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Meinungen aus der Lesejury

Veröffentlicht am 28.05.2020

Spannendes und stimmiges Wiener Krimi-Hörspiel

Der zweite Reiter
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Ein wahres Hörvergnügen und viel Rätselspaß bietet “Der zweite Reiter” von Alex Beer, gelesen von Cornelius Obonya. Rayonsinspektor August Emmerich ermittelt außerhalb seiner Zuständigkeit und kommt durch ...

Ein wahres Hörvergnügen und viel Rätselspaß bietet “Der zweite Reiter” von Alex Beer, gelesen von Cornelius Obonya. Rayonsinspektor August Emmerich ermittelt außerhalb seiner Zuständigkeit und kommt durch unglückliche Umstände und ein wenig Dummheit in allerlei schwierige Situationen.

Manches lässt sich schon erahnen, wenn die Stimmung (und Stimme) ein wenig umschlägt und man sich schon denkt “das hätte er jetzt besser nicht getan”, dann steigt die Spannung, es wird brenzlig und man fiebert mit dem so eigenwilligen Emmerich mit. Er hat seine Schwächen und nimmt nicht jede Regel ganz genau, aber hat das Herz am rechten Fleck.

Cornelius Obonya liest dieses Hörbuch schon fast wie ein Hörspiel, hat für jede wichtige Figur eine eigene Stimmfärbung, die man schon erkennt, noch bevor man im Buch wissen würde, wer denn spricht (weil diese Information erst nach dem Zitat eingestreut wird).

Zudem kommt somit auch die “Wiener Stimmung” sehr gut beim Hörer an, es wäre schade, wenn das wegfallen würde. Eine absolut richtige und wichtige Wahl um die volle Authentizität und den Charme des Buches zu erhalten!

Dass das Buch für die Lesung gekürzt wurde, fällt kaum auf, nur bei einer Stelle hatte ich die Vermutung, dass ein bestimmter Name eigentlich nicht hätte fallen dürfen weil derjenige davon nicht wissen konnte.

Veröffentlicht am 21.04.2020

Rücksichtsloser als die Polizei erlaubt

Die Toten von Marnow
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Man merkt es nicht gleich von Beginn an, aber es klingt so nach und nach durch: Dieser Krimi spielt nicht ganz in der Gegenwart und zwar im Jahr 2003. Das bringt ein paar nette Anmerkungen mit sich (der ...

Man merkt es nicht gleich von Beginn an, aber es klingt so nach und nach durch: Dieser Krimi spielt nicht ganz in der Gegenwart und zwar im Jahr 2003. Das bringt ein paar nette Anmerkungen mit sich (der Euro ist noch eher neu, ebenso größere Shops bei Tankstellen, Laubbläser sind der letzte Schrei) und macht manches einfacher aber auch schwieriger (es gibt noch keine Smartphones oder Wlan-Hotspots, ebenso spielt Facebook noch keine Rolle). Aber vor allem hat Autor Holger Karsten Schmidt die Handlung so gelegt, weil ansonsten der eine oder andere fiktive Charakter nicht mehr am Leben wäre um in der Geschichte mitzuspielen.

Die Rostocker Kriminalhauptkommissare Frank Elling und Lona Mendt bekommen es nämlich in ihrem ersten Band mit einem harten Fall zu tun, der weit in die DDR-Zeit zurückreicht. Und wie mit (fast) allem, was dann später über bestimmte Jahrzehnte so ans Licht kam, gibt es auch hier einen wahren Kern in dieser grausamen Erzählung.

Aber von Anfang an: Geht in Rostock ein Serienmörder um oder bekommen Elling und Mendt einfach nur zwei sehr seltsame Morde auf ihren Schreibtisch, rein zufällig kurz hintereinander? Noch dazu wo die beiden Opfer bis auf ihr Geschlecht und den Kehlschnitt nichts gemeinsam haben.

In klassischer Polizeiarbeit mit vielen Befragungen und Hypothesen beginnen die ungleichen und dennoch einander verbundenen Ermittler ihre Arbeit. Zwischendrin gibts Einblicke in ihre Privatleben und eigenen Geschichten.

Und die sind mitunter sehr wichtig, denn sie beeinflussen stark wie Mendt und Elling sich in gewissen Schlüsselsituationen verhalten. Sie loten Grenzen aus, überschreiten sie auch. Manchmal zögerlicher, manchmal sehr zielstrebig. Sie setzen sich durch, sie haben auch ihre zweifelhaften Methoden um zu Lösungen zu gelangen.

