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Veröffentlicht am 12.08.2020

Phantastik / Eine Mischung aus Familiendrama, Lovecraftschen Peter Pan und Coming-of-Age

Das Haus der finsteren Träume
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Die USA in den 1960er-Jahren: Harry Turner, ein geradezu fanatischer Verehrer von H. P. Lovecraft, macht sich an die Verwirklichung eines gewaltigen Vorhabens. Auf seinem Grundstück soll ein Geisterhaus ...

Die USA in den 1960er-Jahren: Harry Turner, ein geradezu fanatischer Verehrer von H. P. Lovecraft, macht sich an die Verwirklichung eines gewaltigen Vorhabens. Auf seinem Grundstück soll ein Geisterhaus entstehen, und zwar das größte und unheimlichste, das Amerika je gesehen hat. Harrys komplette Familie arbeitet an dem Projekt mit, obwohl seine pragmatisch veranlagte Frau und seine beiden Töchter die Augen vor der gruseligen Wahrheit verschließen: Die Monster, die im Geisterhaus der Turners ihr Unwesen treiben, sind echt. Der einzige, der diese Tatsache akzeptiert, ist der jüngste Turner-Spross Noah. Doch als er eines Tages beschließt, den Ungeheuern die Tür zu öffnen, wird das Leben der Turners zum Albtraum ... (Klappentext)

✧✧✧✧✧

"Hier werden die Wände dünn, die Verwirrung nimmt zu. Es gibt Türen, wo früher nur Wände waren, und wo Licht brannte, greifte die Dunkelheit um sich. Der einzige Weg nach draußen führt hier hindurch auf die andere Seite."
(S. 200)


Ich möchte gleich einmal damit beginnen, dass der Klappentext irreführend ist und daher völlig falsche Erwartungen weckt. Aufgrund dessen habe ich nämlich mit einer spannenden und gruseligen Horrorstory über ein Spukhaus mit grauenerregenden Monstern gerechnet.
Ja, es kommt ein Spukhaus vor, jedoch nur am Rande. Im Grunde ist es auch kein Spukhaus, sondern nur ein Hobby und eine Einnahmequelle für die Familie. Und Ja, es kommt ein Monster darin vor, jedoch keineswegs grauenerregend und angseinflößend. Ergo - es ist definitiv kein Horrorroman!
Obwohl meine Erwartungen diesbezüglich nicht erfüllt wurden, habe ich dieses Buch innerhalb von zwei Tagen verschlungen.
Doch um was geht es denn nun in diesem Roman?

Es begann alles mit der Begegnung von Harry und Margeret. Harry, ein Büchernarr, Fan von Horrorfilmen und vor allem Horrorromanen und glühender Lovecraft-Bewunderer. Er arbeitet bei McDonalds und kümmert sich nebenher um seine schizophrene Mutter. Margeret hingegen kommt aus gutem Hause, studiert und ihre Eltern wünschen sich für sie eine gute Partie und somit finanzielle Sicherheit.
Margeret wirft ihre sichere Zukunft über Bord, um mit ihrer großen Liebe, dem Büchernerd Harry, ein einfaches aber glückliches Leben zu führen. Es scheint auch alles gut zu laufen. Sie leben in einem kleinen Haus, Margeret hat ihr Studium hingeschmissen und ist nun Hausfrau und Mutter zweier Mädchen, die vom Charakter und Temperament her nicht unterschiedlicher sein könnten.
Doch plötzlich beginnt sich Harry zu verändern und sich seltsam zu benehmen. Er möchte sich auf Biegen und Brechen einen Kindheitstraum von einem Spukhaus im eigenen Garten erfüllen - eine Attraktion für die Nachbarn, ähnlich einer Geisterbahn. Er steckt all seine Energie und alles Geld in diesen Wunschtraum, scheint wie besessen. Auch Margaret ist nicht mehr glücklich in ihrer Ehe und ihrer Rolle als Hausfrau und Mutter.
Hier scheint das Schicksal seinen Lauf zu nehmen und zwar keinen guten. Das einzig halbwegs Gute, was dann noch passierte, war die Geburt ihres Sohnes Noah.
Doch sah Margaret nicht schon viel früher das Monster an ihr Fenster klopfen?

"Das Kratzen am Fenster war so sachte wie ein sanfter Stupfs gegen die Schulter. Wäre ich älter oder vorsichtiger gewesen, oder hätten die Erwachsenen in meiner Kindheit besser auf mich achtgegeben, dann hätte ich mir vielleicht Sorgen gemacht, dort draußen erwischt zu werden. Aber ich war daran gewöhnt, unsichtbar zu sein, und es fiel mir sowieso schwer, mir wegen irgendetwas Sorgen zu machen, sobald mein Freund da war."
(S. 169)


Noah ist der Erzähler dieser Geschichte und man begleitet ihn über mehrere Jahrzehnte hinweg.
Mit ihm taucht man in eine Familiengeschichte voller Abgründe ab. In eine Familie, in der jeder mit sich selbst beschäftigt und mit seinen eigenen Problemen und inneren Dämonen zu kämpfen hat.
Und auch Noah sieht das Monster, freundet sich mit diesem jedoch an. Diese Kreatur wird zu seinem einzigen Freund, hilft ihm mit einigen Schicksalsschlägen zurechtzukommen und öffnet ihm das Tor zu einer anderen Welt - im wahrsten Sinne.

"In einer Familie zu leben, die unter einem Verlust leidet, an den man sich selbst nicht erinnern kann, ist ungefähr so, als säße man im Kino hinter einem großen Menschen. Rundherum lachen oder weinen die Zuschauer und reagieren irgendwie, aber man hat keine Ahnung, was da vorne los ist."
(S. 145)


Wie man eventuell erkennen kann, fällt es mir schwer eine aussagekräftige Inhaltsangabe zu schreiben, denn es ist eine komplexe Story, die so viel mehr enthält und welche sich erst am Ende vollends entfaltet.
Es ist kein Horrorroman, sondern eine Story, welche dem Subgenre Phantastik zugeordnet werden kann.
Eine Story in der ein Wesen die Familie von Beginn an zu verfolgen scheint und das mysteriöse Verschwinden von Kindern in der Umgebung der Turners beinhaltet.
Es ist aber auch gleichzeitig eine Geschichte über eine Familie in der Geheimnisse und das Schweigen innerhalb einer Familie, Verdrängung und das Flüchten in eigene Welten ebenso thematisiert werden, wie auch gleichgeschlechtliche Liebe und der Kampf um Akzeptanz. Aber auch Krebs, Depression und Suizid sind Inhalt der Story. Daher kommt das Buch auch nicht gänzlich ohne Triggerwarnung aus.
Und überall begegnen einem H.P. Lovecraft und seine Geschichten. Er scheint der rote Faden dieser Story zu sein - er und sein Tor zur Anderswelt.

