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Venatrix

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Meinungen aus der Lesejury

Veröffentlicht am 16.11.2019

Ein paar Knochen zu viel

Feuersee
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In diesem dritten Fall für die Abteilung „Tote ohne Mörder“, kurz T.O.M. genannt, bekommen es Marga Kronthaler, Sebastian Franck und Franziska Hegel mit einem verzwickten Fall zu tun.

Zunächst sieht ...

In diesem dritten Fall für die Abteilung „Tote ohne Mörder“, kurz T.O.M. genannt, bekommen es Marga Kronthaler, Sebastian Franck und Franziska Hegel mit einem verzwickten Fall zu tun.

Zunächst sieht alles recht einfach aus: spielende Kinder haben in einem Wald nähe Rottweil Überreste eines Skeletts gefunden. Doch bei näherer Betrachtung, gibt es ein paar Knochen und eine Knieprothese zu viel. Das Implantat, mit einer Seriennummer versehen, führt zum Mordfall Gerber, der eigentlich vor 10 Jahren als geklärt bezeichnet worden ist, aber dennoch in den Aktenschränken von T.O.M. gelandet ist. Ein Widerspruch? Oder nur ein Kunstkniff der Bürokraten für die Statistik?

Während der pedantische Sebastian und die unkonventionelle Franziska den Fall Gerber wieder aufrollen und nach der mutmaßlichen, aber nie gefassten, Mörderin suchen, beschäftigt sich Marga nach wie vor heimlich mit dem bislang ungeklärten Banküberfall, bei dem Sebastians Bruder getötet worden ist.

Meine Meinung:

Die fesselnde Ausgangslage für die höchst unterschiedlichen, aber kompetenten Ermittler, lässt die Leser bis zur letzten Seite mitfiebern.

Die Charaktere sind wie schon in den vorherigen Fällen gut gezeichnet. Der pedantische, oftmals rechthaberisch wirkende, Sebastian hat sich weiter entwickelt. So schafft er es, seine Umgebung nicht jedes Mal zu korrigieren oder kluge Zitate zu verwenden, sondern nur jedes dritte oder vierte Mal. Sebastian hat einige Züge an sich, die ein wenig an das Asperger-Syndrom erinnern. Ganz das Gegenteil ist Franziska Hegel, die Kriminalassistentin: sie wirkt auf den ersten Blick schlampig, ist aber dennoch eine gewissenhafte Mitarbeiterin.
Und ja, die Chefin, Marga Kronthaler, die nach wie vor unbeirrt eine Zigarette nach der anderen raucht, und auf Grund ihrer langjährigen Dienstzeit Verbindungen zu allen möglichen Dienststellen hat. Marga tritt häufig harsch auf und ist dennoch so etwas wie die „Mutter der Kompanie“. Es scheint, als hätte sie in ihrem Leben schon allerlei (seelische) Verletzungen erlitten, die sie hinter ihrer rauen Schale verbirgt.

Wie üblich gibt es ein Kompetenzgerangel zwischen den unterschiedlichen Dienststellen. So sind hier nicht nur die Kollegen aus Rottweil und die Mitglieder des T.O.M. am Werk, sondern auch das LKA und der Verfassungsschutz, weil einer der Verdächtigen zu der Gruppe der Reichsbürger zählt. Doch die Begegnungen dieser Dienststellen ist eher von Wertschätzung als von bösartigem Konkurrenzkampf geprägt.

Fazit:

Wer einen fesselnden Krimi ohne großes Blutvergießen lesen möchte, ist hier richtig. Gerne gebe ich dem Team von T.O.M. für ihre oft mühselige Arbeit 5 Sterne.

Veröffentlicht am 04.11.2019

Mehr heimischer Fisch muss auf den Tisch

Das österreichische Fisch-Kochbuch
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Taliman Sluga stellt in diesem Buch eine Reihe österreichischer Fischgewässer und ihre Bewohner vor. Recht praktisch nach Bundesländern geordnet, kann man die Region aussuchen. Vielleicht einmal Urlaub ...

Taliman Sluga stellt in diesem Buch eine Reihe österreichischer Fischgewässer und ihre Bewohner vor. Recht praktisch nach Bundesländern geordnet, kann man die Region aussuchen. Vielleicht einmal Urlaub machen in einer Gegend mit besonderem Fischreichtum?

Daneben erhält man eine Übersicht über heimische Fische, über Karpfenartige, Lachsartige oder Störartige. Und, wer hat schon gewusst, dass es auch Schalentiere in heimischen Gewässern gibt?

