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Veröffentlicht am 24.08.2020

Unterbrochene Lebenswege

Muldental
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Was passiert, wenn vorgezeichnete Lebenswege durch einen politischen Umbruch nicht mehr begehbar sind, wenn sicher Geglaubtes einfach entfällt, wenn die Wahrheit, die man sein Leben lang kannte, nicht ...

Was passiert, wenn vorgezeichnete Lebenswege durch einen politischen Umbruch nicht mehr begehbar sind, wenn sicher Geglaubtes einfach entfällt, wenn die Wahrheit, die man sein Leben lang kannte, nicht mehr wahr ist? Es ist wie eine Umleitung im Lebensweg, nur dass die Ausschilderung fehlt.

In ihren, unter dem Titel „Muldental“ zusammengefassten, Kurzgeschichten erzählt uns Daniela Krien von Schicksalen, die den Umschwung nur mit großer Mühe oder mit maximaler Entbehrung schaffen konnten bzw. mussten. Bitter an diesen Geschichten ist jedoch, dass sie nicht lediglich Fiktion sind. Mindestens Teile davon sind echt. Ich selbst kenne Betroffene in meinem Bekannten- und Verwandtenkreis.

Daniela Krien berichtet von ihren Fällen in einer klaren, sehr nüchternen, gleichzeitig bildlichen Sprache, sie beschreibt die Fakten und überlässt sämtliche Gefühlsregungen dem Leser. Ihren Geschichten haften weder Sensationsgelüste, noch Jammern an. Die Emotionen entstehen im Kopf des Lesers, während die beim Lesen entstehenden Bilder ablaufen. Für mich war vieles sehr emotional. Der Tabaksammler hat mich am stärksten getroffen.

Mir haben die Kurzgeschichten gut gefallen, weil mir zu ganz vielen Stellen im Roman ähnliche Situationen aus meinem Umfeld einfielen, die ich für mich selbst schon längst wieder ausgeblendet hatte. Für die Erinnerung bin ich sehr dankbar. Schließlich sollte auch dieser Teil der deutschen Geschichte erhalten bleiben.

Ich kann die Lektüre nur empfehlen, insbesondere dem jungen Publikum, damit sie die Veränderungsmüdigkeit ihrer Eltern oder Großeltern nachvollziehen können.

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Veröffentlicht am 08.08.2020

Wandel statt Untergang

Warum es normal ist, dass die Welt untergeht
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Eigentlich hatte ich aufgrund der Ankündigung zum Buch eine andere Herangehensweise an die Thematik erwartet, etwa in der Art, dass zu heutigen, vielleicht bedenklichen Entwicklungen Parallelen aus der ...

Eigentlich hatte ich aufgrund der Ankündigung zum Buch eine andere Herangehensweise an die Thematik erwartet, etwa in der Art, dass zu heutigen, vielleicht bedenklichen Entwicklungen Parallelen aus der Vergangenheit aufgezeigt und deren Folgen auf das Hier und Jetzt projiziert werden. Mit Blick ins Inhaltsverzeichnis wurde ein gemeinsames Durchschreiten der Menschheitsgeschichte mit dem Autor augenscheinlich, was mich zunächst Langatmigkeit befürchten lies.

Diese Befürchtung war jedoch völlig unbegründet. So erfrischend wie hier mit Robert L. Kelly habe ich Archäologie und ihre Erkenntnisse noch nie wahrgenommen. Der Autor berichtet von den bisherigen vier großen Umbrüchen der Menschheitsgeschichte, beschreibt dabei jeweils die direkt davor liegenden Entwicklungen, daraus resultierende Zwänge und Reaktionen. Er verliert sich dabei niemals in zu vielen Details, so dass ich ihm problemlos folgen kann. Dem Leser werden Zusammenhänge bewusster, wie beispielsweise jeder Entwicklungsschritt neue Möglichkeiten eröffnet. Parallelen zwischen den vier Schritten werden nach und nach transparent. Die Überleitung vom Gestern auf das Morgen erfolgt zum Ende hin. Robert L. Kelly begründet, warum wir heute erneut an einem elementaren Wendepunkt der Menschheitsgeschichte stehen. Wohin die Reise wirklich geht, kann nicht abschließend beantwortet werden. Wie sollte es auch? Habe ich doch gelernt, dass sich der Mensch durch die stete Optimierung seiner aktuellen Lebenssituation jeweils in eine ganz neue Lebensweise katapultiert hat. Trotzdem ist es interessant, darüber zu philosophieren.