"Da erhellt ein Blitz, der anscheinend im Park einschlug, den grauen Tag. In diesem Moment wirkt der Absprungplatz wie ein riesiger pechschwarzer Turm, so glatt wie Vulkanglas, der sich in den flüchtig erhellten Himmel reckt. Die Oberfläche sieht ölig und schmierig aus wie frischer Teer."
(S. 358)


Der Schreibstil ist einfach und flüssig und die Erzählweise äußerst packend. Doch vor allem besticht die Story durch seine bedrückende Atmosphäre, welche einem von Anfang bis Ende umgibt wie dichter Nebel, der sich erst am Ende zurückzieht und einem die Story als Ganzes verstehen lässt.

Fazit:
Dieses Buch enthält keinen Horrorroman, sondern eine Mischung aus Familiendrama, Lovecraftschen Peter Pan und Coming-of-Age. Gleichzeitig ist es eine Story der modernen Phantastik, eine Hommage an H.P. Lovecraft und allgemein eine Hommage an Bücher.
Diejenigen, welche also furchteinflößenden Geisterhorror erwarten, wie der Klappentext durchaus suggeriert, werden enttäuscht sein. Doch wer bereit ist, sich auf die Story und die Phantastik einzulassen und auch Geduld mitbringt, dem kann es durchaus passieren, sich in der Story zu verlieren.


">>Kommen Sie sich nicht albern vor? Sollten Sie nicht eher Bücher für Erwachsene Lesen?<<
>>Ich halte Horrorgeschichten für die wichtigsten Bücher der Welt<<, entgegnete er."
(S. 39)



© Pink Anemone (inkl. Leseprobe und Autoren-Info)

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Veröffentlicht am 10.05.2020

Fesselnder und actiongeladener 2. Band der "Verfallenen Welt"-Reihe. Science-Dystopie vom Feinsten!

Gefesselt
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Auf den Straßen herrscht Chaos. Menschen verwandeln sich in blutrünstige Bestien. Während Gill und sein Team in Berlin ums Überleben kämpfen, lehnt sich Rebecca in London, gemeinsam mit den Gefangenen, ...

Auf den Straßen herrscht Chaos. Menschen verwandeln sich in blutrünstige Bestien. Während Gill und sein Team in Berlin ums Überleben kämpfen, lehnt sich Rebecca in London, gemeinsam mit den Gefangenen, gegen Genetics auf. Ein blutiger Krieg zwischen den genetisch veränderten Invitros und den Hightech-Söldnern der Firma beginnt. Um für das Überleben ihrer Leute zu sorgen, müssen Gill und Rebecca bis an ihre Grenzen gehen - und weit darüber hinaus... (Klappentext)

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"Die Luft flirrte, als würde die Sonne von einem klaren Sommerhimmel brennen. Es war heiß wie in der Hölle. Doch nirgendwo war ein Feuer zu sehen. In dieser Welt gab es keine Farbe. Alles war grau. Alles war leer. Das Leben hatte geendet."
(S. 73)



Dies ist der 2. Band der Prequel-Reihe "Die Verfallene Welt".
Während "Infiziert - Geheime Sehnsucht" acht Jahre nach dem Ausbruch der Zombieapokalypse angesiedelt ist, ist man bei der Prequel-Reihe von Anfang an dabei und erfährt auch den Grund für den Ausbruch dieser Krankheit.

Diese Reihe sollte man unbedingt chronologisch lesen, da man sonst keinerlei Bezug zu den Figuren hat und auch deren Handlungen und allgemeine Zusammenhänge nicht nachvollziehen kann.
Ich versuche in dieser Rezension so wenig wie möglich zu spoilern und am Ende findet Ihr die von mir empfohlene Reihenfolge.

"Gefesselt - Der Aufstand" schließt fast nahtlos an den 1. Band "Gefesselt - Der Anfang" an.

Vor 20 Stunden haben sich die ersten Menschen in geifernde und hungrige Bestien verwandelt. In deren Gehirnen scheinen die Synapsen durchgeknallt zu sein, denn sie werden nur noch durch die Gier nach Menschenfleisch und die Jagd danach angetrieben. Wird man von ihnen gekratzt oder angeknabbert dauert es nicht lange und man wird selbst zu so einem sabbernden Monstrum, welches nur noch aus animalischen Überlebensinstinkt und großem Hunger besteht.
Die Bevölkerung und die Regierung sind damit völlig überfordert, Chaos bricht aus und eine neue, jedoch gefährliche, Welt entsteht.


"Doch die innere Kälte ließ sich nicht durch warme Kleidung bezwingen. Stunde für Stunde krochen sie durch die leeren Ruinen der einstmals belebten Stadt, immer auf der Hut vor den wild gewordenen Kreaturen, die kaum mehr etwas mit Menschen gemein hatten. FRESSER."
(S. 23)



Man verfolgt auch hier wieder die zwei Handlungsstränge der beiden Protagonisten Rebecca und Gill.
Gill kämpft mit ein paar Kameraden in Berlin ums Überleben. Die Gruppe wird langsam größer und zu dem starken Kern, dem man schließlich in "Infiziert - Geheime Sehnsucht" (3. Band) begegnet. Sie versuchen sich mit dieser neuen Welt zu arrangieren, in der sie um Nahrung und Unterschlupf kämpfen müssen und sich nur mit Vorsicht bewegen dürfen.
Rebecca befindet sich hingegen in London und führt dort einen Kampf gegen das Pharmaunternehmen "Genetics", bzw. gegen das, was davon übrig ist.
Auf beiden Seiten toben blutige Schlachten, auf beiden Seiten wird es Opfer geben und auf beiden Seiten werden Entscheidungen getroffen, welche die Zukunft verändern.


