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Veröffentlicht am 13.02.2021

Female Choice

Female Choice
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Auch bei Rezensionsexemplaren ist ja Ehrlichkeit geboten und dieses Buch war leider einfach nicht meins.
Kurz gefasst: sowohl beim Thema Tierreich als auch beim Menschen war nichts Neues für mich dabei. ...

Auch bei Rezensionsexemplaren ist ja Ehrlichkeit geboten und dieses Buch war leider einfach nicht meins.
Kurz gefasst: sowohl beim Thema Tierreich als auch beim Menschen war nichts Neues für mich dabei. Alles hatte ich schon mal irgendwo gehört oder gelesen.

Außerdem kam ich mit dem Ton/Schreibstil nicht klar, der bemüht lässig daherkommt und manchmal an unpassenden Stellen zu nüchtern oder forsch wirkt.
An der Stelle auch eine kleine Warnung: mit dem Thema sexuelle Gewalt wird hier in meinen Augen sehr unsensibel umgegangen. Mir persönlich war nach jedem Satz dazu schlecht und ich habe mich einen Nachmittag lang mit Bauchschmerzen rumgeplagt. Seid da vorsichtig, wenn euch solche Sachen aufwühlen.

Oft saß ich stirnrunzelnd und etwas verloren da.
Als Beispiel nehme ich mal den unterschiedlichen Sexdrive von Männern und Frauen. Letztere geben an weniger zu wollen, kennt man ja. Männer wollen dagegen immer. Übersehen wird dabei im Buch zum einen das mächtige Instrument Slut Shaming, das tief in jeder Frau sitzt und auch unbewusst dazu führt, dass man seinen Trieb kleinredet. Zum anderen ist da der Orgasm Gap, bei dem man durchaus argumentieren kann, dass man auf etwas, das so wenig Erfüllung bringt, auch gut verzichten kann. Zum dritten nehmen sehr, sehr viele Frauen die Pille, die bekanntermaßen zu Unlust führt (was die Autorin witzigerweise später in einem anderen Zusammenhang erwähnt).
Noch so ein tolles Experiment: Von einer fremden Frau auf der Straße nach Sex gefragt, stimmten die meisten Männer natürlich zu. Umgekehrt war das bei den Frauen und einem fremden Mann auf der Straße nicht so. Auch hier lässt sich das für mich nicht allein auf Triebe zurückführen, denn die meisten Frauen hätten wohl einfach Angst, dass der Typ gewalttätig ist und sie im schlimmsten Fall sogar ermordet - wir alle kriegen von kleinauf beigebracht, nicht mit Männern mitzugehen und dass wir selbst Schuld sind, wenn dann doch was passiert. Außerdem greift auch hier wieder das verinnerlichte Slut Shaming, man will ja keine "Schlampe" sein.
Bei den Männern könnte ich mir umgekehrt vorstellen, dass sich nicht alle bei ihrer Zusage wohlfühlten, sondern das Gefühl hatten, sie müssten ja sagen, weil das von den immer willigen Männern nun mal so erwartet wird. Es ist wohl eher kompliziert.
Deutlich wird das später im Buch, als es um kinderlose Single-Männer geht, die mehrheitlich angeben, das selbst so entschieden zu haben und glücklich zu sein. Die Autorin erwähnt hier, dass man solche Befragungen nicht immer ganz ernst nehmen kann, weil Menschen dazu neigen, sich den gesellschaftlichen Erwartungen entsprechend in ein positives Licht zu rücken - und welcher Mann gibt schon gerne zu, dass er einfach keine abkriegt? Bei meinen oben genannten Beispielen zum Sexdrive war davon aber keine Rede.

Ich hoffe einfach, dass andere Lesende mehr mitnehmen können, ziehe trotzdem den Hut vor der Autorin, weil sie einfach mal ein ganzes Buch geschrieben hat (wow!) und erinnere wie immer daran, dass es sich hier nur um meine persönliche und ziemlich subjektive Meinung handelt. Manches (wie der Schreibstil) ist am Ende auch einfach Geschmackssache.

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Veröffentlicht am 26.10.2020

The Last Day

The Last Day
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Die Erde steht still, ein Großteil der Menschheit hat es nicht geschafft, die Überlebenden kämpfen um ein Stückchen Normalität. Hopper ist Wissenschaftlerin und arbeitet auf einer Plattform im Meer, als ...