Die textliche Aufbereitung hat mir hier besonders gut gefallen. Ich hatte über weite Strecken nicht das Gefühl, ein Sachbuch zu lesen, sondern eher eine Dokumentation in ganz großen Bildern zu sehen. Bemerkungen, wie auf Seite 120, „Wenn Sie von Ihrem Kinosessel im All aus beobachten, wie sich die Weltgeschichte entwickelt, sind Sie zu diesem Zeitpunkt vielleicht ein wenig abgeschlafft.“, haben meinen Eindruck noch verstärkt. Mit feinsinnigem Humor führt der Autor so elegant durch seine Ausführungen, dass mich die Lektüre zu keinem Zeitpunkt „abgeschlafft“ oder gar gelangweilt hat. Nach meinem anfänglichen Stutzen wurde ich überaus positiv überrascht. Ganz klare Leseempfehlung.

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Veröffentlicht am 08.08.2020

Abrechnung mit dem Konformitätskomfort

Ein Mann der Kunst
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Kristof Magnusson gibt hier vor, einen Roman über einen Künstler und dessen Fangemeinde zu schreiben. Genau genommen, ist dies allerdings nur die Verpackung für seine kolossale Gesellschaftskritik. Vertreten ...

Kristof Magnusson gibt hier vor, einen Roman über einen Künstler und dessen Fangemeinde zu schreiben. Genau genommen, ist dies allerdings nur die Verpackung für seine kolossale Gesellschaftskritik. Vertreten durch seine Künstlerfigur KD Pratz, prangert er unser Anderen-Gefallen-Wollen, unser stetes Erfüllen von fremden Erwartungen an. Echte Rebellen bzw. Personen mit komplett eigener Meinung scheinen ausgestorben oder doch nicht?

Es ist ein intellektueller Roman, der mit gehobenen Sprachelementen erstaunlich komisch daherkommt. Mehr als ein Mal musste ich laut auflachen, obwohl ich normalerweise, angepasst wie ich bin, maximal über Gelesenes schmunzele. Doch so manche Formulierung war dermaßen provokativ, dass die spontane Reaktion darauf nicht zu bremsen war. Ich kann die Lektüre nur empfehlen.

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Veröffentlicht am 01.08.2020

Erschreckende Vorstellung - sehr realistisch

BLACKOUT - Morgen ist es zu spät
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Im tiefsten Februarwinter brechen plötzlich in ganz Europa die Stromnetze zusammen. Während Betreiber und Behörden im wahrsten Sinne des Wortes im Dunkeln tappen, vermutet der Informatiker, Piero Manzano, ...

Im tiefsten Februarwinter brechen plötzlich in ganz Europa die Stromnetze zusammen. Während Betreiber und Behörden im wahrsten Sinne des Wortes im Dunkeln tappen, vermutet der Informatiker, Piero Manzano, einen Hackerangriff. Doch Niemand glaubt ihm, bei der Polizei blitzt er als „Verschwörungstheoretiker“ ab. Von der grundsätzlichen Thematik her erinnert Blackout zunächst stark an den Film Live Free or Die Hard, ist aber am Ende viel viel mehr.

Normalerweise scheue ich ein bisschen vor derart umfangreichen Romanen/Thrillern, weil es mir schwierig erscheint, eine spannende und interessante Lektüre über fünfhundert Seiten hinaus aufrechtzuerhalten. Doch Marc Elsberg tritt den Gegenbeweis an, achthundert Seiten pure Spannung. Er zeichnet eine Woge, die sich aus der Not heraus speist und sich in übermenschlicher Leistungsbereitschaft zur Reaktivierung der Netze sowie in nie da gewesenem sozialen Engagement zu einer maximalen Welle aufbauscht, die in dem Moment, wo sie bricht, sämtliche Menschlichkeit mit sich fortreist und ins Gegenteil umschlägt. Dabei begibt sich Marc Elsberg mit seinen zahlreichen Details zu den Auswirkungen, die so ein ultimativer Stromausfall haben kann, deutlich stärker in die Tiefe als der Actionstreifen, an den ich zu Beginn denken musste.

