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Veröffentlicht am 10.10.2020

Ein toller Start in die Dilogie rund um die Soulman und den Tod

Ministry of Souls – Das Schattentor
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„Ministry of Souls - Das Schattentor“ ist der erste Teil einer Dilogie von Akram El-Bahay, in der es um die Zwischenwelt, einem Reich der Toten, geht und die durch gewisse Ereignisse in Gefahr gerät. Erschienen ...

„Ministry of Souls - Das Schattentor“ ist der erste Teil einer Dilogie von Akram El-Bahay, in der es um die Zwischenwelt, einem Reich der Toten, geht und die durch gewisse Ereignisse in Gefahr gerät. Erschienen ist der Roman Ende September 2020 im Lübbe-Verlag.

London, 1850: Es ist ein ungewöhnlicher Tag als der angehende Soulman Jack Smith auf seinen ersten Außeneinsatz geschickt wird. Als Soulman arbeiter er für das Ministerium für endgültige Angelegenheiten und ist dafür verantwortlich die Seelen der Toten in die Zwischenwelt zu bringen. Er wird in den Buckingham Palace geschickt, wo eine Delegation aus einem weit entfernten orientalischen Reich ermordet wurde. Doch eine der Personen lebt noch. Als sich Jack um die Prinzessin kümmern will, wird er von einem Schatten angegriffen. Der einzige Weg sie zu retten, besteht im Brechen eine der wichtigsten Regeln der Soulman und so bringt er die Prinzessin in die Zwischenwelt. Als er sie kurz darauf wieder zurückholen will, ist die Pforte bereits verschlossen und Jack steht vor einem großen Problem.

Ich gebe zu, ich war etwas skeptisch, denn London als Schauplatz fand ich ungewöhnlich für den Autor und auch das Cover deutete für mich auf eine ganz andere Art von Fantasy-Geschichte hin als ich es sonst vom Autor gewohnt bin. Meine Ängste waren allerdings unbegründet und spätestens beim Lesen der Leseprobe war ich schon verliebt in diese Geschichte. Akram El-Bahay verbindet die Dilogie geschickt mit einer anderen seiner Reihen, denn dieses Buch stammt aus der Bibliothek der ungeschriebenen Bücher.
Der Schreibstil zieht einen sofort in die Geschichte hinein. Die Stimmung und die Zeit des Ortes sind gut eingefangen. Man kann sich alles sehr gut vorstellen. Es ist gleichzeitig sehr fantasievoll, aber noch so nah an der Realität dran, dass es fast schon wieder realistisch erscheint und der Autor ist seiner Linie treu geblieben und vermischt wieder einmal unterschiedliche Kulturen auf wunderbare Weise miteinander.
Ich war begeistert von den Ideen, die hier eingeflossen sind. Einige Motive erkennt man aus seinen vorherigen Romanen wieder, diesmal wurden allerdings auch bekannte Aberglauben mit in die Geschichte eingebaut. Es geht im Besonderen um die Zwischenwelt, in der die Seelen der Toten vor ihrer Reise ins Jenseits gebracht werden und um Katzen, denen einiges in Bezug auf den Tod nachgesagt wird. Verbunden wird dies mit sagenhaften Gestalten aus 1001 Nacht und Legenden rund um einen persischen Gelehrten und seine Bücher.
Eingewoben ist das alles in eine äußerst spannende Geschichte, die relativ ruhig startet, einem aber zum Ende hin kaum Luft zum Atmen lässt. Aufgelockert wird das Ganze mit Humor. Ich mochte die teilweise sehr trockenen humoristischen Einlagen und habe mich köstlich amüsiert. Mit dem Tod geht es hier an sich, um ein sehr ernstes Thema, aber der Autor hat es geschafft, dies in ein neues Licht zu rücken. Mir gefiel die Vorstellung von der Zwischenwelt und dem Tod als Fortsetzung des Lebens.
Mit den Personen im Buch habe ich mitgefiebert. Jack, der angehende Soulman, ging mir bisweilen manchmal etwas mit seiner Art auf die Nerven. Man merkt dennoch schnell, dass er das Herz am rechten Fleck hat und nicht auf den Kopf gefallen ist, auch wenn er sich manchmal etwas begriffsstutzig gibt. Seine Wehrhaftigkeit und der unbedingt Wille die Prinzessin zu retten, hat mir sehr imponiert.
Die Prinzessin ist natürlich keine gewöhnliche Prinzessin. Sie lässt sich von den Motiven ihres Vaters leiten,ist äußerst intelligent und kann kämpfen, wenn es sein muss.
Mein heimlicher Held dieser Geschichte ist allerdings der Archivar Oz. Er kommt erst sehr unscheinbar daher, als Nerd, der in seinen Büchern lebt, aber ich verspreche euch, von ihm könnt ihr einiges erwarten und auch der Geist Agathas ist mir sehr ans Herz gewachsen. Die Dame möchte nicht wirklich von der echten Welt Abschied nehmen und ist manchmal echt schlagfertig.
Die Liebesgeschichte in diesem Buch ist mein einziger Kritikpunkt. Sie wirkte auf mich klischeehaft und es ging mir deutlich zu schnell. Vielleicht gibt es hier im zweiten Band nochmal eine Erklärung, warum sich gerade diese beiden Personen ineinander verlieben, aber der Funke in dieser Hinsicht ist bei mir nicht übergesprungen.
Das Ende dieses ersten Teiles ist gelungen. Das Buch endet in gewisser Weise mitten in der Geschichte, der Handlungsbogen des ersten Teils wurde allerdings zu einem guten Ende geführt und in Teil zwei kann man dann mit frischen Kräften starten. Ich bin gespannt, welche Geheimnisse die Zwischenwelt noch so zu bieten hat.

