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Veröffentlicht am 15.06.2020

Süß wie Zitroneneis

Die geheimnisvollen Gärten der Toskana
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Kein Freund mehr, kein Job, die Eltern getrennt: Floristin Jessy steht vor einem Scherbenhaufen. Als sie eine internationale Stellenausschreibung für einen Gärtner entdeckt, beschließt sie kurzerhand, ...

Kein Freund mehr, kein Job, die Eltern getrennt: Floristin Jessy steht vor einem Scherbenhaufen. Als sie eine internationale Stellenausschreibung für einen Gärtner entdeckt, beschließt sie kurzerhand, zwei Monate lang in die Toskana zu ziehen. Während sie der verwahrloste Renaissancegarten mit tiefgelben Zitronenbäumen und intensiv duftenden Rosen sofort verzaubert, scheint mit dem jungen Besitzer des Anwesens, Gregorio, irgendetwas nicht zu stimmen.

In prächtigen Farben und Düften beschreibt Autorin Anja Saskia Beyer nicht nur die bezaubernde Landschaft der Toskana, sondern auch all ihre Figuren, wobei man Jessy und ihre Mutter gleich von Beginn an ins Herz schließt. Im Gegensatz zu den beiden Damen aus München scheinen andere Personen eher kühl und reserviert, ja gar hasserfüllt zu sein. Aber die geradlinige Jessy lässt sich nicht einschüchtern und sucht nach Gründen für so manch ablehnendes Verhalten ihr und ihrer Hündin Bella gegenüber.

So kommt nach und nach Unbekanntes aus der Vergangenheit Gregorios zutage, immer eingebettet in eine malerische und recht bildhafte Sprache. Dies ist auch gar nicht verwunderlich, wenn man bedenkt, wie hinreißend die berühmte italienische Landschaft gerade im Mai ist, wenn alle Blumen in ihrer Pracht erblühen, ihr Duft die Atmosphäre erfüllt und zwischendurch ein typisches Gericht serviert wird. So wird der Leser gleichsam mitgenommen in eine Idylle, deren Schein trügt, deren Geheimnisse erst entdeckt werden müssen.

Interessante Menschen und die ihnen zugetanen Tiere werden lebendig geschildert, für so manchen gibt es bestimmt ein Vorbild aus der Realität, so gut können sie kaum erfunden sein. Die Liebesgeschichte ist natürlich ein wenig vorhersehbar, aber nichtsdestotrotz mit schönen Details und wichtigen Themen ausgearbeitet. Und genau das ist das Wunderbare an diesem Roman: die Verknüpfung von Omas alten Lebensweisheiten mit den Problemen im Hier und Jetzt und ein Schuss Optimismus und Kampfesgeist vor dem Hintergrund der schützenswerten Gärten im Herzen Italiens.

Wer die Toskana kennt, versinkt in Erinnerungen, wer noch nie da war, wird sich von den plastischen Beschreibungen in diesem Roman entführen lassen.

Ein Buch, das alle Sinne berührt und Lust macht auf mehr von Anja Saskia Beyer!

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Veröffentlicht am 04.06.2020

Rückblicke und Einblicke

Eiskalte Augenblicke
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Nach neun spannenden Krimis rund um Sandhamn präsentiert uns Viveca Sten nun einen Band mit zehn kurzen Krimis, die (durch Fragen von Lesern angeregt) Details präsentieren, die in den bisherigen Bänden ...

Nach neun spannenden Krimis rund um Sandhamn präsentiert uns Viveca Sten nun einen Band mit zehn kurzen Krimis, die (durch Fragen von Lesern angeregt) Details präsentieren, die in den bisherigen Bänden aus unterschiedlichen Gründen keinen Platz gefunden haben. So wird erzählt, wie sich Juristin Nora Linde und Kommissar Thomas Andreasson überhaupt kennengelernt haben, rücken Figuren in den Mittelpunkt, die bislang nur am Rande erwähnt worden sind, werden Zusammenhänge hergestellt, die vielleicht nicht ganz klar waren.

