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Veröffentlicht am 04.05.2020

Beklemmendes Buch über ein Unterdrückersystem, das symbolisch für viele Diktaturen steht - jedoch zu vage, oberflächlich und ohne Abschluss

Das Tor
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In einem arabischen Land stehen die Menschen Schlange vor einem Tor. Nach einem niedergeschlagenen Aufstand, sogenannten "schändlichen Ereignissen" hat das Tor seinen Wirkungskreis massiv verstärkt. Jeder ...

In einem arabischen Land stehen die Menschen Schlange vor einem Tor. Nach einem niedergeschlagenen Aufstand, sogenannten "schändlichen Ereignissen" hat das Tor seinen Wirkungskreis massiv verstärkt. Jeder einzelne in der Bevölkerung benötigt für immer mehr alltägliche Dinge eine Genehmigung und muss sich dafür vor dem Tor anstellen. Die Schlange wird immer länger, denn das Tor hat sich schon lange nicht mehr geöffnet.

Die Menschen unterhalten sich mit den Wartenden vor und hinter ihnen und erfahren etwas von ihren Schicksalen und Hoffnungen. Da ist Yahya, der bei den Aufständen angeschossen wurde und auf eine Genehmigung für die rettende Operation zum Entfernen der Kugel wartet. Eine Mutter, die medizinische Hilfe für ihre Tochter erhofft, nachdem eine Tochter bereits gestorben ist oder eine ältere Frau, die eine Genehmigung zum Kaufen von Brot benötigt.
Sie alle stehen geduldig, Tag für Tag und warten - auf den einzigen Ausweg, dass das Tor sich für ihr Anliegen öffnet.

Der Roman handelt vom Leben in einem diktatorischen Staat. Durch die Herkunft der Autorin und die Beschreibung der Lage der Bevölkerung fühlt man sich trotz der abstrakten Darstellung an den arabischen Frühling und Ägypten erinnert.


Das Tor ist ein Symbol für eine mächtige Staatsgewalt, die sich nicht in die Karten sehen lässt und willkürlich Regeln erstellt und die Bevölkerung in ihrer Freiheit massiv einschränkt.
Gleichzeitig wird durch das Tor aber auch Hoffnung geweckt, dass das Stellen von Anträgen und das geduldige Warten vor dem Tor am Ende von Erfolg gekrönt sein könnten. Durch den Funken Hoffnung bleibt es in der Schlange ruhig, die Menschen verhalten sich geduldig und gesittet.

Einzelne Personen und ihre Anliegen, insbesondere der verletzte Yahya, der dringend medizinische Hilfe benötigt und der Arzt Tarik, dem die Hände gebunden sind, da er sich nicht über das System hinweg setzen kann, um seinem Patienten zu helfen, werden exemplarisch vorgestellt.

Es ist ein beklemmendes Buch, das durch das Tor etwas Dystopisches an sich hat, das aber dennoch erschreckend real wirkt. Die Geschichte steht symbolisch für alle Diktaturen, Theokratien und Staatsformen von Alleinherrschern, die einen Staat absolut lenken und seine Bevölkerung überwachen, unterdrücken und bei Nichteinhaltung der Regeln einzelne verschwinden lassen.

Durch die Vielzahl der genannten Personen und Einzelschicksale kommt man keiner Person wirklich nahe, weiß zu wenig über ihren Hintergrund und ihr bisheriges Leben in dem Staat. Auch bleibt de Vorstellung des Tores, das Dekrete erlässt, aber niemandem Einlass zu gewähren scheint, sehr vage. Als Leser kennt man die Situation in der Warteschlange, über das alltägliche Leben der Bevölkerung erfährt man nichts. So fehlt die Vorstellung wie Staat, Militär, Religion, Medien und Wirtschaft miteinander verbunden sind und wie sich das Zusammenleben der Menschen gestaltet.

Der Roman hört ohne Erklärung einfach auf und findet für mich keinen befriedigenden Schlusspunkt. Am Ende fehlten mir ein Ausweg und eine Vorstellung, wie es mit den einzelnen Protagonisten weitergehen könnte und welche Zukunft diese Staatsform haben könnte. Letztlich muss ein solches Unterdrückersystem auf eine Revolution hinauslaufen, Anzeichen dafür werden jedoch nicht gesetzt.

