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Veröffentlicht am 29.01.2020

Thriller mit Einbindung aktueller Themen

Der Trip
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Der Thriller „Der Trip“ der Engländerin Fiona Barton ist der dritte Band einer Buchserie bei der die Journalistin Kate Waters von der Daily Post ihre eigenen Wege geht, um zu den Ermittlungen des Teams ...

Der Thriller „Der Trip“ der Engländerin Fiona Barton ist der dritte Band einer Buchserie bei der die Journalistin Kate Waters von der Daily Post ihre eigenen Wege geht, um zu den Ermittlungen des Teams der Kriminalpolizei, das von Detective Bob Sparks geleitet wird, beizutragen. Der vorliegende Fall handelt von zwei jungen Frauen aus Winchester, die direkt nach ihrem Schulabschluss auf einen Backpacking-Trip nach Thailand reisen.

Für Alex, die die Reise geplant hat, ist es die Verwirklichung eines großen Traums. Sie möchte die schönsten Orte des Lands sehen und erleben, sich aber auch an den weitläufigen Sandstränden in schönen Buchten erholen. Kurz vor der Reise zieht Alex‘ beste Freundin ihre Teilnahme zurück, stattdessen findet Alex in ihrer Mitschülerin Rosie eine neue Reisegefährtin. Obwohl Rosie sich von Alex‘ Plänen begeistert zeigt, möchte sie vor Ort eigene Wege gehen. Währenddessen postet Alex in den Sozialen Medien ihre Erlebnisse, bis diese eines Tages ausbleiben. Ihre Eltern wenden sich an die Polizei. Detective Bob Sparkes wird mit dem Fall beauftragt und benachrichtigt Kate Waters von der er weiß, dass ihr ältester Sohn sich vor zwei Jahren auf einen Selbstfindungstrip nach Thailand begeben hat. Die Informationen fließen nur spärlich, so dass Kate beschließt, selbst vor Ort in Asien zu recherchieren. Dass die Reise zu einer sehr persönlichen Angelegenheit werden wird, erlebt sie erst in Bangkok.

Die Erzählung beginnt im Juli 2014, nicht ganz eineinhalb Jahre nach dem Epilog des vorigen Teils „The Child“. Es wird an einigen Stellen während der aktuellen Fallermittlungen zwar auf die bisherige Zusammenarbeit von Bob Sparkes und Kate Waters hingewiesen und ein paar Details erwähnt, aber Vorkenntnisse der ersten beiden Bände sind nicht erforderlich, um den Geschehnissen mühelos folgen zu können. Wie bisher versucht Kate als Journalistin wieder, die Erste zu sein, die mit den Betroffenen der Opfer spricht und daraufhin ihre Story schreibt.

Fiona Barton erzählt aus unterschiedlichen Perspektiven in denen sie verschiedene Protagonisten in den Mittelpunkt rückt. Die Titel der Kapitel geben an, welche Person jeweils im Fokus steht. Zum ersten Mal in der Serie übernimmt dabei Kate die Ich-Perspektive. Bob als „Der Polizist“ und Lesley O’Connor, deren Tochter Alex sich den Thailandtrip gewünscht hat, als „Die Mutter“ sind weitere Hauptfiguren. Parallel dazu schiebt die Autorin Kapitel ein, die in Bangkok spielen und in denen sie die Geschichte der beiden jungen Frauen erzählt ab ihrer Ankunft in der Thailändischen Hauptstadt. Auf diese Weise erfuhr ich zunehmend mehr über die Freundschaft von Alex und Rosie zueinander, ihren Vorstellungen über ihren Aufenthalt und ihren neuen Freunden vor Ort. Der Erzählstrang gibt Hintergrundinformationen, die das Bild des Verbrechens später abrunden werden.

