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Venatrix

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Meinungen aus der Lesejury

Veröffentlicht am 12.01.2020

Norwegen unter dem Hakenkreuz

Schicksalstage am Fjord
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Schauplatz: Norwegen 1942-1945. Deutsche Truppen haben Norwegen besetzt und üben den üblichen Terror aus. Kommunisten, Sozialisten, Juden und andere Regimegegner werden unerbittlich verfolgt.
So auch der ...

Schauplatz: Norwegen 1942-1945. Deutsche Truppen haben Norwegen besetzt und üben den üblichen Terror aus. Kommunisten, Sozialisten, Juden und andere Regimegegner werden unerbittlich verfolgt.
So auch der Vater von Ingrid, der Hauptfigur dieses Romans, der als Kommunist bereits im Gefängnis war und weiter unter Beobachtung steht. Viele Norweger engagieren sich mehr oder weniger aktiv im Widerstand. Selbst Gespräche mit echten oder vermeintlichen Kollaborateuren oder einfach Norwegern, die für die Besatzer arbeiten sind tabu.

Ingrid gerät gleich mehrfach in die Zwickmühle, weil sie sich erstens trotz Verbots seitens ihrer Familie mit Solveig abgibt, die für die Deutschen arbeitet und zweitens, weil sie sich in einen deutschen Marinesoldaten verliebt.

Die Rachsucht ihrer Schwester und ihres Bruders Ingrid gegenüber, als sie ein Kind vom „Feind“ erwartet ist furchtbar. Besonders grausam ist, dass sogar die kleinen Neffen indoktriniert werden und in der Cousine einen Feind sehen, der nicht einmal die Bauklötze angreifen darf.

Ingrids Mutter und ausgerechnet Ingrids Schwager Einar, der von der Gestapo verhaftet und in einem KZ gefangen gehalten worden ist, sind um Ausgleich, Verständnis und Sachlichkeit bemüht, kommen aber gegen den Hass der anderen Familienmitglieder nicht an.

Meine Meinung:

Ein zutiefst emotionaler historischer Roman, der die Unversöhnlichkeit mancher Menschen offenbart.

Der Schreibstil ist bildhaft und sehr gut zu lesen. Das Buch hat mich gefangengenommen und mich tief in diese Zeit eintauchen lassen. Teile der Geschichte sind Sofie Bergs eigener Familiengeschichte entnommen.

Sofie Berg hat starke Charaktere geschaffen. Die Zerrissenheit, die Verzweiflung von Ingrid lässt sich hautnah nachvollziehen.

Das Ende, das ich hier nicht verraten werden, kommt dann ein wenig abrupt mit einem Cliffhanger, der auf eine Fortsetzung hoffen lässt.

Fazit:

Für diesen historischen Roman gebe ich gerne 5 Sterne.

Veröffentlicht am 12.01.2020

Eintauchen in das Viktorianische London

Mord ist eine harte Lehre
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Dieser neue Fall führt Inspector Ben Ross aus dem nebeligen London u.a. nach Yorkshire. Ein junges Mädchen wird im Abfalltrichter eines Londoner Pubs tot aufgefunden. Ungewöhnlich an der Leiche sind ihre ...

Dieser neue Fall führt Inspector Ben Ross aus dem nebeligen London u.a. nach Yorkshire. Ein junges Mädchen wird im Abfalltrichter eines Londoner Pubs tot aufgefunden. Ungewöhnlich an der Leiche sind ihre teuren Stiefel und das Fehlen einer warmen Überkleidung sowie die gepflegten Hände.

Schnell ist klar, dass der Fundort nicht der Tatort ist und die Tote keines der leichten Mädchen, die die Straßen von London bevölkern. Doch vorerst scheint niemand die junge Frau zu vermissen. Die einzige Spur sind die Stiefel. Da Bens Vorgesetzte Dunn krankheitshalber das Bett hüten muss, gibt sich Ross eine Dienstaufträge selbst.

Gleichzeitig bemerkt Ruby, eine alte Dame, dass im Haus gegenüber etwas Geheimnisvolles vor sich geht: Eine junge Frau scheint gefangen gehalten zu werden, das sie niemals das Haus verlässt. Da BEn Ross mit dem Mord vollauf beschäftigt ist und in dieser Sache keinen Handlungsbedarf nach dem Gesetz sieht, nimmt sich seine Frau Lizzie Martin dieses Falles an und entdeckt ganz etwas anderes.