Die Erde steht still, ein Großteil der Menschheit hat es nicht geschafft, die Überlebenden kämpfen um ein Stückchen Normalität. Hopper ist Wissenschaftlerin und arbeitet auf einer Plattform im Meer, als plötzlich zwei Regierungsmenschen auftauchen und sie mit auf's Festland nehmen wollen. Ihr ehemaliger Professor liegt im Sterben und möchte sie noch einmal sehen. Leider bleibt jedoch keine Zeit mehr. Hopper hat lediglich ein paar wenige Hinweise und muss schon bald feststellen, dass der alte Mann ein großes Geheimnis hatte, an dem auch die Regierung interessiert ist...

Das klingt alles erstmal super spannend. Ich meine, ein Thriller um Geheimnisse in einer Dystopie, in der die Erde einfach aufgehört hat, sich zu drehen! Wie cool klingt das?

Die Ernüchterung kam aber schnell, denn schon der Schreibstil war leider überhaupt nicht meins. Alles ist so trocken und langatmig. Und absolut alle reden super förmlich miteinander: selbst Geschwister oder Ex-Eheleute klingen eher wie Geschäftspartner:innen. Ich weiß nicht, wie viel Schuld vielleicht bei der Übersetzung liegt, denn auch da fand ich einige Entscheidungen etwas merkwürdig. So wurden zum Beispiel die Anreden eingedeutscht, also Herr und Frau, was mit den englischen Nachnamen irgendwie seltsam klingt. Normalerweise bleibt man doch auch im Deutschen bei Mrs. usw. Das kann aber auch einfach Geschmackssache sein und ich empfehle bei der eBook-Version wirklich die Leseprobe, um sich da ein eigenes Bild zu machen und zu gucken, ob es passt.

Leider ist aber auch die Story nicht sonderlich spannend. Hopper rennt oder fährt über Seiten hinweg einfach nur von A nach B, befragt eine Person, durchsucht einen Raum (obwohl sie selbst nicht so richtig weiß, wonach... und doch findet sie immer wieder neue kleine Schnipsel). Zwischendurch bekommt sie Ärger mit den Regierungsleuten, wird auch mal verprügelt. Und das alles ist so trocken geschrieben, dass ich mich einfach nicht drauf einlassen konnte - und schlimmer noch: dass es mir egal war.

Am schlimmsten waren aber die Rückblenden, in denen man erfährt, wie Hopper den alten Mann kennengelernt hat. Diese Stellen waren so öde, dass mir immer wieder die Augen zufielen. Ähnlich erging es mir bei den Erklärungen zu aktuellen Lage der Welt nach dem Stillstand - etwas, bei dem ich eigentlich dachte, dass es super interessant wird.

Die Geschichte spielt größtenteils in England und dort scheint zumindest oberflächlich alles enttäuschend normal zu laufen (bis auf die Tatsache, dass die Sonne immer scheint und es eben nicht mehr dunkel wird). Es gibt weiterhin Häuser, Autos, Busse, Strom, Telefone, Fernseher, Geschäfte... irgendwie habe ich mir mehr Dystopie gewünscht.

Die Inhaltsangabe ist übrigens ein bisschen irreführend: Hopper liest den Brief nie und erfährt auch erst ganz zum Schluss, worum es sich bei dem großen Geheimnis handelt (und zumindest für mich war das jetzt leider kein überraschender Knaller).

Immerhin gibt es ein paar gute (wenn auch etwas halbgare) Stellen über Ethik, Moral, Ungleichheit, Fremdenfeindlichkeit usw. Dafür vergebe ich den zweiten Stern.

Ansonsten war das Buch leider nichts für mich, was aber natürlich nicht heißt, dass es kein spannendes Leseerlebnis für andere sein kann. Aber ein Thriller ist es wirklich nicht.

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Veröffentlicht am 31.01.2020

Wohlfühl-Ich, aber zu welchem Preis?

Wohlfühlgewicht
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Oh man. Ich weiß auch nicht... irgendwie hatte ich in letzter Zeit kein Händchen für Rezensionsexemplare. Naja, Ehrlichkeit ist wichtig und darum bewerte ich Bücher auch so, wie ich sie empfinde.