"Gill blickte auf die Karte hinter dem Mann. Schwarzer Marker kennzeichnete Stellungen, grün schraffierte Flächen sichere Zonen. Fast alle waren rot durchgestrichen, die Zeichnungen immer fahriger geworden. Irgendwann hatte jemand unkontrolliert und voller Frust drübergekrakelt. Aber wenn er es richtig entzifferte, gab es in dieser Stadt keine einzige andere gesicherte Stellung mehr."
(S. 17)



Während der 1. Band eher ruhig verläuft, kommt es hier zu einigen nervenaufreibenden Actionszenen und spannenden Begebenheiten.
Die Story verläuft bis knapp zehn Jahre nach dem Ausbruch und daher verwebt sich diese mit der Story aus "Infiziert - Geheime Sehnsucht", betreffend des Handlungsstrangs in Berlin. Man liest die Geschehnisse jedoch diesmal aus Gills Perspektive.
Dies fand ich genial, gleichzeitig habe ich es aber auch verteufelt.

Diejenigen, welche den letzt genannten Band schon gelesen haben, treffen auf alte Bekannte, wird diese mit Begeisterung empfangen und willkommen heißen. So auch ich ... zu Beginn, denn während auch ich dieses Aufeinandertreffen anfangs regelrecht gefeiert habe, empfand ich es im Verlauf doch langatmig. Man liest nämlich die gleiche Handlung wie schon in "Infiziert", nur eben, wie schon erwähnt, aus Gills Perspektive. Ergo - die selben Dialoge, die selben Szenen, etc.

Der Handlungsstrang Gill betreffend, konnte mich diesmal jedoch allgemein nicht völlig mitreißen und begeistern. Mir wird hier nämlich auch zusätzlich etwas zu viel rumgeschmalzt.
Dies ist jedoch Geschmackssache und ich gehöre zu dieser Sorte, die mit so etwas überhaupt nichts anfangen kann und stattdessen Action und Kämpfe bevorzuge. Während andere LeserInnen dies also durchaus als abwechslungsreich empfinden und feiern, wirkt es auf mich eher störend.

Den Handlungsstrang rund um Rebecca fand ich im Gegenzug umso gelungener.
Hier kämpft man an der Seite der Invitros, den "Versuchskaninchen" des ehemaligen Pharmakonzerns "Genetics". Diese sind Tierwandler, wie z.B. eine Tigerlady, ein Phoenix oder ein Taure. Wer jetzt denkt dies klinge zu sehr nach Fantasy, der täuscht sich gewaltig. Eher taucht man hier in eine Science-Apokalypse ein, in der es auch mal actiongeladen zur Sache geht. Der Gegner ist nämlich niemand Geringeres als die Hightech-Söldner des restlichen Genetic-Bestandes mit einem überaus gelungenen Antagonisten als Anführer.


"Der Boden des Geschäfts war klitschig von Blut und Gedärmen. In der Mitte des Raums hatte jemand abgenagte Knochen zu einem Haufen aufgestapelt. Ob sie von verwesten Toten, unvorsichtigen Überlebender oder gefressenen Artgenossen stammten, konnte Rebecca nicht sagen. Sie wollte es auch gar nicht wissen."
(S. 229)



Der Schreibstil der Autorin ist gewohnt flüssig. Sie weiß Atmosphäre und vor allem spannende Szenen zu erschaffen.
Hier gibt es, wie schon erwähnt, wieder reichlich Action, deren Darstellung mich schon in "Infiziert - Geheime Sehnsucht" begeistern konnte. Plastischer Erzählstil liegt der Autorin also ebenso und dies bezieht sich nicht nur auf die Actionszenen, sondern vor allem auch auf das Setting.
Die überraschenden Wendungen, zumindest in Rebeccas Handlungsstrang, sind auch nicht zu verachten.

Fazit:
Wenn ich diesen Band nicht in einer interaktiven Leserunde gelesen hätte, hätte ich das Buch wohl in einem Rutsch weggesuchtet.
Das Einzige, was ich zu beanstanden habe sind die schon erwähnten schnulzigen Szenen und vor allem, dass Gills Handlungsstrang für mich allgemein etwas langweilig war und keine Überraschungen bereit hielt.
Für LeserInnen, welche aber den Band "Infiziert - Geheime Sehnsucht" nicht kennen, ist der vorliegende Band jedoch sicher auf jeder einzelnen Seite spannend und mit überraschenden Wendungen gespickt.
Ich für meinen Teil freue mich trotzdem schon wie ein Schnitzel auf die Fortsetzung, wenn es wieder heißt: Mensch vs. Zombies & Genetics.

© Pink Anemone (inkl. Book-Soundtrack, Leseprobe, Autoren-Info und Link zur interaktiven Leserunde)

Reihenfolge

Prequel Spin-Off:

"Gefesselt - Der Anfang" (2018)
"Gefesselt - Der Aufstand" (2019)

"Infiziert - Geheime Sehnsucht" (2018)


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Veröffentlicht am 04.05.2020

High Fantasy mit afrikanischer Atmosphäre - poetisch und derb zugleich

Schwarzer Leopard, roter Wolf
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Sucher, der Jäger mit dem besonderen Sinn, wird vor seine schwierigste Aufgabe gestellt. Er muss einen Jungen aufspüren, der vor drei Jahren spurlos verschwand. Seine Fährte führt ihn durch Wälder und ...

