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Veröffentlicht am 21.05.2020

Tod dem Heimatkrimi

SoKo Heidefieber
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Zum Inhalt:
Ein Heimatkrimi-Verfasser wird ermordet, - und bei einer Leiche bleibt es nicht. Der Täter orientiert sich bei seinen Morden an den absurden Tötungsszenarien, welche die Schriftsteller für ...

Zum Inhalt:
Ein Heimatkrimi-Verfasser wird ermordet, - und bei einer Leiche bleibt es nicht. Der Täter orientiert sich bei seinen Morden an den absurden Tötungsszenarien, welche die Schriftsteller für ihre literarischen Opfer ersonnen haben. Eine Sonderkommission mit Namen Heidefieber wird eingerichtet und insbesondere Gerold Gerold und Ute Fischer mühen sich redlich, bevor noch mehr Morde passieren. Dabei kämpfen sie nicht nur gegen den Täter: Innerhalb der Polizei ergeben sich Privatscharmützel und der sehr von sich eingenommene Autor König macht ihnen zusätzlich das Leben schwer. Währenddessen kämpft der Verfasser Frank Schulz nach einem von König initiierten Shitstorm und durch den Einfluss eines korrupten Griechen um sein Leben.

Mein Eindruck:
Eine Groteske, die an den sehr schrägen und sehr blutigen Humor eines Quentin Tarantino erinnert – in deutschen Landen und brutaler als Fitzek und Carter zusammen. Und man fragt sich unwillkürlich, ob die echten Verfasser von Heimatkrimis dieses Buch mit Humor nehmen oder Gerhard Henschel einem Schicksal wie Frank Schulz überantworten möchten, welcher mit diversen Schwerst-Verbrechern, bösartigen Tieren und anderen Naturgewalten um seinen Leben kämpfen muss. Denn alleine wie er – in Zitaten – die schlechte Schreibe seiner imaginären Kollegen aufs Korn nimmt, ist ein ums andere Mal einen lauten Lacher wert. Dazu rüstet er sie mit vielen unsympathischen Charakterzügen aus, die in ihrer (hoffentlich!!) Überzeichnung sehr humorvoll wirken. Die vielen Abenteuer, die Frank Schulz allein gegen alle erlebt, wären sogar ein Extra-Buch wert gewesen, lockern hier die Atmosphäre mit ihrem galligen Humor zusätzlich auf. Leider gibt es jedoch zwei große Kritikpunkte: Die zum größten Teil nicht übersetzten Teile in lautsprechendem Dialekt sind oft schwer zu lesen, die Nicht-Erklärung des Umstands, dass der Täter keinerlei Spuren hinterlässt (nur Plastiktüten um die Füße sind bestimmt nicht genug) und die Opfer immer noch reichlich dämlich in seine Fallen tappen, obwohl schon Alarmstufe rot herrscht, schmälern das Vergnügen.

Mein Fazit:
Für eine größtenteils herrlich verrückte Geschichte vier von fünf Heidschnucken.

Veröffentlicht am 19.04.2020

Unheilvoll

Das Dorf der toten Seelen
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Zum Inhalt:
Alice hat schon immer davon geträumt, das Geheimnis um den Heimatort ihrer nach Stockholm umgezogenen Großmutter in einen Dokumentarfilm zu bannen. Deshalb sammelt sie Geld über Crowfunding ...

Zum Inhalt:
Alice hat schon immer davon geträumt, das Geheimnis um den Heimatort ihrer nach Stockholm umgezogenen Großmutter in einen Dokumentarfilm zu bannen. Deshalb sammelt sie Geld über Crowfunding und aktiviert ihre Freunde, die ebenfalls über Fähigkeiten im Filmbusiness verfügen.
In Silvertjärn verschwand vor 60 Jahren fast die gesamte Bevölkerung spurlos, nur die Leiche einer gesteinigten Frau und ein brüllendes Neugeborenes wurden gefunden. Dort angekommen, sind die fünf jungen Leute von der Geisterstadt fasziniert und erkunden die Umgebung. Als jedoch Alices Freundin verschwindet und ihre Autos sabotiert werden, wird es unheimlich und Hilfe ist nicht greifbar – schließlich gibt es keinen Handyempfang, die Akkus sind fast leer und die nächste Ortschaft über 40 Kilometer entfernt.