Bei ...

Oh man. Ich weiß auch nicht... irgendwie hatte ich in letzter Zeit kein Händchen für Rezensionsexemplare. Naja, Ehrlichkeit ist wichtig und darum bewerte ich Bücher auch so, wie ich sie empfinde.


Bei Wohlfühlgewicht von Mareike Awe handelt es sich um eine (mit viel gutem Willen) 200 Seiten Klappbroschur, die satte 18€ kostet. Das Buch verspricht viel: endlich raus aus der Diät-Falle, essen wann und was man möchte und dabei trotzdem natürlich schlank (und gesünder) sein!

Ich hatte mich im Vorfeld schon ein kleines bisschen mit intuitivem Essen beschäftigt und stehe dem Thema eigentlich eher positiv gegenüber. Grundsätzlich ist es wohl immer gut, auf den eigenen Körper zu hören und seinem Hungergefühl wieder zu vertrauen.

Dazu gibt es auch ein paar gute Ansätze im Buch, die ich gern loben möchte und für die ich auch den zweiten Stern vergebe. So werden zum Beispiel (hormonelle) Vorgänge im Körper anschaulich und einfach erklärt. Wir erfahren, warum Diäten nicht funktionieren können, was dabei passiert und weshalb man so häufig unter Heißhungerattacken leidet, wenn man verzichtet und sich enschränkt.

Außerdem gibt es hilfreiche Infos zum Thema Hunger. Welche verschiedenen Arten gibt es da und wie äußern sich diese? Auf welchen Hunger sollte man hören und dann etwas essen, welchen dagegen auf andere Weise angehen? Auch hier sind die Erklärungen verständlich und gut.

Als Beispiel für intuitives Essverhalten werden immer wieder Kinder erwähnt und Awe plädiert dafür, sie einfach essen zu lassen, bis sie satt sind und zu nichts zu zwingen. Da gehe ich komplett mit.


Das war es dann aber leider auch schon und ich komme zur Kritik.

Zum einen steckt im Buch ein gutes Stück Klassismus. So heißt es zum Beispiel in Kapitel 3:

"Essen ist jederzeit verfügbar, wenn du es dir erlaubst."

Das stimmt natürlich so nicht und als Person, die auch schon Zeiten durch hat, in denen das Geld am Ende des Monats so knapp war, dass ich einige Tage lang nichts mehr im Kühlschrank hatte, sehe ich sowas immer kritisch. Auch in Deutschland gibt es eine Menge Krankheit und Armut. Aber gut, lesen wird drüber weg und gehen davon aus, dass sich das Buch eher an Mittelstand bis reich richtet (was natürlich schade ist, weil ja auch arme Menschen ein Recht auf ein gesundes Wohlfühl-Ich haben sollten... aber das ist nur meine Meinung und natürlich ist mir klar, dass die Autorin niemandem einen vollen Kühlschrank zaubern kann. Aber ein paar Worte dazu wären nett gewesen, ich komme auf Finanzielles auch nochmal zurück).

Ein weiterer Punkt ist der Zeitfaktor. So soll man natürlich essen, wenn man Hunger hat. Da aber eben sehr viele Menschen berufstätig sind und nicht alle in irgendeinem Büro sitzen, wo sie sich ihre Zeit einteilen können, ist das oft schwer möglich. Wer im sozialen Bereich, im Einzelhandel, in der Produktion, im Handwerk, im Labor etc. arbeitet, muss sich sehr wahrscheinlich an vorgegebene Pausenzeiten halten. Isst man dann nichts, weil man eigentlich noch satt ist, hat man vielleicht eine Stunde später Hunger, aber keine Möglichkeit mehr, etwas zu essen. Das gleiche gilt für die mentalen Übungen. Die meisten soll man täglich machen, einige sogar anfangs jede Stunde. Nun stelle man sich eine Friseurin vor, die ihre Kundin mitten im Schnitt sitzen lässt, weil die Stunde rum ist und sie nun erstmal ihre Übungen machen muss. Oder die Kassiererin schließt plötzlich die Augen, um zu ihrem Wohlfühl-Ich zu kommen - und die Schlange an der Kasse wird immer länger. Für viele Menschen ist das Durchführen so einfach nicht möglich.

