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Veröffentlicht am 07.07.2020

Abwechslungsreich erzählte, durchgehend unterhaltsame Geschichte

Time to Love – Tausche altes Leben gegen neue Liebe
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Der Roman „Time to Love – Tausche altes Leben gegen neue Liebe“ der Engländerin Beth O’Leary basiert auf der Idee, dass eine auf dem Land lebende Großmutter mit ihrer Enkelin, die in London wohnt, für ...

Der Roman „Time to Love – Tausche altes Leben gegen neue Liebe“ der Engländerin Beth O’Leary basiert auf der Idee, dass eine auf dem Land lebende Großmutter mit ihrer Enkelin, die in London wohnt, für einige Wochen die Unterkunft tauscht. Damit verbunden ist auch die Übernahme der Aufgaben, die beide in ihrem Umfeld alltäglich erledigen.

Leena, eine Kurzform von Eileen, ist 29 Jahre alt und arbeitet als Senior Consultant in London. Seit dem Tod ihrer Schwester hat sie sich in ihre Arbeit vergraben. Dem Stress ist sie nicht gewachsen, ihre Erschöpfung tritt zutage, woraufhin ihr eine zweimonatige Auszeit vorgeschrieben wird. Ihre Großmutter Eileen sitzt derweil in einem kleinen Dorf mit nicht einmal zweihundert Einwohner und sehnt sich nach einem neuen Lebenspartner. Leena kommt auf die Idee, mit ihrer 79 Jahre alten Oma die Wohnungen zu tauschen, wodurch sie sich auf dem Land erholen kann, während Eileen in London mehr Möglichkeiten hat, einen Mann zu daten.

Beth O’Leary schaffte es in ihrem Roman, eine ganz besondere Erwartung bei mir zu schüren. Es ist ein ungewöhnlicher Tausch, den Leena und Eileen vornehmen und ich war gespannt, ob beide die vorgesehenen Wochen in ihrer neuen Rolle absolvieren werden. Der Beginn ist ungewohnt, doch mit viel Idealismus finden sie sich zurecht und entwickeln darüber hinaus neue Ideen, die sie nicht zögern mit viel Engagement in die Tat umzusetzen. Hilfe erhält Eileen dabei von Nachbarn und Freunden ihrer Oma, die für manche Ablenkung dankbar sind. Aber auch in London zeigt sich, dass Eileen durch ihre charmante Art bei den Mitbewohnern und Eileens Freunden einiges bewirken kann. Das ist herzerfrischend. Beide wachsen an ihren neuen Erfahrungen.

Immer wieder blitzt aber auch die Traurigkeit über den Tod ihrer Schwester bei Eileen durch, der auch zu Missverständnissen in der Familie geführt hat durch unterschiedliche Ansichten über ein würdiges Sterben. Die Autorin zeigt, dass es verschiedene Möglichkeiten gibt, zu trauern. Und natürlich kommt auch die Liebe nicht zu kurz, und zwar sowohl bei Leena wie auch bei Eileen mit damit verbundenen Irrungen und Wirrungen. Die Charaktere sind eigenwillig, manchmal kauzig, manchmal forsch und immer wieder überraschend.

Insgesamt ist „Time to Love“ von Beth O’Leary eine abwechslungsreiche, durchgehend unterhaltsame Geschichte mit vielen amüsanten Szenen in die immer wieder einige tiefsinnigere eingestreut sind. Gerne vergebe ich hierfür eine Leseempfehlung.

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Veröffentlicht am 24.06.2020

Gelunger Auftakt der Serie über eine Berliner Hebamme in den 1920ern

Fräulein Gold: Schatten und Licht
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Der Roman „Fräulein Gold“ der Berlinerin Anne Stern ist der erste Teil einer Serie bei der die Hebamme Hulda Gold im Mittelpunkt steht. Die Geschichte ist ein Genremix: Sie spielt im historischen Berlin ...

Der Roman „Fräulein Gold“ der Berlinerin Anne Stern ist der erste Teil einer Serie bei der die Hebamme Hulda Gold im Mittelpunkt steht. Die Geschichte ist ein Genremix: Sie spielt im historischen Berlin des Jahrs 1922, ein tragischer Unfall ist aufzuklären und neben der Beschreibung der Tätigkeiten rund um die Geburtshilfe schildert die Autorin auch eine beginnende Romanze ihrer Protagonistin.