Mein Eindruck:
Wenn die Schweden etwas wirklich gut können, dann sind es gruselige und tiefsinnige Romane, - schließlich ist der Geisterglaube dort weit verbreitet und das Land ist groß und außerhalb der Städte dünn besiedelt: „In der Nähe“ sind schnell einmal 50 Kilometer oder mehr.
Camilla Sten – Tochter von Viveca Sten – schafft es trefflich, die unheimliche Atmosphäre in dem Geisterdorf zu schildern, und das nicht nur in der Gegenwart, sondern auch in der Vergangenheit. Diese lässt Sten durch die Augen von Alices Urgroßmutter - jedoch in der dritten Person geschrieben - oder in Briefen ihrer Großtante an ihre Großmutter aufleben. Die heutige Zeit, die von der Ankunft im Dorf einige Tage Aufenthalt dort umfasst, wird von Alice erzählt und wirkt durch die Sicht einer Ich-Erzählerin für die Leser genauso ungemütlich wie für die Protagonistin des Romans. Stückchenweise werden zusätzlich Teile der zum Teil sehr schwierigen Vergangenheit der fünf Filmschaffenden aufgedeckt. Diese bilden die Grundlage für einige Interaktionen, die in einer anderen Kombination von Charakteren möglicherweise zu anderen Handlungen geführt hätten.
Meisterhaft die Aufklärung des Verschwindens der Dorfbevölkerung, kleine Abzüge in der B-Note für einige sehr unglaubhafte Vorgänge rund um das Geheimnis in der Gegenwart (ohne zu viel verraten zu wollen).

Mein Fazit:
Besser als die Frau Mama

Veröffentlicht am 18.04.2020

Ein echter Fan

Frank Goosen über The Beatles
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Frank Goosen ist Beatles-Fan, seitdem sein Vater mit Schallplatten als Lohn der Schwarzarbeit nach Hause kam. Da soll noch einer sagen, dass unrecht Gut nicht gedeiht, - hier fiel es auf fruchtbaren Boden ...

Frank Goosen ist Beatles-Fan, seitdem sein Vater mit Schallplatten als Lohn der Schwarzarbeit nach Hause kam. Da soll noch einer sagen, dass unrecht Gut nicht gedeiht, - hier fiel es auf fruchtbaren Boden und beschert den Lesern dieses Buches einige sehr vergnügliche Momente. Goosen nutzt sein Talent als Komiker, um bildhaft die eigene Vergangenheit als Jugendlicher in der Cliquen-Diskussion über gute Musik (und wie man damit bei den Mädels ankommt) darzustellen. Mit dieser Vergangenheit befasst sich hauptsächlich der erste Teil des Buches und ältere Leser werden in Erinnerungen zu Schallplattenläden und Klammer-Blues schwelgen. Der zweite Teil führt dann auf eine Beatles-Tour nach Liverpool; stilecht im Taxi eines noch größeren Fans. Auch hier ist sich Goosen für keinen Scherz auf eigene Kosten zu schade. Das zeigt sich in der Unfähigkeit, die Fragen des Taxifahrers zu beantworten wie in der Erkenntnis, dass sein Nachwuchs Papas Leidenschaft eher lächerlich als nachvollziehbar sieht.
Im dritten Teil begibt sich Frank Goosen auf eine andere Art von Zeitreise, - er hört die Musik der Fab Four in der korrekten Reihenfolge und erkennt für sich selbst nicht nur die Entwicklung der Band, sondern fühlt dem Gehörten mit dem Wissen von heute nach.

Insgesamt ist das Buch ein schöner Zeitvertreib, der seine Leser mit einigen Anekdoten aus dem Leben der Beatles (und aus dem Leben Goosens) bereichert.

Mein Fazit:
Ein Häppchen Love, Peace and Happiness

Veröffentlicht am 07.04.2020

Sympathisch

Die Toten vom Lärchensee
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Zum Inhalt:
Arno Bussi ist nicht nur mit seinem Nachnamen geschlagen, - nein, nach dem Seitensprung mit der Gattin des Innenministers ist er in Wien zur Schreibtischarbeit verdammt. Doch politische Wege ...

Zum Inhalt:
Arno Bussi ist nicht nur mit seinem Nachnamen geschlagen, - nein, nach dem Seitensprung mit der Gattin des Innenministers ist er in Wien zur Schreibtischarbeit verdammt. Doch politische Wege sind manchmal unergründlich und so schickt ihn besagter Innenminister nach Tirol, um dort einen alten Mordfall aufzurollen. Das Wühlen Bussis in den Untiefen des Lärchensees führt sehr bald nicht nur zu neuen Erkenntnissen, sondern auch zum Fund einer Leiche.