Ich persönlich habe sowieso keinen Zugang zu diesen Übungen. Einige haben einen eindeutig esoterischen Touch, mit Ansätzen aus der Manifestations-Lehre (von der ich nicht viel halte) und dem "Gesetz der Anziehung", andere sind einfach nur albern. (Bitte dran denken, dass es sich hier bei allem um meine perönliche und natürlich rein subjektive Meinung handelt! Es geht mir hier nicht darum, Menschen ihre positiven Erfahrungen und Erfolge abzusprechen. Vielleicht funktioniert es für einige und dann freut mich das natürlich für diese Personen.)

Im Buch nimmt das Diät-Ich der Autorin sehr viel Raum ein. Es geht immer und immer wieder um ihr (ehemaliges) gestörtes Essverhalten, um Einschränkungen und Fressattacken, gefolgt von Heulkrämpfen und Minderwertigkeitsgefühlen. Jede Menge Drama, mit dem ich mich nicht identifizieren konnte. Hinzu kommt der ständige Versuch, Nähe zu den Leserinnen aufzubauen:

"Wenn du ein bisschen so bist wie ich..."

"Vermutlich kennst du das..."

"Sicherlich hast du auch schon mal..."

"Vielleicht bist du mir ähnlich..."

Zieht bei mir leider einfach nicht, sorry.

All die neuen Regeln führten bei mir außerdem dazu, dass ich mir viel mehr Gedanken um Essen, mein Gewicht und meinen Körper gemacht habe, als jemals zuvor. Wohl habe ich mich dabei nicht gefühlt und das kann ja auch nicht Sinn der Sache sein. Ich bin in der priviligierten Postion, nicht übergewichtig zu sein und hatte mir eigentlich nur ein etwas besseres Essverhalten erhofft, vor allem, dass ich weniger schlinge. Dazu habe ich hier aber nur den Tipp "iss langsamer" bekommen und ja, no shit, Sherlock.

Im Vorfeld hieß es, dass durchaus auch Untergewicht angesprochen wird. Da mir Stress und Ärger oft den Appetit verhageln, war ich sehr gespannt darauf zu erfahren, was man dagegen intuitiv tun könnte. Leider kam das Thema dann aber nur in einem Nebensatz vor, nach dem Motto "wenn du untergewichtig bist, wirst du mit intuitivem Essen natürlich ein bisschen zunehmen". Ansonsten dreht sich alles ausschließlich ums Abnehmen, sich zu dick fühlen, Fressanfälle etc.

Dabei wird Body Positivity ganz groß geschrieben. Liebe dich uneingeschränkt und zu jeder Zeit selbst! Der Körper ist dein größtes Geschenk, er darf dir nicht egal sein und du musst ihn die ganze Zeit ehren. Und kauf dir was Schönes für dein Wohlbefinden... Wenn ich ehrlich bin, stresst mich diese ständige Selbstliebe ziemlich. Mein Körper ist mein Körper, ich bin mit ihm zufrieden, denke aber den Großteil des Tages überhaupt nicht über ihn nach. Ich habe ja auch noch ein bisschen was anderes zu tun und stecke meine Energie lieber in soziale Kontakte, in mein Schaffen und ins Lernen. Außerdem darf es ruhig auch mal einen Tag geben, an dem man sich – ganz ohne schlechtes Gewissen – unwohl fühlen darf.

Mein größtes Problem ist die dicke Marketingmaschine, die hier eigentlich angekurbelt wird. Das Programm der Autorin wird sehr oft erwähnt, am Ende wird sogar empfohlen, das doch am besten zu buchen, denn grade anfangs bräuchte man ja noch Hilfe und mentales Coaching. Bei den Preisen bin ich fast hinten übergekippt. So etwas könnte ich mir nie leisten. Als ich dann die überteuerten und auch in meinen Augen oft sinnlosen Produkte (etwa ein Armband, dessen Farben den Hunger symbolisieren und das man zu Rate ziehen soll, bevor man isst... oder ein "Feinschmecker-Löffel"?) entdeckt habe, wurde ich etwas stutzig. Dann bin ich auf das Event der Autorin gestoßen, dessen Tickets bei über hundert Euro losgehen (da wird einem allerdings nicht sehr viel geboten) und beim "VIP" Ticket enden, das fast doppelt so viel wie meine Monatsmiete kostet. Das finde ich vor allem deshalb so blöd, weil im Buch immer wieder betont wird, dass Awe einfach nur helfen will und es als ihre große Mission sieht, so vielen Menschen wie möglich zu einem glücklichen "Wohlfühl-Ich" zu bringen. Das gilt dann wohl nur, wenn man die nötige Kohle dazu hat. Noch merkwürdiger wird es, wenn man das Kapitel über Körperbilder liest, in dem die Autorin kritisiert, dass die Diät- und Schönheitsindustrie den Frauen nur das Geld aus der Tasche zieht und mit ihren Ängsten und Unsicherheiten Kasse macht. Dabei ist die Wellness-, Wohlfühl- und Self-Care-Industrie das gleiche in grün! Kapitalismus halt.

