urbane Natur aus nächster Nähe erleben lässt

Großstadt Wildnis
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Sven Meurs, Großstadt Wildnis. Auf Tiersafari in unseren Städten, Knesebeck 2019, ISBN 978-3-95728-233-0

Schon lange liest man immer wieder Meldungen und Berichte, dass Tiere, die als Wildtiere früher ...

Sven Meurs, Großstadt Wildnis. Auf Tiersafari in unseren Städten, Knesebeck 2019, ISBN 978-3-95728-233-0

Schon lange liest man immer wieder Meldungen und Berichte, dass Tiere, die als Wildtiere früher ausnahmslos in Wald, Feld und Flur gelebt haben, sich in unseren Großstädten fast unbemerkt einen neuen Lebensraum erobert haben, in dem sie sich sehr wohl fühlen, der ihnen Nahrung und Schutz bietet und an den sie sich hervorragend adaptiert haben.

Wenn man genau darauf achtet und die Hinweise kennt, kann man heute zwischen Häuserschluchten, Parks und Straßen die unterschiedlichsten wilden Tiere antreffen und beobachten.
So ist Berlin zur Hauptstadt der Wildschweine geworden, in München hat der Biber die Isar wiederentdeckt, Frankfurt am Main gilt als die Stadt der Vögel und in Düsseldorf hat sich der Eisvogel inmitten der Stadtparks angesiedelt. Warum das so ist, und wie man das Verhältnis zwischen den neuen Wildtieren und den eingesessenen Menschen und Tieren beschrieben kann, damit beschäftigt sich das vorliegende Buch „Großstadt Wildnis“ neben vielen anderen Fragen.
Der Fotograf Sven Meurs hat sich auf Entdeckungssafari begeben, zunächst durch die fünf größten Städte des Landes. Er hat die unterschiedlichsten Tiere in ihrem neuen Lebensraum fotografiert. Er erklärt in informativen Texten jeweils, warum die Tiere in die Städte kommen, wie sie in einer von Menschen geprägten Umwelt leben und überleben und auch, wie man sie schützen kann. Faszinierende Fotos dokumentieren das eindrücklich.

Er selbst und viele Menschen, mit denen er gesprochen hat und die sich für den Schutz und Erhalt von Wildtieren in der Stadt einsetzen, ist er der Meinung, dass diese Tiere den städtischen Raum und die Natur in der Stadt bereichern und nicht etwa stören.

Jedes einzelne Kapitel wird eingeleitet durch eine Aufmacherseite, die Jörg Hülsmann bezaubernd illustriert hat. Seine Zeichnungen zeigen die Silhouette der jeweiligen Stadt und ein dort heimisch gewordenes Tier.

Ausflugstipps für die eigene Naturbeobachtung runden dieses modern gestaltete Naturbuch ab, in dem sich durch die beeindruckenden Fotos die urbane Natur aus nächster Nähe erleben lässt.



Veröffentlicht am 10.10.2019

Es sei dringend Zeit für eine neue Aufklärung, sagt Boris Palmer. Ich wünsche seinem Buch und seinen Thesen dass sie im politischen Diskurs unserer Gesellschaft einen Widerhall finden

Erst die Fakten, dann die Moral
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Boris Palmer, Erst die Fakten, dann die Moral. Warum Politik mit der Wirklichkeit beginnen muss, Siedler 2019, ISBN 978-3-8275-0124-0

So wie sein Vater, den sie bei aller Gegnerschaft respektvoll den ...

Boris Palmer, Erst die Fakten, dann die Moral. Warum Politik mit der Wirklichkeit beginnen muss, Siedler 2019, ISBN 978-3-8275-0124-0

So wie sein Vater, den sie bei aller Gegnerschaft respektvoll den „Rebell vom Remstal“ nannten, ist sein Sohn Boris, seit 12 Jahren als Grüner Oberbürgermeister von Tübingen, nicht dafür bekannt, dass er jemals ein Blatt vor den Mund genommen hätte.

Sehr zum Ärger seiner Parteioberen, die ihm schon mehr als einmal nahegelegt haben die Partei zu verlassen. Besonders seine medialen Einlassen zur Flüchtlingspolitik seit 2015 haben immer wieder Widerspruch auf der einen und Zustimmung auf der anderen Seite erregt.

In seinem neuen bei Siedler erschienenen Buch zeigt sich der Kommunalpolitiker auch auf den Pfaden der großen Politik als sicherer und streitbarer Zeitgenosse. Sei es die Wohnungspolitik, die Debatte um die innerstädtischen Fahrverbote, die unsägliche Rolle der Bürgerinitiativen, die den Erfolg der Energiewende gefährden, Stuttgart 21 oder die semireligiöse Debatte um die Klimawandel, überall zeigt er auf, „warum Politik mit der Wirklichkeit beginnen muss“ legt Wert auf die Fakten, plädiert für Vernunft und im Kapitel über die Sicherheit allerdings auch über die Bedeutung der subjektiven Gefühle der Menschen.

