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Veröffentlicht am 28.02.2020

Prädikat: Wertvoll

Helsin Apelsin und der Spinner
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Als ich mit meinem ältesten Enkel anfing, dieses Buch zu lesen, wurde er plötzlich ganz still. Auch er rastet immer mal wieder aus. Dass es eine Unart ist, das weiß er sehr genau. Dass die aber als „Spinner“ ...

Als ich mit meinem ältesten Enkel anfing, dieses Buch zu lesen, wurde er plötzlich ganz still. Auch er rastet immer mal wieder aus. Dass es eine Unart ist, das weiß er sehr genau. Dass die aber als „Spinner“ bezeichnet werden kann, das war im fremd. Helsin ist also ein Mädchen, welches seinen Jähzorn nicht unterdrückten (kann?). Wenn sie wütend wird, dann schreit sie herum und trampelt sogar mit den Füßen auf. Und nicht nur das.

Helsin ist in der zweiten Klasse. Sie wird auch als Klasse der Zwerge bezeichnet, weil niemals zuvor so viele kleine Kinder in einer zweiten Klasse waren. Eines Tages stellt die Lehrerin einen neuen Jungen vor. Er heißt Louis und gehört ab sofort zur Gemeinschaft der Zwerge. Doch was ist das? Schon nach wenigen Minuten bekommt Helsin ihren Spinner und haut den Neuen so doll, dass dessen Nase anfängt zu bluten. Die Erklärung ist ganz einfach: Louis machte sich über ihren Name lustig. Von wegen Helsin „Apelsin oder Apfelsine“. Nein, das war nicht nett aber der Spinner von Helsin auch nicht. Warum sie diesen Namen hat und welche Differenzen die beiden noch bestehen müssen, das erfahren die Leser in dem wunderschönen Buch.

Das Buch ist nicht nur lustig. Es zeigt, wie aus Rivalen doch noch irgendwann einmal Freunde werden. Was es heißt, adoptiert zu sein und wie schwer es ist, seine Spinner in den Griff zu bekommen. Besonders schön fanden wir (unsere Enkel und ich) die tollen Bilder, welche von Anke Kuhl gefertigt wurden. Also mit anderen Worten: Fünf Sterne und eine absolute Leseempfehlung.

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Veröffentlicht am 28.02.2020

Blanche Roussel und die "Slum sisters"

Das Haus der Frauen
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Und plötzlich bricht alles wie ein Kartenhaus zusammen. Was vor 5 Minuten noch wichtig war, hat keine Bedeutung mehr. So geht es der Anwältin Solénes als sie den Suizid eines Mandanten miterleben muss. ...

Und plötzlich bricht alles wie ein Kartenhaus zusammen. Was vor 5 Minuten noch wichtig war, hat keine Bedeutung mehr. So geht es der Anwältin Solénes als sie den Suizid eines Mandanten miterleben muss. Sie erleidet eine Zusammenbruch und muss sich mühsam wieder ins Leben zurückkämpfen. Soléne ist gerade mal 40 Jahre als und fühlt sich uralt. Sie kann nicht mehr arbeiten.

So beginnt das Buch Das Haus der Frauen von Laetitia Colombani. Da mich bereits ihr erster Roman beeindruckte, wollte ich auch ihr neuestes Werk lesen. Und ich wurde nicht enttäuscht. Sie berichtet in zwei Zeitebenen, einmal dem Heute und dann dem der Blanche Roussel im Jahr 1925. Die Verbindung der beiden Frauen ergibt sich durch den „Palais de la Femme“. Es ist das erste Frauenhaus in Paris und wurde 1926 vom Blanche begründet. Ihr Ziel war es damals, dass Frauen ein Zuhause finden, die sonst auf der Straße leben müssten. Und davon gab und gibt es in Paris viele.

Soléne kam von ihrem Arzt den Rat, sich eine Aufgabe zu suchen. Sie solle doch ehrenamtlich tätig sein und versuchen, anderen Menschen zu helfen. Nur so bekäme ihr Alltag Struktur und sie würde langsam wieder gesund werden. Nach etlichen Überlegungen entschied sie sich für eine Stelle als Schreibkraft im „Palast der Frauen“. Hier lernt sie was es heißt, mit Traumas fertig zu werden. Für sie war es nicht vorstellbar, was junge Frauen über sich ergehen lassen mussten. Soléne erkennt, was im Leben wirklich wichtig ist.