Ich nehme für mich die paar Infos über Hunger mit und versuche, ein bisschen langsamer zu essen und auf meine körperlichen Bedürfnisse zu achten. Ansonsten war das Buch leider eher eine Nullnummer. Ich freue mich für alle, denen es hilft, rate aber dennoch, ein bisschen vorsichtig zu sein und genau zu überlegen, wofür man sein Geld ausgibt.

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Veröffentlicht am 15.12.2019

Enttäuschend

Der Hof der Wunder
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Bitte dran denken: das ist meine persönliche, rein subjektive Meinung.

"Der Hof der Wunder" stand schon lange vor Erscheinen auf meiner Wunschliste. Das Cover spricht mich total an und beim Titel kam ...

Bitte dran denken: das ist meine persönliche, rein subjektive Meinung.

"Der Hof der Wunder" stand schon lange vor Erscheinen auf meiner Wunschliste. Das Cover spricht mich total an und beim Titel kam mir sofort "Der Glöckner von Notre Dame" in den Sinn. Tatsächlich handelt es sich bei diesem Buch allerdings um eine Art Retelling von "Les Miserables" und dem "Dschungelbuch". Nun bin ich mit ersterem nicht wirklich vertraut, mit letzterem dagegen schon und ich fand es ziemlich kreativ, aus Paris den "Dschungel" zu machen. In den Gildenherren erkennt man eindeutig die Tiere wieder, bzw. in den Gilden die Rudel. Das hat mir richtig gut gefallen.

Ebenfalls toll ist die Tatsache, dass die Autorin nicht vor Gewalt, Hässlichkeit und Elend zurückschreckt. Wenn Protagonistin Nina in einen Berg Kacke fällt, dann ist das nicht metaphorisch gemeint: sie fällt tatsächlich in Exkremente. Die leicht schmuddeligen Gilden, die Illegalität, die Gefahr und der Dreck von Paris... das alles passt wunderbar zur Gesamtstimmung des Buches.

Leider ist es mit dem Lob an dieser Stelle erstmal vorbei, denn ich habe eine Menge Kritik am "Hof der Wunder".


Zum einen ist da der Schreibstil. Erste Person, Gegenwart und da muss ich zugeben: das ist nicht grade mein Favorit. Das kann zwar auch gut gemacht sein und ich habe definitiv schon Bücher zu meinen Lieblingen sortiert, die ebenfalls mit dieser Zeit- und der Ich-Form arbeiten, generell merke ich aber, dass mir die Vergangenheit und die dritte Person da lieber sind.

Immerhin: alles ist ausschließlich aus der Sicht von Nina geschrieben. Das Rumgespringe zwischen mehreren Sichtweisen mag ich nämlich oft auch nicht besonders.


Dennoch hatte ich manchmal das Gefühl, es liest sich ein bisschen holprig, was zwar auch (wie so oft) an der Übersetzung liegen kann, sich aber definitiv nicht ausschließlich darauf schieben lässt.

Es fehlt zum Beispiel auch an Beschreibungen der Umgebung. Manchmal wusste ich nicht, wo sich die beiden Personen, die sich grade unterhalten eigentlich befinden. In einem Raum? Auf der Straße? Und wo legen sich Nina und Ettie da grade schlafen? Auf dem Boden? Ohne Decke?