Entsprechend des Untertitels „Schatten und Licht“ erzählt die Autorin von der bewegenden Zeit kurz nach dem Ende des Ersten Weltkriegs. Die Berliner sind voller Hoffnung auf anhaltenden Frieden, doch politisch kommt Deutschland nicht zur Ruhe. Die Armenfürsorge in Berlin ist überfordert und in den Clubs der Stadt frönen die Besucher manchem Laster. Auch Hulda ist nicht abgeneigt, sich einige schöne unterhaltsame Stunden mitten im Getümmel zu erlauben. Allerdings ist sie als ambulante Hebamme in ständiger Rufbereitschaft. Sie versorgt Schwangere in ihrem Wohnbezirk in Schöneberg und Umgebung, egal ob arm oder reich. Manchen Hausbesuch macht sie sogar umsonst, weil ihr das Leben von Mutter und Kind am Herzen liegt. Es ist nicht immer leicht, ihrer Aufgabe gerecht zu werden, weil eine klare Abgrenzung zu den Tätigkeiten besteht, die ein Arzt vorzunehmen hat.

Eine von Hulda betreute Schwangere wohnt am Bülowbogen. Die Wohnung der Nachbarin Margarita Schönbrunn, kurz Rita genannt, ist polizeilich gesperrt und wenig später erfährt Hulda davon, dass sie tot im nahen Landwehrkanal aufgefunden wurde. Das Schicksal von Rita ist ihr präsenter als ihr zunächst recht ist, doch dann beginnt sie Fragen zu stellen. Bei der Suche nach Antworten begegnet ihr Kriminalkommissar Karl North, der für sie im Laufe der Zeit in mehrfacher Hinsicht immer attraktiver wird.

Hulda trägt ihr Herz auf dem rechten Fleck. Sie lebt als Untermieterin in der Mansarde eines Mehrfamilienhauses, ist kein Kind von Traurigkeit, sondern offen und ehrlich. Geheimnissen geht sie gern auf die Spur. Sowohl bei Rita wie auch bei Karl spürt sie, dass deren Vergangenheit schicksalsgebend war. In schwierigen Situationen spricht sie sich selbst Mut zu und geht unbeirrt ihren Weg.

Die Perspektiven in der Geschichte wechseln, so dass in den einzelnen Erzählabschnitten nicht immer nur Hulda im Mittelpunkt steht. Dadurch wurde der Roman vielgestaltiger und neben der Protagonistin entwickelten sich auch andere Figuren darin mit. Einige Tagebuchauszüge aus dem Notizheft von Rita verdeutlichten den damaligen Umgang mit psychisch erkrankten Personen und gaben auf diese Weise weitere Einblicke in medizinische Gegebenheiten der damaligen Zeit.

Der Auftakt der Romanreihe „Fräulein Gold“ ist Anne Stern mit ihrem Buch „Schatten und Licht“ gelungen. Dank der sehr guten Recherche des historischen Hintergrunds und der Ortskenntnisse der Autorin entsteht das bunte Porträt einer Berliner Gesellschaft der Gegensätze in einer Zeit des Aufbruchs mit einer sympathischen Hauptfigur. Gerne empfehle ich den Roman weiter und warte schon ungeduldig auf den nächsten Band.

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Veröffentlicht am 18.06.2020

Gelungene Verknüpfung zweier Erzählebenen, bei denen Düfte eine Rolle spielen

Die Lilienbraut
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Die 23-jährige Kölnerin Nelly Voss ist „Die Lilienbraut“ für den von ihr geliebten Mann, denn nach dessen Meinung bringt sie einen Raum zum Leuchten sowie die entsprechenden Blumen. Ihr Problem im gleichnamigen ...

Die 23-jährige Kölnerin Nelly Voss ist „Die Lilienbraut“ für den von ihr geliebten Mann, denn nach dessen Meinung bringt sie einen Raum zum Leuchten sowie die entsprechenden Blumen. Ihr Problem im gleichnamigen Roman von Teresa Simon, der in der Zeit des Zweiten Weltkriegs spielt, ist die Aussichtslosigkeit, die ihre Liebe begleitet, denn es darf nicht sein, dass sie mit ihrem Geliebten zusammenlebt und ihre Liebe darf nicht öffentlich bekannt werden.

Das Cover ist entsprechend der Geschichte romantisch gestaltet, aber Nelly lebt nicht, wie die Aufmachung vermuten lässt, in herrschaftlichen Verhältnissen, sondern ihre Mutter ist Kneipenwirtin, ihr Vater längst verstorben. Sie selbst arbeitet im Büro der Parfümerie-Fabrik Mülhens. Aber auf der Handelsschule hat sie Greta Farina kennengelernt, die Tochter des berühmten Unternehmers, der das Eau de Cologne erfunden hat. Gegenseitig geben die beiden sich Halt in den schweren Zeiten des Zweiten Weltkriegs.

