Für meinen Geschmack viel zu überzogen und teils unlogisch
Unter der ErdeIch habe eine große Schwäche für Bücher, in denen ein ganzes Dorf (oder mehrere Leute dort) dunkle Geheimnisse verbergen. Insofern hat mich „Unter der Erde“ sofort interessiert. Der Anfang war auch gleich ...
Ich habe eine große Schwäche für Bücher, in denen ein ganzes Dorf (oder mehrere Leute dort) dunkle Geheimnisse verbergen. Insofern hat mich „Unter der Erde“ sofort interessiert. Der Anfang war auch gleich vielversprechend. Der Schreibstil liest sich angenehm, das bleibt auch im ganzen Buch so. Wenn wir den Hauptcharakter Elias zu Beginn im Auto auf die Fahrt in das kleine Dorf in der Lausitz begleiten, dann ist das herrlich farbig beschrieben. Kleine Eindrücke fließen ein und tragen zur bildhaften Erzählweise bei. Man sieht es alles vor sich und spürt die flirrende Sommerhitze. Elias selbst ist ein ziemlicher Antiheld – man stellt sich einen übergewichtigen unfitten Althippie vor, was ich mal ganz angenehm fand. Auch das Dorf, das letztlich nur aus einer Straße besteht, ist in seiner ganzen Trostlosigkeit wunderbar eingefangen. Man spürt die Beklemmung geradezu und das Dorfleben, der Geburtstagskaffee von Elias Großvater Wilhelm sind sehr realistisch beschrieben.
Schon ziemlich zu Beginn wird klar, daß im Dorf etwas nicht stimmt und diese Verdachtsmomente schrauben sich gelungen nach und nach hoch. Elias fallen Unstimmigkeiten auf und ich habe sehr gebannt gelesen, um zu erfahren, wie das alles zusammenhängt. Der Autor flicht einige Gespräche von zwei unbekannten Leuten ein, die diese per Funkgerät führen, wodurch wir noch einige Informationen erhalten, die Elias nicht bekommt. Außerdem reisen wir immer wieder mal in die Vergangenheit, einerseits durch Elias‘ Kindheitserinnerungen, andererseits durch Textpassagen, die 1946 spielen. Das ist alles abwechslungsreich gemacht und gibt uns verschiedene Möglichkeiten, unser Bild zu vervollständigen. Auch als Elias anfängt, ein wenig nachzuforschen, war das genau mein Geschmack. Ich erwartete mir eine interessant geschilderte schrittweise Aufdeckung, neue Puzzleteile, neue Erkenntnisse.
Nach dem vielversprechenden Anfang wurde diese Erwartung aber leider dann größtenteils nicht erfüllt. Ein wenig störend fand ich die anfänglich Überbenutzung von „Schockmomenten“ – ständig taucht überraschend jemand auf, ruft überraschend jemand an, bricht überraschend was zusammen. Elias kann kein Papier lesen, keinen Anruf machen, ohne nicht von so etwas unterbrochen zu werden. Diese inflationäre Mini-Cliffhanger-Praxis hat mir schon Fitzeks Bücher verleidet und nutzt sich schnell ab. Das hat hier aber das Lesevergnügen nicht wesentlich beeinträchtigt. Für mich schlug das Buch exakt ab Kapitel 13 eine Richtung ein, die mir dann immer weniger gefiel. Die Handlung wird dann aber leider auch immer abgedrehter und teilweise unlogisch.
Mit den interessanten Nachforschungen und Puzzlestücken ist es dann auch fast vorbei. Fast die gesamte zweite Hälfte des Buches besteht in einem langgezogenen Showdown und das ist nicht mein Geschmack. Erfreulicher waren in diesem Buchabschnitt die Rückblicke in das Jahr 1946, die historisch interessant und zudem anschaulich geschildert waren. Leider werden diese zum Ende hin immer holzhammermäßiger. Sie sollen uns aufzeigen, wie hart und mitleidlos jemand wird und das wird uns nicht nur in immer neuen Beispielen geschildert, sondern auch noch mehrfach mitgeteilt, obwohl der Leser es schon begriffen hat. Das war unnötig und beim Lesen eher ärgerlich. Auch der Showdown hat zwar einige spannende Momente – gerade bei einem Charakter gelingt es dem Autor hervorragend, uns bis fast zum Ende rätseln lassen, auch welcher Seite dieser steht – und es kommt auch durch Elias‘ Erinnerungen eine Entwicklung ans Licht, mit der ich nie gerechnet hatte und die ausgezeichnet geschildert wird. Aber sonst folgt der Showdown in großen Teilen dem üblichen Showdownverlauf und birgt wenig Überraschungen. Dafür werden einige ausgesprochen skurrile Szenen eingebaut, die teilweise auf mich letztlich albern wirkten. Insofern war diese zweite Hälfte fast nur in den Rückblicken erfreulich zu lesen.
Das dunkle Geheimnis des Dorfes war mir dann auch einfach zu übertrieben, zu unglaubwürdig. Es bleiben auch einige Fragen unbeantwortet und es gab mehrere Logiklöcher. Insofern entsprach das Buch leider aus mehreren Gründen nicht meinen Erwartungen. Wer nichts gegen eine überzogene Handlung hat und gerne längere Showdowns liest, wird hier auf seine Kosten kommen und man muß auch loben, daß der Autor sich absolut einiges hat einfallen lassen und sich nicht scheut, ungewöhnliche Wege zu gehen. Mein Geschmack war es aber leider größtenteils nicht.