Meine Meinung:

Auch dieser Fall ist gut gelungen, denn er stellt die Zwänge der Londoner Gesellschaft um 1870 plakativ dar. Eine Lady (oder zumindest eine wohl erzogene Frau) tut dies oder das nicht. Lizzie setzt sich wie schon öfters über alles Konventionen hinweg. Ihre Neugier und der Drang zu helfen, bringen sie zwar manchmal in die Bredouille.

In diesem Krimi kann Lizzie Martin ihre soziale Ader und ihre vom Vater erlernte medizinische Kompetenz beweisen.

Schmunzeln musste ich über die Sinneswandlung von Chiefinspector Dunn. Dass die, der von Mrs. Dunn verordneten Medizin, nämlich dem opiumhältigen Laudanum geschuldet ist, hat doch recht erheitert.

Gut gefällt mir, dass mit Dr. Mackay ein neuer Charakter eingeführt worden ist. Der Arzt hält viel von den neuen Methoden zur Überführung von Tätern an Hand von Beweisen anstatt von herausgeprügelten Geständnissen. So untersucht er mögliche Tatorte und Tatwaffen auf Blutspuren. Die Feststellung der Blutgruppen und die Zuordnung zu Täter oder Opfer, wird noch ein wenig dauern. Der österreichische Arzt und Forscher Karl Landsteiner wird erst 1900 die spezifischen Blutgruppenmerkmale A, B und 0 entdecken.

Fazit:

Wieder ein fesselnder Krimi aus dem Viktorianischen London, dem ich gerne 5 Sterne gebe.

Veröffentlicht am 12.01.2020

Eine Hommage an einen Unbequemen

Vaclav Havel
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Václav Havel (1936-2011) war eine schillernde und vielgestaltige Persönlichkeit. Er war Schriftsteller und Dramatiker mit Publikationsverbot, Dissident und nach der „Samtenen Revolution“ von 1989 auch ...

Václav Havel (1936-2011) war eine schillernde und vielgestaltige Persönlichkeit. Er war Schriftsteller und Dramatiker mit Publikationsverbot, Dissident und nach der „Samtenen Revolution“ von 1989 auch ein gefeierter Staatsmann.

Auf Grund seiner Herkunft aus einer großbürgerlichen Familie, die 1948 nach dem kommunistischen Umsturz enteignet wurde, durfte er - wie viele andere, aus solchen Verhältnissen - keine weiterführende Schule besuchen. Das machte ihm zeitlebens zu schaffen. Die diversen Ehrendoktorwürden nahm er nur ungern an, weil er sich dafür nicht gebildet genug fühlte.

Während des „Prager Frühlings“ war er Vorsitzender des „Klubs unabhängiger Schriftsteller“ und Unterstützer von Alexander Dubčeks Reformkurs.

Interessant, dass Havel erst 1977, wegen der von ihm initiierten „Charta 77“ ins Gefängnis musste.

Nach 1989 wurde er, fast schon wider Willen, Staatspräsident der Tschechoslowakei. Dieses Amt hatte er gleich dreimal inne. Unter seiner Regierung erfolgte - im Angesicht der blutigen Auflösung von Jugoslawien - die friedliche Trennung in Tschechien und Slowakei.

Ohnehin nicht mit besonders robuster Gesundheit ausgestattet und durch die jahrelangen Gefängnisaufenthalte sowie durch das Kettenrauchen geschädigt, stirbt Václav Havel am 18.12.2011 an Lungenkrebs.

"Havel war ein unangenehmes Spiegelbild für seine Landsleute" (Jiri Pehe)

Meine Meinung:

Als Österreicherin bin ich natürlich mit einem ambivalenten Verhältnis zur Tschechoslowakei aufgewachsen. Nicht immer habe ich die Geschehnisse im Nachbarstaat verfolgt, doch der „Prager Frühling“ 1968 und die „Samtene Revolution“ 1989 sind mir als Meilensteine in Erinnerung. Diese Biografie hat mir Details offenbart, die ich so nicht gewusst habe. Ich war z.B. immer der Meinung, dass Havel wegen seiner Haltung zum „Prager Frühling“ im Gefängnis war.

