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Meinungen aus der Lesejury

Veröffentlicht am 11.08.2020

Die Verbindung von Zwillingen

Schlafe jetzt für immer
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Zum Inhalt:
Wie in Trance malt die elfjährige Tam Bilder. Ihre Mutter Mags stellt fest, dass die dargestellten Häuser Tatorte von Verbrechen sind. Richtig mysteriös wird es, als klar wird, dass Tam diese ...

Zum Inhalt:
Wie in Trance malt die elfjährige Tam Bilder. Ihre Mutter Mags stellt fest, dass die dargestellten Häuser Tatorte von Verbrechen sind. Richtig mysteriös wird es, als klar wird, dass Tam diese Häuser malt, bevor die Verbrechen geschehen. Und dann malt Tam ein Gebäude, welches Mags erkennt…

Mein Eindruck:
Über die besondere Verbindung von Zwillingen ist schon viel berichtet worden, - hier spinnt Anderson diese Idee weiter und bettet sie in eine spannende, mysteriöse Krimihandlung ein. Diese gliedert sich in einen Teil, der sich in der dritten Person mit der Familie von Tam befasst und einen, der in der ersten Person die Gefühle und Gedanken des Mörders thematisiert, welche bei aller Grausamkeit dadurch nachzuvollziehen sind. Indem der Autor seine beiden Stränge aufeinander zulaufen lässt und diesen Höhepunkt inhaltlich gut als unausweichlich darstellt, liest seine Leserschaft fast atemlos Zeile um Zeile, Seite um Seite, Kapitel um Kapitel. Andersons Stil ist dabei bildhaft, aber nicht zu ausschweifend, - für einen Thriller perfekt. Seine Figuren haben zwar einen gewissen Anteil von Stereotypen, sind aber trotzdem noch genügend tief angelegt, um nicht langweilig zu erscheinen.
An der Story gefällt, dass im Hintergrund Kräfte agieren, welche abseits von monetären Einflüssen wirklich von ihrer Arbeit überzeugt sind und Kollateralschäden billigend in Kauf nehmen. Ein tieferer Sinn, der nicht unbedingt in einem Thriller zu finden ist.
Das Ende fällt ein wenig ab, da eine wirkliche, intellektuelle Konfrontation nicht stattfindet.
Aber das wäre von einem Thriller wohl auch zu viel verlangt.

Mein Fazit:
Eine spannende Story mit Mystery-Anteil

Veröffentlicht am 04.08.2020

Höhere Mathematik

Die Erfindung der Null
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Zum Inhalt:
Eine Frau verschwindet, nachdem sie mit dem Mathematiker Gördeler in Frankreich gewandert ist. Der mit den Ermittlungen betraute Staatsanwalt versucht Gördeler den Mord nachzuweisen, obwohl ...

Zum Inhalt:
Eine Frau verschwindet, nachdem sie mit dem Mathematiker Gördeler in Frankreich gewandert ist. Der mit den Ermittlungen betraute Staatsanwalt versucht Gördeler den Mord nachzuweisen, obwohl die Leiche fehlt. In Verhören ist Gördeler überhaupt nicht schweigsam, sondern beginnt dem Staatsanwalt längere Episoden seines Lebens zu erzählen. Warum?

Mein Eindruck:
Die Kapitelnamen entsprechen einer mathematischen Beweisführung und auch im Text lernt die Leserschaft viel von der Mathematik getreu des Titels „Die Erfindung der Null“. Im Gegensatz zur Schönheit der Zahlen steht jedoch sehr oft der Inhalt, der sich gerne absolut unappetitlich zeigt. Beispielsweise wird – als erwachsener Mensch – ins Bett gemacht, Blut und Sperma spritzen und Wohnungen vermüllen. Nichts für zarte Gemüter, ehrlicherweise noch nicht einmal für halbzarte. Die mathematischen und mythologischen Abhandlungen zu Odysseus erfordern dazu ein großes Einfühlungsvermögen in die Wissenschaft, zu dem mancher nicht fähig ist oder auch einfach nur nicht sein will.
Nicht die besten Voraussetzungen für ein fesselndes Buch. Und doch fesselt es. Weil es einfach in einer schönen Art und Weise geschrieben ist und das Ende so geschickt entworfen ist. Zum Schluss fügt sich alles ineinander, das Verschwinden der Frau wird aufgeklärt, die ganzen abschweifenden Erzählungen ergeben Sinn. Quod erat demonstrandum.
Mein Fazit:
Die nächste Geschichte gerne mit weniger Körperlichkeit, sprachlich und aufbautechnisch wunderbar