Sucher, der Jäger mit dem besonderen Sinn, wird vor seine schwierigste Aufgabe gestellt. Er muss einen Jungen aufspüren, der vor drei Jahren spurlos verschwand. Seine Fährte führt ihn durch Wälder und Städte, zu Gestaltwandlern, Ausgestoßenen und Hexen. Aber kann er den Jungen retten und die Welten wieder in Einklang bringen?... (Klappentext)

Triggerwarnung: Sexuelle und körperliche Gewalt, Missbrauch, Zirkumzision (Beschneidung)


❋❋❋❋❋

">>Dies wird keine einfache Reise. Es sind Mächte im Spiel, Sucher. Es sind Mächte im Spiel, Leopard. Sie kommen morgens mit dem Wind oder manchmal auch in der höchsten Sonne, der Stunde des blendenden Lichts der Hexen. So wie ich wünsche, dass er gefunden wird, gibt es gewiss solche, die wollen, dass er verborgen bleibt...<<"
(S. 181)



Er hat keinen Namen und wird von allen nur "Der Sucher" oder "Roter Wolf" genannt. Dieser sitzt einem Inquisitor gegenüber - angeklagt für den Tod eines Jungen. Diesem Inquisitor erzählt er seine Geschichte - wie er zu dem wurde was er ist, wie es zu dem kam was passierte und weshalb es so enden musste wie es endete.
Als LeserIn sitzt man mit dem Inquisitor am Tisch und lauscht dieser Geschichte. Eine Geschichte, die einem jungen Mann begleitet, welcher eine besondere Gabe besitzt, nämlich wie ein Wolf Gerüche aufzunehmen und diesen zu folgen, bis er den Besitzer dieses Geruchs gefunden hat. Diese Gabe führt dazu, dass er mit anderen angeheuert wird einen Jungen zu finden, welcher einst entführt wurde und nun schon seit drei Jahren vermisst wird. Ein Junge, welcher von großer Bedeutung zu sein scheint und den nicht nur er und seine Gefährten suchen. Während seine Truppe den Auftrag hat den Jungen lebend zurückzubringen, scheinen die Anderen nur seinen Tod zu wollen ... und die Zeit läuft.

Hier betritt man eine völlig neue Welt des Fantasy, wobei das Worldbuilding selbst eher in den Hintergrund rückt, während die Atmosphäre afrikanischen Flair versprüht, jedoch dunkel und düster.
Es ist als würde man in eine ferne Welt eintauchen, sich dabei durch das tiefste Afrika bewegen und dabei einer noch älteren Sage lauschen. Einer Sage über uralten Glauben, Riten und Legenden, in der einem Schattenteufel, Hexen, Gestaltenwandler und noch viele anderen Kreaturen begegnen. Man wandert durch Traumlande, Sümpfe und Steppen, Geisterwälder und Orte, die fast schon eine psychedelische Atmosphäre versprühen und man das Gefühl hat auf einem unheimlichen und bedrückenden Trip zu sein.

"Ich wusste, dass ich die Nase hatte, wie Kava sagte, aber ich hatte nicht gewusst, dass ich einem Geruch folgen konnte. Selbst wenn der Leopard weit entfernt war, hatte ich ihn noch immer unmittelbar vor der Nase. Und Kava und seine Gerüche und die kleine Frau und die Rose, die sie in die Falten ihres Fleisches rieb, und den Mann und den Nektar, den er trank, und die Käfer, die er aß, zu viel Bitteres, wo er doch die Süße brauchte, und die Wasserschläuche und das Wasser darin, dass noch nach Büffel roch, und den Bach. Und mehr, mehr noch als das, und immer mehr, genug, um mich in eine Art Irrsinn zu treiben."
(S. 70)


Die Geschichte ist in sechs Hauptkapitel unterteilt:

1. Teil: Wie alles begann - Hier lernt man den Protagonisten kennen und so manch andere relevante Figur, wie z.B. den Leoparden. Man erhält ebenso Einblick in das Worldbuilding.


2. Teil: Die Suche beginnt - Der Auftrag wird angenommen, die Reisegefährten treffen auf aufeinander und die Reise zu dem Ort, an dem der Junge entführt wurde, beginnt.


3. Teil: Kongor - Die Stadt wo alles begann und endete. Reisegefährten verschwinden und ein neuer Gefährte betritt die Bühne, Geheimnisse werden gelüftet und doch bleibt so manches weiterhin im Dunkeln.


4. Teil: Vom Regen in die Traufe - Die Suche geht weiter, es kommt zu neuen Erkenntnissen aber auch zu neuerlichem Verrat und somit wieder zu überraschenden Wendungen. Man trifft auf alte Bekannte, während so manche Figur das Zeitliche segnet. Der Autor macht auch vor liebgewonnenen Figuren nicht Halt. Und schließlich endet die Suche.


5. Teil: Ein Lied eines Griot (vergleichbar mit Minnesängern aus dem Mittelalter), erzählt wie eine Geschichte, welche von der Rückkehr des Suchers in ein altes Dorf handelt.


6. Teil: Die Suche beginnt erneut - Fünf Jahr sind inzwischen vergangen und der Junge muss ein weiteres Mal gesucht werden. Diesmal jedoch aus einem anderen Grund und der Sucher hat sich dafür Hilfe von jemand völlig unerwarteten geholt. Dabei erhält man Einblick in die Vergangenheit und so manche Lücke wird geschlossen.


"Nur einige hundert Schritte von uns entfernt erhoben sich aus einem Nebel, der so schwer war, dass er auf dem Boden ruhte, mit Bäumen so hoch wie Berge und langen Ästen, gespreizt wie gebrochene Finger. Sie kauerten zusammen, tauschten Geheimnisse aus. Ein Grün, so dunkel, dass es blau war.
Die Dunkellande."
(S. 309)


In dieser Story ist der Protagonist umgeben von Intrigen, Geheimnissen und wilden Geschichten rund um den Jungen. Während er durch das Königreich reist wird er in blutige Kämpfe verwickelt, muss Gefahren bestehen und verliert so manchen Vertrauten. Zwischendurch wird geflucht, gevögelt und es werden viele Schädel gespalten.
Der Protagonist selbst ist nicht unbedingt ein Sympathieträger, zumindest war er es für mich nicht. Er ist ein sturer Klugscheißer, der immer nörgelt und sich in Selbstmitleid suhlt. Gleichzeitig erkennt man daran jedoch seine innere Zerrissenheit und das er nicht nur auf der Suche nach dem Jungen, sondern auch nach sich selbst ist und nach einer Konstante in seinem Leben sucht.