Das Haus der Frauen zog mich so sehr in seinen Bann, dass ich alles stehen und liegen ließ, um es zu lesen. Es berührte mich und ich litt mit als ich von den Misshandlungen der Bewohnerinnen des Hauses las. Sie werden auch die „Slum sisters“, die „Schwestern der Straße“ genannt. Wie gut, dass es damals so mutige Frauen wie Blanche gab, deren Einsatz und Mut bis heute nachwirkt. Für Soléne war es meiner Meinung nach heilsam, dass sie sich auf die Traumatisierten einließ. Sie erkannte sehr schnell, dass weder das dicke Bankkonto noch die tolle Wohnung das Wichtigste im Leben sind. Ja, das Buch empfehle ich ausdrücklich. Der Schreibstil ist äußerst angenehm und die Lebensgeschichte der Blanche Roussel eine Tatsache. Gäbe es mehr als fünf Sterne, ich würde sie auf jeden Fall vergeben.

„Glücklich sind die mit den Rissen im Leben. Denn sie lassen das Licht herein.“

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Veröffentlicht am 27.02.2020

Ein realistischer Blick auf den nahen Tod

Eine kurze Geschichte vom Fallen - Was ich beim Sterben über das Leben lernte
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Eine kurze Geschichte vom Fallen – Was ich beim Sterben über das Leben lernte ist ein sehr wertvolles Buch. Der Autor beschreibt nicht nur was es heißt, sich in den Fängen einer tödlichen Krankheit zu ...

Eine kurze Geschichte vom Fallen – Was ich beim Sterben über das Leben lernte ist ein sehr wertvolles Buch. Der Autor beschreibt nicht nur was es heißt, sich in den Fängen einer tödlichen Krankheit zu befinden. Viel mehr kommt hier zur Sprache und jeder sollte das Buch lesen.

Es beginnt ohne Ankündigung. Joe Hammond steht mit mehreren Frauen und seinem Sohn Tom zusammen. Plötzlich spürt er, wie sein Körper ihm den Dienst versagt. Er fällt schlicht und einfach hin und das ohne das Zutun eines anderen Menschen. Er wird untersucht und erst nach Wochen wird die Diagnose gestellt. Die Krankheit heißt Motoneuron, ist unheilbar und führt unweigerlich zum Tod. Joe und seine kleine Familie leben seit 6 Monaten in Portugal als sie die Diagnose erfahren. Eine Welt bricht zusammen, was soll aus seiner Frau, dem 18 Monate alten Sohn und dem 6jährigen werden?

Nein, es ist kein Buch, welches aus einer Aneinanderreihung von Klagen und detailliertem Krankheitsverlauf besteht. Der Autor schreibt von seinen Erinnerungen und den Ängsten. Aber auch, und das empfand ich als äußerst wichtig, wie er die Unterstützung durch Freunde und Familie empfindet. Wie gehen Menschen damit um, dass er in einem schwerbehinderten Körper lebt und wie geben sie ihm und seiner Familie den Halt, den sie brauchen? Jeder kann in den nächsten Minuten in eine Situation kommen, die der hier geschilderten ähnelt. Daher empfinde ich das Buch auch so enorm wichtig. Ja, es wurde für seine Söhne geschrieben und sie werden es als Trost empfinden. Gleichzeitig dient es aber auch als aufschlussreiche Erläuterung eines Menschen, der kurz vor seinem Tod steht. Zumal er das über eine lange Zeit weiß und die Funktionen seines Körpers immer weniger werden.

Joe Hammond starb am 30.11.2019, im Kreise seiner Lieben. Er wurde nur 50 Jahre alt. Vor jedem Kapitel des Buches ist ein Foto gedruckt, welches ihn alleine oder mit seiner Frau und den Jungen zeigt.

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Veröffentlicht am 24.02.2020

Die Macht der Populisten ist grenzenlos

Dear Oxbridge
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Es gibt Ereignisse, die ich nicht vergesse und genau weiß, wo ich war, als sie eintraten. Das betrifft nicht nur „Nine Eleven“ sondern auch den 23.06.2016. Ich konnte nicht glauben, was ich sah. Und dennoch ...

Es gibt Ereignisse, die ich nicht vergesse und genau weiß, wo ich war, als sie eintraten. Das betrifft nicht nur „Nine Eleven“ sondern auch den 23.06.2016. Ich konnte nicht glauben, was ich sah. Und dennoch musste ich mich damit abfinden, dass die Mehrzahl der Briten für einen Austritt aus der Europäischen Gemeinschaft stimmten. Hätten sie die Wahl, dann würden sie auch dem Kontinent Europa den Rücken kehren.

Die Autorin des Buches

DearOxbridge studierte in Oxford. Sie wollte dort lernen, wo ihre Vorbilder einst studierten. Bis sie hier einen Platz erhielt, musste sie etliche Absagen hinnehmen. Nur ihre Ausdauer und ihr Ehrgeiz bildeten dann doch noch die Grundlage zum Erreichen ihres Zieles.

