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Veröffentlicht am 22.03.2020

Die letzte Dichterin

Die letzte Dichterin
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Mina Fabelreich ist Dichterin und Geschichtenerzählerin aus Leidenschaft und hofft darauf, eines Tages in Fernab, jener Stadt in Phantopien, in der die letzte Magie des Landes zu Hause ist, auftreten zu ...

Mina Fabelreich ist Dichterin und Geschichtenerzählerin aus Leidenschaft und hofft darauf, eines Tages in Fernab, jener Stadt in Phantopien, in der die letzte Magie des Landes zu Hause ist, auftreten zu können. Zu ihrer Freude erhält sie tatsächlich eine Einladung zum Dichterwettstreit, den Königin Malwine Wüstenherz ausrichtet. Lediglich finden muss sie die Stadt, die für alle Fremden unsichtbar ist. Der jungen Frau wird bald klar, dass sie ihr Ziel nur in Begleitung von Schatzsucher Finn Minengräber, der seine eigenen Träume hat, gelangen kann und macht sich gemeinsam mit ihm auf den Weg. Werden sich in Fernab die Wünsche der beiden erfüllen?


„Die letzte Dichterin“ von Katharina Seck ist eine fantastische Geschichte, die einen durch die Schilderung aus wechselnden Blickpunkten von Anfang an in das Geschehen einbindet, obwohl sie im Großen und Ganzen eher mit leisen Tönen daherkommt und erst im letzten Drittel mit überraschenden, lebhaften und intensiven Szenen aufwartet.

Die Autorin beweist mit ihrer Idee eines Phantopiens, dem die Magie verloren geht, Kreativität. Die Veranschaulichung einer Welt und ihrer Bewohner, zeugt von Vielfalt, hätte allerdings durchaus ab und an umfassender gestaltet werden können. Es ist jedoch eine Freude, der detaillierten, bildintensiven und stimmungsvollen Erzählweise zu folgen, die sich in einem poetischen und atmosphärischen Rahmen nicht nur ihrer Heldin Minna widmet.

Hervorzuheben sind die sorgfältig entwickelten Charaktere der Geschichte, zu denen insbesondere die ehrgeizige Königin gehört, die anfangs mit einer Darstellung als das personifizierte Böse auftritt und im Verlauf des Geschehens aufschlussreiche Facetten offenbart.

Daneben begeistert Minna mit ihrer Leidenschaft und ihrem Enthusiasmus für das Dichten, ihrer Zurückhaltung und ihrem Bestreben, mit ihrer Kunst bei den Menschen etwas zu auszulösen. Sie kann ihre Zuhörer in den Bann ziehen, weil sie über eine besondere Form von „Magie“ verfügt. Für ihren Begleiter Finn verkörpert sie die Hoffnung, dass die alten Werte Phantopien nicht gänzlich untergegangen sind. Dass es noch Menschen gibt, denen es Ansehen und Reichtum nicht wichtig sind, denen es gleich ist, ob ihr Spiegelbild attraktiv oder unvollkommen ist, die nicht mitleidig auf verkrüppelte Menschen wie ihn herabsehen. Minna zeigt, dass Geschichten und alte Bücher bedeutsamer sind als Goldkugeln und Diamantschmuck, dass man auch den sternfernen Träumen folgen und an seinen Überzeugungen festhalten kann und nicht an den Werten festhalten muss, die Gewohnheit und Misstrauen vor Veränderung vorgeben.

Finn und seine Elster Schwarzklaue erobern schnell das Herz. Der junge Mann mit seiner verkrüppelten Hand ist einer jener Menschen, die nicht perfekt sind und ihren Platz im Leben noch nicht gefunden haben. Auf der Suche danach verläuft nicht alles glatt, und viele Stolperfallen kreuzen seinen Weg. Aber Finn möchte wie Minna seine Träume verwirklichen, und darum agieren die beiden auch mit einer gewissen vorwärtstreibenden Kraft miteinander.

„Die letzte Dichterin“ von Katharina Seck besticht mit einem fantasievollen, durchdachten Plot und ausgezeichneten Charakterstudien, wodurch in der Gesamtbetrachtung ein Lesevergnügen der besonderen Art geboten wird.