Die angegebenen Rezepte machen Lust auf eine der zahlreichen Fischspezialitäten. Es muss nicht immer ein Branzino oder Dorsch sein. Fische aus heimischer Produktion haben wesentlich kürzere Transportwege. Leider liegt der Fischkonsum bei uns in Österreich nur bei statistischen 8 kg pro Kopf und Nase. Und die heimischen Fische sind nur 6% davon. Schade!

Vielleicht kann dieses interessante Buch aus dem Anton-Pustet-Verlag zu einem vermehrten Verzehr heimischen Fisches führen.

Veröffentlicht am 04.11.2019

Wilhelm Höttl - ein Chamäleon

Wilhelm Höttl - Spion für Hitler und die USA
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Martin Haidinger Historiker und Journalist widmet sich in diesem Buch einer ebenso schillernden wie umstrittenen Person: Dr. Wilhelm Höttl (1915-1999). In zehn Kapiteln versucht der Autor diesem Mann näher ...

Martin Haidinger Historiker und Journalist widmet sich in diesem Buch einer ebenso schillernden wie umstrittenen Person: Dr. Wilhelm Höttl (1915-1999). In zehn Kapiteln versucht der Autor diesem Mann näher zu kommen.

Wer ist er nun, dieser Wilhelm Höttl? Er scheint ein Chamäleon zu sein, jemand, der immer den richtigen Riecher hat, wer ihm gerade nützlich sein könnte, der sich anpasst.

Schon in den frühen 1930er ist er Mitglied der in Österreich (noch) verbotenen NSDAP. Kurz nach dem Einmarsch Hitlers wird er zuerst Vertrauter Reinhard Heydrichs und nach dessen Ermordung Vertrauter von Adolf Eichmann. Obwohl er lügt wie gedruckt, steigt er die Karriereleiter im SD (Sicherheitsdienst der SS) stets hinauf. Er scheint ein gutes Gespür für Menschen zu haben, die manipulierbar waren. Mehrfach fällt er unangenehm auf, aber keiner der Nazi-Bonzen zieht die Konsequenzen. Höttl wird eher wie eine heiße Kartoffel weitergereicht. Niemand setzt ihm Grenzen, was er weidlich ausnützt. Er intrigiert und spielt hochrangige Nazis gegeneinander aus. Auch seine Rolle in Ungarn und später am Balkan ist mehr als undurchsichtig. Als das Ende des Zweiten Weltkriegs naht, versucht er seine Schäfchen ins Trockene zu bringen. So soll er unter anderem das Vermögen in Ungarn ermordeter Juden im sogenannten „Goldzug“ an sich gebracht haben.

Höttl wird zwar von den Amerikanern verhaftet, kann aber aus einem Mix aus Chuzpe und Manipulation statt als Beschuldigter als Zeuge im Nürnberger Kriegsverbrecherprozess auftreten. Er deutet einige Geheimnisse an und statt zu hängen, tritt er in den Dienst des amerikanischen Geheimdienstes CIC. Später wird man sich von ihm trennen, denn seine Berichte sind zum größten Teil erlogen.

Ja, sein Umgang mit der Wahrheit ist schon seit je her ein ganz eigenes. Höttl biegt sie sich so zurecht, wie es ihm gerade in den Kram passt. Aussagen von anderen gibt er skrupellos als eine eigene Wahrnehmung aus.

Eine durchaus spannende Geschichte ist, dass er in den 1950er Jahren eine Privatschule gründet und dort (heute) Prominente wie die Rennfahrer Jochen Rindt, Niki Lauda, Helmut Marko, den Schauspieler Klaus Maria Brandauer oder André Heller zu seinen Schülern zählte. Heller, dessen Familie jüdischer Herkunft war, hatte unter ihm zu leiden.

Sein Netzwerk aus SD-Zeiten beschützte ihn bis zu seinem Tod.

Meine Meinung:

Martin Haidinger geht akribisch seit Jahren den Spuren des Wilhelm Höttl nach, vergräbt sich in Akten und Dokumente, die erst seit kurzem zugänglich sind. Dennoch scheint die Person Wilhelm Höttl in ihrem Facettenreichtum nicht fassbar zu sein. Höttl wirkt auch mich wie eine Amöbe - schwammig, glatt, nicht fassbar, weil er ständig seine Gestalt verändert.

Kann es wirklich sein, dass er die amerikanischen Geheimdienste derart an der Nase herumgeführt hat? Oder waren die Amerikaner sosehr mit ihrer eigenen Paranoia den Russen gegenüber so beschäftigt, dass man (wieder einmal) die Laus im eigenen Pelz übersehen hat? Dem widersprechen einige Aussagen von CIA-Mitarbeitern, die Höttl als „geborenen Intriganten und bis in die Wolle gefärbten österreichischen Nazi mit einer Tünche von Wienerischen Graziosität“ (S. 145) bezeichnen.

