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Veröffentlicht am 01.07.2020

Nüchterne Betrachtung des Erleben des zweiten Weltkrieges aus Sicht eines Kindes

Der Hütejunge
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Als sechstes Kind, dessen Vater kurz vor der Geburt verstorben ist, schildert ein namenloser Junge sein Erleben und Empfinden vor und in den Zeiten des Zweiten Weltkrieges. Die Familie ist arm, und schon ...

Als sechstes Kind, dessen Vater kurz vor der Geburt verstorben ist, schildert ein namenloser Junge sein Erleben und Empfinden vor und in den Zeiten des Zweiten Weltkrieges. Die Familie ist arm, und schon früh lernt der Junge, sich „unsichtbar“ zu machen – quasi als Überlebensstrategie. So idyllisch sein Heimatdorf in der Eifel auch liegt, das Grauen des Krieges macht vor ihm nicht Halt und hautnah müssen die Bewohner die Ardennenoffensive (üb)erleben.
Das Buch fesselt von den ersten Seiten durch den flüssigen und sehr gut lesbaren Schreibstil.
Jedoch musste ich immer mal wieder innehalten, denn das der Akteur nur als "Junge" bezeichnet wird macht es so austauschbar bzw. auf so viele Kinder zutreffend, die wohl während des Krieges Ähnliches erleiden mussten. Dieses Stilmittel, quasi das symbolische und stellvertretende "Umfassen" zahlreicher Schicksale, wirkt auf mich sehr stark. Die nüchternen Schilderungen zu dem Erleben und Erlebten, machen meiner Meinung nach sehr deutlich, dass vieles ohne großartige Diskussion einfach so hingenommen bzw. akzeptiert wurde, bzw. Erwachsene und Eltern noch als Autoritätspersonen wahrgenommen wurden. Was nicht heißen soll, das die Menschen damit durchweg „Duckmäuser“ waren. Meines Erachtens nach, gab es gar keine Zeit dafür, denn mit der „Ansage“ wurden quasi rasch Entscheidungen für Überleben oder Tod getroffen. Mitunter würde ich mir etwas von dieser Eigenschaft heutzutage wünschen, wo so vieles totdiskutiert werden muss. Dies ist meist nicht zielführend und kostet so viel Zeit und Kraft, die man besser einsetzen könnte.
Ulrike Blatter ist es sehr gut gelungen das alltägliche Alltagsgeschehen so zu schildern, dass man sich fühlt, als wäre man dabei. Mehr als einmal habe ich gedanklich den Hut vor diesen Menschen gezogen, das – die meisten – daran nicht zerbrochen sind. Diese pragmatische Überlebensstrategie spürt weit in nachfolgende Generationen nach: Disziplin und Sparsamkeit, allerdings auch psychische Probleme durch das Verdrängen.
Das Buch macht auf mich mit Lesebändchen, Hardcover und stabilen Schutzumschlag einen sehr hochwertigen Eindruck und liegt gut in der Hand. Abgerundet wird das ganze Werk durch einige exemplarische Fotos in der Mitte des Buches, die mit Nummer- und Seitenzahl-Verweis den Bezug zum Lesefortschritt schaffen. Auch wenn man diese Leute "nur" aus der Erzählung kennt, schaffen sie eine viel persönlichere Beziehung dazu - mir geht es zu mindestens so.
„Der Hütejunge“ hallte nach dem Lesen noch lange in mir nach – ich empfehle dieses Buch allen am Thema interessierten Lesern sehr gern weiter.

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Veröffentlicht am 25.06.2020

Entscheidung zwischen Bleiben oder Gehen

Ich bleibe hier
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Nach der Machtergreifung Mussolinis werden die deutschen Einwohner Südtirols vor die Entscheidung gestellt, entweder nach Deutschland zu gehen, oder zu bleiben – doch dann quasi als Mensch zweiter Klasse. ...