Veröffentlicht am 01.08.2020

Spannung mit Niveau

Der gefrorene Urknall
3

Zum Inhalt:
Nachdem Mike Peters und seine Zeitung „Magazine“ gemeinsam mit einem verborgenen Wissenschaftlerclub um die Griechin Klotho die Nachwirkungen eines großen Unfalls im CERN für die Welt abwenden ...

Zum Inhalt:
Nachdem Mike Peters und seine Zeitung „Magazine“ gemeinsam mit einem verborgenen Wissenschaftlerclub um die Griechin Klotho die Nachwirkungen eines großen Unfalls im CERN für die Welt abwenden konnte (und dabei die Bekanntschaft des sein Herz erwärmenden Polizisten Maurice machen konnte), steht er vor neuen Herausforderungen: Seine Zeitung wurde von einem Hedgefond übernommen und es wird immer deutlicher, dass dahinter ein Plan steckt: Zugriff auf die Quellen und damit auf Klotho. Zeitgleich entdeckt die Polizei eine Leiche, die im Zusammenhang mit großen Mengen reinsten Heroins zu sehen ist. Bald realisieren die Freunde, dass wieder einmal alles mit jedem in Zusammenhang steht.
Mein Eindruck:
„Der gefrorene Urknall“ ist die Quasi-Fortsetzung des Wissenschafts-Thrillers „Gefahr von der anderen Seite“ von Mike Gorden. Das Buch wäre eigenständig zu lesen, da viele Personen und ihre Verbindungen zueinander erklärt werden, trotzdem sollte man sich den Erstling nicht entgehen lassen, denn der Mehrwert durch den tieferen Einblick ist nicht zu verachten.
Gorden schafft es dabei auf eine ruhige, unaufgeregte Weise, seine wissenschaftlichen Teile auch für Laien zu erklären, so dass diese sich nicht völlig im luftleeren Raum befinden. Doch auch wer diese Abschnitte querliest, wird gut bedient, - die ausgedachte Thriller-Handlung mit Verschwörungstheorie ist absolut gelungen, die damit verbundenen Figuren gut erdacht, die Schauplätze vielfältig. Die dauernden Perspektivwechsel sind für einen mit der Umgebung vertrauten Leser ein Spaß, können aber für andere schwer zu verkraften sein.
Die einzigen Wermutstropfen sind ein paar Ungereimtheiten im Verhalten einiger Nebenfiguren, perfekt jedoch die Grauzonen, in die sich andere Personen begeben und die Leserschaft vor die Frage stellen, ob der Zweck wirklich jedes Mittel heiligt und in der Liebe und im Krieg alles erlaubt ist.

Mein Fazit:
Gute Unterhaltung

Veröffentlicht am 27.06.2020

Schicksale

Die verlorene Frau
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Zum Inhalt:
Die Journalistin Iris wird von ihrer Mutter Rebecca um Hilfe gebeten, als ihre ältere Halbschwester Jessie gemeinsam mit dem neugeborenen Baby aus dem Krankenhaus verschwindet. Bald stellt ...

Zum Inhalt:
Die Journalistin Iris wird von ihrer Mutter Rebecca um Hilfe gebeten, als ihre ältere Halbschwester Jessie gemeinsam mit dem neugeborenen Baby aus dem Krankenhaus verschwindet. Bald stellt Iris fest, dass der Grund dafür in der Vergangenheit liegt, die Rebecca vor ihren Töchtern verborgen, von der allerdings Jessie Kenntnis erlangt hat: Als 13jährige musste Rebecca den Tod ihrer Eltern und das anschließende Verhör durch einen rücksichtslosen Polizisten verkraften; ein Trauma, von dem sie sich nie ganz erholt hat.