Mein Eindruck:
Joe Fischler bewegt sich mit „Die Toten vom Lärchensee“ zwar im Genre des Heimatkrimis, füllt seine Geschichte aber mit einem ganz eigenen Stil aus. Dieser ist zwar gerne humorvoll, hintergründig und zuweilen handfest, jedoch nie krachledern und höchstens in Spuren unglaubwürdig. Dabei bedient sich der Autor der Perspektive seines Protagonisten, obwohl er in der dritten Person schreibt. So ist der Leser immer ganz nah am Geschehen, ohne jedoch mehr als Arno Bussi zu wissen und dementsprechend entweder in die gleichen inhaltlichen Fallgruben zu tappen oder die richtigen Schlüsse zu ziehen. Fischler seziert auf das Trefflichste politische Schlichen und agiert dabei ausgewogen und kein Stück belehrend, - etwas, das gerade in Zeiten von PC jedem Autor hoch anzurechnen ist. Die Charaktere neben Bussi sind zwar überspitzt dargestellt, agieren dennoch glaubhaft und besitzen zum Teil einen gewissen Wiedererkennungswert, der hoffentlich den zweiten Band zu Bussis Abenteuern in der österreichischen Diaspora überdauert. Dazu zählen insbesondere sowohl die Figuren im politischen Wien, als auch die Polizeikräfte aus Tirol.
Die Krimihandlung an sich ist gut durchdacht, verführt zum Mitraten und lässt in ihrer Erklärung nichts zu Wünschen übrig, die Schauplätze sind bildhaft beschrieben. Einzig der exzessive Genuss bewusstseinserweiternder Mittel scheint übertrieben, - aber vielleicht muss das in Ermangelung sonstiger Ablenkungen im ländlichen Österreich einfach so sein.


Mein Fazit:
Hintergründiger Humor und gute Verbrechensaufklärung. Dieser Bussi ist ein Küsschen wert.

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Veröffentlicht am 18.03.2020

Niemand ist wirklich unschuldig

Die ohne Schuld sind
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Zum Inhalt:
Jessica, eine allseits beliebte, alleinerziehende Mutter, wird auf dem Nachhauseweg aus dem Auto heraus entführt. Max Wolfe und sein Team können sich die Beweggründe dafür nicht erklären, bis ...

Zum Inhalt:
Jessica, eine allseits beliebte, alleinerziehende Mutter, wird auf dem Nachhauseweg aus dem Auto heraus entführt. Max Wolfe und sein Team können sich die Beweggründe dafür nicht erklären, bis sie erfahren, dass ihre Mitbewohnerin seit einiger Zeit in einem innigen Verhältnis mit dem stadtbekannten Großkriminellen Harry steht. Sollte er erpresst oder bestraft werden. Doch wer hasst ihn so sehr und vor allen Dingen – wo ist Jessica?

Mein Eindruck:
Eine Besonderheit an den Max Wolfe Romanen ist, dass man – ähnlich wie bei Game of Thrones – immer mit dem Ableben einer liebgewonnenen Figur rechnen muss. Und so fiebert man mit Max, seiner Familie und seinem Team, ob alle auch das Licht des letzten Tages erleben werden. Eine andere, dass die Figuren gerne in Grauzonen agieren und zwar unabhängig davon, ob sie auf der richtigen oder falschen Seite des Gesetzes stehen, - gerne wird einmal ein großer Zeh (oder mehr) über der Grenze platziert. Dadurch, dass Wolfe zwar selber sehr integer ist, jedoch Verständnis für seine Mitmenschen und ihre Handlungen aufbringt, entwickeln sich viele spannende Fragen für die Leserschaft, wobei jeder für sich entscheiden muss, wie weit das Recht gebogen werden kann, bevor es bricht.
Autor Tony Parsons gönnt seinem Protagonisten ein Privatleben mit Tochter und Hund und setzt diese Figuren auch gerne in das Rampenlicht von Gefahr und Ärger, - trotzdem nervt es nicht, weil die Kümmernisse übliche sind und von Wolfe bewältigt werden, ohne dass der Held in Alkohol, Drogen oder Selbstmitleid versinkt.
Einzig die Aufklärung des Hauptverbrechens (ja, es gibt noch einige Nebenkriegsschauplätze) ist dem Meister des Twists nicht so gut gelungen wie in den Vorgänger-Krimis, da seine „Überraschung“ nicht nur vorhersehbar, sondern zutiefst unlogisch ist.
Aber bei dem ansonsten äußerst rasanten und berührenden Fall ist das Jammern auf hohem Niveau.

Mein Fazit:
Immer wieder gut!

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