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Veröffentlicht am 12.03.2021

Spannender Pageturner!

Die Frau vom Strand
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Rebecca führt das perfekte Leben. Mit ihrer Frau Lucy und Tochter Greta lebt sie in einem absoluten Traumhaus direkt am Ostseestrand. Dort geht sie oft spazieren und trifft eines Tages auf die nackte Julia. ...

Rebecca führt das perfekte Leben. Mit ihrer Frau Lucy und Tochter Greta lebt sie in einem absoluten Traumhaus direkt am Ostseestrand. Dort geht sie oft spazieren und trifft eines Tages auf die nackte Julia. Ihre Kleider wurden gestohlen, als sie schwimmen war. Rebecca hilft ihr (zunächst etwas skeptisch) und die beiden freunden sich an. Doch plötzlich verschwindet Julia spurlos. Rebecca macht sich auf die Suche nach ihr und macht dabei eine Entdeckung, die dem Leser das Blut in den Adern gefrieren lässt. Zumindest ging es mir so! Ich hatte wirklich Gänsehaut beim Lesen.

Der Einstieg in den Plot hat mir sehr gut gefallen, und ich fand mich auch generell schnell zurecht. Zunächst lernen wir die Protagonisten ausführlich kennen, bevor die eigentliche Handlung an Fahrt aufnimmt. Immer wieder wechselt die Perspektive, und der Leser lernt viele unterschiedliche Facetten kennen.

Den Schreibstil fand ich sehr flüssig, und es ist der Autorin prima gelungen, mich an ihr Buch zu fesseln. Die eingebauten Cliffhanger an den Kapitelenden sorgten dafür, dass ich das Buch nicht einfach beiseitelegen konnte. Geschickt gemacht.

Besonders schön fand ich außerdem die bildhafte Beschreibung der Umgebung. Das hat mich tatsächlich etwas an die Ostsee entführt, an die es mich privat schon einige Male zog.

Die Charaktere waren präzise ausgearbeitet und dargestellt. Zu Rebecca und ihrer Familie hatte ich direkt eine Verbindung. Julia erscheint zunächst unscheinbar und geheimnisvoll. Aber je mehr sich die Puzzleteile zusammensetzen, umso mehr bekommt der Leser auch hier ganz tiefe Einblicke. Die Ermittlerin Emma war mir persönlich eher unsympathisch. Man erfährt nicht allzu viel über sie, aber ihre ruppige Art und ihr Umgang mit den Kollegen machte sie nicht gerade zu meiner Freundin.

Was die Spannung betrifft, so lässt es Petra Johann zunächst langsam angehen. Dennoch kommt beim Lesen keine Langeweile auf, da es immer wieder Wendungen und Perspektivwechsel gibt, die für Neugier sorgen. Ab dem Mittelteil ist der Spannungsbogen dann konstant oben und hält auch bis zum Ende an. Dieses ist übrigens eine große Überraschung, mit der ich keinesfalls gerechnet hätte. Das Ende selbst und auch die Handlungen der Protagonisten davor hat noch einige Zeit in mir nachgewirkt und mich zum Nachdenken gebracht.

Persönliches Fazit: Ein Pageturner, der mich bestens unterhalten hat. Der Autorin ist es gelungen, ein heikles Thema brillant umzusetzen und in einen spannenden Thriller zu verpacken.

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  • Erzählstil
  • Handlung
  • Charaktere
Veröffentlicht am 27.01.2020

Spannender Plot

Das Gerücht
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Joanna zieht mit ihrem Sohn Alfie ins kleine Örtchen Flinstead, um wieder näher bei ihrer Mutter zu sein und die Großstadt Londons hinter sich zu lassen. Aber hier kommt Alfie nicht richtig bei den Kids ...

Joanna zieht mit ihrem Sohn Alfie ins kleine Örtchen Flinstead, um wieder näher bei ihrer Mutter zu sein und die Großstadt Londons hinter sich zu lassen. Aber hier kommt Alfie nicht richtig bei den Kids in seinem Umfeld an und Joanna beschließt, sich bei den Müttern beliebter zu machen. Alles beginnt mit einem kleinen Gerücht, das sie verbreitet, um die Aufmerksamkeit der Mütter zu erlangen. Und tatsächlich klappt die Taktik auch. Doch damit tritt Joanna eine regelrechte Hetzjagd los auf die Person, die die Einwohner von Flinstead beschuldigen, Sally McGowan zu sein. Jene Frau, die im Alter von 10 Jahren einen 5-jährigen Jungen erstochen hat und nun unter falscher Identität unter ihnen lebt. Als dann Joanna auch noch auf Twitter von der vermeintlichen Mörderin bedroht wird, bereut sie das Getratsche bald.