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  • Fantasie
Veröffentlicht am 04.02.2020

Arthur und der schreckliche Scheuch

Arthur und der schreckliche Scheuch
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Während ihre Eltern campen, verbringen die elfjährigen Zwillinge Rose und Arthur Trout jeden Sommer eine Woche bei ihrem Opa. Sie bauen Höhlen, baden im Meer, essen dreimal am Tag Cornflakes und tun alles, ...

Während ihre Eltern campen, verbringen die elfjährigen Zwillinge Rose und Arthur Trout jeden Sommer eine Woche bei ihrem Opa. Sie bauen Höhlen, baden im Meer, essen dreimal am Tag Cornflakes und tun alles, was ihnen Spaß macht. Alles könnte also wie immer sein. Doch seit Rose ihr Handy hat, ist sie nicht mehr witzig und albern, sondern langweilig. Während sie sich mit YouTube, Make-up und ihren Freundinnen beschäftigt, interessiert Arthur sich noch für die Helden seiner Kindheit: Star Wars und Drachen. Aber ohne Rose ist er einsam. Da hilft ihm auch seine übermäßig blühende Fantasie nicht.

Eines Tages verkündet der Großvater eine Überraschung: Arthur und Rose könnten sich den Dachboden zu ihrem eigenen Reich gestalten. Der einzige Haken ist, dass sie ihn „ausmisten“ müssten. Hier sind sich die Geschwister einig. Kurz vor Beginn des Schuljahres an einer neuen Schule haben sie keine Lust auf solche Aufräumaktionen.

Als sie sich trotzdem durch jahrelang angehäuften Kram und Müll wühlen, entdecken sie neben Relikten aus ihrer Kindheit wie dem Schaukelpferd Prosecco auch eine Landkarte, über das einzelne Wort ARRO prangt. Und nach und nach kehrt Arthurs Erinnerung zurück: Arro ist jene Welt mit Magiern, Meerjungfrauen und Abenteuern, die sich Rose und Arthur vor vier Jahren geschaffen haben. Und der Eingang ist ein altes Klappbett.

Rose kann sich für die albernen Kinderspiele nicht mehr begeistern und weigert sich, daran überhaupt nur zu glauben oder gar einen Gedanken zu verschwenden.

Dann passiert schier Unmögliches: Der Großvater verschwindet. Kreuch, der schreckliche Vogelscheuchenmann hat ihn verschleppt.

Rose hält das für einen Witz, so dass Arthur gezwungen ist, sich allein auf die Suche nach dem Großvater zu machen, vor allem weil dieser unbedingt sein Asthmaspray benötigt. Wenn das nicht schon schlimm genug wäre, droht auch noch die Welt von Arro zu zerfallen. Arthur wird es auch mit seinem Minja-Freund Min zusammen nicht schaffen, seinen Opa zu retten. Wird Rose ihm beistehen?


„Arthur und der schreckliche Scheuch“ von Jenny McLachlan ist ein herzerwärmendes Buch, das nicht nur die jungen Leser für sich einnimmt. Erwachsene dürften ebenfalls angetan sein und nostalgisch bei dem Blick in die eigene Vergangenheit werden, als sie ihrer eigenen Fantasie jede Menge Raum gaben.

Die Geschichte, die durchaus an „Die Chroniken von Nania“ und Peter Pan erinnert, entfaltet ihren ganz eigenen zeitgemäßen und frischen Reiz. Jenny McLachlan hat eine detaillierte, bunte Welt mit unterschiedlichen Landschaften, Drachen, Meerjungfrauen, Einhörner und anderer Wesen kreiert. Dort erleben ihre Helden ein mitreißendes und aufregendes Abenteuer, das gefährliche Ereignisse für sie bereithält und sie dabei mit ihren Ängsten konfrontiert. Die Handlung ist einfallsreich und originell, allerdings etwas vorhersehbar bei der schnellen Lösung der Konflikte. Bei allem kommt trotz einiger düsterer und gruseliger Momente der Humor nicht zu kurz. Die Beschreibungen sind einfach, aber wirkungsvoll und vorstellungsintensiv.