„Es fällt nicht leicht, durch den Wust an Aussagen und Behauptungen die wahre Figur Willis [Höttls] herauszukristallisieren, aber eine schemenhafte Gestalt erkennen wir dennoch: So groß, dass er den Nazi-Putsch in UNgarn um ein halbes Jahr hätte verzögern können, war er definitiv nicht, aber als bloßes Rädchen im Getriebe der Maschinerie von SS und SD konnte man ihn auch nicht gerade bezeichnen.“ (S.118)

Als der Autor rund um das Jahr 2001 ein paar alte Zeitgenossen Höttls auf ihn ansprach, war die Antwort immer gleich: „Nein, den kenne ich nicht.“ Obwohl Dokumente etwas ganz anders beweisen.

Der Schreibstil des Autors ist ausgezeichnet. Manchmal muss er zu sarkastischen Anmerkungen greifen, um die Präpotenz von Höttl und die Ignoranz der Behörden (Österreichs und/oder der USA) überhaupt auszuhalten. Allerdings darf man die Entscheidungen von damals nicht mit dem Wissen von heute betrachten. Dass es auch bei den Amerikanern Leute gegeben hat, die die Untersuchungen und die Entnazifizierung nicht mit dem nötigen Ernst vorgenommen haben ist ja erweisen.

Das Cover passt ausgezeichnet zum Inhalt: Es dem braunen Aktendeckel eines Dossiers nachempfunden.

Würde dieses Buch als „Spionage-Roman“ deklariert werden, so würde es als unglaubwürdig, übertrieben und unrealistisch beschrieben werden. Doch wir wissen, schreibt das echte Leben die skurrilsten Geschichten.

Fazit:

Wer sich mit umstrittenen Personen der Nazi-Zeit und danach beschäftigen will, kommt an diesem Buch nicht vorbei. Gerne gebe ich hier 5 Sterne.

Veröffentlicht am 03.11.2019

Ein bissiges BUch - eine Leseempfehlung

Wir Staatskünstler
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Österreichs Kabarettisten hatten es in den letzten Jahren schwer. Kaum war ein Programm fertig geschrieben, so landete es im Mistkübel, weil die Wirklichkeit viel skurriler war, als es sich die Komödianten ...

Österreichs Kabarettisten hatten es in den letzten Jahren schwer. Kaum war ein Programm fertig geschrieben, so landete es im Mistkübel, weil die Wirklichkeit viel skurriler war, als es sich die Komödianten sich das je vorstellen konnten.

Die legendäre Frage eines Walter Meischbergers „Wo war mei Leistung?“ hat Eingang in den Sprachgebrauch des Alltags gefunden.

Die Frage nach der Leistung braucht man den drei Staatskünstlern Thomas Maurer, Robert Palfrader und Florian Scheuba nicht stellen, denn eine Auswahl aus den krausen Wortspenden österreichischer Politiker jeglicher Couleur ist Arbeit und Leistung genug.

Zu Beginn wird also der Werdegang der Staatskünstler erzählt. Der erste Auftritt im Jänner 2011 dieses Trios fand nicht auf einer Theaterbühne statt, sondern im AudiMax der Uni Wien statt. Niemand geringerer als der Verfassungsrechtler und damalige Dekan der Rechtswissenschaften Heinz Mayer war der Gastgeber. Niemand konnte ahnen, welchen Anklang das Trio mit seinen Parodien finden würde. Ein großer Teil des Erfolges gebührt auch Florian Klenk, dem investigativen Journalisten der Zeitschrift „Falter“, der die Idee hatte, Auszüge aus dem den Protokollen des BUWOG-Prozesses öffentlich zu machen.

Anschließend gibt es ein „Best of“ und es werden u.a. Alt-Bundeskanzler Sebastian Kurz, Frank Stronach, die FPÖ-Truppe oder das marode Bundesheer aufs Korn genommen. Herrlich auch, die Parodien, deren Titel Fernsehsendungen nachempfunden sind wie „Liebesgeschichten und Alltagssachen“: Einmal mit „Michi und Mary“ und ein anderes Mal „Ali und Maria“.

Die Staatskünstler machen sich auf die „Wahrheit von KHG“, der Pröll’schen Privatstiftung und besuchen „Die Ideenschmiede“.

Tja, dieses Buch ist das Resümee aus zahlreichen Auftritten seit 2011. Dass den Staatskünstlern die Themen und Pointen ausgehen könnten, ist nicht wahrscheinlich.

Fazit:

Bissige Satire, die vor nichts zurückschreckt, dem (Polit)Volk auf‘s Maul schaut und häufig ihre Programme umschreiben muss, weil sie von der Wirklichkeit überholt wird. Gerne gebe ich hier 5 STerne.