Er unterstützt, dass sich immer mehr Menschen über Missstände in der Gesellschaft empören, mahnt aber gleichzeitig in Richtung der Klimaaktivisten und anderer nicht intolerant zu werden.

Frei heraus und ohne falsche Tabus spricht Palmer an, wo er Veränderungsbedarf im politischen und gesellschaftlichen Diskurs sieht. Seine Erkenntnisse zusammenfassend, formuliert er zum Abschluss seines lesenswerten und teilweise provozierenden Buches folgende zehn Thesen, die es wert sind, wahrgenommen und kritisch diskutiert zu werden:
These 1: Innerhalb gesellschaftlicher Bewegungen entstehen vermehrt radikalisierte Kerne
These 2: Die Staatsbürger entwickeln sich zu NIMBYS (not in my backyard)
These 3: Unbequeme Wahrheiten werden ausgeblendet
These 4: Komplexe Probleme werden an Experten delegiert
These 5: Risiken werden falsch bewertet
These 6: Großprojekte werden durchgesetzt, koste es, was es wolle
These 7: Die fortschreitende Spaltung der Gesellschaft reduziert das Gewicht der Fakten
These 8: Empörungskultur und Identitätspolitik lenken von den wichtigen Problemen ab
These 9: Für wirtschaftliche Interessen können Fakten ein Störfaktor sein
These 10: Die höheren Ebenen der Politik nutzen das Erfahrungswissen aus den Kommunen zu wenig

Es sei dringend Zeit für eine neue Aufklärung, sagt Boris Palmer. Ich wünsche seinem Buch und seinen Thesen dass sie im politischen Diskurs unserer Gesellschaft einen Widerhall finden. Wie schon in seinem Buch „Wir können nicht allen helfen“ schwimmt er auch hier oft gegen den Strom, kann sich aber durchaus bei fast allen seinen Themen der Zustimmung eines großen Teils der Bevölkerung sicher sein. Nur müsste diese Mehrheit die Wahrheit und die Fakten auch mutiger aussprechen und einfordern. Wenn sich über die Hälfte nach einer neuen Umfrage nicht mehr trauen, das zu sagen, was sie wirklich denken, ist es an der Zeit, dem entgegenzutreten und zum Engagement zu ermutigen. Boris Palmer tut das mit seinem neuen Buch auf vorbildliche Weise.

Veröffentlicht am 10.10.2019

Aus Selbsterkenntnis zum Verständnis des Mitmenschen kommen – ein vielversprechender Weg

Du und die anderen
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Suzanne Stabile, Du und die anderen, Adeo 2019, ISBN 978-3-86334-242-5

In diesem Buch der langjährigen Enneagramm-Trainerin Suzanne Stabile kann man nicht nur eine verständliche Einführung in das Prinzip ...

Suzanne Stabile, Du und die anderen, Adeo 2019, ISBN 978-3-86334-242-5

In diesem Buch der langjährigen Enneagramm-Trainerin Suzanne Stabile kann man nicht nur eine verständliche Einführung in das Prinzip des Enneagramms lesen, also die neun verschiedenen Persönlichkeitstypen und damit Zugänge, die Welt zu erleben, sondern sie zeigt anhand der neun Typen, wie diese ticken und wie sie mit Konflikten in ihrem Leben und mit anderen Menschen umgehen. Das seit vielen Jahren sich bewährende System des Enneagramms beschreibt nämlich sehr genau, wie die unterschiedlichen Persönlichkeitstypen von eins bis neun in ihrem Charakter gestrickt, was sie im Innersten antreibt, oft auch unbewusst.

Wer also die Typen des Enneagramms kennt und das System des Aufbaus dieser Typologie, kann nicht nur sich selbst und das eigene Verhalten in Beziehungen viel besser einschätzen und verstehen, sondern es gelingt ihm auch, die Welt mit den Augen des anderen, mit dem man vielleicht eine gestörte Beziehung hat zu betrachten und zu verstehen.

Wenn das gelingt, wird es möglich, auf Konflikte anders, gelassener zu reagieren. Weg von der schnellen Bewertung und Verurteilung des anderen und damit Zementierung des Konfliktes hin zu besserem Verständnis des anderen.