„Arthur und der schreckliche Scheuch“ wird aus der Sicht des elfjährigen Jungen erzählt, der einem mit seiner Art schnell ans Herz wächst. Auch Rose überzeugt in ihrer Charakterzeichnung. Denn der Autorin gelingt es, ein Gleichgewicht an Vorzügen und Fehlern der Geschwister herzustellen, ohne einen zu bevorzugen. Beide sind wichtig und können nur gemeinsam mit ihren Freunden in Arro – unter anderem eigensinnigen Drachen, einem tollkühnen Magierninja, dem es an magischen Fähigkeiten, allerdings nicht an Selbstbewusstsein mangelt, einer Meerjungfrauenhexe und den Verlorenen Mädchen – Gefahren bestehen und Probleme lösen. Daneben punktet der unkonventionelle Großvater, nicht allein wegen seines aufmerksamen Umgangs mit seinen Enkelkindern.

Insgesamt ist „Arthur und der schreckliche Scheuch“ mit seinem Land Arro eine Hommage an die Kraft der kindlichen Vorstellung und an die Magie, die mit zunehmendem Alter leider zu verloren gehen droht, aber natürlich auch an die Liebe zur Familie, die Freundschaft und Loyalität. Sie stupst uns Erwachsene an, die moderne Welt wieder einmal unbeschwert und mit fantasievollen Augen zu betrachten.

„Achtung, fertig, Arrooo!“

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Veröffentlicht am 13.01.2020

Neuschnee

Neuschnee
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„Keep your friends close, but your enemies closer.“ / „Halte deine Freunde nah, aber deine Feinde noch näher.“ sagte schon Al Pacino als Don Michael Corleone in DER PATE 2. Doch was geschieht, wenn die ...

„Keep your friends close, but your enemies closer.“ / „Halte deine Freunde nah, aber deine Feinde noch näher.“ sagte schon Al Pacino als Don Michael Corleone in DER PATE 2. Doch was geschieht, wenn die Grenze zwischen Freund und Feind nicht (mehr) erkennbar ist? Wenn sich vermeintliche Freunde als Feinde herausstellen? Wenn Aufrichtigkeit, Vertrauen, Loyalität und Treue verloren gehen?

Ihr traditionelles Treffen während des Jahreswechsels verbringt eine Gruppe von Freunden, die die gemeinsame Studienzeit in Oxford verbindet, in den abgelegenen schottischen Highlands. Dieses Mal hat Emma, die Lebensgefährtin von Mark, die erst vor drei Jahren zur Gruppe gestoßen ist, den Aufenthalt auf dem exklusiven und idyllischen Landgut Loch Corrin in der winterlichen Wildnis organisiert. So atemberaubend die Landschaft auch ist. Es ist kalt. Und dunkel. Einsam obendrein.

Neben Mark und Emma sind Miranda und ihr Ehemann Julien, Nick und sein amerikanischer Partner Bo, Samira, ihr Ehemann Giles und ihr Baby Priya und Single Katie angereist. Die Managerin des Landguts, Heather, und Wildhüter Doug versorgen die Gäste, zu denen außerdem noch ein fremdes Pärchen zählt.

Einst standen sich die Freunde sehr nahe und hatten viel Spaß miteinander. Inzwischen gehören die damaligen Gemeinsamkeiten der Vergangenheit eines unkomplizierten Lebens an, weil familiäre und berufliche Verpflichtungen der Freundschaft in die Quere gekommen sind. So haben sich die Freunde im Lauf der Zeit auseinandergelebt und legen nicht mehr so viel Wert auf die Gesellschaft der anderen. Was allerdings auffällt: Sobald sie den Jagdsitz betreten, spielen sie ihre alten Rollen aus College-Zeiten. Es beginnt harmlos, dann erhöhen sich die Feindseligkeiten, nicht aufhaltbare Ressentiments und die Offenbarung von Geheimnisse. Bis das Geschehen im Tod eines Menschen gipfelt und klar ist, dass dieser keines natürlichen Todes gestorben ist.

Während ein Schneesturm die Gäste von der Außenwelt isoliert und verhindert, dass die Anwesenden das Lodge verlassen können und die Polizei ihre Ermittlungen aufnimmt, stellt sich die Frage, wer das Opfer und wer der Täter ist?


Lucy Foley zieht ihre Leser von Anfang an in die Geschichte hinein. Sie startet ihren Thriller „Neuschnee“ nämlich mit dem Auffinden einer Leiche, ohne aufzuklären, um wen es sich handelt. Danach wechselt sie ständig die Zeitebenen und verschiebt die Ereignisse zwischen der Entdeckung des Mordes und der Ankunft der Freunde in den Highlands drei Tage zuvor. Gleichzeitig jongliert die Autorin mit den Perspektiven einzelner Charaktere. So berichten Miranda, Katie, Emma und Heather aus ihrer jeweiligen Ich-Position heraus und ermöglichen einen Einblick in ihr Inneres, lediglich Dougs Part fällt aus diesem Rahmen.