Die Ermittlungen von England aus, die versuchen den Fall im fernen Thailand aufzuklären, gestalten sich mühevoll, denn Bangkok zeigt seine quirlige und undurchschaubare Seite. Daneben baut Fiona Barton einige parallele Nebenschauplätze ein, deren Handlungen aber nicht zur Aufklärung des Falls beitragen und dadurch leider zu ein paar Längen führen. Nach einem ruhigen Beginn des Thrillers steigert sich die Spannung zwar zunehmend, wird aber immer wieder leicht ausgebremst durch die Einschübe der täglichen Ereignisse rund um die beiden Freundinnen. Zwar konnte ich die Sorge der beiden Elternpaare nachvollziehen, jedoch wurden mir die Figuren nicht wirklich sympathisch. Ich fand den Thriller nicht ganz so mitreißend wie die beiden vorigen Teile der Serie.

Die Autorin thematisiert die Rolle der Eltern bei der Erziehung, bei der mit zunehmendem Alter der Kinder das Vertrauen zueinander immer wichtiger wird. Auch die Rolle der Sozialen Medien und die Wirkung von öffentlichen Postings wird gezeigt, wobei sie eine wichtige Funktion im Rahmen einer Fallermittlung einnehmen können. In jedem der Fälle der vorliegenden Serie habe ich einiges über investigativen Journalismus erfahren, so auch hier. Aber diesmal konnte mir Kate als Ich-Erzählerin auch ihre Gefühle vermitteln, die sie als Journalistin an vorderster Front des Falls empfindet. Ich konnte ihren Zwiespalt spüren zwischen Mutterrolle und ihrer der Wahrheit verpflichteten Arbeit.

„Der Trip“ von Fiona Barton ist mehr als ein Thriller, der nur eine Tatermittlung beschreibt. Die Autorin versteht es, aktuelle Themen in die Ereignisse einzubinden. Auch deshalb ist das Buch lesenswert. Eltern werden ihre Ängste um ihre heranwachsenden Kinder wiedererkennen. Die Frage, ob man anders unterstützend hätte tätig werden müssen, steht im Raum und stimmt nachdenklich. Gerne empfehle ich ihn an Fans von Thrillern und Krimis weiter.

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Veröffentlicht am 24.01.2020

Starke Gefühle in schnörkelloser Sprache ausgedrückt

Eine fast perfekte Welt
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Der Roman „Eine fast perfekte Welt“ der Italienerin Milena Agus ist eine Familiengeschichte über mehrere Generationen hinweg. Ester, ihre Tochter Felicita und ihr Enkelsohn Gregorio sind die Figuren, die ...

Der Roman „Eine fast perfekte Welt“ der Italienerin Milena Agus ist eine Familiengeschichte über mehrere Generationen hinweg. Ester, ihre Tochter Felicita und ihr Enkelsohn Gregorio sind die Figuren, die im Mittelpunkt der Geschichte stehen. „Eine fast perfekte Welt“ ist es, in der sie leben und nach ihrem jeweils eigenen Traum vom Glück suchen.

Raffaele, der Verlobte von Ester, kehrt nach seinem Einsatz bei der Marine im Krieg und seiner Gefangenschaft äußerlich stark verändert in sein Dorf auf Sizilien zurück. Doch Ester hält zu ihm und als seine Frau begleitet sie ihn nach Genua, später nach Mailand, weil er dort Arbeit findet. Ihre gemeinsame Tochter Felicita freut sich über den Beschluss, zurück nach Sizilien zu ziehen. Jahre später sucht sie sich eine Wohnung in Cagliari, um ihren Sohn ohne Einmischung vom Rest der Familie zu erziehen. Felicita liebt die multikulturelle Gesellschaft und die Nähe zum Meer. Gregorio hat musikalisches Talent und die enge Wohnung seiner Mutter bietet ihm wenig Möglichkeit zum Üben. Er erhofft sich sein Glück jenseits des Ozeans in New York.

Ester nimmt ihre Mutter als unglücklich wahr. Die Arbeit ist hart und eintönig und Ester äußert sich mehrfach gegenüber ihrem Verlobten, dass sie nicht weiß, aus welchem Grund man in dem kleinen Ort auf Sizilien leben sollte. Doch als sie in Genua lebt, erkennt sie, dass auch hier wieder etwas zu ihrem persönlichen Glück fehlt. Milena Agus zeigt in ihrem Roman, dass Zufriedenheit schwierig zu erreichen ist. Immer neue Erwartungen und Vorstellungen von einem noch perfekteren Ort finden wir dort, wo wir mit neuen Eindrücken konfrontiert werden. Im Hintergrund steht die Frage, woran wir unser Glück messen können und wie weit wir bereit sind zu gehen, um unsere Selbstverwirklichung umzusetzen.