Nach der Machtergreifung Mussolinis werden die deutschen Einwohner Südtirols vor die Entscheidung gestellt, entweder nach Deutschland zu gehen, oder zu bleiben – doch dann quasi als Mensch zweiter Klasse. Trina entscheidet sich bei ihrem Mann Erich zu bleiben, während ihre Tochter Marcia heimlich mit der Familie von Erichs Bruder Lorenz flieht.
Den Krieg in den Bergen versteckt überstanden, holt sie die Vergangenheit rasch wieder ein. Das Projekt Staudamm wird wieder in Angriff genommen und auch die Italiener dominieren weiter die daheimgebliebenen Deutschen.
Dieses Buch zeigt die innere Zerrissenheit zwischen Gehen und Bleiben der Bewohner am Beispiel Trina's Familie sehr deutlich auf, wobei dies auch exemplarisch für die verschiedenen Generationen stehen kann. Wer (seine Heimat aufgeben) kann, zieht nach Deutschland, worin vor allem die Jungen ihre Zukunft sehen. Die die zurück bleiben (müssen), werden in den Mühlen der Politik zermahlen. Was diese Umstände mit den Menschen machen, wird in diesem Buch sehr deutlich. Meines Erachtens ist Marco Balzano damit ein ergreifendes Buch zu einer Thematik gelungen, die vielleicht noch zu wenig bekannt ist. Sehr gern empfehle ich dieses Buch weiter!

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Veröffentlicht am 25.06.2020

Selbstfindung auf der Insel

Ein Sommer auf Sylt
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Julia reist mit ihrer Mutter sowie deren zwei Schwestern nach Sylt um das Erbe ihres Vaters, ein Haus, anzutreten und den Verkauf selbigen vorzubereiten. Gemeinsam mit ihrem Freund Jo ist das Geld für ...

Julia reist mit ihrer Mutter sowie deren zwei Schwestern nach Sylt um das Erbe ihres Vaters, ein Haus, anzutreten und den Verkauf selbigen vorzubereiten. Gemeinsam mit ihrem Freund Jo ist das Geld für die Erweiterung ihrer Firma eingeplant. Vor Ort erwartet Julia jedoch eine unangenehme Überraschung: im Haus wohnt die Geliebte ihres Vaters.
Die ursprünglich so unkompliziert angedachte Fahrt entwickelt sich für Julia zu einer Findungsreise zu ihrem Ich – mit den Wünschen und Träumen die sie selbst hat, und nicht das, was andere immer von ihr erwarten. Somit hinterfragt sie nicht nur ihr bisheriges Leben, sondern stellt auch ihre Beziehung zu Jo in Frage. Und das liegt nicht nur an dem smarten Hoteliers Mats.
Gesprochen wird „Ein Sommer auf Sylt“ von Sandra Voss, der es wunderbar gelingt durch Stimmlage und Tonierung die Charaktere der Protagonisten herauszuarbeiten. Bei der Schwere der zu bewältigenden Probleme bleibt jedoch auch immer der Gesamteindruck einer angenehmen und heiteren Plauderei. Ich finde es einfach amüsant zuzuhören, wie Julia in ein Fettnäpfchen nach dem anderen tritt und es ist köstlich, die überzogenen Gespräche und überraschenden Wendungen zu erleben, erkennt man sich doch oft selbst in ähnlichen Situationen.
Auch wenn das Geschehen ziemlich vorhersehbar ist, habe ich jede Minute dieses Hörbuchs genossen. Eine erfrischende Unterhaltung tut auch mal gut – und dafür ist dieses Buch super geeignet!

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Veröffentlicht am 12.06.2020

Wertvolles Dokument der Zeitgeschichte

Ich traue dem Frieden nicht
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Die Tagebücher von Werner von Kieckebusch blieben durch glückliche Umstände erhalten und wurden hier in dem Buch „Ich trau dem Frieden nicht“ sehr gelungen wiedergegeben. Die Niederschrift umfasst den ...