Fazit: Ein toller Start in eine neue Reihe, in der es um den Tod und das Danach geht. Auch wenn die Aufmachung etwas irreführend ist, so hat Akram El-Bahay wieder einmal bewiesen, dass er Einflüsse aus unterschiedlichen Kulturen wunderbar miteinander verweben kann. Empfehlenswert für alle, die spannende und fantasievolle Geschichten mit einer gehörigen Portion Humor mögen.

Veröffentlicht am 19.09.2020

Auch mit seinem neuesten Kingsbridge Roman kann mich Ken Follett überzeugen

Kingsbridge - Der Morgen einer neuen Zeit
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„The Evening and the Morning“ ist das Prequel zu Ken Folletts Bestseller „Die Säulen der Erde“ und erzählt die Geschichte wie Kingsbridge rund um die Jahrtausendwende zu seinem Namen kam. Erschienen ist ...

„The Evening and the Morning“ ist das Prequel zu Ken Folletts Bestseller „Die Säulen der Erde“ und erzählt die Geschichte wie Kingsbridge rund um die Jahrtausendwende zu seinem Namen kam. Erschienen ist der Roman im September 2020 bei Pan Macmillan. Die deutsche Version ist unter dem Titel „Kingsbridge: Der Morgen einer neuen Zeit“ bei Lübbe erschienen.

England, 997: Das Leben Edgars soll sich an diesem Morgen dramatisch ändern. Hat er kurz zuvor noch die Flucht mit seiner heimlichen Liebe geplant, wird er nun überrascht vom Angriff der Wikinger und der vollkommenen Zerstörung seiner Heimatstadt. Die Familie verliert alles und beginnt ein neues Leben auf einer heruntergewirtschafteten Farm in Dreng‘s Ferry. Diese gehört zum Herrschaftsgebiet von Shiring, in dem eine illustre Familie an der Macht ist. Besonders Bischof Wynstan dürstet es nach unbegrenzter Macht und er ist bereit dafür alles zu tun.
Bruder Aldred träumt davon seine Abtei in einen Ort des Wissens und des Lernens zu verwandeln. Auf der Suche nach neuen Büchern reist er sogar bis in die Normandie, wo er die Tochter Graf Huberts kennenlernt, die ihn mit ihrer Intelligenz beeindruckt. Ihre Wege sollen sich wieder kreuzen als Ragna als Braut Wighelms von Shiring nach Shiring kommt.