Biograf und Schriftsteller Michael Žantovský war lange Jahre als Diplomat an der Seite Havels. Er kennt Vàclav Havel genau. Sehr spannend finde ich die Zusammenstellung seines ersten Regierungsteams, das hauptsächlich aus (oft langhaarigen) Intellektuellen und weniger aus Politikern oder Diplomaten bestanden hat. Mit Karl Schwarzenberg holt er sich einen Vollblutdiplomaten und Politiker als Stabschef und Außenminister in sein Team, der in über verschiedene Hürden auf dem glatten Parkett der Politik begleitet (und fallweise auch rettet). Schmunzeln musste ich über die Passage, in der Havel & Co. eine Audienz bei Queen Elizabeth, aber keine adäquate Kleidung hatten. Schwarzenberg ließ die Delegation auf seine eigene Kosten in der Savile Row neu einkleiden.

Žantovskýs Biografie zeigt uns einen Mann, der bei aller Verletzlichkeit mit bewundernswertem Mut für Freiheit und Wahrhaftigkeit eintreten ist. Er schildert die faszinierende Geschichte eines verspielten Dramatikers, der die totalitären Verhältnisse seines Landes zum Einsturz bringt.

Die Biografie lässt sich sehr gut lesen. Manchmal sind die vielen Details ein wenig zu üppig und die Auszüge aus Briefen oder Theaterstücken für meinen Geschmack zu lange.

Ein bisschen mehr hätte ich gerne über den schwierigen Prozess der Restitution an die ehemals (oft mehrfach) enteigneten Familien gelesen.

Fazit:

Für diese umfassende Biografie eines großen Schriftstellers, Dissidenten und Politikers, gebe ich gerne 5 Sterne.

Veröffentlicht am 12.01.2020

Ein Cold Case für Philippe Lagarde

Der Kommissar und die Tote von Saint-Georges
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In seinem elften Fall bekommt es Philippe Lagarde mit einem „Cold Case“ zu tun. Die junge Claire Lamar ist vor vier Jahren ermordet worden und der Täter wurde nicht gefunden. Claires Eltern ersuchen Lagarde, ...

In seinem elften Fall bekommt es Philippe Lagarde mit einem „Cold Case“ zu tun. Die junge Claire Lamar ist vor vier Jahren ermordet worden und der Täter wurde nicht gefunden. Claires Eltern ersuchen Lagarde, die Ermittlungen wieder aufzunehmen. Da sie beste Beziehungen in die hohe Politik haben, wird der ehemalige Sonderermittler auch wirklich mit dem Fall betraut. Er holt dazu zwei seiner ehemalige Kollegen und Valerie, die kompetente Gendarmin in sein Team. Die vier sind entsetzt, welche Ermittlungspannen auf Grund diverser Streitigkeiten wegen der Zuständigkeiten passiert sind.
Typisch für Lagarde und sein Team ist, dass sie auch unkonventionelle Ermittlungsansätze zulassen. Recht bald ist klar, dass Claire nicht das einzige Opfer des Täter ist. Eine Frau hat später Selbstmord begangen und eine lebt in einer Anstalt.
Akribisch arbeiten sie die teilweise lückenhaften Akten durch und befragen Zeugen von damals.

Meine Meinung:

Auch diesmal wieder ein fesselnder Fall, den Philippe Lagarde und seine Truppe bravourös lösen. Wer Maria Dries und ihren Kommissar Lagarde bereits kennt, weiß, dass kein Täter unentdeckt bleibt.

Obwohl Lagarde bereits zum 11. Mal ermittelt, ist die Reihe nicht langweilig. Manchmal ist ein Plot ein wenig spannender als ein anderer. Diesmal kann der Krimi durch seine penibel arbeitenden Ermittler wieder volle punkten. Inzwischen gibt es ja überall „Cold Case“-Spezialisten, die sich in regelmäßigen Abständen diese ungeklärten Fälle ansehen. Oft genug wird dann doch noch der Täter gefasst.

Fazit:

Philippe Lagarde und sein Team lösen auch 4 Jahre alte Mordfälle mit ihren oft unkonventionellen Methoden bravourös. Daher diesmal 5 Sterne.