Wo anfangs zu wenig Bilder gezeichnet werden, passiert später dann zu viel: Ich möchte wirklich nicht über mehrere Seiten erklärt bekommen, welche zwanzig Kuchensorten irgendwo rumstehen und wie sie dekoriert sind.


Ein weiterer Kritikpunkt sind die vielen Zeitsprünge, deren Länge manchmal gar nicht angeben wird, ein anderes mal steht dann eine Jahreszahl über dem Kapitel – allerdings hatte ich zu diesem Zeitpunkt die vorige meist schon vergessen, konnte also nicht nachrechnen und hatte auch keine Lust, da extra nochmal nachzugucken.


Mein nächstes Problem ist Nina, unsere Protagonistin. Sie kann einfach alles und stellt sich jeder Herausforderung ohne Probleme. Außerdem hat sie offenbar ein fotografisches Gedächtnis, denn sie kann zu jeder Person, jeder Gilde, jedem Ehrenkodex und Regelwerk sofort alle Informationen runterbeten. Man könnte meinen, sie gehört zur Schreibergilde, aber nee, sie ist Diebin, die "schwarze Katze". Und sie kommt natürlich überall rein. Wenn sie im Rahmen ihrer Mission (dazu gleich mehr) irgendwo einsteigen muss, läuft das etwa so:

Ihr wird gesagt, wo sie hin muss. Dann gibt es einen großen Aufschrei, denn oh Gott! Da ist noch niemand rein- oder rausgekommen! Wirklich noch nie!! Es ist praktisch unmöglich, da einzusteigen!!!

Als Leserin freue ich mich natürlich schon auf den ausgeklügelten Plan, den Nina nun schmieden wird und auf nervenaufreibene Szenen vom Einstieg, die mich nägelkauend auf der Kante meines Sofas sitzen lassen.

Nichts davon bekomme ich.

Nina plant sich so halbgar was Unoriginelles zusammen, steigt dann über eine Stelle ein, die schon immer da war und auf die schon hundert andere mit einer halben Gehirnzelle hätten kommen können und macht, was gemacht werden muss. Große Probleme hat sie dabei nicht – läuft bei ihr.

Danach wird sie natürlich gefeiert und als was besonderes angesehen.


Über einiges war ich extrem überrascht, denn die Autorin schreibt:


Q: "is there a / the usual / love triangle in ACOM?"
A: "ACOM's ladies are far too busy fighting, scheming & adventuring to have time for love triangles."


Also erstmal: Ladies? So viele weibliche Figuren gibt es da nicht, die meisten sind männlich. Nina bildet Beziehungen fast ausschließlich zu Männern (Ettie ist hier die einzige Ausnahme, aber sie ist ja auch eine "Schwester", wie so oft in diesen Büchern; wo kommen wir denn da hin, wenn es einfach mal eine richtige Freundschaft zwischen Frauen gibt). Einmal ist sie ganz stolz, weil sie das einzige zugelassene Mädchen in einer politischen Jungsgruppe ist. eyeroll

Außerdem hat sie sage und schreibe drei (in Zahlen 3!!!) Typen, die irgendwie auf sie stehen und somit potenzielle Love Interests sind. Geküsst wird natürlich auch. Mit all dem hatte ich nach der obrigen Aussage gar nicht gerechnet!


Ninas einzige Motivation ist übrigens erst ihre leibliche Schwester, die vom "Tiger" Kaplan gekauft wurde, dann die eben erwähnte Ettie, die er gerne haben würde und die es zu beschützen gilt.


Und damit komme ich zum nächsten Punkt, dem dünnen Plot. Denn das ist tatsächlich die ganze Geschichte. Ettie beschützen. Ende.

Die Autorin hat diese Geschichte wohl angeblich in grade mal zwei Wochen komplett geschrieben und wenn das wirklich stimmt, dann muss ich leider sagen: man merkt es. Es fehlt an so vielem, es gibt kleine Fehler und der Plot gibt so wenig her – und das obwohl hier zwei (!) bereits bestehende Geschichten genommen wurden, auf denen das ganze fußt. Sorry, aber da erwarte ich doch etwas mehr... richtige Abenteuer, Intrigen, gefährliche Situationen, clevere Twists, so Zeug. Und nicht diese dünne, ein wenig fanfiction-mäßige Story, in der der Protagonistin alles vor die Füße fällt und bei der ich mich beim Lesen manchmal sogar fremdschäme.