Die Autorin nennt keine Jahreszahlen, doch die zeitliche Einordnung kann anhand des Alters der Charaktere erfolgen. Die Kapitel des Romans sind meist ziemlich kurz. Manchmal hätte ich mir gewünscht, mehr über einen einzelnen Charakter zu erfahren. Die Figuren sind interessant gestaltet, doch ich empfand es als eher unrealistisch, dass mehrfach kindliche Einzelgänger einen bei Gleichaltrigen angesehenen besten Freund haben, von dem sie in Schutz genommen werden, weil das leider relativ selten anzutreffen ist.

Der Grundton des Romans ist melancholisch, die Schicksale sind bewegend. Die Autorin verdeutlicht unterschiedliche Meinungen und zeigt, dass das Handeln einer Person, die von ihrem Tun überzeugt ist, von einer anderen als Fehler angesehen werden kann.

Milena Agus widmet sich der großen Frage unseres Lebens danach, wer wir sein wollen. Sie schafft es, mit einer schlichten Sprache starke Gefühle auszudrücken. „Eine fast perfekte Welt“ bringt zum Ausdruck, dass unser Glück so vielseitig sein kann, dass es sich für jeden auf eine andere Weise ausdrückt und daher auch auf unterschiedlichste Arten erreicht werden kann. Der Roman lässt Raum zum Hoffen und Träumen, ich empfehle ihn gerne weiter.

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Veröffentlicht am 10.01.2020

Zeigt, wie nah Liebe und Verlust, Trauer und Lebensfreude beieinander liegen

Unter den hundertjährigen Linden
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In ihrem zweiten Roman „Unter den hundertjährigen Linden“ lässt die Französin Valérie Perrin die fiktive Protagonistin Violette Toussaint von ihrem Leben erzählen. Im Vergleich zu ihrem Debüt ist auffällig, ...

In ihrem zweiten Roman „Unter den hundertjährigen Linden“ lässt die Französin Valérie Perrin die fiktive Protagonistin Violette Toussaint von ihrem Leben erzählen. Im Vergleich zu ihrem Debüt ist auffällig, dass ebenfalls eine Frau mit Koffer auf dem Cover zu sehen ist, doch die beiden Geschichten sind gänzlich verschieden und so hat auch die Umschlaggestaltung eine andere Bedeutung und steht hier für den Neuanfang, den die Protagonistin nach einem Schicksalsschlag wagt.

Violette ist seit etwa 20 Jahren Friedhofswärterin in dem kleinen Ort Brancion-en-Chalon in der Region Bourgogne-France-Comté und liebt ihre Tätigkeit auf dem Friedhof, der beschattet wird von den an den Wegen stehenden hundertjährigen Linden. Ich hatte zu Beginn des Romans den Eindruck, dass sie mit ihrem Leben zufrieden ist. Doch bereits auf den ersten Seiten deutet Violette an, dass es eine Zeit in ihrem Leben gab, in der sie sehr unglücklich war, was bei mir die Frage nach dem Grund dafür aufwarf. Aufgewachsen ist sie bei Pflegefamilien und im Heim. Später hatte sie gemeinsam mit ihrem Ehemann jahrelang eine Stelle als Schrankenwärterin in der Region Grand Est inne. Die Tätigkeit als Friedhofswärterin hat sie von ihrem verschwundenen Mann Philippe Toussaint übernommen. Durch die Erwähnung des Weggangs von Philippe wurde meine Neugier darauf geweckt zu erfahren, warum und wohin er gegangen ist und ob er überhaupt noch lebt.