Auf einer zweiten Zeitebene erzählt Teresa Simon die Geschichte der jungen Biologin Liv van Geeren, die in der Gegenwart spielt. Liv hat einen kleinen Sohn und ist frisch getrennt. Eine Erbschaft führt sie aus Maastricht nach Köln, wo sie in Ehrenfeld ein Geschäft für Düfte eröffnet. Durch Zufall trifft sie eine ältere Frau von der sie als „Nellie“ angesprochen und beschimpft wird. Hier ergab sich für mich schon ein Bezug zu der Geschichte der Nellie Voss. Doch bevor ich erfuhr, wie beide Erzählebenen ineinandergreifen musste ich noch viele Seiten lesen.

Eigenständig laufen beide Geschichten nebeneinander her und konnten mich auf ihre je eigene Art begeistern. Sie sind nicht nur über die besondere Nase ihrer jeweiligen Protagonistin für Düfte verbunden. Die Autorin fasst in ihre Erzählungen historische Fakten ein und umkleidet sie gekonnt mit Fiktion, die sich so liest, als ob die Ereignisse tatsächlich geschehen wären. Sie lässt Nellie in weiten Teilen die Begebenheiten in Tagebuchform erzählen und ich konnte mich auf diese Weise die tiefen Gefühle ihrer Protagonistin zu ihrem Liebsten nachvollziehen.

Es ist aufwühlend, vom Leben der Bevölkerung und den gegebenen Umständen im kriegszerstörten Köln zu lesen. In einem Nachwort greift die Autorin bestimmte Begriffe auf und erklärt sie im historischen Kontext. Zur weiteren Einbettung in das Kölner Umfeld gehört auch das zeitweilige Kölsche Platt bei Gesprächen beispielsweise in der Kneipe und der Verzehr typischer Speisen und Getränke. Eine treffende Auswahl dazu, die mir, als im Rheinland geborene, bekannt und empfehlenswert sind, findet sich im Anhang in Form von Rezepten zum Zubereiten wieder

Sowohl Nellie wie auch Sophie sind junge Frauen mit starkem Charakter, die ihre Ideale verfolgen, auch wenn sie gegen allgemein übliche Konventionen handeln und damit rechnen müssen, kritisiert zu werden. Auf beiden Erzählebenen hat Teresa Simon einige überraschende Wendungen eingefügt, die dem Roman eine hintergründige Spannung verleihen.

Die ansprechenden Geschichten, unterstützt durch den ständigen Perspektivenwechsel, sorgen für ein schnelles Lesen um zu erfahren, wie beide Erzählstränge zusammenfließen und verbunden sind. Der Roman „Die Lilienbraut“ von Teresa Simon hat mich bestens unterhalten und daher empfehle ich ihn gerne weiter.

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Veröffentlicht am 14.06.2020

Denkanstösse für ein zufriedeneres Leben

Das Café am Rande der Welt
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Schon häufig sind mir die Bücher von John Strelecky im Buchhandel oder online begegnet, daher habe ich jetzt seinen Bestseller „Das Café am Rande der Welt“ gelesen. Der Autor schreibt seine Geschichte ...

Schon häufig sind mir die Bücher von John Strelecky im Buchhandel oder online begegnet, daher habe ich jetzt seinen Bestseller „Das Café am Rande der Welt“ gelesen. Der Autor schreibt seine Geschichte als Ich-Erzähler und nennt seine Figur nach sich selbst. Wie viel Autobiographisches von John Strelecky in seine Schilderung eingeflossen ist, bleibt aber unklar.

John ist orientierungslos, nicht nur in seinem Job als überlasteter Manager, der nicht mehr weiß, in welche Richtung ihn sein Leben führen und nach welchem Leitbild er sich richten soll. Sondern er findet sich eines Tages auf der Reise in den Urlaub auf einer Straße wieder, die in die endlose Weite zu führen scheint und sein Ziel rückt nicht näher. Plötzlich steht er vor dem titelgebenden Café und wird dort mit Freude bewirtet. Die Speisenkarte enthält nicht nur das Angebot, sondern auch drei Fragen, über die John sich im Laufe seines Aufenthalts mit den Besitzern und Gästen austauscht. Er bemerkt, dass es manchmal sehr nützlich sein kann, die Betrachtungsweise zu ändern.