Veröffentlicht am 03.11.2019

"Es irrt der Mensch, so lang er strebt"

Der Lehrmeister (Faustus-Serie 2)
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Der zweite Band rund um Dr. Johann Georg Faustus geht ähnlich spannend, opulent und mystisch wie der erste Teil „Der Spielmann“ weiter.

Inzwischen sind 6 Jahre vergangen, Margarethe auf dem Scheiterhaufen ...

Der zweite Band rund um Dr. Johann Georg Faustus geht ähnlich spannend, opulent und mystisch wie der erste Teil „Der Spielmann“ weiter.

Inzwischen sind 6 Jahre vergangen, Margarethe auf dem Scheiterhaufen verbrannt und Dr. Faustus zieht mit Karl Wagner und Greta als Astrologe, Quacksalber und Gaukler durch die Lande. Immer gefolgt von seinen eigenen Dämonen, seinem ehemalige Lehrmeister Tonio del Moravia und den Schergen des Papstes. Doch nicht nur Papst Leo will den Doktor in seine Gewalt bringen, sondern auch König Franz I. von Frankreich und die Habsburger, die nach dem Tod von Kaiser Maximilian akuten Geldbedarf für die Wahl des nächsten Kaisers haben.
Warum? Weil sich hartnäckig das Gerücht hält, Faustus hätte das geheime Wissen, Gold zu machen. Und dafür gehen Herrscher über Leichen.

Meine Meinung:

Autor Oliver Pötzsch hat mich mit diesem zweiten Teil wieder gefesselt. Als erklärter Faust-Fan bin ich sofort wieder in die Geschichte hinein gekippt. Die opulente Beschreibung der damaligen Lebensumstände lassen sofort ein buntes Bild, ähnlich dem der Laterna Magica erscheinen (auch wenn die nur schwarz/weiß war).

Gut gefällt mir, dass die Geschichte wie ein Theaterstück in mehrere Akte unterteilt ist.

Die Charaktere sind wie immer fein herausgearbeitet. Vor allem Faustus ist nach wie vor ein rastlos Suchender. Diesmal ist es das Heilmittel gegen sein Krankheit. Auf dieser Suche legen sie tausende von Meilen zurück, was auf der beilegenden Karte gut dargestellt ist. Allein dafür gebührt den Reisenden meine Hochachtung! Solange sie noch in ihrem Wagen unterwegs sind, sind sie ja noch vor den Unbillen des Wetters geschützt. Aber später, auf Maultier oder überhaupt zu Fuß - das kann man sich als Mensch des 20. bzw. 21. Jahrhundert gar nicht ausmalen, wie beschwerlich das Reisen damals war.

Deutlich kommt heraus, dass das einmalige Verbergen bzw. Verbiegen der Wahrheit immer weitere Lügen hervorruft. Der geneigte Leser weiß natürlich, dass Greta Faustus‘ Tochter ist. Doch der braucht eine gefühlte Ewigkeit, bis er ihr, im Fieberwahn, die Wahrheit enthüllt.

Klasse ist, dass wir Leonardo da Vinci begegnen. Wie auch überhaupt historische Tatsachen super in den Faust-Stoff integriert sind. Neben dem Universalkünstler und diversen Herrschern schweben die revolutionären Gedanken von Martin Luther über der Christenheit. Die Welt ist im Umbruch. Viele erkennen die Zeichen der Zeit nicht. Die Kirche hat die Menschen im Würgegriff. Dass der Medici-Papst Leo X. mit seiner Verschwendungssucht nicht besonders gut wegkommt, liegt auch auf der Hand. Doch bevor man die Fehler bei sich selbst sucht, schiebt man sie finsteren Mächten zu.

Gut hat mir auch das Nachwort gefallen. Tja, Goethes Faust II ist wirklich nicht einfach aufzuführen. Gelesen habe ich ihn schon. Doch das Abgleiten in das Metaphysische ist echt anstrengend. Dabei ist Johann Wolfgang von Goethe ein Kind der Aufklärung.

Der Faust-Stoff ist ja nicht erst seit Goethe ein Thema. Zuvor schon in einigen Volkssagen erwähnt, nimmt sich bereits Christopher Marlowe (1564-1593) dieser Materie an.

Dass die im Buch verwendeten Zitate, im Kapitel „Faust für Besserwisser“ mit der Angabe aus welchem Faust-Teil sie stammen, aufgezählt sind, finde ich echt klasse. So lässt sich leicht der Zusammenhang zu Goethes Werk entdecken.

Fazit:

Ein opulentes Epos, dem ich gerne eine Leseempfehlung und fünf Sterne gebe.