"Doch ich verbringe die meisten meiner Tage alleine und die Nächte mit Leuten, die ich am Morgen nicht sehen will. Ich gestehe, wenigstens meiner dunkelsten Seele gegenüber, dass es nichts Schlimmeres gab, als unter vielen Seelen zu sein, selbst Seelen, die man vielleicht kennt, und dennoch einsam zu sein.
Ich habe zuvor schon darüber gesprochen. Männer und auch Frauen habe ich getroffen, die umgeben sind von dem, was sie für Liebe halten, und doch sind sie die einsamsten Menschen in allen zehn und drei Welten."
(S. 281)



Die Story beinhaltet jedoch nicht nur die Thematik der Selbstfindung, sondern auch Homosexualität, die Frau im Manne, das Ritual der Beschneidung und der Glaube dahinter, allgemein das Erwachsenwerden und die Entdeckung der Sexualität (vor allem im 1. Teil des Buches) und der Kampf zwischen Matriarchat und Patriarchat.

Was mich jedoch völlig begeistern konnte war der Schreibstil des Autors, denn dieser ist für mich unvergleichbar.
Der Stil ist nahezu poetisch und kommt gleichzeitig derb daher. Eine Sprachgewalt, deren Direktheit mich abstieß und zugleich einen Sog auf mich ausübte, welcher mich bis zum Ende hin nicht mehr losließ.
Als hätten sich Lew Tolstoi und Irvine Welsh zusammengetan und aus einer Feder geschreiben. Atmosphärisch, bildhaft und auch detailverliebt wie Tolstoi und derb und unverblümt wie Welsh.

Doch genau dieser Schreibstil spaltet die Leserschaft. Zu derb, zu brutal und ekelhaft, um nur einige Bezeichnungen wiederzugeben.
Ja, es wird viel geflucht und das F-Wort benutzt. Ja, es fließt Blut und das in rauen Mengen, Ja, es wird manchmal gevögelt und vor allem Gaysex ist hier vorhanden. Doch die Szenen werden nie explizit beschrieben, manchmal sogar nur angedeutet und manchmal nahezu poetisch.
Da finde ich so manchen "Erotik"-Roman wesentlich schlimmer und abwertender, was die Beschreibung von sexuellen Handlungen betrifft. 


"Ich durchwühlte ihre fünf Gewänder, fand ihre Koo, teilte ihre Lippen nach West und Ost und ließ meine Zunge über die kleine Seele tief in der Frau zucken, die die Ku für einen verborgenen Jungen halten, der herausgeschnitten werden muss, obgleich sie in Wahrheit jenseits von Junge und Mädchen ist."
(S. 146)



Alle schreien sie nach Diversity, doch sobald diese etwas derber daherkommt und nicht so weichgespült wie in so mancher Romantacy, ist die Empörung groß.
Ja, es ist definitiv Geschmackssache und natürlich sind Geschmäcker verschieden, was auch aus den meisten Rezensionen durchaus hervorgeht. Das ist auch gut so!
Doch gerade deshalb verstehe ich es nicht, wenn dann LeserInnen ein Buch schlecht machen, es für "abartig" halten und man sich anhören muss, dass man nicht normal ist, wenn man auf derbe Ausdrucksweise, Blut und Gemetzel in Büchern steht. Wo bleibt da die Toleranz und Liebe zur Vielfalt in der Literatur und auch untereinander, wenn man schon befürchten muss von anderen LeserInnen als "abartig und krank" betitelt zu werden, wenn man blutigen Thrillern, derben Dialogen und härteren Szenen etwas abgewinnen kann?

Des Weiteren sollte einem klar sein, wenn man ein Buch aus einem Verlag wie Heyne Hardcore liest, dass hier kein Kuschelkurs gefahren wird.
So manche LeserInnen hatten beim Kauf wohl nur das wunderschöne und bunte Cover vor Augen, ohne auf Verlag zu achten und/oder sich eine Leseprobe zu gönnen. Dies wird dann vor allem klar, wenn man deren bevorzugtes Genre betrachtet, welches meist im YA- oder Romantacy-Bereich angesiedelt ist. 
Ich muss jedoch auch zugeben, dass der Klappentext und die nähere Inhaltsangabe eine etwas weichere Fantasystory suggerieren und dies von manchen Lesern und Leserinnen falsch interpretiert werden kann.
Wer also klassische Fantasy und Romantacy bevorzug, sollte die Hände von diesem Buch lassen und gönnt Euch vor Kauf unbedingt eine Leseprobe.

Fazit:
Mich persönlich konnte das Buch begeistern und mit sich reißen. Jedoch nicht aufgrund des Plots, sondern vor allem durch den für mich völlig neue Schreibstil, welcher eine Sprachgewalt besitzt, die mich die Luft anhalten ließ. Ich habe noch nie etwas Vergleichbares gelesen.
Die Atmosphäre, welche beim Lesen allgegenwärtig ist, ist dicht gewebt und entführte mich in eine afrikanische Fantasywelt und in eine Story mit tiefgründiger Thematik die ebenso mit Action und Wendungen punkten kann.
Das Einzige was ich zu beanstanden habe ist, dass sich der Autor manchmal von seiner Detailverliebtheit allzu sehr mitreißen lässt und auch die Kampfszenen waren für mich langatmig, obwohl diese nicht mehrere Seiten füllen, wie bei manch anderen Büchern in diesem Genre.


Dies ist übrigens der 1. Band einer Trilogie und ich freue mich jetzt schon auf die nächsten Bände. Bis dahin werde ich mir noch weitere Bücher des Autors gönnen, denn dieser hat es mit diesem Buch ganz nach oben meiner Favoriten-Liste geschafft.


© Pink Anemone

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Veröffentlicht am 30.04.2020

Ein Krimi. der auch Kriegstraumata thematisiert und einem am Ende gerade dadurch im Gedächnis bleibt.

Tod eines Gentleman
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London, 1924. Nach den Schrecken des Ersten Weltkriegs liegt über den Straßen der Metropole Aufbruchsstimmung. Wissenschaft, Frieden und Wirtschatsaufschwung scheinen wieder möglich zu sein. Doch in den ...