Manche Ergebnisse geben ihnen recht und dennoch - unsere Helden sind keine “Saubermänner” und haben auch ihre deutlichen dunklen Seiten. “Auge um Auge” ist so ein klassischer Sager, aber in diesem Krimi hat man immer wieder das Gefühl, dass es das am besten beschreibt. Die beiden sind, wenn sie sich dazu genötigt sehen, auch mit einer Prise Rücksichtslosigkeit unterwegs.

“Die Toten von Marnow” wird vom Verlag als “Start einer Krimireihe” bezeichnet, was Fans gepflegter Krimi-Literatur mit Actionelementen hoffen lässt. Aufgrund der aktuellen Lage gibt es da logischerweise noch kein verlässliches Datum.

Veröffentlicht am 01.04.2020

Ein Buch voller Geschichte und Psychologie

Die Herren der Zeit
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Ein wahres Monster an Recherche und Vorbereitung steckt im Thriller “Die Herren der Zeit”. Dies ist Band 3 und auch das Ende der Trilogie rund um die baskische Stadt Vitoria und ihren gegen seinen Willen ...

Ein wahres Monster an Recherche und Vorbereitung steckt im Thriller “Die Herren der Zeit”. Dies ist Band 3 und auch das Ende der Trilogie rund um die baskische Stadt Vitoria und ihren gegen seinen Willen berühmten Ermittler Unai López de Ayala (aka Kraken).

Die Handlung springt zwischen zwei Zeitsträngen hin und her: dem heutigen Vitoria (2019, mit Episoden aus 1994 und 2017) und den teilweise historisch belegten Begebenheiten an eben jedem Fleckchen Erde in den Jahren 1192 und 1200. Wie auch schon in den bisherigen Bänden (“Die Stille des Todes”, “Das Ritual des Wassers”) wird jedes Kapitel wird mit der Hauptperson und dem Ort und Jahr eingeleitet, sodass man eigentlich immer gut mitkommt.

Der Nachteil daran: oft wird ein Handlungsstrang genau dann durch einen Zeitsprung unterbrochen, wenn es gerade sehr spannend wird, was vor allem für die 2019-er Linie gilt. Verbunden sind die beiden großen Zeitebenen durch einen im Roman erschienenen Roman, der eben jene Passagen aus der Vergangenheit schildert.

Die Autorin Eva García Sáenz hat so gewissermaßen zwei Bücher in einem geschrieben. Die Morde, die Unai, seine Kollegin Estíbaliz, Chefin Alba und der Rest des Teams aufklären sollen, haben alle einen Bezug zu besagtem Roman. Und um noch mehr Verwirrung zu stiften: Der Titel dieses Thrillers ist der Titel des Romans aus dem Buch.

Aber keine Sorge, der Thriller ist gut konstruiert, wird zufriedenstellend aufgelöst und bietet einiges an psychologischem Wissen neben den starken historischen Elementen. Die Bände können wohl auch eigenständig gelesen werden, wen Anspielungen und eine starke Weiterentwicklung der Protagonisten aber eher stören, der sollte vor diesem Band zumindest einen der beiden davor gelesen haben. Um ganz sicherzugehen, wohl “Die Stille des Todes”.

Einige Charaktere kehren zurück, tauchen wieder auf und einige Aspekte aus dem Leben Unais und der anderen könnte die Vorgängerbände spoilern. Lobend zu erwähnen sind hier dafür das Personenregister, das Glossar und die groben Übersichtskarten von Vitoria heute und damals in den Umschlägen.

Veröffentlicht am 24.03.2020

Wunderbar spannende Thrillerkost aus Spanien

Die Stille des Todes
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Spanische Thriller oder Krimis haben (soweit ich das aus der Entfernung beurteilen kann) nicht den Ruf der nördlicheren Länder oder jenen der französischen Lokal-Krimis. Dennoch bewiesen und beweisen Autoren ...

Spanische Thriller oder Krimis haben (soweit ich das aus der Entfernung beurteilen kann) nicht den Ruf der nördlicheren Länder oder jenen der französischen Lokal-Krimis. Dennoch bewiesen und beweisen Autoren wie Manuel Vázquez Montalbán, Dolores Redondo oder Arturo Pérez-Reverte, dass aus Spanien auch ausgezeichnete Spannungsliteratur kommt.