Wo Ken Follett drauf steht, ist auch Ken Follett drin. „The Evening and the Morning“ ist ein sehr typischer Follett-Roman. Man weiß ganz genau, wer die Guten und die Bösen sind, man ahnt schon wer zusammen kommen wird und auch das Ende ist kein großes Geheimnis. Man könnte meinen, dass es dadurch langweilig wird, aber das empfand ich nicht so. Es ist manchmal auch ganz schön genau zu wissen, worauf man sich einlässt und ich liebe Ken Follett einfach.
Der Schreibstil zieht einen schnell in die Geschichte rein und ich mag es, dass der Wortschatz eher einfach gehalten ist. Einfach ist hier nicht gleichzusetzen mit schlecht. Manche mögen das so empfinden, aber für mich macht es Ken Follett zum perfekten Autor, um ein Buch mal im Original zu lesen. Ich mag den klaren Erzählstil und höre beim Lesen mittlerweile seine Stimme in meinem Kopf.
Der Spannungsbogen ist klar aufgebaut und steigert sich mit Fortschreiten des Buches. Diesmal muss ich sagen, hat er es auf den letzten 20% leider übertrieben. Ich möchte aber nicht ausschließen, dass es mir bei „Die Säulen der Erde“ mittlerweile ähnlich ergehen würde. Die ersten 80% war das Buch für mich ein echter Wohlfühlroman. Man hat neue Informationen über die Zeit mitgenommen, man hat das Leben um die Jahrtausendwende und die Personen kennengelernt. Man hat an deren Leben teilgenommen und mitgefiebert. Wenn auch vorhersebar, war für mich bis dahin alles gut, aber dann finde ich, wurde es ein bisschen zu grausam, die Handlungen mancher Personen wurden für mich nicht mehr nachvollziehbar und manchen habe ich das Happy End so nicht gegönnt. Was sehr schade ist, denn ich wollte dieses Buch einfach nur von ganzem Herzen lieben.
Ich möchte allerdings nicht ausschließen, dass dies nicht genauso gewollt ist vom Autor. Ken Follett hat ein sehr klares Konzept für seine Romane, was er auch offen kommuniziert. Alle paar Seiten muss es eine Wendung geben, er möchte die Masse mit seinen Romanen erreichen und er mag es, dass die Personen eindeutig Gut oder Böse zugeteilt werden können, aber genauso war es sicher Kalkül, dass man über das Ende und die Ereignisse geteilter Meinung sein kann und so Diskussionen entstehen.
Das klingt jetzt fast schon ein wenig zu negativ, denn ich habe das Buch ja wie immer über weite Strecken genossen. Ich habe es genossen endlich mal wieder in einer anderen Zeit als dem 19. und 20. Jahrhundert unterwegs zu sein. Ich habe viel über das Leben zu jener Zeit gelernt, über die Unterschiede zwischen Normannen und Angelsachen, über das Rechtssystem und dass das Christentum zwar schon verbreitet war, aber sich noch nicht so streng an die Regeln gehalten wurde. Es gab für mich einige skurile neue Informationen zu entdecken und ich bin mir sicher, Ken Follett hat wieder super recherchiert. Immerhin hat er hierfür ein ganzes Team verfügbar.
Mit den Personen im Roman habe ich mitgefiebert, wenn auch nicht ganz so intensiv wie erhofft. Ragna hat mich beeindruckt mit ihrem Gespür für die Menschen. Sie weiß wie man Menschen für sich gewinnt, sie kann regieren und strategisch denken, ist intelligent und auch von Hindernissen lässt sie sich nicht aus der Ruhe bringen. Manchmal wirkte sie auf mich fast schon ein bisschen zu berechnend und von der Liebe hat sie eine sehr idealistische Vorstellung.
Edgar war so gut, dass es fast schon ein wenig weh getan hat. Er glaubt an die eine große Liebe und ist ein sehr treuer Mensch. Wenn es darum geht, etwas zu bauen, macht ihm keiner was vor. Er beobachtet und kann seine eigenen Schlussfolgerungen ziehen und versucht es dann einfach selber und oftmals klappt das erstaunlich gut.
Aldred mochte ich sehr aufgrund seiner Wissbegierde und seiner Rechtschaffenheit. Ich war beeindruckt, wie hartnäckig er für seine Träume kämpft und wie er sich auch von Rückschlägen nicht aus der Ruhe bringen lässt.
„The Evening and the Morning“ ist ein Roman, der nicht die geschichtlichen Ereignisse in den Vordergrund rückt, sondern der eine fiktive Geschichte vor historischem Hintergrund erzählt. Nur ab und zu hören wir von wichtigen historischen Ereignissen. Es gibt daher in diesem Roman kein wirkliches Nachwort, sondern nur eine kleine Danksagung. Auch ein Personenverzeichnis vermisst man in diesem Roman. Die Personenanzahl ist allerdings übersichtlich und man droht nicht durcheinander zu kommen.