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Veröffentlicht am 22.04.2020

Wenig fesselnde Fortsetzung der Geschichte der Thalheims mit Nesthäkchen Flori im Fokus der Handlung

Die Schwestern vom Ku'damm: Tage der Hoffnung
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Die jüngste der Thalheim-Schwestern, Florentine, kehrt aus Paris nach Berlin zurück. Nachdem ihre älteren Schwestern Rike und Silvie erfolgreich das Familienunternehmen, das Modehaus Thalheim, leiten bzw. ...

Die jüngste der Thalheim-Schwestern, Florentine, kehrt aus Paris nach Berlin zurück. Nachdem ihre älteren Schwestern Rike und Silvie erfolgreich das Familienunternehmen, das Modehaus Thalheim, leiten bzw. sich im Rundfunk mit einer eigenen Radiosendung einen Namen gemacht haben, möchte Florentine sich der Malerei widmen. Ehrgeizig schafft sie es, auch ohne Abitur an die Hochschule für bildende Künste in Berlin studieren zu können.
Durch einen naiven Fehler kann sie ihr Studium nicht fortsetzen, entdeckt dadurch jedoch ihr Talent für Fotografie, dass sie zusammen mit ihrem guten Freund Benka vertieft. Neben Auftragsarbeit, die ihre Kreativität bremsen, sind es vor allem die politischen Umstände in Berlin, die Verschärfung des Kalten Krieges und der Bau der Mauer, die Flori Motive und Inspiration zugleich bieten.

"Tage der Hoffnung" ist Band 3 der 50er-Jahre-Trilogie von Brigitte Riebe. Nach "Wunderbare Jahre" handelt der letzte Teil von den Jahren 1958 bis 1963 in Berlin und ist aus der Perspektive des Nesthäkchens der Familie Thalheim, Flori, geschrieben.
Die fiktive Geschichte der Schwestern Thalheim wird mit historischen Fakten ergänzt und spiegelt das Lebensgefühl der damaligen Zeit wieder. Vor allem der Bau der Berliner Mauer im August 1961 bildet einen dramatischen Höhepunkt und einen wesentlichen Einschnitt für die Bevölkerung, auch wenn die Schwestern Thalheim vergleichsweise glimpflich davon kommen.
Der rebellische Charakter der Flori, die als Jüngste am unerfahrensten ist und einen Fehler begeht, der ihren beruflichen Ambitionen schadet, ist empathisch dargestellt. Ihre Leidenschaft für die Kunst, aber auch die wachsende Liebe zu ihrem besten Freund, ist spürbar.
Flori entwickelt sich weiter, wird erwachsen und geht ihren eigenen Weg, der auch von ihrer Familie respektiert und anerkannt wird. Ich empfand die Darstellung der fünf Jahre jedoch phasenweise langatmig und fand die Geschichte um Flori wenig fesselnd. Gerade die Jahre bis zum Bau der Berliner Mauer zogen sich spannungsarm ohne wesentliche Ereignisse in die Länge. Da hätte ich mir noch mehr Einblicke in das Leben der Familie Thalheim gewünscht, mehr Drama und mehr Schwierigkeiten im Leben der Protagonisten gewünscht, um den Roman etwas interessanter und lebendiger zu gestalten. Die geschilderten historischen Ereignisse bilden einen Rahmen für die Geschichte, rufen durch die nüchterne Darstellung jedoch wenig Emotionen hervor. Die wenigen Probleme wurden schnell und simpel gelöst.

In Ergänzung zu den beiden Vorgängerromanen sind auch alle anderen Protagonisten stets gegenwärtig, so dass Teil 3 einen runden Abschluss bietet. Um alle Zusammenhänge zu verstehen und eine Übersicht über die Vielzahl der Personen und inzwischen sehr komplexen Verwandtschaftsverhältnisse zu verstehen, sollte man unbedingt die beiden ersten Bände der Trilogie gelesen haben.

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Veröffentlicht am 20.04.2020

Liebesgeschichte, die nach Schema F abläuft - buchstäblich "leichte Kost", aber trotz Vorhersehbarkeit durchaus unterhaltsam

Taste of Love - Geheimzutat Liebe
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Andrew Knight ist Koch und Geschäftsführer eines sehr erfolgreichen Restaurants in Boston. Als der Stress und der Druck auf ihn zu groß werden, nimmt er sich kurz vor einem Burnout eine Auszeit und fährt ...