Veröffentlicht am 06.01.2020

EIn anderer Blick auf Afrika - von Angola bis Uganda

Der lachende Kontinent
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„Für viele ist Afrika der Kontinent der gefährlichen Tiere und noch gefährlicheren Menschen. Es ist ein Bild, das in vielen Menschen gerne transportiert wird, weil es den Erwartungen entspricht. Was wäre ...

„Für viele ist Afrika der Kontinent der gefährlichen Tiere und noch gefährlicheren Menschen. Es ist ein Bild, das in vielen Menschen gerne transportiert wird, weil es den Erwartungen entspricht. Was wäre aber, wenn Afrika sehr oft ganz anders ist?“

Afrika einmal anders: Statt ausschließlich das Negative hervorzuheben, zeigt Bernd Dörries, dass der Kontinent auch andere Seiten als Hunger, Krieg, gefährliche Tiere oder Menschen zu bieten hat.

So unterschiedlich die Größe der Staaten so unterschiedlich sind auch die Menschen und Kulturen dort.

Der Autor ist Journalist und hat in dieser Eigenschaft 34 afrikanische Länder bereist, die er und in Kurzporträts von Angola bis Uganda vorstellt.

Die Einleitung zu jedem Land ist eine Landkarte auf der der Staat als weißer Fleck in der in schwarz gehaltenen Landkarte von Afrika zu sehen ist. Dazu gibt es folgenden kurzen Steckbrief:

Einwohnerzahl
Wirtschaftswachstum
Datum der Unabhängigkeit
Das sollte man gesehen haben
Das sollte man wissen
Anzahl der chinesischen Restaurants
Darüber redet das Land

Die Angabe des Wirtschaftswachstum hat mich ob der Zahlen doch ein wenig überrascht. Zahlen, von denen man in Europa nur mehr träumen kann! Äthiopien weist ein Plus von 7,7% oder Benin 6,6% oder Ruanda von 8,6%. Warum dann die meisten Menschen dennoch an der Armutsgrenze leben? Die Antwort scheint klar (und das Vorurteil damit bestätigt) - korrupte Regierungen bereichern sich und lassen das Volk darben.

Ausgerechnet Ruanda, dessen Namen man ausschließlich mit dem Bürgerkrieg von 1994 in dem sich Tutsi und Hutu gegenseitig abgeschlachtet haben, ist eines jener Länder Afrikas, das es aus eigener Kraft schaffen will, den schlechten Ruf und die Armut hinter sich zu lassen. Es ist der Regierung zu wünschen, dass diese schwierige Übung gelingt!

Neben allen positiven Anmerkungen vergisst der Autor nicht, auch die Schattenseiten darzustellen. Er wirft einen Blick zurück in die Geschichte jedes Landes, das (bis auf Äthiopien) Kolonie einer europäischen Großmacht war. Die politische Instabilität, die immer wieder größenwahnsinnige Diktatoren an die Regierung bringt, ist den ehemaligen Kolonialherren anzulasten, die, nach Ausbeutung von Land und Leuten, ihre ehemaligen Untertanen sich selbst überlassen haben.

All diese Anmerkungen geschehen in einem leichten Plauderton, der manchmal auch durchaus ins Ironische abgleitet (siehe Äthiopien).

Interessant ist, dass Sport einen so großen Stellenwert einnimmt, und dass sich so manche Bevölkerung einen Fußballstar als Präsidenten vorstellen kann (Elfenbeinküste/Didier Drogba, Liberia/George Weah).

Der Autor hat dann noch ein paar skurril anmutende Informationen für die Leser: So hat Botswana eine kostenlose Krankenversicherung, Lesotho ein Skigebiet und Burkina Faso das bekannteste uns größte Filmfestival. Doch warum erscheint uns das skurril? Weil wir gewohnt sind, ein Bild von Afrika zu haben, das Dürre, Hunger und Apokalypse bedeutet? Machen wir es dem Autor nach und sehen wir die positiven Dinge, die Afrika hervorbringt.


Fazit:

Ein Buch, das uns einen ganz anderen Blick auf Afrika gibt. Gerne gebe ich dieser ungewöhnlichen Expedition 5 Sterne.