Fazit: Ein historischer Roman in typischer Follett-Manier, der über weite Strecken zu überzeugen weiß. Gut recherchiert mit tollen Figuren, die zwar eindeutig in Gut und Böse unterteilt werden können, aber einen dennoch für sich einnehmen können. Historische Ereignisse spielen weniger eine Rolle, sondern das Leben um die Jahrtausendwende steht im Vordergrund.

Veröffentlicht am 25.07.2020

Ein spannendes Szenario, das äußerst realistisch wirkt

Divided States of America
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Claudia Kern entwirft in ihrem Roman „Divided States of America“ ein erschreckendes Szenario, in dem Amerika tief gespalten wird. Die Taschenbuchausgabe ist im Juli 2020 im Cross Cult Verlag erschienen. ...

Claudia Kern entwirft in ihrem Roman „Divided States of America“ ein erschreckendes Szenario, in dem Amerika tief gespalten wird. Die Taschenbuchausgabe ist im Juli 2020 im Cross Cult Verlag erschienen.

Johnson wurde zum neuen Präsidenten der Vereinigten Staaten gewählt. Schon der Wahlkampf hat die Menschen von Amerika in einen tiefen Zwiespalt getrieben. Doch das Dekret das der neue Präsident erlässt, soll das Land noch viel weiter spalten. Er führt eine Ausweispflicht für alle ein und öffnet so Rassismus und Hass Tür und Tor. Millionen illegale Einwanderer und Flüchtlinge werden vom einen auf den anderen Tag zu Kriminellen erklärt und besitzen plötzlich keinerlei Lebensgrundlage mehr.

Eines vorweg: Dieses Buch ist nichts für schwache Nerven und es lässt mich extrem gespalten zurück. Ziemlich am Anfang habe ich sogar übers Abbrechen nachgedacht, weil in diesem Buch Rassismus, Antisemitismus und Nazisprache reproduziert werden und mir ist dabei richtig schlecht geworden. Ich vermute, dass das von der Autorin auch so gewollt ist. Dieses Buch soll in gewisser Weise schocken. Letztendlich habe ich das Buch doch weiter gelesen und beendet, weil es mehrere Perspektiven gibt und mich die Entwicklung sowie das letztendliche Gesamtbild sehr interessiert haben.
Fangen wir daher diesmal mit den unterschiedlichen Perspektiven im Buch an. Wir erleben die Geschichte aus dem Blickwinkel illegaler Einwanderer, die seit Jahren und Jahrzehnten als Mitbürger in Amerika gelebt und sich in dieser Zeit nichts zu Schulden lassen kommen haben. Es gibt einen ehemaligen Talkmaster mit rassistischem Gedankengut, der zum Präsidenten von Amerika gewählt wurde und vollkommen überfordert ist. Wir haben Politiker, die aus taktischen Gründen dazu bereit sind über Leichen zu gehen. Wir haben Polizisten mit Migrationshintergrund, die engagiert sind im Kampf gegen Terrorismus. Es gibt eine Sekte voller Nazis mit Hang zur nordischen Mythologie und das Militär hat auch einzelne Kapitel im Buch.
Das sind sehr viele Perspektiven für ein Buch, die einen umfangreichen Einblick in das oben genannte Szenario gewähren. Ich fand das sehr spannend zu verfolgen und es hat mich sehr zum Nachdenken gebracht. Gerade für die illegalen Einwanderer wird die Situation teilweise sogar lebensbedrohlich. Es wurde keine Partei für eine bestimmte Perspektive ergriffen, sondern man kann sich das Ganze als Außenstehender anschauen und muss sich auch seine eigenen Gedanken dazu machen. Die geschilderte Situation im Buch ist sehr komplex, aber ich empfand das Ganze auch als realistisch in seinen Wechselwirkungen. Im weiteren Verlauf des Buches gab es noch einige Szenen, wo ich echt schlucken musste, in welchen Extremen sich das teilweise entwickelt hat.
Das Buch hat nicht eine eindeutige Hauptperson. Die einzelnen Perspektiven halten sich mehr oder minder die Waage. Im Gedächtnis geblieben ist mir Sam Jenner, der in der Nazi-Sekte aufgewachsen ist und dennoch im Verlauf des Buches sich selber hinterfragt und sich nicht wirklich wohl fühlt mit den Lehren, die ihm vermittelt worden sind. Das Schicksal der illegalen Einwanderer ist mir nahe gegangen, teilweise sind die Namen dennoch für mich verschwommen und ich konnte sie nicht immer eindeutig zuordnen. Präsident Johnson erinnert in Teilen doch sehr an eine uns allen wohl bekannte Person, aber ich empfand ihn als charismatischer und sympathischer. Das Bild wandelt sich mit der Zeit je mehr man von seiner Überforderung mitbekommt.
Politik, das Taktieren, das damit verbunden ist und deren Auswirkungen spielen eine große Rolle in diesem Roman. Ich wäre definitiv nicht als Politiker geeignet. Es war interessant mitzuverfolgen wie verworren das Ganze ist und was man bereit sein muss, dafür aufzugeben. Der Roman zeigt gut, dass es nicht nur schwarz und weiß gibt, sondern, dass da viel Grau ist und dass es wohl keinen Politiker gibt, der nicht irgendwas rücksichtslos zu seinem Vorteil ausgenutzt hat. Es lässt einen finde ich etwas resigniert zurück, denn das Bild was wir von Politikern sehen, ist ein geformtes und die Wahrheit kann deutlich anders sein als es die äußere Fassade vermuten lässt.
Es fällt sehr schwer zu diesem Buch etwas Neutrales zu schreiben, aber ich hoffe, ich konnte euch ein ungefähres Bild von dem Vermitteln, was einen im Buch erwartet, ohne zu viel vorwegzunehmen. Den Schreibstil empfand ich als angenehm zu lesen. Gerne hätte ich noch mehr zum Hintergrund erfahren, wie die Autorin auf die Idee zum Buch gekommen ist und welche Art von Recherche in dieses Buch eingeflossen ist. Ich bin überzeugt davon, dass hier auf jeden Fall einiges an Recherche eingeflossen sein muss, weil man, glaube ich, einen ganz guten Überblick darüber braucht, wie es generell in Amerika so zu geht, gesellschaftlich wie auch politisch.