In bewährt prägnanter Schreibweise, deren Formulierung stets ohne Umschweife den Punkt trifft, begibt sich die Autorin gemeinsam mit dem Leser auf eine wunderbare Reise zurück in die 1980er Jahre, in denen Noras Konfirmation ansteht, spannt den Bogen über kriminelle Ereignisse beim Seglerclub bis zu (gar nicht so) freundschaftlichen Geburtstags- und Krabbenfesten, präsentiert die kleine aber feine Schäreninsel sowohl im lichten Sonnenschein wie auch tief verschneit zu Silvester, um schließlich mit einem unvergesslichen Segelurlaub 2015 zu enden. So unterschiedlich die vielen Charaktere sind, denen man hier im Zeitraffer (wieder) begegnet, so unterschiedlich sind auch die Themen, die für diese kurzen Episoden aufgegriffen werden. Besonders bemerkenswert, dass oft erst wirklich im letzten Moment der Leser verblüfft zurückbleibt – und schon - vor lauter Neugier - mitten im nächsten Krimi steckt.

Viveca Sten versteht es perfekt, ihre Leser zu fesseln, sie vollkommen in die prächtige Landschaft der schwedischen Schären eintauchen zu lassen, aber auch falsche Fährten zu legen und ungeahnte Überraschungen bereitzuhalten.

Spannende und interessante, lustige und traurige, unterhaltsame und nachdenklich stimmende – eiskalte – Augenblicke finden sich hier in einer bunt gemischten Zusammenstellung wieder und erfreuen wohl alle Fans der „Andreasson-Reihe“.

Wer Sandhamn nicht schon selbst besucht hat, wird neugierig auf dieses beliebte Ferienziel, wer Nora und Thomas nicht bereits kennt, beginnt vielleicht von vorne mit der Reihe – für Kenner hält dieses Buch natürlich noch mehr verbindende Details parat als für Neueinsteiger. Ob also als Einzelband für sich gelesen oder als aufschlussreiche Ergänzung zu den alten Fällen – „Eiskalte Augenblicke“ steht für tiefgründige Unterhaltung und ist eine uneingeschränkte Empfehlung wert!

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Veröffentlicht am 21.05.2020

Ein altes Tagebuch

Das Erbe der Bretagne
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Die beste Freundin Amelie Monforts ist aus der WG in einer noblen Villa im französischen Concarneau (Department Finistere in der Bretagne) ausgezogen. Nun lebt Amelie allein mit Zoes Bruder Fabrice in ...

Die beste Freundin Amelie Monforts ist aus der WG in einer noblen Villa im französischen Concarneau (Department Finistere in der Bretagne) ausgezogen. Nun lebt Amelie allein mit Zoes Bruder Fabrice in dem großen Haus und kann nur schlecht dessen unbeholfene Annäherungsversuche abwehren.

Eines schönen Maitages steckt ein Päckchen mit einem alten Tagebuch im Postkasten und je mehr Amelie in die Vorkriegsjahre 1917/18 eintaucht und Seite für Seite die elegante, aber schwer zu lesende Frauenschrift entziffert, umso mehr spürt sie, dass es irgendeine Verbindung geben muss zur Vergangenheit. Dann stolpert auch noch der liebenswerte Maler Matthieu Kaldera in Amelies Leben und begleitet die junge Frau auf ihrer Suche nach der unbekannten Tagebuchschreiberin.

Ein entlegenes Fischerdörfchen dient Margot S. Baumann als Kulisse für diese manchmal sehr traurige, aber doch auch von viel Liebe erfüllte Geschichte. Wie maßgeschneidert passt sich dieser Rahmen der Handlung an und untermalt das Geschehen mit wundervollen Bildern aus der Bretagne. Die sonnige Mailandschaft spiegelt Lebensfreude und Hoffnung wider, während schroffe Felsen und düstere Wolkenformationen für die andere Seite stehen, für Missverständnisse und Geheimnisse, sehr glaubwürdig, niemals ins Kitschige abgleitend.

Wie können die hundert Jahre alten Aufzeichnungen enträtselt werden und welchen Zusammenhang gibt es zum Heute? In sehr ansprechender Art und Weise flicht die Autorin einzelne Tagebuchepisoden in die aktuelle Geschichte ein. Erst weiß der Leser mehr über die junge Frau kurz vor dem Weltkrieg, dann wendet sich das Blatt und Amelie und Matthieu haben einen Wissensvorsprung. Aber was tatsächlich hinter den persönlichen Notizen steckt – das wird erst ganz zum Schluss aufgedeckt.