London, 1924. Nach den Schrecken des Ersten Weltkriegs liegt über den Straßen der Metropole Aufbruchsstimmung. Wissenschaft, Frieden und Wirtschatsaufschwung scheinen wieder möglich zu sein. Doch in den finsteren Gassen Londons regiert nach wie vor das Verbrechen – und der Schrecken der immer noch traumatisierten Soldaten. Als Eric Peterkin, seines Zeichens Gentleman und Kriminallektor, an einem nebligen Morgen die heiligen Hallen des ehrwürdigen Britannia Clubs betritt, ahnt er nicht, dass er bald in einen handfesten Mord aus Fleisch und Blut verwickelt sein wird. Ein Clubmitglied wird erstochen und flüstert Peterkin ein letztes Vermächtnis ins Ohr: „Rächen Sie die Vergangenheit!“ Peterkin macht sich auf in die nebligen Gassen Londons und kommt einem Verbrechen auf die Spur, das von finsteren Opiumhöhlen zu den eleganten Zimmern hoher Politiker führt … (Klappentext)

♛♛♛♛♛


"Das Blut war weit aus Bensons Halswunde herausgespritzt, quer über den Mosaik-Sinnspruch auf dem Boden. Es war in den Fugenkitt gesickert, und die Worte 'decorum est' waren nun von Bensons Blut umrahmt. 'Es ist ehrenhaft!'"
(S. 48)



Man befindet sich in London und schreibt das Jahr 1924. Der Erste Weltkrieg liegt noch nicht allzu lange zurück, doch langsam ist wieder die Hoffnung auf eine schöne Zukunft spürbar und der Alltag findet Einzug.
Auch im ehrwürdigen Gentlemen's Club namens "Britannia", dessen Mitglieder nur aus Männern der Upper Class Londons besteht, welche für das Britische Reich auf dem Schlachtfeld gekämpft haben. Dazu zählt auch der 26-jährige Eric Peterkin, dessen Vorfahre sogar Gründungsmitglied dieses Clubs war.
Doch dieser ruhige Cluballtag wird empfindlich gestört, als ein Mord in den ehrwürdigen Hallen geschieht. Ein neues Clubmitglied wird im Tresorraum ermordet aufgefunden. Alles begann mit einer Wette und endete für den armen Tropf mit dem Tod ... und Peterkin ist mitten drin, statt nur dabei, denn er zählt zu den Verdächtigen. Doch davon lässt sich der Hobbyermittler nicht aufhalten und stellt selbst Nachforschungen an. Dabei stößt er auf ein Geheimnis aus der Vergangenheit, welches den Club bis in seinen Grundfesten erschüttert.

Verdächtige gibt es von Anfang an zur Genüge. Ist es Wolf, der gegen den Ermordeten große Abneigung hegte und gegen dessen Club-Aufnahme stimmte? Ist es einer der fünf Clubpräsidenten, der das Opfer aus unerfindlichen Gründen unbedingt aufnehmen wollte? Ist es gar der leitende Inspector, welcher sich äußerst verdächtig bei den Ermittlungen verhält? Oder ist der Täter etwa ein völlig anderer, der die Bühne erst später betritt?


"Mayfair war ein wohlhabendes Viertel, und als Eric am frühen Abend eingetroffen war, hatten die imposanten Backsteinfassaden um ihn herum aufgeragt wie die Wände einer Schlucht. Jetzt war nichts mehr davon zu sehen. Die Häuser waren kaum erkennbar, dunkle Konturen jenseits der Nebelschleier, und in der Luft hing der penetrante Geruch nach Schwefel. 'Erbsensuppen-Nebel', sagten die Londoner zu diesem beklemmenden Phänomen, bei dem man kaum noch die Hand vor Augen sah."
(S. 197)



Die Story braucht etwas bis sie in Fahrt kommt und ich tat mir anfangs schwer in die Geschichte hineinzufinden und am Ball zu bleiben.
Dies lag für mich an der langatmigen Beschreibung von Nebensächlichkeiten und dem Herumspringen zwischen diesen. Doch nach den ersten 100 Seiten steigert sich das Tempo und die Nebensächlichkeiten, welche mir Anfangs um die Ohren geschmissen wurden, sind plötzlich alles andere als nebensächlich.
Wie schon erwähnt gibt es einige Verdächtige. Anfangs scheint sich jeder auf irgendeine Weise verdächtig zu verhalten und jeder scheint bei dem Mord seine Finger im Spiel zu haben.
Gemeinsam mit dem Protagonisten beobachet man, stellt Fragen und geht Hinweisen nach. Man deckt so einige Geheimnisse auf, welche die Vergangenheit betreffen und alle scheinen mit dem Mord in der Gegenwart zu tun zu haben. Dabei steigt das Tempo stetig an und es ist spannend den Entwicklungen zu folgen, denn kaum kann man einen Verdächtigen von der Liste streichen, kommt ein neuer hinzu, um am Ende mit einer überaschenden Wendung aufzuwarten.


"Die Sonne ging nun, da der November vor der Tür stand, merklich früher unter, und in London herrschte die neblige Jahreszeit. Gelblich-graue Schlieren schlängelten sich aus den feuchten Abflussgittern empor, kletterten die eisernen Laternenpfähle hinauf und ließen steif gestärkte Kragen erschlaffen. Im Inneren des Salons vertieften sich die Schatten in den Ecken, und der Lampenschein verwandelte die Sesselgrüppchen in Inseln der Diskretion."
(S. 20)



Der Schreibstil ist flüssig und klar, die Erzählweise mitreißend (zumindest nach den ersten hundert Seiten) und die Story enthält auch äußerst atmosphärische Settingbeschreibungen, welche einen in die damalige Zeit eintauchen lassen.
Der Autor weiß durchaus Spannung zu erzeugen, auch wenn diese eher ruhig daherkommt, die LeserInnen hinters Licht zu führen und zu überraschen. Kaum zu glauben, dass dies ein Debüt ist.

Doch der Roman kann nicht nur mit der ruhigen Spannung punkten, sondern auch durch den Protagonisten.
Peterkin ist ein Mann von ruhigem Gemüt, durch und durch Gentleman, gesegnet mit einer Beobachtungsgabe à la Sherlock Holmes, Kriminallektor und seine Mutter ist Chinesin. Letzteres führt dazu, dass er mit vielen Vorurteilen und Klischees zu kämpfen hat, denn Asiaten hatten zu dieser Zeit keinen guten Stand in der Londoner Gesellschaft. Auf diese Art wird das Problem des Rassenklischees thematisiert, mit dem der Protagonist zu kämpfen hat, doch es wir noch ein anderes Thema behandelt, welches in historischen Romanen/Krimis oftmals vernachlässigt wird und doch so wichtig ist. Nämlich das Thema Kriegstrauma, damals "Granatenschock" genannt und heute als posttraumatische Belastungsstörung bekannt.