Fazit: Ein spannendes Szenario, das sehr realistisch wirkt und einem zum Nachdenken bringt. Man bekommt einen tiefen Einblick in die Gesellschaft Amerikas und wie diese womöglich auf eine so gravierende Änderung wie eine Ausweispflicht für Amerikaner reagieren würde, die weite Teile der Gesellschaft plötzlich ausschliesst. Leider kommt das Buch nicht ohne die Reproduktion von Rassismus, Antisemitismus und Nazisprache aus. Empfehlenswert für alle, die sich gerne auf dieses Gedankenexperiment einlassen möchten und nicht vor komplexen Zusammenhängen zurückschrecken.

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Veröffentlicht am 18.04.2020

Eine geniale Idee mit kleinen Schönheitsfehlern umgesetzt

Gestohlene Erinnerung
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In seinem Thriller „Gestohlene Erinnerung“ beschäftigt sich Blake Crouch mit einer sehr interessanten Idee, die mit unseren Erinnerungen zu tun hat und in wie weit wir diesen trauen können. Erschienen ...

In seinem Thriller „Gestohlene Erinnerung“ beschäftigt sich Blake Crouch mit einer sehr interessanten Idee, die mit unseren Erinnerungen zu tun hat und in wie weit wir diesen trauen können. Erschienen ist der Roman im März 2020 bei Goldmann.

Detective Barry Sutton vom NYPD wird durch Zufall in eine Geschichte gezogen, die seinen weiteren Lebensweg maßgeblich beeinflussen soll. Er versucht einen Selbstmord zu verhindern und wird so auf das False Memory Syndrom aufmerksam. Falsche Erinnerungen an ein anderes Leben führen dazu, dass sich immer mehr Menschen das Leben nehmen. Doch was steckt dahinter?
Helena Smith könnte beim Lösen des Falls helfen. Bedingt durch die Alzheimer-Erkrankung ihrer Mutter beschäftigt sie sich mit dem Thema Erinnerungen und wie diese erhalten werden können. Sie hat eine Technologie entwickelt, die es möglich macht, Ereignisse erneut zu erleben. Doch genau diese Erfindung droht nun eine weltweite Katastrophe auszulösen.