Zitat S. 126
Eine Lüge ist bereits um die halbe Erde gelaufen, während sich die Wahrheit noch die Schuhe anzieht. - Mark Twain

Und dann noch der allererste Tweet: "Gerüchte können töten."

Die Geschichte ist aus Joannas Sicht geschrieben, die als alleinerziehende Mutter alles versucht, um ihren Sohn glücklich zu machen und sich mit unbedachten Äußerungen in diese dumme Situation bringt.

In einem zweiten Erzählstrang meldet sich Sally McGowan zu Wort.

Zitat S. 9
Ich bin die Gejagte. Ich werde immer die Gejagte sein.

Während man anfangs mit der Angst, eine Mörderin unter sich zu haben, direkt mitgerissen wird, beleuchten die kurzen Kapitel von Sally, dass man auch über die Kehrseite nachdenken sollte. So spielt die Autorin immer wieder mit den Emotionen des Lesers. Ein Hin und Her aus Verurteilung und Verachtung, Mitleid und Verständnis. Lesley Kara schafft es durchweg, den Spannungsbogen zu halten und trumpft zum Ende noch einmal richtig auf. Man rätselt die ganze Zeit mit und ist zum Schluss ziemlich überrascht, wie sich die Geschichte entwickelte.

Fazit: Ein spannender und zum Nachdenken anregender Roman, der aufzeigt, wie Menschen auf Gerüchte reagieren und welche Konsequenzen das haben kann. Absolute Leseempfehlung.

  • Einzelne Kategorien
  • Cover
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  • Charaktere
Veröffentlicht am 11.07.2019

Bedrückende Spannung

Der Kinderflüsterer
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Das Cover zeigt uns einen Schmetterlingsflügel, was in Bezug auf den Titel erst einmal nichtssagend wirkt. Im Laufe der Story kommt den Schmetterlingen aber eine besondere Bedeutung zu, daher finde ich ...

Das Cover zeigt uns einen Schmetterlingsflügel, was in Bezug auf den Titel erst einmal nichtssagend wirkt. Im Laufe der Story kommt den Schmetterlingen aber eine besondere Bedeutung zu, daher finde ich das Motiv passend gewählt.

Der Prolog beginnt mit Zeilen eines Vaters an seinen Sohn. Er erzählt ihm von seinen Selbstzweifeln und Unzulänglichkeiten, seine Vaterrolle betreffend.

“... und wenn du geweint hast, wusste ich nicht, was du brauchtest. Ich konnte dich einfach nicht verstehen. Das hat sich nie geändert.”

Pos. 29

“Aber wie dem auch sei, miteinander reden können wir nicht, deshalb muss ich versuchen, alles niederzuschreiben. Die Wahrheit über alles, was in Featherbank passiert ist. Mister Night. Der Junge im Boden. Die Falter. Das kleine Mädchen in dem merkwürdigen Kleid. Und natürlich der Kinderflüsterer.”

Pos. 36

Alex North gelingt es, seinen Spannungsroman mit Mystery- und Thrillerelementen so zu würzen, dass man das Buch nicht mehr aus der Hand legen will. In sechs Teilen und zwei verschiedenen Erzählsträngen werden nach und nach mehrere Schicksale miteinander verwoben.

Da sind einmal Tom Kennedy und sein Sohn Jake, der nach dem plötzlichen Tod seiner Mutter traumatisiert ist. Sie wollen in Featherbank ein neues Leben beginnen. Dass dort vor zwanzig Jahren fünf Kinder vom "Kinderflüsterer" entführt und getötet wurden, wusste Tom nicht und es interessiert ihn auch nicht. Vorerst.

In einem zweiten Erzählstrang lernen wir Pete Willis kennen. Der Ermittler, der den Kinderflüsterer vor zwanzig Jahren hinter Gitter brachte, wird von ganz persönlichen Dämonen heimgesucht. Die Suche nach dem fünften Opfer ist ihm zur Obsession geworden, denn der kleine Tony Smith wurde nie gefunden. Der Mörder, den er deswegen regelmäßig im Gefängnis aufsucht, hüllt sich eisern in Schweigen und verhöhnt ihn deswegen. Trotzdem versucht Pete es immer wieder. Doch der größte Dämon, mit dem sich Pete Willis herumschlägt, ist sein Alkoholproblem.

“Das Bedürfnis war stärker als jemals zuvor, aber das würde er überstehen. Er hatte der Stimme auch früher schon widerstanden. Und doch weckte die Vorstellung, die Flasche ungeöffnet zurück in den Kühlschrank zu stellen, in ihm die reinste Verzweiflung. Das Trinken fühlte sich einfach nur unausweichlich an.”