Eva García Sáenz fügt sich nahtlos in diese Reihung ein und hat mit ihrem Helden “Kraken” eine gleichermaßen tragische wie vielschichtige Figur geschaffen. Zum heutigen Tag gibt es drei Krimis rund um Inspector Unai López de Ayala, wie er eigentlich lieber genannt wird, und das Erscheinen von Band 3 (De Herren der Zeit) nahm ich zum Anlass, den Beginn aus meinem Büchervorrat zu befreien.

Der Schauplatz: die Stadt Vitoria im Baskenland. Es ist ein heißer Sommer, aber trotz der mehr als 550 Seiten gibt es nie allzu lange “Vorträge” über das Land, das Wetter oder seine Personen. Die kurzen Atempausen, die Unai braucht, verbringt er in einem kleinen Dorf mit seinem Großvater, wo man dann solche Informationen in kleinen Happen bekommt.

Den Löwenanteil macht die klassische Polizeiarbeit aus. Unai, Kollegin Estíbaliz und ihre Vorgesetzten sind mit einem Serienmörder konfrontiert, der nach langer Pause wieder zuschlägt. Bloß, dass derjenige, der beim ersten Mal für die Morde schuldig gesprochen wurde, noch immer im Gefängnis sitzt.

“Die Stille des Todes” führt den Leser in eine Welt, die Mythologie, (Aber-)Glaube, Schuld, Rache und Geschichte miteinander vereint. Unai und Estíbaliz scheinen immer einen Schritt zu spät zu kommen und landen mit ihren Ermittlungen in zahlreichen Sackgassen. Nur durch gute Kombinatorik und etwas Hilfe von Unais Großvater können sie das Puzzle an Zeugenaussagen so zusammensetzen, dass die wenigen Übereinstimmungen am Ende auf eine Lösung hinweisen, die wohl niemand so vorhersehen konnte.

Veröffentlicht am 14.03.2020

Ein Spion und Schürzenjäger

Das Los, das man zieht
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Dass der Spanische Bürgerkrieg (1936-39) vor allem für Außenstehende sehr verworren war, mag bekannt sein. Wie schlimm es tatsächlich manchmal war, erfährt man verknüpft mit einer fiktiven Handlung in ...

Dass der Spanische Bürgerkrieg (1936-39) vor allem für Außenstehende sehr verworren war, mag bekannt sein. Wie schlimm es tatsächlich manchmal war, erfährt man verknüpft mit einer fiktiven Handlung in den Büchern von Arturo Pérez-Reverte. Seine Krimireihe (bisher 3 Bände) mit Agent Lorenzo Falcó spielt in und außerhalb Spaniens in den Jahren 1936 und 1937.

Falcó kann man getrost als James Bond der spanischen Literatur beschreiben. Er kann gut mit Frauen, ist nicht allzu wählerisch und auch als Agent und Auftragsmörder den meisten überlegen. Er führt seine Befehle gewissenhaft aus trifft während seines neuesten Auftrags zwar nicht auf 007, aber auf jemand viel realeren: Picasso kreuzt Falcós Weg. Oder vielmehr umgekehrt und das natürlich nicht zufällig.

In Paris wird 1937 gerade die große Weltausstellung vorbereitet auch wenn es im Hintergrund politisch in ganz Europa schon stark rumort und die Bürger zwischen Kommunismus und Faschismus regelrecht aufgerieben werden. Pérez-Reverte fängt in seinen Büchern gekonnt den politischen wie auch gesellschaftlichen Zeitgeist ein und entlässt seinen Helden und Anpassungskünstler in diese Welt.

Im Vergleich zu “Der Preis, den man zahlt” und “Der Tod, den man stirbt” ist dieser dritte Band der am wenigsten blutige. Statt allerlei Verfolgungsjagden und Schießereien spielt sich hier viel im Zwischenmenschlichen ab. Falcó braucht einen langen Atem um seine Ziele zu erreichen und es ist erstaunlich, wie geduldig er dabei vorgeht, wenn man bedenkt, dass er es mit den Frauen so ganz anders handhabt.

Fein konstruiert, unterhaltsam und spannend ist dieser Krimi, wenngleich man gegen Ende (sollte man die anderen Bände kennen) schon so ein bisschen vorausahnt, wer der geheimnisvolle Retter ist und was er eigentlich will.