Insgesamt ist dies stimmungsgeladen und mit Scharfsinn erzählt. Denn mittels der Cliffhanger innerhalb der Perspektiven und der Verwendung von nicht unbedingt neuen, gleichsam unheimlichen, ja durchaus gruseligen Momenten kreist Lucy Foley geschickt die Wahrheit ein und lässt die Leser nicht nur an der Motiv- und Tätersuche sowie der Auflösung teilhaben, ohne dass zu irgendeinem Zeitpunkt zu verwirren, sondern bietet außerdem einen Blick hinter die Kulissen von vermeintlich perfekten Beziehungen, das Dasein als Eltern oder als Single.

Obwohl sich Mark und Emma, Miranda und Julien, Nick und Bo, Samira und Giles sowie Katie seit Jahren kennen, und auch trotz der (aufgesetzten) Fröhlichkeit und der guten Laune ist es zum Beispiel für eine Außenstehende wie Heather unschwer festzustellen, dass etwas in diesem Freundschaftsgefüge nicht stimmt und sie sich und ihre Geheimnisse voreinander verstecken. Bis zur unausweichlichen Implosion.

Lucy Foley legt den Fokus auf ihre Figuren, und ihr Vermögen, diese präzise ins ins Licht oder auch Dunkel zu setzen, ist ausgesprochen anschaulich und detailliert, allerdings mit geringen Wiederholungen in der Beschreibung. In der Gruppe der Freunde gibt es die attraktiven, eleganten, erfolgreichen, stillen, langweiligen, harmlosen Personen, indes können nur wenige Sympathieträger ausgemacht werden. Es geht um Macht und Kontrolle, im der Großteil zeigt sich egozentrisch und unberechenbar. Dadurch stimmen sie wahrscheinlich mit gängigen Stereotypen überein, was aber nicht gravierend ins Gewicht fällt, spricht es doch für ein realistisches, durchaus fehlerhaftes menschliches Bild.

Im Gegensatz dazu hat Lucy Foley zwei Protagonisten erdacht, die in ihrem Leben große Verluste erleiden mussten und versuchen, eine traumatische Vergangenheit zu bewältigen. Heather und Doug schätzen die Einsamkeit der Highlands und die Abgeschiedenheit des Landguts, weil sie hier nicht jeden Tag mit dem konfrontiert werden, was sie verloren haben. Ihre Schicksale erhöhen die Dramatik der Geschichte genauso wie die Tatsache, dass ein Serienmörder in der Gegend gesichtet wurde...

„Neuschnee“ von Lucy Foley erweist sich als ausgezeichnete Charakterstudie, die zudem auch inhaltlich mit einem klugen Plot und niveauvoller Schilderung überzeugt.

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Veröffentlicht am 02.01.2020

Die Ewigkeit des Augenblicks

Die Ewigkeit des Augenblicks
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Das Schicksal hat Ava Hochstein in der Vergangenheit geprüft. Doch es bietet ihr einen Neuanfang in Paris und damit neue Eindrücke, neue Menschen, ein neues Leben. Vor einem Jahr hätte Ava die Chance voller ...

Das Schicksal hat Ava Hochstein in der Vergangenheit geprüft. Doch es bietet ihr einen Neuanfang in Paris und damit neue Eindrücke, neue Menschen, ein neues Leben. Vor einem Jahr hätte Ava die Chance voller Freude die Chance ergriffen, ihren Mann Dirk zu begleiten, jetzt fühlt sie nur Angst. Und Trauer. Denn sie müsste in Hamburg Murielle zurücklassen. Ihre Tochter, die das Leben nie kennenlernen durfte. Die Fehlgeburt traumatisiert Ava noch immer. Während für Avas Mann Dirk stets alles einfach ist und er Hindernisse scheinbar mühelos überwindet, ist für Ava das Überwinden selbst ein Hindernis. Hinzu kommen eine mysteriöse Augenkrankheit, so dass die junge Frau nicht mehr ihren Beruf als Lehrerin ausüben kann, und die Zweifel, ob sich Ava in der Liebe und folglich in ihrer Ehe von Anfang an geirrt hat.