Das Buch ist angenehm zu lesen, der Schreibstil positiv und hoffnungsvoll, auch wenn etliche traurige Punkte vorkommen, im Damals so wie im Jetzt. Die abwechselnde Sicht auf die Dinge hält die Spannung stets aufrecht, die authentisch gezeichneten Figuren und ihre Beziehungen zueinander erwecken rasch Sympathie oder Abneigung, die Neugier auf die Lösung bleibt bis zum Ende groß.

Das Erbe der Bretagne ist aus meiner Sicht auf alle Fälle eine Empfehlung wert und war bestimmt nicht mein letztes Buch von Margot S. Baumann.

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Veröffentlicht am 11.05.2020

Verstaubtes Marchfeld?

Der Offizier der Kaiserin
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Wien, 1898, Geheimpolizeiagent Pospischil wird ins Marchfeld gerufen, nahe Schloss Hof liegt eine Leiche im Wald. Was ist passiert in der verschlafenen Gemeinde, in der nur noch ein Wirtshaus offen hat ...

Wien, 1898, Geheimpolizeiagent Pospischil wird ins Marchfeld gerufen, nahe Schloss Hof liegt eine Leiche im Wald. Was ist passiert in der verschlafenen Gemeinde, in der nur noch ein Wirtshaus offen hat und die Dorfbewohner mit Müh und Not ihr Einkommen bestreiten? Während in der Hauptstadt das fünfzigjährige Regierungsjubiläum Franz Josephs I. gefeiert wird, soll auch im Marchfeldschloss wieder frischer Wind durch die bröckelnden Mauern wehen: nicht nur das Militär schickt eine Gruppe Offiziere zur Vorbereitung von Umbauarbeiten, auch Kaiserin Sisi kündigt sich für eine Übernachtung auf ihrer Durchreise an – und jetzt verursacht auch noch ein Toter Aufregung in der scheinbar ländlichen Idylle.

Mitten in eine Gruppe ungarischer Aufständischer führt uns Autorin Christine Neumeyer im Prolog und deutet schon an, dass nicht nur Schlossmauern verfallen, sondern auch die Donaumonarchie ihrem Untergang zusteuert.

In den nächsten Kapiteln geht es weniger rebellisch zu: Der Leser lernt das Landleben im Marchfeld kennen, den einzigen Gasthof weit und breit, der bekannt ist für seine gschmackigen Suppen, die zänkische Wirtin, den gutmütigen Kaplan, die Freundinnen Rosi und Irmi in ihren Zwirnstrümpfen. Der Alltag unter den Dorfbewohnern wird lebhaft und anschaulich geschildert, durch viele kleine Details fühlt man sich in die Kaiserzeit zurückversetzt. So dreht Frau Grünanger beständig am Schwungrad ihrer Nähmaschine, um immer noch Hüte mit altmodischen Blumen zu fabrizieren, darf Irmi das moderne Fahrrad mit Kettenantrieb benutzen, welches das mannshohe Hochrad gerade ablöst, dröhnen metallische Johann-Strauß-Walzerklänge aus dem Grammophon durch die Wirtsstube. Auch sonst fließt viel Geschichtliches in den Roman ein, wodurch das Marchfeld noch heute geprägt wird, beispielsweise Maria Theresias Föhrenpflanzungen gegen den steten Wind in der Ebene. Die Beschreibungen des Schlosses selbst wecken Neugier auf aktuelle Ausstellungen oder rufen Erinnerungen an bereits besuchte Präsentationen wach (Schokoladenmädchen und Trembleuse, 2018). So flicht Neumeyer nach ausführlicher Recherche interessante Informationen ganz unaufdringlich ins Geschehen ein, vermischt historische Tatsachen mit perfekt erdachten Mythen und komponiert mit diesen Zutaten eine kurzweilige, unterhaltsame Lektüre.

Die Atmosphäre im Marchfeld, genauso wie die morbide Untergangsstimmung in Wien, wird durch einen angenehm zu lesenden Dialekt noch verstärkt und bei der böhmischen Küche mit malerischer goldgelber Vanillesauce und schwarzviolettem Powidl möchte man sofort Gast bei Gerti sein.