Eines Tages erscheint ein Kommissar aus Marseille bei Violette. Aber Julien Seuls Anliegen ist es nicht, eine Straftat aufzuklären, sondern die Asche seiner Mutter im Grab ihres Geliebten, den Julien nicht kennt, beizusetzen. Im Tagebuch seiner Mutter erfährt er von ihrer Liebe.

Valérie Perrin versteht es auch in ihrem zweiten Roman leise Töne anzuschlagen und dabei Lebensgeschichten berührend zu erzählen. Violette, die in ihrer Kindheit die Liebe ihrer Eltern vermisst hat, bindet sich schon früh an Philippe. Um die Beziehung aufrecht zu erhalten ist sie bereit, seine Eigenheiten zu akzeptieren. Er scheut vor Arbeit zurück, lieber tourt er stunden- und tagelang mit seinem Motorrad. Für Violette ist es wichtig, ein Zuhause zu haben. Sie liebt Lesen und gute Musik. Nach einem Schicksalsschlag verändert sie sich. Statt ihre Wut zuzulassen, beginnt sie Fragen zu stellen und begibt sich auf neue Wege. Als Friedhofswärterin erscheint sie als Frau mit zwei Gesichtern. Nach außen hin ist sie ihrem Beruf verpflichtet diskret, distanziert und dunkel gekleidet, doch wenn sie im Haus allein ist, genießt sie helle Farben und das Licht. Sie beeindruckte mich als Leser mit ihrem Wissen über die Verstorbenen auf „ihrem“ Friedhof und vielen Bewohnern des Orts.

Nur zögerlich erzählt Valérie ihr Leben im Rückblick, denn sie hat die Vergangenheit ruhen lassen. Aber durch die Begegnung mit Julien wird ihr bewusst, dass sie immer noch verheiratet ist und zunehmend kommen die Erinnerungen zurück. Das Tagebuch von Juliens Mutter gibt den Anstoß zur Erzählung einer langen weiteren Geschichte, die die Autorin in den Roman einflechtet. Sie konnte mich aber nicht näher ergreifen, vielleicht weil sie mich immer wieder von den Geschehnissen rund um Valérie wegführte und es dadurch zu Längen kommt.

In ihrem Roman „Unter den hundertjährigen Linden“ schreibt Valérie Perrin über Liebe und Trauer, Verlust und Lebensfreude und zeigt auf, wie nah diese im Leben beieinanderliegen. Ihre Protagonistin Violette hat einige schwere Zeiten auf ihre eigene Art und Weise gemeistert und sich einen für sie passenden Rahmen gesucht in dem sie glücklich ist. Gerne empfehle ich das Buch an Leser weiter, die eine Hoffnung im Herzen auf schöne Zeiten mit sich tragen.

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Veröffentlicht am 07.01.2020

Welchen Preis sind wir bereit für einen Arbeitsplatz zu zahlen?

Der Store
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Rob Hart nahm mich in seinem Roman „Der Store“ mit in eine nicht allzu weit entfernte Zukunft. Die Geschichte nimmt die drei Protagonisten Gibson, Paxton und Zinnia in den Mittelpunkt. Gibson Wells ist ...

Rob Hart nahm mich in seinem Roman „Der Store“ mit in eine nicht allzu weit entfernte Zukunft. Die Geschichte nimmt die drei Protagonisten Gibson, Paxton und Zinnia in den Mittelpunkt. Gibson Wells ist der reichste Mensch Amerikas, er hat vor einigen Jahren ein Unternehmen für elektronischen Einzelhandel und Cloud-Computing, „Cloud“ genannt, gegründet. Mittels Drohnenlieferung hat er das Verkehrsproblem gelöst hat und sich dadurch in eine entscheidende Vorrangstellung am Markt bringen können. Das Unternehmen ist zunehmend gewachsen. Die Niederlassungen, oft angesiedelt in verlassenen Städten, verfügen über eigenen Wohnraum für die Arbeitnehmer und über Möglichkeiten, seine Freizeit zu gestalten. Das Jobangebot ist umfangreich, doch wer hier beschäftigt ist, muss sich an die vorgeschriebenen Regeln halten und wird einem ständigen Bewertungssystem unterworfen. Wer sich nicht konform verhält, wird gekündigt.