Eine spontane Reise nach Paris, bei der Ava ihr neues Haus im Vorort Meudon in der Rue des Illusionistes aussucht, bringt die Wendung. Zwar gelingt es Ava nicht, sich mit den Extremen einer hektischen Großstadt zu arrangieren, aber vor allem die Besuche des nahegelegenen Museums umgeben von den Skulpturen von Rodin bescheren ihr eine innere Ruhe, die sie indes ihre Gefühle für ihren Mann mehr und mehr hinterfragen lässt. Außerdem sind da noch ihr Vermieter, der Kunsthändler Sebastian Duroc, der ihr mehr als aufdringlich wirkt, und die Villa auf dem Nachbargrundstück. Von dieser fühlt sich Ava angezogen, und während alle anderen Menschen nur eine verfallene leerstehende Ruine vor Augen haben, hört Ava des Nachts Klopfgeräusche, so dass sie nicht schlafen kann. Spielen ihr die Sinne einen Streich? Sie will der Sache auf den Grund gehen und entwickelt bald eine besondere Beziehung zum Haus und seinem Bewohner…


Stefanie Hohn hat – so schreibt sie selbst – mit „Die Ewigkeit des Augenblicks die „ausgetretenen Pfade des realistischen Erzählens... verlassen“ und sich „auf das unsichere Terrain des magisch-realistischen... begeben, um dort nach der tieferen Wahrheit zu suchen, die dem Kern dieser Geschichte innewohnt“. Darauf sollte sich jeder, der das Buch liest, einstellen und für diese Zeit den Verstand abstellen und nur auf das Herz hören. Dann wird er mit einer magischen und zugleich romantischen Geschichte belohnt, in der es der Autorin mit ihrer feinsinnigen Ausdruckskraft gelingt, schwierige Thematiken unbelastet zu vermitteln. Hierbei ist es das Können von Stefanie Hohn, die Empfindungen ihrer Protagonistin Ava auf eine Weise darzustellen, die deren Verlust, die Trauer, den Schmerz, die Zerrissenheit, die Sehnsucht, allerdings auch den Versuch, den Stolz zu wahren, sowie ihre Freude, ihren liebevollen Glücksmomente erleb- und fühlbar zu machen.

„Sie glaubte, der Boden vibrierte, aber es war wohl nur ein innerliches Beben, eine Erschütterung der Sinne, die überfordert waren mit seiner Nähe, seiner Kraft und ihrer eigenen Willenlosigkeit, mit der sie all dies geschehen ließ.“

Für ihre Geschichte hat sich die Autorin umfassend mit der Bildhauerei auseinandergesetzt und ihre eigene Leidenschaft für diese Kunst entdeckt. So fließt ihr erworbenes Wissen darüber in den geheimnisvollen und überraschenden Handlungsrahmen ein, ohne diesen zu sprengen. Stefanie Hohn erschafft eine atmosphärische und lebendige Grundstimmung, in der im Übrigen auch die äußerst anschaulichen Beschreibungen der örtlichen Gegebenheiten einen hohen Stellwert einnehmen.

Auf seine besondere Art ist Stefanie Hohns Roman "Die Ewigkeit des Augenblicks eine Geschichte der Liebe, die die gewohnten Pfade verlässt, weil die Grenzen zwischen Realität und Fantasie verschwimmen, von der Autorin aber in wortkünstlerisch hohem Maße miteinander verwoben werden.

4,5 Sterne

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Veröffentlicht am 22.12.2019

Die Schuld jenes Sommers

Die Schuld jenes Sommers
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Ein Augusttag vor 24 Jahre ist der Wendepunkt in Fances' Leben gewesen. Er beendet abrupt die Freundschaft der achtjährigen Mädchen Frances und Wyn, als letztere spurlos verschwindet. Doch eine Nacht des ...

Ein Augusttag vor 24 Jahre ist der Wendepunkt in Fances' Leben gewesen. Er beendet abrupt die Freundschaft der achtjährigen Mädchen Frances und Wyn, als letztere spurlos verschwindet. Doch eine Nacht des Jahres 1942 ändert alles: Die Deutschen bombardieren Bath, und am Morgen danach vermisst Frances den kleinen Davy, auf den sie aufpassen sollte. Sie hatte ihn in die Obhut eines Ehepaares gegeben, weil sie am Geburtstag von Wyn einen Moment ihrer Freundin gedenken wollte.