"Leiche.
Dieses Wort gehörte nach draußen auf die Schlachtfelder von Flandern, nicht ins Innere des von dicken, beruhigenden Mauern umgebenen Britannia Clubs.
Eine Leiche war etwas, das vor dem Schützengraben lag und verweste, halb im Matsch versunkenzu zu nah, um es zu ignorieren, und zu weit entfernt, um es zu bergen.
Eine Leiche war ein schlaffer, im Chlorgas etrunkener Körper, der nicht mehr mit dem Kameraden zu tun hatte, der er noch fünf Minuten zuvor gewesen war. Eine Leiche war nichts, was man in den auf Hochglanz polierten heiligen Hallen des Britannia Clubs fand."
(S. 54)



Mit dem Protagonisten erlebt man Kriegs-Flashbacks, welchen einen plötzlich in den Schützengraben von Flandern katapultieren - ausgelöst durch eine falsche Berührung oder eine Autofehlzündung. Man kämpft sich mit Peterkin zurück in die Gegenwart, versucht es abzutun, um anschließend darüber zu schweigen.
Diese Art von Trauma war damals schon ein Tabuthema und ist es auch noch heute und hat daher nichts an Aktualität verloren. Zudem macht gerade die Einflechtung dieses Themas die Story und die Figuren authentisch.


"Was sie gerade erzählt hatte, ähnelte auf unangenehme Weise seinen eigenen Bildern im Kopf, die in Stresssituationen ungewollt in ihm aufstiegen. Aber eine Neurose war es deshalb noch lange nicht, redete er sich erneut ein, wenn auch mit weniger Überzeugung als zuvor."
(S. 273)



Fazit:
Anfangs hatte ich mit diesem Roman wirklich meine Probleme, doch das Durchhalten hat sich für mich gelohnt, denn danach konnte ich das Buch nicht mehr aus der Hand legen.
Ich ermittelte und rätselte mit, hatte die ein oder andere Figur im Fokus, um dann doch alles wieder über Bord zu schmeißen und von vorne zu beginnen. Die Themen, welche in die Story eingebettet sind, vor allem das Thema der posttraumatischen Belastungsstörung, konnten mich begeistern und haben mich gleichzeitig zum Nachdenken gebracht. Dieser Kriminalroman enthält somit auch Tiefgang.
Das Ende, bzw. die Auflösung, war für mich durchaus nachvollziehbar und es blieben keinerlei Fragen offen.
Der Schluß lässt zudem auf eine Fortsetzung hoffen und wenn dieser Fall eintreten sollte, bin ich wohl eine, die sich darauf stürzen wird.

© Pink Anemone (inkl. Leseprobe und Autoren-Info)

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Veröffentlicht am 29.03.2020

Nicht der beste Teil dieser Reihe, doch das Ende ist einfach nur Wow!!

Im Bann der Fledermausinsel
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Die Highlands 1889. Als der junge Erbe der betuchten Familie Koloman eine Todesdrohung erhält, reisen Inspector Frey und sein Kollege McGray unverzüglich zum nebelverhangenen nördlichen Zipfel des Landes. ...

Die Highlands 1889. Als der junge Erbe der betuchten Familie Koloman eine Todesdrohung erhält, reisen Inspector Frey und sein Kollege McGray unverzüglich zum nebelverhangenen nördlichen Zipfel des Landes. Dort, am abgelegenen Loch Maree, kommen sie im unheimlichen Herrenhaus der Kolomans unter. Die nahegelegene Insel ist von Fledermäusen befallen, und jeder der Bewohner scheint etwas zu verbergen. Als kurz darauf ein grausamer Mord im Wald geschieht, ist den Ermittlern klar: Um die Geheimnisse des mysteriösen Loch Maree zu wahren, geht jemand über Leichen … (Klappentext)

♞♞♞♞♞


"Ich betrachtete das Herrenhaus. Dabei rief ich mir vor Augen, wie prachtvoll und herrlich ich es empfunden hatte, als ich es zum ersten Mal erblickt hatte. Das war erst drei Tage her, fühlte sich jedoch bereits so an, als wäre es in einem anderen Zeitalter gewesen. Wie hätte ich ahnen können, dass ein so luxuriöser Wohnsitz derart schreckliche Geheimnisse bergen würde? Und wir sollten bald noch viele andere entdecken."
(S. 413)



Dies ist der 4. Band der Frey & McGray-Reihe. Man muss diese Reihe nicht zwingend chronologisch lesen, denn der Autor geht im Storyverlauf auf vergangene Geschehnisse ein und dies keineswegs ausufernd, sodass es auch für Frey & McGray-Kenner keineswegs langweilig wird. Zudem ist jeder Fall in sich abgeschlossen.
Um jedoch in den vollen Lesegenuss dieser Reihe zu gelangen, empfehle ich die gesamte Reihe zu lesen, um eventuelle Wissenslücken bezüglich der beiden Ermittler zu füllen. Es lohnt sich definitiv!

Nun aber zu meiner Rezension zum 4. Band meiner Lieblingsbuchreihe...


"Sie reichte mir ein zerknülltes Stück Packpapier. Ich entfaltete es und erblickte ein Gekritzel in dicker schwarzer Tinte. Die Worte waren verschmiert, als wären sie hastig geschrieben worden:
HALTEN SIE IHREN BASTARD FERN
SONST BRINGE ICH IHN UM."
(S. 45)



Diejenige, welche bei Inspector Frey mit dieser Nachricht ins Büro stürmt, ist eine junge Frau namens Miss Fletcher. Sie wurde von einem der hochangesehenen Koloman-Brüder als 16-jährige geschwängert und musste das Baby nach der Geburt in die Obhut eines Pfarrers geben, um den Ruf der Koloman-Familie nicht zu beschmutzen. Die Vereinbarung lautete, die Kolomans würden so lange für das Baby aufkommen, solange sie für sie arbeitet und den Mund hält.
Dies war vor sechzehn Jahren und man möchte meinen das wäre in Vergessenheit geraten. Doch vor drei Monaten starb der leibliche Vater des Kindes und dies führt wohl dazu, dass hier jemand äußerst nervös wird.
Miss Fletcher möchte ihren Jungen in Sicherheit wissen und beauftragt die beiden Inspectors mit dieser Aufgabe. Frey, der gesittete Londoner Gentleman und McGray, der unbehobelte Schotte. Miss Fletcher würde dafür McGray zu einer Heilquelle führen, welche seine Schwester von ihrer Erkrankung erlösen kann. Während Frey diese Heilquelle für Humbug hält, gibt es für McGray keinen Zweifel, ist er doch dem Okkulten sehr zugetan. Nicht umsonst heisst ihre Abteilung "Kommission zur Aufklärung ungelöster Fälle mit mutmaßlichem Bezug zu Sonderbaren und Geisterhaftem". Und so machen sich die beiden auf die Reise in die nördlichsten Highlands Schottlands, zum Loch Maree.