Suzanne Stabile versteht das Enneagramm als ein „Übersetzungstool“ für Beziehungen. Ein Modell, das hilft sich selbst und den anderen in seinen tiefsten Beweggründen zu verstehen. Ihr Buch ist voll von eindrücklichen Beispielen und nicht selten mit viel Humor gewürzt. Es will und kann zu gelingenden, liebevollen und von Verständnis geprägten Beziehungen helfen, Beziehungen, die gelingen, weil man den anderen besser verstehen kann in dem, was ihn im Innersten antreibt und bewegt.

Aus Selbsterkenntnis zum Verständnis des Mitmenschen kommen – ein vielversprechender Weg.


Veröffentlicht am 10.10.2019

Das Geheimnis liegt darin, sich zu öffnen, sich verwundbar zu machen und die Liebe zuzulassen. Es ist nie zu spät dafür.

Das Leben spielt hier
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Sandra Hoffmann, Das Leben spielt hier, Hanser 2019, ISBN 978-3-446-26433-5

Die für Ihre Romane mehrfach ausgezeichnete Schriftstellerin Sandra Hoffmann (zuletzt der Hans-Fallada-Preis für „Paula“) veröffentlicht ...

Sandra Hoffmann, Das Leben spielt hier, Hanser 2019, ISBN 978-3-446-26433-5

Die für Ihre Romane mehrfach ausgezeichnete Schriftstellerin Sandra Hoffmann (zuletzt der Hans-Fallada-Preis für „Paula“) veröffentlicht mit „Das Leben spielt hier“ ihr erstes Jugendbuch.
In einem zunächst gewöhnungsbedürftigen sehr knappen Stil, der besonders die vielen Dialoge sehr eigenwillig darstellt, beschreibt sie im Vordergrund mit vielen Rückblicken versehen die zarte Liebesgeschichte von Ona und Peer, der nur Pe genannt wird. Als Ona Pe beim Surfen am Strand zum ersten Mal sieht, spürt sie gleich die Anziehung, die dieser Junge auf sie ausübt. Irgendetwas in seinen Augen trifft sie mitten ins Herz. Sie will diesen schweigsamen Jungen mit der Narbe am Kopf unbedingt kennenlernen.
Als sie sich einige Zeit später wieder begegnen, werden sie schnell ein Paar. Langsam und von Sandra Hoffmann mit intensiver erzählerischer Kraft beschrieben öffnen sie sich einander und es wird deutlich, dass sie ähnliche Erfahrungen gemacht haben, die sie verwundbar gemacht haben. Ona hat ihre Mutter verloren und Pe hat einen von seinem Bruder wohl verschuldeten Verkehrsunfall im Gegensatz zu ihm überlebt.

Eine wichtige Rolle bei der heilenden Öffnung des jungen Paares füreinander spielt Kriedel, ein alleinstehender Buchhändler, bei dem Pe viel Zeit verbringt beim Anschauen von Übertragungen von Surfwettbewerben aus aller Welt.
Beim Versuch, Ona und Pe nach einem schweren Missverständnis, das wie ein Block zwischen ihnen steht und mit Danis Tod zu tun hat, wieder zu versöhnen, sagt Kriedel die für das Buch zentralen Sätze über Schuldgefühle, unter denen alle drei leiden:
„Man kann einfach nur besser leben, wenn man verzeihen kann. Dann ist man wieder frei. Dann geht auch diese schlechte Gefühl, das einen richtig beißen kann, wieder weg.“

Denn auch Kriedel quält sich, weil er vor einiger Zeit seine Partnerin Matilda verloren hat. Sie ist einfach gegangen. Kriedel entschließt sich, sie zu suchen und Ona und Pe begleiten ihn in Kriedels altem Käfer auf dem Weg nach Spanien.

Auf diesem Weg nach Süden kommt vieles aus der Vergangenheit der drei ans Tageslicht. Pe erzählt zum ersten Mal (auch seinem Therapeuten Potasche hat er nie davon berichtet) wie es zu dem tragischen Unfall kam, bei dem sein Bruder ums Leben kam, Ona erinnert sich an ihre Mutter und Kriedel erzählt den wahren Grund; warum Matilda ihn sozusagen über Nacht verlassen hat.
Diese Öffnungen sind schmerzhaft, doch alle drei erleben in zunehmender menschlicher Nähe, wie durch sie die lange ersehnte Heilung beginnen kann.

„Das Leben spielt hier“, ein Satz den Kriedel einmal zu Pe sagt, bevor sie nach Spanien aufbrechen, ist ein Buch, das mit viel Herzenswärme von einer ersten großen Liebe erzählt und davon, dass auch nach großen Verlusten eine Heilung der von Schuldgefühlen und Schmerz zerfressenen Seele möglich ist. Das Geheimnis liegt darin, sich zu öffnen, sich verwundbar zu machen und die Liebe zuzulassen.

Es ist nie zu spät dafür.