Was mir vorher auch nicht so klar war, ist der starke Fokus auf sexualisierte Gewalt, Menschenhandel und Prostitution. Ich weiß nicht, ob das ein großes Thema in "Les Miserable" ist, denn damit kenne ich mich wie gesagt nicht aus. In meiner Naivität habe ich bei "Fleischgilde" erst an Kanibalismus gedacht, es geht aber wie gesagt um die oben erwähnten Dinge.

Nun ist es vielleicht nicht so schlimm, diese Grausamkeiten in einem grausamen Buch darzustellen. Das gehört dazu. Mich stört jedoch der wahnsinnig einseitige, klischeehafte und langweilige Blick auf (Zwangs-) Prostitution: Männer kaufen, Frauen werden gekauft.

Von einem gefürchteten Gildenmeister des Fleisches verlange ich aber, dass er natürlich auch Männer "anbietet". Alles andere kann er sich doch gar nicht leisten, wenn er das absolute Monopol hat! Da es aber keine einzige Erwähnung von Homosexualität gibt (obwohl die Story das hergibt, ja schon fast verlangt!) und Frauen offenbar als Freierinnen nicht infrage kommen, bleibt es, wie oben schon geschrieben, einseitig.

Besonders ärgert mich das, weil die Autorin in ihren FAQs von der Wichtigkeit von Representation und "Diversity" redet. Ich verlange ja gar kein queeres Haupt-Couple, aber zumindest eine klitzekleine Erwähnung am Rande, dass Männer halt auch gerne mal Männer kaufen (grade im Paris des 19. Jahrhunderts... was meint ihr was da in Frankreich los war, es gab eine riesige queere Szene) wäre doch ganz nett gewesen.

Überhaupt wird dieses ganze Thema sexualisierte Gewalt so furchtbar schlecht behandelt. Über allen Frauen schwebt ständig die Bedrohung der Vergewaltigung. Und natürlich liegt es an ihnen selbst, dem entgegen zu wirken. Nina bekommt z.B. gleich zu Beginn ihren Kopf geschoren und eingetrichtert, dass sie ihr Haar immer kurz halten muss (dementsprechend habe ich sie mir immer kahl vorgestellt, bis dann auf einmal die Rede davon ist, dass ihre Haare gekämmt und "auf dem Kopf aufgetürmt" und verziert werden... offenbar war das Hübschsein dann später doch wichtiger), dass sie hungern muss, um "knabenhaft" auszusehen und sich in Jungsklamotten hüllen soll. Etties Haare werden mit einem Tuch bedeckt, um sie "vor hungrigen Blicken zu schützen". Das ist auf so vielen Ebenen Bullshit.

Erstens können Frauen in jedem Outfit Opfer solcher Taten werden, selbst Frauen die vollverschleiert durch die Gegend laufen.

Zweitens hat Schönheit damit recht wenig zu tun (es geht vorrangig um Macht).

Und drittens ist es totaler Quatsch, dass Jungs so etwas nicht passiert und man sich deshalb nur als einer verkleiden muss, um sicher zu sein!

Es betrifft zwar keine der relevanten Hauptfiguren, aber es schwingt schon manchmal ein kleines bisschen eine "Männer sind potenzielle Triebtäter, vor denen es sich zu jeder Zeit zu schützen gilt" Aussage mit.

Außerdem wird mehr als einmal betont, dass etwas schreckliches "ja auch Frauen und Kinder" betroffen hätte und deshalb sehr viel schlimmer wäre. Kinder, da gehe ich mit, aber Frauen? Wäre es denn weniger schlimm, wenn es nur Männer getroffen hätte? Nach dem Motto: "XY ist passiert, aber die Opfer waren zum Glück nur Männer. Keine Frauen dabei. So eine Freude!" Nee, da gehe ich nicht mit.


Fazit: Ich bin so, so enttäuscht. Wie eingangs geschrieben stand das Buch ewig auf meiner Wunschliste. Ich hatte mich riesig darauf gefreut, habe fast schon auf das Erscheinen hingefiebert und war mir sicher, dass ich es lieben und mit einer glühenden Fünf-Sterne-Rezi belohnen würde. Einen zweiten Stern vergebe ich nur für mein kleines Lob am Anfang und dafür, dass POC hier representiert werden (sogar own voices!). Eigentlich sollte es dafür keine cookie points geben, aber naja, gut finde ich es eben doch.