Wenn ich Thriller lese, dann sollen es auf jeden Fall solche wie dieser hier sein, die eine absolut grandiose wie auch faszinierende Idee aufgreifen. Den englischen Titel „Recursion“ finde ich passender, nachdem ich das Buch nun beendet und den Begriff nachgeschlagen habe, aber auch „Gestohlene Erinnerung“ hat seine Berechtigung.
Das Buch ist im Präsens geschrieben. Für mich ist das meist erstmal ungewohnt, da ich so viele historische Romane lese und die meist das Präteritum bevorzugen. Dies sorgt allerdings dafür, dass man direkt in die Geschichte katapultiert wird, auch wenn dies erstmal als neutraler Beobachter von außen passiert.
Der Aufbau hat mir sehr gut gefallen. Das Buch ist in 5 Abschnitte eingeteilt, die durch ein jeweils passendes Zitat eingeleitet werden. Kein Abschnitt ist wie der vorherige, alle sind miteinander verbunden, geben aber eine neue Facette der Geschichte wieder. Anfangs weiß man gar nicht, worauf das Ganze hinaus laufen soll, aber das, was unter der Oberfläche schimmert, ist interessant und man möchte wissen, was dahinter steckt. Sobald die Idee erstmal bekannt ist, ist es spannend den Weg zu verfolgen, wie diese realisiert werden kann und nach erfolgreicher Umsetzung zeigt einem das Buch zusätzlich noch verschiedene Szenarien.
Es ist schwer etwas über dieses Buch zu schreiben, ohne wirklich zu spoilern. Der Klappentext tut es auf jeden Fall nicht, denn mit so einer Idee, wie sie im Buch verfolgt wird, hätte ich nicht gerechnet. Man braucht auf jeden Fall seinen Grips für dieses Buch, sollte die Geschichte auch mal auf sich wirken lassen und vor allen Dingen sich auf dieses Gedankenexperiment einlassen. Schlauere Menschen als ich, finden sicher Fehler in den Theorien, die dort aufgegriffen werden. Für mich hatten sie auf jeden Fall ein gewisse Logik und ich habe mich gerne darauf eingelassen.
Ich habe mit der Zeit sowohl mit Barry Sutton als auch mit Helena Smith mitgefiebert. Es ist schwer die beiden vom Charakter her zu beschreiben. Schmerzliche Erinnerungen sind ein Element, dass bei beiden eine entscheidende Rolle spielt. Helena Smith ist zudem das Genie, dass hinter einer Technologie steckt, dessen wahre Ausmaße selbst sie überrascht haben. Barry kommt in einigen Momenten nicht ganz so gut weg, wo ich mir gedacht habe, dass er dies hätte auch geschickter anstellen können.
Viel habe ich nicht auszusetzen. Mir war das Ganze teilweise ein wenig zu hektisch und beim letzten Abschnitt bin ich mir nicht ganz sicher, ob man denselben Effekt nicht auch auf eine andere Weise hätte erzielen können. Teilweise hat mich das Ganze an meine Lieblingsserie Fringe erinnert, worüber ich mich sehr gefreut habe.

Fazit: Ein rasanter Thriller mit einer genialen Idee und kleinen Schönheitsfehlern. Wenn ihr Thriller mit Ideen liebt, die eure Gehirnwindungen glühen lassen und die Fantasie befeuern, dann seid ihr bei „Gestohlene Erinnerung“ an der richtigen Adresse. Wenn ihr Fans von Fringe seid, gibt euch dieses Buch bestimmt noch viel interessantere Ideen. So war es zumindest bei mir.

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Veröffentlicht am 28.03.2020

Ein guter Auftakt für die neuen Familien-Saga des Autors

Im Zeichen des Löwen
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Mit „Im Zeichen des Löwen“ von Daniel Wolf verlassen wir die Ära der Familie Fleury und widmen uns der Familie Osinga, die in Friesland lebt und den Aufstieg der Hanse miterlebt. Erschienen ist der Roman ...