Paxton und Zinnia lernen sich bei einem Einstellungstest kennen. Sie haben sich aus ganz unterschiedlichen Gründen beworben. Ein Arbeitsplatz wird ihnen vom System aufgrund ihrer Fähigkeiten und Kenntnisse zugeordnet, so dass Paxton bei der Security Beschäftigung findet und Zinnia als Packerin. Doch eigentlich ist Zinnia aus einem ganz anderen Grund hier. Sehr detailliert beschreibt der Autor das Bewerbungsverfahren, die Aufnahme der neuen Arbeitnehmer, die Unterbringung, die Arbeitsaufgaben und die kurze Freizeit. Bis auf wenige Ausnahmen ist jeder Tag ein Arbeitstag.

Gibsons Perspektive werden von Rob Hart als Blogeinträge dargestellt, so dass Gibson in der Ich-Form erzählt. Er findet, dass er Großes geleistet hat und ist sehr stolz darauf. Angeblich nimmt er Kritik sehr ernst, weiß aber auch jegliche Einwände von anderen gleich zu beschwichtigen. Erstaunt war ich über einige seiner Ansichten wie beispielsweise, dass die Sicherheit eines Arbeitsplatzes zur Nachlässigkeit der Arbeitnehmer führt. Steht sein Ruf auf dem Prüfstand, ist es für ihn meist nur eine Frage des Geldes, um politisch hoch zu greifen und sich im Anschein der wirtschaftlichen Entwicklung weitere Vorteile für sein Unternehmen zu sichern. Vor allem diese Kapitel des Buchs brachten mich zum Nachdenken und sicher haben die heutigen Globalplayer durchaus das Potential sich ähnlich wie „Cloud“ zu entwickeln.

Zinnia und Gibson verabreden sich in ihrer Freizeit und kommen sich langsam näher. Beide haben in der abgeschlossenen Umgebung des Unternehmens, das einen eigenen Kosmos bildet, ihre persönlichen Probleme, die auch bei einem so durchdachten System wie „Cloud“ es sein möchte, nicht verhinderte werden können. Durch ihre eigene Arbeit und im Gespräch mit Kollegen werden sie auf immer mehr Nachteile ihrer Zugehörigkeit zum Unternehmen „Cloud“ aufmerksam. Durch die unterschiedlichen Perspektiven der drei Protagonisten setzt Rob Hart bewusst die Sicht der Arbeitnehmer beispielhaft der des Arbeitgebers gegenüber.

Das Geheimnis von Zinnia und die Krankheit von Gibson bauen zu Beginn des Romans Spannung auf, die durch die Alltagsroutine leicht verloren geht, dann aber durch eine Entwicklung nochmal ansteigt. Eine unerwartete Wendung zum Ende hin konnte mich überraschen, doch der Schluss wirkt unentschlossen und lässt einiges offen. Lesenswert ist der Roman auf jeden Fall, vor allem, weil er sich damit auseinandersetzt und bewusst macht, welchen Preis wir bereit sind für einen Arbeitsplatz zu zahlen und welche Macht ein Unternehmen durch seine Vorrangstellung erhalten kann, daher empfehle ich das Buch gerne weiter.

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Veröffentlicht am 17.12.2019

Beitrag der Frauen zur Veröffentlichung eines Buchs mit brisantem Inhalt

Alles, was wir sind
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„Alles, was wir sind“ ist der Debütroman der US-Amerikanerin Lara Prescott. Die Idee zu diesem Buch hatte sie aufgrund ihres Vornamens, denn sie wurde nach Lara, der weiblichen Protagonistin des Romans ...

„Alles, was wir sind“ ist der Debütroman der US-Amerikanerin Lara Prescott. Die Idee zu diesem Buch hatte sie aufgrund ihres Vornamens, denn sie wurde nach Lara, der weiblichen Protagonistin des Romans „Doktor Schiwago“ von Boris Pasternak, benannt. Ihre Geschichte unterteilt sie in zwei Handlungsstränge, die sie zusammenführt und die beide in den 1950er Jahren spielen.