Die gelungene Mischung aus Einblicken ins einfache Dorfleben, Problemen in der Hauptstadt durch die aufstrebende Industrialisierung und den Mordermittlungen rund um Schloss Hof zeichnet diesen Historischen Roman aus. Verschiedene Fährten müssen verfolgt werden, so mancher Skandal kommt ans Licht, das verblüffende Ende ist überaus passend - nicht nur für die damalige Zeit.

So könnten dem sympathischen Ermittler Pospischil mit seinem erfrischend modernen Assistenten durchaus noch weitere Fälle im Rahmen der Spionage zugeteilt werden. Aber auch jede andere polizeiliche Untersuchung mit diesem liebenswerten Team möchte ich gerne mitverfolgen.

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Veröffentlicht am 09.05.2020

Von Jenischen und Edelescort

Sechs
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Mitten in der Nacht erhält Privatdetektiv Falco Brunner den Anruf einer verzweifelten Frau. Sofort bricht er zu ihrem Appartement in der Wiener Innenstadt auf, das jedoch verwüstet und verlassen ist. Von ...

Mitten in der Nacht erhält Privatdetektiv Falco Brunner den Anruf einer verzweifelten Frau. Sofort bricht er zu ihrem Appartement in der Wiener Innenstadt auf, das jedoch verwüstet und verlassen ist. Von Emilia, so der Name seiner Bekannten, die als Edelescort-Dame arbeitet, keine Spur. Bevor er noch irgendeinen vernünftigen Gedanken fassen kann, wird er niedergeschlagen und findet sich alsbald in der Psychiatrie wieder. Um seine Unschuld zu beweisen, muss Brunner nun heimlich und auf eigene Faust ermitteln.

Nach einem kurzen Prolog findet sich der Leser direkt in Falco Brunners Lebensrealität – ein Rockvideo aus den Neunzigern, eine Schachtel vom Lieferservice, ein unangenehmer Geruch nach Burgern, Käse und Zwiebeln (das erinnert mich spontan an eine Textstelle mit Käsefüßen – „Kinderspiel“). Wer Falco noch nicht kennt, weiß spätestens nach den ersten Seiten, dass der unkonventionelle Privatdetektiv Star-Wars liebt und dessen Lieblingsfarbe von jeher Dunkelblau ist. Seinem eigenen Instinkt folgend, ermittelt er scheinbar ohne Plan und System und begibt sich nicht selten selbst in Gefahr. Im Grunde aber ist er höchst aufmerksam, beachtet kleinste Einzelheiten und stellt Zusammenhänge her, wo andere nicht einmal näher hinsehen.

Genauso lebensecht und glaubwürdig werden auch alle anderen Figuren in diesem Krimi dargestellt, Charakterzüge entworfen und mit viel Liebe zum Detail ausgearbeitet. Selbst die Hauskatze kann nicht frei erfunden sein, sondern muss ein reales Vorbild haben.
Berührend sind einige sehr persönliche Szenen, die in Form eines modernen Tagebuchs in die Handlung eingeflochten sind, aber auch solche, wo Erinnerungen und Gedanken mit dem Jetzt verschmelzen. Überhaupt gibt der Autor sämtliche Gefühle so direkt und unmittelbar an den Leser weiter, dass man ständig hin und her gerissen wird zwischen Liebe, Trauer, Angst und Zuversicht. Man spürt die intensive Auseinandersetzung mit sämtlichen Themen, die in diesem Buch aufgegriffen werden und kann als aufmerksamer Leser da und dort eine kleine Feinheit ausmachen, die schlussendlich zur Lösung beiträgt.

Mit seinem gewohnt flotten Stil schreibt Michael Seitz unmittelbar wie er denkt und empfindet (so kommt es jedenfalls bei mir an), bringt Spannung ins Spiel, die sich durchzieht bis zum Ende, fesselt durch kurze, abwechslungsreiche Kapitel (ohne langweilige Nummerierung) und unerwartete Wendungen.

Sechs ist ein wunderbarer, facettenreicher Krimi im schönen Wien, bei dem Falco Brunner mit Glück und Verstand – und sympathischen Freunden – einen spannenden dritten Fall zu lösen hat. In diesem Sinne spreche ich eine klare Leseempfehlung aus und hoffe natürlich auf Fortsetzung!

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