Ist auch Davy im Bombenhagel umgekommen? Die Spuren sprechen dagegen, und die junge Frau ist sicher, dass Davy überlebt hat. Belastet von massiven Schuldgefühlen, die noch von Davys Mutter Carys verstärkt werden, begibt sie sich auf die Suche. Hierbei wird sie scheinbar von der Vergangenheit eingeholt. Denn außerdem werden in den Trümmern die sterblichen Überreste von Wyn gefunden. Immer mehr Hinweise offenbaren, dass die Wahrheit über deren Tod erschreckender ist als bisher gedacht. Und mit jeder tiefer gehenden Erinnerung verstärkt sich Frances' Überzeugung, dass für das damalige Verbrechen nicht die richtige Person zur Rechenschaft gezogen wurde und wie wichtig es ist, endlich zu wissen, was 1918 tatsächlich passiert ist?


Katherine Webb siedelt ihren Roman „Die Schuld jenes Sommers“ in zwei Zeitebenen an: Es sind zum einen die letzten Monate des ersten Weltkrieges von 1918 und zum anderen das Jahr 1942, und sie verknüpft beide auf nahtlose Art und Weise. Sie schildert in stimmigen und detaillierten Bildern den Alltag der Menschen im von Traditionen geprägten Bath mit jenen Ereignissen, die eine solche Gemeinschaft ausmachen, und packt das Schicksal ihrer Figuren in eine fesselnde und teilweise mysteriöse Handlung, die tiefe Einblicke in die Seele besonders ihrer Heldin Frances ermöglicht.

Dabei ist die Grundstimmung nicht nur in den Rückblenden des Jahres 1918 düster und oft sehr drückend. Während Frances in einer liebevollen Familie und ohne massive Entbehrungen aufwächst, sind Wyn und ihre Geschwister den Launen und Schlägen des Vaters ausgesetzt. Davon gibt es reichlich, die Mahlzeiten sind hingegen eher spärlich.

Die lichten Momente der Freundschaft der beiden Mädchen verschaffen dem Geschehen für Augenblicke Frohsinn, der Frances auch Jahre später noch mit Wyn verbindet. Allerdings ist Frances' Erinnerung lückenhaft, ja ihr Geist wehrt sich sogar, einzelne Begebenheiten abzurufen. Lediglich unklare Bilder, oft in Albträumen, zeigen sich. Erst nach und nach kristallisiert sich heraus, dass nicht jener geflohene Kriegsgefangene Wyn getötet haben kann, mit dem sich „die kleinen Schwestern“ anfreundeten und mit Nahrung versorgten.

Indes sind die Menschen nicht gewillt, dem Drängen von Frances nachzugeben, sich mit der Vergangenheit zu beschäftigen. Sie klammern sich an das Offensichtliche, Greifbare. Daher stößt Frances auf Unverständnis und Widerwillen und findet wenig Unterstützung in ihrem Bestreben, das Dunkel zu erhellen. Zudem muss sie sich mit ihren verschütteten und verdrängten Kindheitserinnerungen auseinandersetzen und diese in einen entsprechenden Kontext bringen.

Frances leidet unter dem Tod von Wyn, ebenso belasten sie Carys Vorwürfe. Das Fatale: Carys ist nicht nur Davys Mutter, sondern auch die ältere Schwester von Wyn. Seit Jahren trinkt sie und vernachlässigt ihre Kinder. Im Gegensatz zu Frances gibt es für sie keine ungeklärte Wahrheit über den Tod ihrer Schwester. Die Vergangenheit ist abgeschlossen, und die Fragen und Nachforschungen von Frances sind ihr mehr als unangenehm.

Katherine Webb meistert die emotionale Herausforderung ihrer Protagonistin mit hoher Ausdruckskraft und vermag es ausgezeichnet, die Verlustängste, die Verzweiflung, die Selbstbezichtigungen sowie den einhergehenden geistigen und körperlichen Schmerz spürbar werden zu lassen.

Auch dadurch wird „Die Schuld jenes Sommers“ zu einem komplexen historischen Roman, der mit einer durchdachten und tiefgreifenden Handlung aufwartet, die einen bewegt und mitempfinden lässt.

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