Andrew Knight ist Koch und Geschäftsführer eines sehr erfolgreichen Restaurants in Boston. Als der Stress und der Druck auf ihn zu groß werden, nimmt er sich kurz vor einem Burnout eine Auszeit und fährt nach Maine. In Sunport trifft er zufällig auf Brooke Day, die ihn nach einem Autounfall widerwillig in ihrem Gästehaus unterbringt. Sie arbeitet in dem Restaurant "Crab Inn", das ihren Eltern gehört. Aufgrund der Nierenerkrankung ihrer Mutter betreibt sie das Restaurant derzeit alleine, das eine Renovierung nötig hätte, um neue Gäste anzulocken.
Während Brooke aufgrund ihrer Belastungen im Dauerstress ist, entspannt sich Andrew zusehends in er kleinen Pension und bietet Brooke seine Hilfe an, die nicht ahnt, dass sie einen Küchenchef eines Nobelrestaurants aus Boston vor sich hat. Sie entwickeln gemeinsam neue Ideen und nähern sich nach einer anfänglichen Skepsis auch persönlich einander an. Doch Andrews falsche Angaben drohen ihre immer intensiver werdende Verbindung wieder auseinanderbrechen zu lassen.

"Taste of Love - Geheimzutat Liebe" ist der Auftakt der fünfteiligen Reihe "Taste of Love - Die Köche von Boston". Der Roman wird abwechselnd aus der Perspektive von Brooke bzw. Drew, den sie als "Großstadtsnob" abstempelt, verhält sich zickig, hat jedoch auch eine weiche Seite, wenn sie sich um ihre Mutter und die Finanzen des "Crab Inn" sorgt.
Drew ist leidenschaftlicher Koch, wird aber von seiner Tante und Managerin derart bedrängt, als Fernsehkoch aufzutreten, dass er spontan in einen Kurzurlaub flüchtet und den Restaurantbetrieb seinem Souschef überlässt, der selbst sehr ambitioniert den Kochlöffel schwingt. Im "Crab Inn" lernt er die bodenständige Küche zu schätzen und findet wieder Freude am Kochen. Von Brookes ruppiger Art lässt er sich dabei nicht abschrecken.

"Taste of Love - Geheimzutat Liebe" ist eine Liebesgeschichte, die nach Schema F abläuft. Frau begegnet Mann; zu Beginn feinden sie sich regelrecht an, obwohl sie eine Anziehung verspüren; lernen sich dann näher kennen und entwickeln Gefühle für einander; dann wird ein Geheimnis enthüllt, dass die noch junge Liebe erschüttert, bis es letztlich doch noch zum Happy End kommt.

Wer sich für Kochen und Kulinarik interessiert, dürfte den Roman dennoch ganz unterhaltsam finden, auch wenn er wenig überraschend aufgebaut ist. Die Geschichte bleibt jedoch oberflächlich, heikle Themen wie Krankheit, Burnout oder drohende Insolvenz bieten nur einen Rahmen für die sich gemächlich entwickelnde Liebesgeschichte, die im Vordergrund steht. So raffiniert wie die Gerichte klingen, die im "Crab Inn" serviert werden, hätte auch der Roman aufgebaut sein sollen.

Das Buch bietet buchstäblich "leichte Kost", macht allerdings nicht weiter neugierig auf nachfolgende Teile der Reihe, deren Liebesgeschichten ähnlich vorhersehbar erscheinen.

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Veröffentlicht am 04.04.2020

Roman über schwierige Familienverhältnisse, Geheimnisse und Aberglaube - Mischung aus Wahnsinn, Rachegelüsten, schwarzer Magie und Krimi

Das geheime Kapitel
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Anna ist unglücklich mit Johann verheiratet, der von Monogamie nichts hält. Sie ist nur mit ihm verheiratet, da ihr als ungelernte Kraft ohne eigene Familie in dem kleinen Dorf in der Fränkischen Schweiz ...

Anna ist unglücklich mit Johann verheiratet, der von Monogamie nichts hält. Sie ist nur mit ihm verheiratet, da ihr als ungelernte Kraft ohne eigene Familie in dem kleinen Dorf in der Fränkischen Schweiz keine andere Perspektive bleibt. Zudem wohnt und arbeitet sie gerne auf dem Hof, auf dem sie als Enkelin der Haushaltshilfe aufgewachsen ist.
Als die Geliebte ihres Mannes, Silke, bei ihnen einzieht, verführt sie Anna mit dem Zauberbuch auf dem Dachboden zu experimentieren und plötzlich häufen sich die Todesfälle auf dem Spindelhof.