DearOxbridge ist eine Biographie, die unverfälscht beschreibt, wie die Autorin ihr Leben in England empfand. Sie sah es als Geschenk an, dass sie hier die besten Universitäten besuchen durfte. Ja, auch die negativen Seiten des Staates lernte sie kenne. Aber mal ehrlich, gibt es überhaupt ein Land, welches nur durch Positives punktet? Doch wohl eher nicht.

Nele Pollatschek weiß, wer in Oxford und Cambridge studierte. Diese Politiker setzten sich mitunter ohne Rücksicht auf Verluste für den Brexit ein. Gibt es hier tatsächlich einen Zusammenhang zur Universität? Das kann und will ich nicht beurteilen. Klar ist aber auch, dass die Parallelen eindeutig sind.

Die Autorin des Buches hat mich beeindruckt. Ihr Humor ist zuweilen recht sarkastisch angehaucht und trifft dennoch genau den Kern. Ihre Weitsicht beleuchtet eindrucksvoll, in welcher Weise die Eliteuniversitäten der Insel Politiker hervorbrachten, die sich gegen die Europäische Gemeinschaft wandten. Was ist also nur los, mit diesem England? Warum konnten sich Populisten in dieser Weise durchsetzen? Das Buch hat auf jeden Fall fünf Sterne und eine Leseempfehlung verdient. #NetGalleyDE

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Veröffentlicht am 20.02.2020

"Das Kind ist nicht abrichtfähig"

Die Unwerten
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Das Buch mit dem oben angeführten Titel steht bei mir im Regal. Es beschreibt die Versuche, welche in der Klinik des Ortes Waldniel durchgeführt wurden. Es gab etliche dieser Anstalten, die sich das „Ausmerzen ...


Das Buch mit dem oben angeführten Titel steht bei mir im Regal. Es beschreibt die Versuche, welche in der Klinik des Ortes Waldniel durchgeführt wurden. Es gab etliche dieser Anstalten, die sich das „Ausmerzen unwerten Lebens“ zur Aufgabe machten. Auch das Buch Die Unwerten beschreibt dieses Unrecht, wenn auch in Form eines Romans.

Es ist der 22.12.1939 als der glühende Anhänger Hitlers, der Herr Pilz, die kleine Hannah vor der Klasse demütigte. Er ist ein Sadist und es macht ihm große Freude, die Halbjüdin so sehr aufzuregen, dass sie ohnmächtig wird. Nach dem Anfall schickt er sie zum Direktor und durchsucht in der Zeit ihre Hefte. Was er dabei entdeckt, wird für Hannah kaum übersehbare Folgen haben. Hannahs Mutter lässt ihre Tochter von einem Arzt untersuchen und der stellt fest, dass sie unter Fallsucht (Epilepsie) leidet. Hannah und ihre Mutter müssen fliehen und werden von den Nazis verfolgt. Sehr hartnäckig ist dabei ein Arzt, der zu den Verantwortlichen der Aktion T4 gehört. Wie auch seine Kollegen, nimmt er sich das Werk von Hermann Lubeck als Vorbild, das sogenannte Rassenbuch. Es ist das erste „Grundsatzwerk zur Rassenhygiene“.

Am 01. Januar 1934 trat ein Gesetz in Kraft, welches den Namen: „Gesetz zur Verhütung erbranken Nachwuchses“ erhielt. Systematisch wurden Behinderte ermordet und das so lange, bis die Bevölkerung davon erfuhr. Die Predigten des Clemens Graf Galen führten unter anderem dazu, dass die Aktionen kurzfristig eingestellt wurden. Aber nur kurz, das Morden durch Verhungern oder Überdosierung von sedierenden Medikamenten gab es bis zum Kriegsende. Viele der Täter wurden nicht belangt. Sie konnten weiter als Ärzte arbeiten oder flohen ins Ausland.

Das Buch zeugt von intensiver Recherche und zeigt, wie es damals in Deutschland zuging. Viele Kinder wurden den Eltern entrissen und in Heimen ermordet. In dem Roman Die Unwerten ist die Hauptperson auch ein Kind. Sie erlebt schreckliche Dinge und muss sich gegen Menschen durchsetzen, die sie verfolgen oder gar töten wollen. Es ist ein Auf und Ab und die Spannung hält sich auf hohem Niveau. Auch wenn mir der Schluss zu langatmig war, gebe ich fünf Sterne. Alleine schon deshalb, weil dieses Thema viel mehr Aufmerksamkeit benötigt. Niemals dürfen wir schweigen, wenn Nazis die Oberhand gewinnen wollen. Der Autor schreibt in seinem Nachwort, wie schwer es für ihn war, dieses Buch zu vollenden. Das kann ich sehr gut nachvollziehen und danke ihm daher ausdrücklich, dass er es trotz Schwierigkeiten abschloss.

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