Es dauert nicht lange und es passiert der erste Mord und wo der erste ist, ist der zweite nicht fern.
Die Ermittlungen gestalten sich äußerst schwierig, denn dort oben im Loch Maree scheint jeder Leichen im Keller zu haben.
Mit dabei ist diesmal auch der Onkel von Inspector Fry, Onkel Maurice, für den das alles ein furchtbar aufregendes Abenteuer zu sein scheint.



"Die Leiche rutschte knapp einen Meter tiefer, bevor Nine-Nails das Seil wieder zu fassen bekam, und als ihr Fall abrupt gestoppt wurde, spritzte Blut in alle Richtungen. Mit stoischer Resignation wischte ich mir die Tropfen aus dem Gesicht. Doch Onkel Maurice, der gegen diese Art von Herausforderung nicht abgehärtet war, kreischte wie ein Kind.
Nine-Nails lachte. >>Och, der ist ja noch schlimmer als Sie Frey! Ist er die Königin in Ihrem Bienenstock?<<"
(S. 192)



Bei dem ungleichen Ermittlerpaar, welches ich auch gerne als Bud Spencer und Terence Hill der Victorianischen Krimis bezeichne, geht es wieder hoch her.
Natürlich hat wieder jeder seine eigenen Beweggründe diesen Fall lösen zu wollen, doch wie immer führen beide zusammen zum erwünschten Erfolg - der Lösung des Falls.
Doch bis dies geschieht erwarten einem als Leser viele überraschende Wendungen, sodass man nie sicher sein kann, was einem auf der nächsten Seite erwartet. Das Ende hält eine tolle Auflösung parat, die diesmal den medizinischen und wissenschaftlichen Sektor betrifft und einem so den Wissensstand der damaligen Zeit diesbezüglich näher bringt.
Allzu sehr möchte ich nicht darauf eingehen, da ich sonst spoilern würde. Es sei nur so viel gesagt - Diejenigen, welche sich für Medizin und Chemie interessieren, werden am Ende begeistert sein. Diesbezüglich sollte man sich auch unbedingt die "Anmerkungen des Autors" am Ende gönnen.

Der Schreibstil ist gewohnt flüssig und klar. Der Erzählstil wie immer packend, voller überraschender Wendungen und enthält auch die ein oder andere wunderbare Settingbeschreibungen, welche die Natur Schottlands betreffen. Dabei liest man aus der Sicht von Frey und man hat das Gefühl seinem persönlichen Fallbericht zu lauschen.

An dieser Reihe liebe ich vor allem die beiden Protagonisten, welche sich immer einen äusserst amüsanten verbalen Schlagabtausch liefern. Diesmal muss sich der Schotte McGray jedoch nicht nur mit der Londoner "Prinzessin" Inspector Frey herumschlagen, sonder auch noch mit dessen Onkel Maurice. Dieser reagiert völlig anders auf McGrays derbe Sprüche als sein Enkel und somit hat diesmal McGray nicht immer das letzte Wort. Ich habe also wieder viel geschmunzelt und gelacht.


">>Ich kann mich vage daran erinnern, vor Jahren einmal gelesen zu haben, dass blutsaugende Fledermäuse ausschließlich in tropischen Breiten vorkommen. Mexiko und Südamerika.<<
>>Wie kann Ihr Kopf nur so voller nutzloser Scheiße sein?<<
>>Sagt der Mann, der die Namen sämtlicher Kobolde auswendig aufzählen kann, die im Wicca-Kult heilig sind!<<
(S. 310)



Leider kamen diesmal jedoch die amüsanten Auseinandersetzungen zwischen den beiden Ermittlern viel zu kurz. Die beiden wirkten manchmal nahezu handzahm. Da bin ich aus den anderen Bänden dieser Reihe Besseres gewohnt.

Auch hält sich diesmal die Spannung in Grenzen. Es war natürlich stellenweise äußerst mitreißend, dramatisch und faszinierend. Doch in diesem Band betraf dies nur kurze Strecken und hier gibt es auch die ein oder andere Länge, welche mich manchmal seufzen ließ. Dies ist jedoch Meckern auf hohem Niveau.


"Kein Wunder, dass ich das Gefühl hatte, etwas schnüre mir die Brust ein. Unter diesem Dach befanden sich, Meilen und abermals Meilen entfernt in der schottischen Wildnis, ein Sterbender, eine verwesende Leiche, drei Mordverdächtige, eine Handvoll verstörter Frauen und Männer sowie zwei argwöhnische CID-Inspectors, die schlichtweg darauf warteten, dass endlich ihre Kollegen kommen und den Fall übernehmen würden."
(S. 401)



Fazit:
Aufgrund der oben genannten Mankos ist dies für mich nicht der beste Band der Frey & McGray-Reihe. Trotzdem habe ich auch diesen weggesuchtet und das Ende und die Atmosphäre der damaligen Zeit, die mich während des Lesens begleitete, entschädigte mich für so manche Länge und spannungslose Seite.
Die beiden Protagonisten sind einfach zwei originelle und amüsante Typen. Ich hoffe, dass die beiden im nächsten Band wieder zu ihrer alten Form finden was den verbalen Schlagabtausch betrifft.
Die Fälle waren ja bisher immer spektakulär und fern des 08/15, daher auch eine meiner absoluten Lieblingsreihe was historische Krimis/Thriller betrifft. Ich für meinen Teil freue mich jedenfalls schon jetzt wieder auf den nächsten Band.

© Pink Anemone (inkl. Leseprobe, Bilder und Autoren-Info)

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