Mein Eindruck:
Dieser Roman verlangt seinen Leser/inne/n vieles ab. Zuerst einmal durch das Stilmittel, die Geschichte aus mehreren Sichten zu erzählen, so dass es eigentlich keine wirkliche Hauptfigur gibt. Dazu spielt er zum Teil in der Zeit vor Rebeccas Geburt und in ihrer Kindheit, zum anderen Teil wird nur eine gute Woche im Hier und Jetzt geschildert. Und auch die Form bietet mit Tagebucheinträgen Abwechslung zu den Kapiteln, die in der dritten Person geschrieben sind.
Gunnis brilliert mit wunderbar gebrochenen Frauenfiguren, die trotzdem alle ihr Schicksal annehmen und zu verbessern versuchen. Keiner ihrer weiblichen Charaktere ist ein Feigling, sie leiden zwar (zumeist unter Männern), aber alle versuchen das Beste aus ihrer Situation zu machen. Die männlichen Figuren fallen dagegen zumeist eindeutig ab. Entweder lassen sie sich (manchmal von Frauen) treiben oder verzweifeln und geben sich dem Alkohol oder der Gewalt hin.
Doch irgendwann ist es fast zu viel des Schlechten und man möchte so manches Mal das Personal des Romans schütteln, wenn es gar zu verbohrt, egozentrisch oder dumm reagiert. Andererseits ist das wohl menschlich. Und Menschlichkeit ist eine Stärke.

Mein Fazit:
Das starke Geschlecht ist das weibliche. Eindeutig.

Veröffentlicht am 21.06.2020

Großes Theater

City of Girls
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Zum Inhalt:
Die Mode-Schneiderin Vivian schreibt am Ende ihres Lebens der Tochter ihres engsten Freundes, wie es sich anfühlte, als Teil der New Yorker Boheme jung zu sein. Dabei lässt sie schonungslos ...

Zum Inhalt:
Die Mode-Schneiderin Vivian schreibt am Ende ihres Lebens der Tochter ihres engsten Freundes, wie es sich anfühlte, als Teil der New Yorker Boheme jung zu sein. Dabei lässt sie schonungslos kein Vergehen und keinen Kratzer auf der Seele aus, beschreibt jedoch ebenso hingebungsvoll die Freuden dieses ausschweifenden Lebens.

Mein Eindruck:
Gilbert zeichnet sich durch einen bildhaften Stil aus, der absolut gut in ihre Geschichte um das rauschhafte Leben einer sehr genussfreudigen Person (in jeder Beziehung) passt. Leider kommt einem die Ich-Erzählerin nicht besonders nahe, da sie sehr egozentrisch und egoistisch wirkt (auch wenn sie diese Scharte zum Schluss ein bisschen auszuwetzen versucht). Ein Beispiel dafür ist, dass sie ganz großmütig verkündet, nur mit unverheirateten Männern zu schlafen, weil sie deren Ehefrauen nicht verletzen will, sich dabei aber keinen Deut um die Gefühle der möglicherweise verletzten und nur um ihrer Körper willen benutzten Männer kümmert. Rechtfertigung scheint ebenfalls Programm zu sein, wenn Vivian erst im letzten Viertel ihrer Geschichte auf den Punkt – das Verhältnis zu Vivians Vater – kommt, obwohl sie in dem Brief ankündigt, sich genau dazu auszulassen.
Wunderbar jedoch die Schauplätze, die Nebenfiguren. Wie gesagt, beherrscht Gilbert die Beschreibung und die Darstellung des Theaters, der Revuegirls, des Flitters (den sie bei den Hochzeitskleidern recyceln kann), - das ist schön zu lesen, das macht Spaß. Ihre Figuren besitzen (außer der Hauptperson) Tiefe und Charakter, die kleinkarierte Upperclass-Familie Vivians kommt einem ähnlich nahe wie die von der Hand in den Mund lebenden Theaterleute.
So hat der Roman seine größten Momente im Lauten, die weniger Guten im Stillen.

Mein Fazit:
Diese Revue funktioniert am besten in den großen und nicht so sehr in den kleinen Momenten