Pos. 1556

Die Charaktere sind authentisch und differenziert beschrieben, und ich konnte mich sehr gut in die Protagonisten hineinversetzen. Ihre Schwächen sind nachvollziehbar und ihre Ängste direkt greifbar. Alex North schafft es mit seinem flüssigen und anschaulichen Schreibstil, eine subtile Spannung aufzubauen, die durch unvorhersehbare Wendungen jeweils gepuscht und in einem dramatischen Showdown einen gelungenen Höhepunkt erfährt.

Persönliches Fazit: "Der Kinderflüsterer" ist ein tiefgründiges Buch, das seiner Ankündigung als aufregender Spannungsroman gerecht wird. Wer ein unblutiges aber fesselndes Buch mit einigen Mystery- und Thrillerelementen lesen möchte, wird dieses hier lieben! Ich empfehle es sehr gern weiter.

© Recensio Online, 2019, Elisabeth

Veröffentlicht am 09.07.2019

Spannende Unterhaltung!

Striptease
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Leon ist Inhaber einer Nachtbar im Cannes der 1950er Jahre. Bevor er ein Mädchen einstellt, testet er höchstpersönlich ihre Fähigkeiten – auch im Bett. Das lief bisher immer unspektakulär ab, doch die ...

Leon ist Inhaber einer Nachtbar im Cannes der 1950er Jahre. Bevor er ein Mädchen einstellt, testet er höchstpersönlich ihre Fähigkeiten – auch im Bett. Das lief bisher immer unspektakulär ab, doch die junge Celita macht es ihm nicht einfach. Er erliegt ihrer Art und beginnt eine Affäre mit ihr – wider besseren Wissens, denn seine Frau arbeitet ebenfalls im Nachtclub und hat ihn ständig im Auge. Dennoch schafft Celita es fast, den Platz an seiner Seite einzunehmen. Bis Maud auftaucht und ihre ganze Vorarbeit zunichte macht.

Dieses Buch wurde neu verlegt bzw. übersetzt, so dass es nicht verwundert, dass das Setting nicht in der heutigen Zeit angesetzt ist. Doch gerade das macht für mich persönlich den gewissen Reiz aus, und dass großartige Romane auch ohne social media und das allwissende Internet auskommen können, wird hier eindrucksvoll bewiesen - nicht zuletzt ob der Charaktere.

Allen voran Celita, die eine starke Protagonistin ist, sich jedoch hinter ihrer Äußerlichkeit versteckt, um Männer anzulocken und so den Sprung in ein besseres Leben zu schaffen. Auch wenn ihre Vergangenheit kaum thematisiert wird, kann man sich doch einiges zusammenreimen, und sie scheint als ausgebildete Tänzerin kein Kind von Traurigkeit gewesen zu sein. Sie zeigt, was möglich ist, wenn man sich an die Hoffnung klammert – im guten wie im schlechten Sinne. Während sie im ersten Teil davon aufrecht gehalten wird und immer wieder das Positive im Leben sieht, erkennt man im zweiten Teil, wie zu viel Hoffnung einen Menschen zugrunde richten kann.

Der Leser erfährt die Begebenheiten hauptsächlich aus Celitas Sicht. Mit dem Schreibstil konnte ich mich anfangs nicht anfreunden, doch je weiter ich gelesen habe, desto flüssiger lies die Geschichte sich lesen. Vielleicht liegt das daran, dass Simenon aus dem Stoff ursprünglich ein Drehbuch machen wollte. Sieht man sich jedoch das Milieu an, in dem dieses Drama spielt, wird klar, dass so etwas in den fünfziger Jahren zu einem empörten Aufschrei geführt hätte. Das hätte ich tatsächlich gern miterlebt.

So unscheinbar das Buch wegen des Covers wirkt, so viel Leben verbirgt sich jedoch im Inneren. Ich habe jede einzelne Seite genossen und empfehle den Roman all jenen, die mehr Wert auf anspruchsvollere Lektüre legen.

Veröffentlicht am 25.05.2019

Spannend und komplex

Das Verschwinden der Stephanie Mailer
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Es ist mir selten so schwer gefallen, meine Gedanken in Worte zu fassen. Ich habe das Buch verschlungen, aber weiß trotzdem nicht, wo ich anfangen soll. Zu viele Charaktere, die man erwähnen könnte, zu ...

Es ist mir selten so schwer gefallen, meine Gedanken in Worte zu fassen. Ich habe das Buch verschlungen, aber weiß trotzdem nicht, wo ich anfangen soll. Zu viele Charaktere, die man erwähnen könnte, zu viele Geheimnisse, die gelüftet werden, und das alles in einer Kleinstadt: Orphea.