Einerseits hat Lara Prescott die Entstehungsgeschichte des Romans „Doktor Schiwago“ recherchiert und gibt sie in den Kapiteln wieder, die in der Sowjetunion spielen und mit „Osten“ übertitelt sind. Boris Pasternaks Buch durfte dort aufgrund der kritischen Darstellung der politischen Verhältnisse während der Oktoberrevolution nicht erscheinen. Dabei hebt die Autorin die große Bedeutung von Olga Iwinskaja hervor, die als Geliebte des verheirateten Autors und ihren Einsatz zur Entstehung und Veröffentlichung des Buchs im Gefängnis und in Lagerhaft war, weil sie ihren Liebhaber und sein Werk nicht verleumdet hat. Sie gilt als das Vorbild für die Frauenfigur Lara in Pasternaks Roman.

Andererseits schildert die Autorin die Bemühungen des CIA um an ein Buch zu gelangen, weil sie großes Interesse daran haben, eine russische Übersetzung in die Sowjetunion einzuschleusen. Dadurch verspricht sich der Auslandgeheimdienst eine Möglichkeit, den Widerstand der Sowjetbürger gegen das Regime zu wecken. Im Fokus der Kapitel, die in den USA und dem westlichen Europa spielen und anhand des Übertitels „Westen“ leicht einzuordnen sind, stehen die Stenotypistinnen der Agentur zu der auch Irina Drosdowa zählt. Ihre Eltern stammen aus der Sowjetunion. Bald schon werden ihre Vorgesetzten auf Irina aufmerksam und sie wird neben ihrer Tätigkeit als Schreibkraft dazu ausgebildet, Informationen zu transportieren, unter anderem auch zur Beschaffung des brisanten Romans. Einen Teil ihrer Ausbildung übernimmt die Agentin Sally zu der sie eine ungeahnt tiefe Freundschaft entwickelt.

Das Besondere an Lara Prescotts Erzählung ist die Fokussierung auf weibliche Charaktere in einer von Männern geleiteten Welt. Während sie die Lebensgeschichte von Olga und ihr Mitwirken an der Veröffentlichung des Schiwago-Buchs einfühlsam und bewegend schildert, spürt man ihre Begeisterung für die Stenotypistinnen des CIA und ihrer Arbeit. Zwar nehmen sie meist keine bedeutende Rolle im Ranggefüge des Geheimdienstes ein, doch die Autorin verweist auf deren sehr gute Ausbildung, oft haben sie sogar wie im Fall von Irina ein Studium abgeschlossen. Doch dem damaligen Frauenbild entsprechend beendeten sie ihre Tätigkeit meist nach ihrer Hochzeit.

Der Autorin macht es Freude die Stärke der Frauen zu zeigen und nutzt dazu die Beispiele von Irina und Olga. Dabei fragte ich mich, ob die Vorgesetzten und auch Boris sich im vollen Maß bewusst waren, welche tragenden Rollen die Frauen spielten. Die sich verändernden Überschriften der Kapitel zeigen an, wie wandlungsfähig die Protagonistinnen sind und wie sie sich weiterentwickeln.

Olgas Liebe ohne Wenn und Aber war für mich schwierig nachzuvollziehen, beruht aber auf der Realität. Interessant fand ich die Beschreibung des literarischen Umfelds in der Sowjetunion, das verbunden war mit Begünstigungen für die Schriftsteller, die regimekonform schrieben, genauso schnell aber bei falschen Worten denunziert werden konnten. Lara Prescott deutet nur an, warum Boris Pasternaks Werk für Empörung in seiner Heimat gesorgt hat, hierzu hätte ich gerne mehr erfahren.

Die Thematik des Romans „Alles, was wir sind“ fand ich interessant. Lara Prescott ist es gelungen, zwei Handlungsstränge auf einzigartige Weise zu verknüpfen und eine Geschichte zu erzählen, die von damals nicht absehbarer Bedeutung für Politik und Literatur wurde. Gerne empfehle ich das Buch weiter.

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