Mit „Im Zeichen des Löwen“ von Daniel Wolf verlassen wir die Ära der Familie Fleury und widmen uns der Familie Osinga, die in Friesland lebt und den Aufstieg der Hanse miterlebt. Erschienen ist der Roman im Februar 2020 im Goldmann Verlag.

Friesland, Mitte des 14. Jahrhunderts: Mit einem tragischen Tod beginnt eine turbulente Zeit für die Familie Osinga. Genährt von Hass wird diese Fehde beiden Familien viel Leid bringen. Um diese schwere Zeit zu überstehen ist der Erfindungsreichtum des jungen Jan Osinga gefragt. Dieser ist Schiffsbauer und seine Dienste sind sehr gefragt. Ein neues Bündnis, die Hanse, entsteht und Lübeck steht an seiner Spitze mit einem unbändigen Hunger nach neuen Schiffen.

Auf den neuen Roman von Daniel Wolf habe ich mich schon lange Zeit gefreut. Mein Herz schlägt noch höher, wenn der Schauplatz der Norden ist. Friesland war für mich Neuland, aber von Bremen und Lübeck habe ich schon öfter gelesen und insbesondere Lübeck enttäuscht mich nie.
Der Schreibstil hat mir auch dieses Mal gut gefallen. Ich konnte mir alles gut vorstellen und insbesondere die Beschreibung von Lübeck, wo ich ja in der Nähe wohne, konnte mich vollends überzeugen. Mit Friesland, Bremen und Lübeck haben wir drei sehr starke Schauplätze, die das Leben zu jener Zeit wunderbar einfangen.
Die Themenauswahl und der Aufbau des Romanes hat mir sehr gefallen. Wir haben 4 Abschnitte, die alle ihren thematischen Schwerpunkt haben. Wir erfahren etwas über das Leben und das Recht in Friesland im 14. Jahrhundert, die Hanse entsteht, der Schiffsbau wird revolutioniert und auch das kirchliche Leben mit Beginen und Inquisition wird nicht außer Acht gelassen. Bei dieser Themenvielfalt wird klar, dass dieses Buch nur ein dicker Wälzer werden konnte. Dennoch wird einem zu keinem Zeitpunkt langweilig. Informationsreiche Abschnitte wechseln sich mit spannenden Szenen ab und erschaffen so einen opulenten historischen Roman.
Die Figuren im Roman konnten mich für sich einnehmen, haben mich aber nicht hundertprozentig von sich überzeugt. Ich kann gar nicht genau sagen, woran das liegt. Vielleicht habe ich einfach schon zu viele Romane in diese Richtung gelesen und die Strahlkraft von „Die Gabe des Himmels“, das mich vollends überzeugen konnte, ist zu groß. Die Einteilung in gut und böse fiel mir leicht, auch wenn Enne Rycken eine gewisse Ambivalenz aufweist. Vielleicht waren es auch einfach zu viele Charaktere, die mir sympathisch waren, aber es gibt keine Person, die wirklich alles überstrahlt. Ich habe die Geschichte von Jann, Abbe und Jorien sehr gerne mitverfolgt, aber auch Hartmann, Ippe und Folkmar konnten mich mit ihrer Art für sich gewinnen.
Schade finde ich, dass es in diesem Roman kein Nachwort gibt. Ich folge dem Autor auf Social Media und weiß daher, dass dieser einige Reisen in den Norden für die Recherche unternommen hat, aber wäre es ein neuer Autor für mich, hätte mir das schon sehr gefehlt. Man merkt dem Roman auf jeder Seite an, dass hier viel Herzblut reingesteckt wurde, aber so ein Nachwort komplettiert das Ganze für mich. Die restliche Ausstattung des Buches gefällt mir hingegen sehr. Es ist eine Klappbroschur mit einer Karte von Warfstede vorne und dem Bild einer typischen Kogge hinten. Abgerundet wird das Ganze durch ein Personenverzeichnis sowie ein Glossar.

Fazit: Ein toller historischer Roman, der das 14. Jahrhundert, Friesland und den Beginn der Hansezeit wunderbar einfängt. Die Themenschwerpunkte haben mir sehr gut gefallen, die Personen hingegen konnten mich nicht vollends überzeugen. Empfehlenswert für Fans des Autors und alle, die dicke historische Schmöker mögen.

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