(Kleiner Nachklapp: Ich weiß nicht, warum das Buch als "Fantasy" vermarktet wird. Ich konnte keine Elemente dieses Genres entdecken.

Nachklapp 2: Fabeln spielen hier eine kleine Rolle. Allerdings heißt der Eber nicht Isegrim, sondern der Wolf, wenn ich mich richtig erinnere.)

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Veröffentlicht am 10.10.2019

Schade

Die Ewigkeit in einem Glas
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Birdie Devine ist Ermittlerin.
In ihrem neusten Fall geht es um ein verschwundenes Mädchen, einen merkwürdigen Vater und jede Menge Geheimnisse - da bleibt es nicht immer ganz ungefährlich.
Zum Glück hat ...

Birdie Devine ist Ermittlerin.
In ihrem neusten Fall geht es um ein verschwundenes Mädchen, einen merkwürdigen Vater und jede Menge Geheimnisse - da bleibt es nicht immer ganz ungefährlich.
Zum Glück hat Birdie aber ihr zwei Meter großes Dienstmädchen Cora und den tättowierten Geist eines Boxers dabei...
Puh, da habe ich wohl momentan ein schlechtes Händchen.
Nach "Melmoth" ist "Die Ewigkeit in einem Glas" leider gleich der zweite Titel, bei dem mir der Schreibstil überhaupt nicht gefallen hat.
Wie in ersterem haben wir hier den Präsens (nicht grade meine liebste Zeitform) und als Leserinnen werden wir manchmal direkt angesprochen.
Die Stimmung ist düster, erreichte mich dank des unterkühlten Stils aber nicht.
So erging es mir auch mit den Charakteren: alle werden so nüchtern beschrieben, dass ich einfach keinerlei Bindung aufbauen konnte, schlimmer noch, sie waren mir egal.
Protagonistin Birdie ist eigentlich gar nicht so übel. Resolut, zielstrebig, nicht zimperlich, begabt. Dennoch bleibt sie irgendwie blass und vollkommen ungreifbar.
Die Nebenfiguren haben alle irgendwelche interessanten Merkmale und eine ungewöhnliche Vergangenheit und trotzdem kamen sie mir ziemlich grau vor, so als würde man nur an der Oberfläche kratzen.
Spannung kam bei mir leider auch nicht auf. Nach dem ersten Viertel habe ich angefangen, mich aus Pflichtgefühl durchzuquälen. Es ist von Anfang an alles ziemlich klar und Birdies Ermittlungen bestehen zu einem großen Teil aus ellenlangen Befragungen.
Da gibt es dann seitenweise Ping-Pong-Gespräche, kurze Sätze, immer hin und her. Und am Ende entweder ein Sir oder Ma'am (wahlweise auch Madam), jedes einzelne mal.
Ja, Ma'am.
Danke, Sir.
Blabla, Ma'am
Bliblub, Sir.
Das kann schon ganz schön nerven, ist aber nur halb so schlimm, wie das ständige Namen-Genenne. Das liegt sicher auch daran, dass wir im deutschsprachigen Raum in einem Zwiegespräch selten bis gar nicht den Namen der anderen Person erwähnen.
Wir nutzen ihn vor allem dann, wenn mehrere Personen anwesend sind und wir nur eine bestimmte ansprechen wollen.
Der ständig wechselnde Narrativ hat mich auch etwas gestört. Birdie ist nicht unser einziger Point of View, wir erleben die Geschichte durch unterschiedliche Charaktere und der Wechsel erfolgt verwirrenderweise auch manchmal im selben Abschnitt und springt dann wieder zurück.
Ich weiß, dass man damit die Gefühlswelt mehrerer Figuren darstellen möchte, der dickste Nachteil ist jedoch immer, dass kaum Geheimnisse übrig bleiben.
Das Buch war also leider, leider nichts für mich, ich vergebe aber einen zweiten Stern, weil ich glaube, dass der Stil nicht grundsätzlich schlecht ist, sondern mein Geschmack nicht getroffen wurde und ich Respekt vor der Arbeit und der Kreativität der Autorin habe.