Der Roman ist sowohl aus der Perspektive von Anna als auch aus der Sicht von Silke geschrieben. Die Kapitel sind wie der ganze Roman kurz, was einen schnellen Wechsel der Perspektiven zur Folge hat. Gerade am Anfang bereitet dies Schwierigkeiten, eine Übersicht über die handelnden Personen zu behalten, zumal auch noch Rückblenden in die Vergangenheit erfolgen.

Obwohl man die Gedankengänge von Anna und Silke eintauchen kann, bleiben beide Frauen undurchsichtig und ihre Handlungen undurchschaubar. Beide hatten eine unglückliche Kindheit und haben traumatische Erfahrungen gemacht, scheinen diese aber verdrängt und nicht verarbeitet zu haben. Auf beiden lasten Geheimnisse, die sich nur sehr zögerlich offenbaren.
Als Leser fällt es schwer einzuschätzen, wer hier gut oder böse ist und welche Absichten verfolgt werden. Einzig die Männer werden sehr platt als einfältig, stupide und triebgesteuert dargestellt, was mir zu einseitig war.
Von dem mysteriösen Zauberbuch hatte ich mir ein wenig mehr Spannung für den Verlauf der Geschichte erhofft.

"Das geheime Kapitel" ist ein Roman über schwierige Familienverhältnisse, über Geheimnisse und Aberglaube, der viele Wendungen enthält und am Ende alle offenen Erzählstränge zusammenführt. Dennoch konnte ich mit den wenig einnehmenden Charakteren nicht mitfiebern und mich die Mischung aus Wahnsinn, Rachegelüsten, schwarzer Magie und Kriminalgeschichte nicht überzeugen.

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Veröffentlicht am 26.02.2020

Roman liest sich wie eine Sammlung von Kurzgeschichten, Mattias bleibt dabei fremd

Nach Mattias
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Mattias ist Mitte 30, als er überraschend ums Leben kommt. Mehr erfährt man zunächst nicht über den Toten.
Acht Personen, die entweder mit Mattias verwandt oder auf unterschiedliche Art und Weise bekannt ...

Mattias ist Mitte 30, als er überraschend ums Leben kommt. Mehr erfährt man zunächst nicht über den Toten.
Acht Personen, die entweder mit Mattias verwandt oder auf unterschiedliche Art und Weise bekannt waren, versuchen seinen Tod zu verarbeiten und blicken dabei mitunter auf das zurück, was sie mit Mattias verband.
Da ist Amber, die Freundin von Mattias, die genauso wenig wie die Großeltern Riet und Hendrik und die Mutter Kristianne begreifen kann, dass Mattias so früh aus dem Leben geschieden ist. Sie trauern und müssen sich damit abfinden, ein Leben ohne den geliebten Menschen weiterzuführen.
Quentin, ein enger Freund von Mattias, fühlte sich nur von ihm verstanden und versucht sich durch das Laufen von seiner Trauer abzulenken. Issam kannte Mattias nur über einen virtuellen Kontakt durch ein gemeinsames Hobby. Doch auch er vermisst Mattias und geht sogar zu seiner Beerdigung.
Drei weitere Personen zählen zu dem Beziehungsgeflecht, auch wenn sie Mattias nicht persönlich kannten. Insbesondere durch die scheinbar Unbeteiligte Tirra erfährt der Leser auf welche tragische Weise Mattias ums Leben kam.

Ich empfand den Roman eher wie eine Sammlung von Kurzgeschichten, die Episoden aus den Leben einzelner Personen schildern, die jeder auf seine Art mit einem jüngst Verstorbenen verbunden sind. Dabei blieb mir Mattias jedoch völlig fremd. Bis auf einzelne wenige Aspekte aus seinem Leben erfährt man über die Angehörigen und Freunde sehr wenig über ihn als Person. Vielmehr hatte ich das Gefühl, dass sich die Hinterbliebenen aus Schmerz scheuen, sich überhaupt an Mattias zu erinnern. Die Intension des Autors, der am Ende selbst durch ein Interview zu Wort kommt, erreichte mich leider nicht.

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