Die Tagebücher von Werner von Kieckebusch blieben durch glückliche Umstände erhalten und wurden hier in dem Buch „Ich trau dem Frieden nicht“ sehr gelungen wiedergegeben. Die Niederschrift umfasst den Zeitraum von April 1945 bis Silvester 1946 und ist somit ein bewegendes Dokument der Zeitgeschichte. Dieses Buch liest sich durch die nüchtern gehaltenen Einträge sehr authentisch und berührt mich damit sehr. Vor allem der Wechsel zwischen den emotionslos vorgetragenen Schilderungen der täglichen Grausamkeit und simplem Betrachtungen des weitergehenden, von allem unberührten, Lebens wie beispielsweise in der Natur macht mich sehr betroffen. Sicher ist es eine Art Überlebensstrategie, das Grauen nicht so an sich heranzulassen, oder man ist vielleicht auch bereits abgestumpft. Aber gerade dies macht es so realistisch, da die Eindrücke ungeschönt wiedergegeben werden.
Niemand sollte je vergessen, was geschehen ist - und dieses Buch leistet damit einen wertvollen Beitrag! Ich empfehle dieses Buch uneingeschränkt weiter!

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Veröffentlicht am 12.06.2020

Schwedische Urlaubsidylle wird zum Alptraum…

Kalte Nacht
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Im idyllischen schwedischen Dorf Hultsjö sorgt ein Autounfall der deutschen Urlauberfamilie Nowak für Aufsehen, denn rasch wird klar, dass hier etwas nicht stimmt: die Leiche der toten Teenager-Tochter ...

Im idyllischen schwedischen Dorf Hultsjö sorgt ein Autounfall der deutschen Urlauberfamilie Nowak für Aufsehen, denn rasch wird klar, dass hier etwas nicht stimmt: die Leiche der toten Teenager-Tochter liegt in eine Decke eingewickelt auf dem Rücksitz und die Mutter ist verschwunden. Nur die jüngere Tochter hat schwer verletzt überlebt, doch aufgrund ihrer Behinderung mit dem Down-Syndrom ist eine Vernehmung schwierig…
Tom Skagen von der Sondereinheit Skanpol unterstützt auf eigene Faust die ansässige Polizei und trifft hier auf seine Jugendliebe Maja, die ebenfalls Polizistin geworden ist. Im so freundlich wirkenden Dorf stoßen sie auf eine – durch den Großgrundbesitzer Ludvig Staffanson beeinflusst - eingeschworene Dorfgemeinschaft. Keiner will Kontakt zu der deutschen Familie gehabt haben und ein Gerücht um das andere macht die Runde. Deutlich wird die ablehnende Haltung deutschen Urlaubern und somit Ausländern gegenüber, die schwedischen Grund und Boden für die Realisierung eines Lebenstraumes erwerben – ein Ferienhäuschen an diesem so traumhaft erscheinenden Ort, wie auch die Familie Nowak. Doch rasch werden Feindschaften, Neid, Missgunst und Rache offensichtlich und auch in der deutschen Familie war die Harmonie nur Fassade…
Nachdem ich bereits den ersten Teil dieser Reihe um Tom Skagen, "Kalter Strand", begeistert gelesen habe, war meine Erwartung an die Fortsetzung dementsprechend hoch – und ich wurde nicht enttäuscht. Anne Nordby ist es mit „Kalte Nacht“ hervorragend gelungen, an den ersten Teil anzuknüpfen. Ein Geflecht von falschen Spuren und Verdächtigungen wird geschickt und überzeugend plausibel ausgelegt, so dass die abschließenden Wendungen dann immer wieder für Überraschung sorgen. Gleichzeitig blickt man in familiäre Abgründe und auch hier ist die sich aufdrängende Meinung nicht die richtige.
Mit Tom und Maja ermitteln mir sehr sympathische Personen, deren Leben außerhalb der Ermittlungen gut dosiert angerissen wird, ohne dass dies die eigentliche Handlung überlagert. Der Leser erfährt über Tom sein Trauma genug, so dass sich dieser Band auch ohne Vorkenntnisse des ersten lesen lässt. Die Handlung ist stimmig und das Buch liest sich sehr flüssig. Eine Geschichte auf 544 Seiten spannend zu halten, ist meiner Meinung nach schon eine Leistung.
Mich hat dieses Buch sehr gut unterhalten und überzeugt, so dass ich es gern weiterempfehle!

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