John Streleckys Erzählung ist nicht belehrend, sondern Anstoß gebend, sich mit dem Sinn des Lebens auseinanderzusetzen, worauf auch der Untertitel hinweist. Seine Überlegungen führen nicht sinnbildlich über eine Einbahnstraße, sondern lassen für Wendemöglichkeiten Platz. Ihm ist bewusst, dass jede Person seine eigenen Lebenserfahrungen mit einbringt und unterschiedliches Wissen. Jeder Mensch ist als Individuum mit seinen je eigenen Ansichten zu sehen, von dem er ausgehend für sich das herausfinden sollte, was für ihn gut ist. Der Autor gibt für diesen Weg entsprechende Anregungen in der kompakten Form dieser kleinen Geschichte mit mehreren eingestreuten Parabeln.

Ich empfehle das humorvoll und leicht lesbare Buch gerne jedem, der mit seinem Leben unzufrieden ist und nach Denkanstößen sucht, die ihm dabei helfen können, sich persönlich weiterzuentwickeln.

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Veröffentlicht am 07.06.2020

Überzeugende Schilderung einer Nacht im quirligen lebendigen Berlin

Arbeit
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Das Buch „Arbeit“ ist ein in Szenen erzählter Roman von Thorsten Nagelschmidt. Die einzelnen Geschichten der enthaltenen Kapitel spielen alle innerhalb weniger Stunden in Berlin, von Freitag bis zum Samstagmorgen. ...

Das Buch „Arbeit“ ist ein in Szenen erzählter Roman von Thorsten Nagelschmidt. Die einzelnen Geschichten der enthaltenen Kapitel spielen alle innerhalb weniger Stunden in Berlin, von Freitag bis zum Samstagmorgen. Sie handeln von unterschiedlichen Figuren, die ihren Berufen oder ihrer Berufung nachkommen und ließen mich als Leserin tief eintauchen in die quirlige lebhafte nächtliche Welt der Großstadt.

Hier begegnete ich Drogenhändlern und Türstehern, einer Fahrradkurierin, dem Nachtportier eines Hostels, der Inhaberin eines Spätkaufs, Sanitätern, Polizisten und weiteren arbeitsamen Personen. Jedes Kapitel wird von der Fortsetzung der Schilderung über die nächtlichen Ereignisse des Taxifahrers Bederitzky unterbrochen, der neben seinen üblichen Geldproblemen in den nächsten Stunden große Pläne für sich und seine Lebensgefährtin hat.

Von Kapitel zu Kapitel wechselt zeitweilig der Schreibstil, den der Autor entsprechend der Situation anpasst, um dadurch deren jeweilige Besonderheit herauszustellen und deren Wahrnehmung bei den Lesern zu intensivieren. Die Erzählungen ergänzen sich, verbinden sich und ergeben einen großartigen Roman über Begebenheiten in einer nächtlichen Gesellschaft.

Thorsten Nagelschmidt gestaltet seine Figuren eigenwillig und sehr realistisch, seine Beschreibungen ließen für mich die Lichter in einer dunklen Welt aufblitzen, die mir sonst verborgen bleibt. Dadurch, dass die einzelnen Storys nicht zu Ende erzählt sind bleibt immer die Hoffnung, die Charaktere später wiederzufinden, was meinen Lesefluss ständig steigerte. Auch die Fortsetzungsgeschichte sorgte für eine unterschwellige Spannung, denn ich wollte wissen, ob Bederitzky seine Pläne umsetzen konnte.

Es sind die Träume und Wünsche, aber auch die Sorgen und verpassten Chancen der Figuren, deren sie sich mehr oder weniger bewusst sind und denen sie in dieser einen Nacht nachhängen, die den Roman so berührend und bewegend machen. Die Darstellung der Arbeit der einzelnen Personen brachte mir unbekannte Einsichten dank der sehr guten Recherche und des Einfühlungsvermögens des Autors zum jeweiligen beruflichen Verhalten. Es ist vor allem die Gewöhnlichkeit mit denen die Figuren ihren Tätigkeiten nachkommen, die das Ganze eindringlich sein lässt und bewusst macht, dass diese eine Nacht sich immer wieder so oder so ähnlich abspielt.

Der Roman „Arbeit“ von Thorsten Nagelschmidt ist die überzeugende Schilderung einer Nacht in Berlin mit leuchtenden Figuren und überraschenden Wendungen in mal düsteren, mal glitzernden Settings, immer sehr nah an der Realität. Es hat mir große Freude bereitet das Buch zu lesen und daher vergebe ich gerne ein uneingeschränkte Leseempfehlung.

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