Jesse Rosenberg ist Polizist. Während seiner Verabschiedung in den Ruhestand entscheidet er sich, einen Fall von damals noch einmal aufzurollen und den Hinweisen von Stephanie Mailer nachzugehen. Denn wenn er sich erst in etwas verbissen hat, bleibt er auch dran.

„[Jesse] ist der Beste von uns allen. Wir haben ihn den Hundertprozentigen getauft, weil er die Fälle, an denen er dran war, alle gelöst hat.“ (Zitat S. 15)

Von der namensgebenden Person selbst erfahren wir wenig, denn wie der Titel schon sagt, verschwindet sie. Doch wir lernen genug andere Charaktere kennen. Sei es nun eine Polizistin, die gegen die frauenfeindlichen Kollegen und die Vetternwirtschaft (in einer Kleinstadt ist die nicht zu vergessen!) ankämpfen muss. Ein abgedrehter Regisseur, der gerne groß rauskommen will. Ein Redakteur, der eine Affäre hat, die zu einem Problem wird. Ein Mädchen, das nach Hilfe ruft.

Trotz der Vielfalt der Sichtweisen sind die einzelnen Personen gut dargestellt. Man erfährt so einiges über sie und ihre Beweggründe. Es mag anfangs nicht klar sein, was die ein oder andere Figur in der Story zu suchen hat, doch der Nebel lichtet sich peu à peu. Ich konnte mit jedem leiden, lieben und hassen. Extrovertiert, überspitzt, schüchtern, lieb, zurückhaltend, überheblich, unfreundlich … hier sind quasi alle Charaktere vertreten.

Und während man sich so durch den Roman kämpft, in dem die Ermittlungen wieder laufen, könnte man annehmen, dass Orphea das wichtigste Städtchen der Welt sei. Dort tickt die Zeit anscheinend anders. Besonders momentan, denn es findet ein Theaterfestival statt, wofür die Zuschauer von überall her kommen. Dieses Festival ist der Nabel des Daseins von Orphea, weswegen ein großer Rummel darum gemacht wird. Alle Einwohner beteiligen sich irgendwie an den Vorbereitungen, denn man will ja zeigen, was man hat.

„Diese Stadt wirkte wie eine Filmkulisse.“ (Zitat S. 24)

Aber wie das bei einer Kulisse so ist, sieht nur die äußere Fassade pompös aus. Der Rest … nun ja. Schaut man dahinter, sieht man die Stützen, die Leere und die Wahrheit. Denn in Orphea hat jeder etwas zu verbergen, und so bekommt dann auch jeder Charakter seine Daseinsberechtigung.

Manches Mal lese ich bei Krimis: zu vorhersehbar, keine Spannung. Jetzt könnte man sich darüber streiten, ob es sich hier überhaupt um einen Krimi handelt, oder eher um einen Roman. Steht die Ermittlungsarbeit im Vordergrund, oder eher die Entwicklung der Charaktere? Ganz egal – hier ist definitiv nichts vorhersehbar. Die Geschichte besticht durch Wendungen und Wirrungen, deren Ausgang eine echte Überraschung ist.

Und doch hatte ich so zwischendurch meine Probleme. Angefangen bei einem Regisseur, der seine Informationen zum Mord und zum Mörder nur dann preisgeben will, wenn sein Stück beim Festival aufgeführt wird. Und statt ihn zu verhaften, tanzt man nach seiner Pfeife. Was machen schon ein paar Tage mehr aus, um den Mörder zu entlarven – wo er doch augenscheinlich wieder zugeschlagen hat und man ihn stoppen könnte, nein, müsste! Aber gut, hätten sie ihn festgenommen, wäre die Geschichte ja schnell zu Ende gewesen. Und wenn man bei diesem dritten Werk eines über den Autor weiß, dann dass sich keines seiner Bücher mit einer kurzen Geschichte zufrieden gibt.

Wie so oft bei Geschichten gibt es auch hier Situationen, die man schon früh hätte lösen können, hätte man miteinander geredet. Alles in allem wurde aber mein Lesevergnügen nicht geschmälert. So kann ich abschließend betonen: Das ist Meckern auf hohem Niveau!

Persönliches Fazit: Meiner Meinung nach sein bisher bestes Buch. Tolle Charakterzeichnungen und ein ungelöster Mordfall, der einige Geheimnisse ans Tageslicht bringt. Empfehlenswert für Fans von komplexeren Plots, die gern mitdenken.

© Recensio Online, 2019, Katharina