Obwohl Blackout von den Zuständen in ganz Europa berichtet, ist der Thriller doch gleichzeitig ganz nah an seinen Protagonisten, allen voran, der Informatiker Piero Manzano. Von seinem klugen Kopf, seinem technischen Verständnis, seiner kreativen Kombinationsgabe und seinem unerschütterlichen Durchhaltevermögen bin ich extrem angetan. Ich hätte vermutlich schon ganz am Anfang aufgegeben. Gern wäre ich etwas mehr wie Piero Manzano.

Weitere Hauptpersonen wählt Marc Elsberg geschickt aus den verantwortlichen Gruppen wie Regierung, Polizeiapparat und Presse, sowie Stromerzeuger und Netzbetreiber. Durch die Ausdehnung der Geschichte auf deren privates Umfeld erhält der Leser einen guten Überblick über die gesamte Wirkungskette des Blackouts. Diese Ganzheitlichkeit fand ich sehr beeindruckend, die Glaubwürdigkeit des Thrillers sensationell. Es gibt nur eine kurze Passage, die ich übertrieben fand. Im letzten Drittel schließt Manzano eine Lock kurz, fährt damit eine Weile und koppelt die Lock später an einen anderen Zug an. Dieser kleine Ausreißer tut dem Gesamteindruck aber keinen Abbruch. Ohne Einschränkung empfehle ich diesen Thriller gern weiter und freue mich auf die nächsten von Marc Elsberg, die ich bereits in meinem SuB liegen habe.

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Veröffentlicht am 23.07.2020

Auf Reisen mit den Größen aus Kunst, Literatur und Geschichte

Eine Reise durch Deutschland in 100 ungewöhnlichen Bildern und Geschichten
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Selten hatte ich einen so schönen Reiseführer in der Hand. Das großformatige Buch ist schon vor dem Aufschlagen ein echtes Highlight. Aus der Vogelperspektive ist die Fraueninsel im Chiemsee abgebildet. ...

Selten hatte ich einen so schönen Reiseführer in der Hand. Das großformatige Buch ist schon vor dem Aufschlagen ein echtes Highlight. Aus der Vogelperspektive ist die Fraueninsel im Chiemsee abgebildet. Mit zahlreichen weiteren großformatigen Fotos, die die vorgestellten Reiseziele von ihrer besten Seite zeigen, lädt das Buch zum Schnöckern und Verweilen ein.

Zu jedem Reiseziel gibt es neben der Bebilderung eine prägnante Beschreibung. Berühmte Persönlichkeiten, die gern an den Orten verweilten, lässt man zu Wort kommen. So erfährt der Leser ganz nebenbei noch etwas aus unserer Geschichte. Die Verknüpfung der Orte mit dem Historischen macht für mich einen besonderen Reiz aus. Als Abschlussinformation zu jedem Reiseziel werden Unterkünfte und Restaurants genannt.

Gut gemacht ist Aufteilung nach Himmelsrichtungen, die die Reiseziele ordnen. Zu jeder Himmelsrichtung gibt es fast gleich viele Ziele. So ist keine Region unter- bzw. überrepräsentiert. Auch Art der Ziele genießt eine schöne Verteilung. Kunst und Kultur sind ebenso so vertreten wie Natur, alte und moderne Architektur.

Wer denkt: „Reisen bildet“, ist hier an der richtigen Adresse. Viel Wissenswertes aus Kunst, Literatur und Geschichte wird hier preisgegeben. Da ist die tatsächliche Reise nur noch das Tüpfelchen auf dem i. Einziger Nachteil, der hier aber zu keinerlei Bewertungsabzug führt, ist das Gewicht des Buches. Mit seinen fast anderthalb Kilo nimmt man es nicht mal eben in der Handtasche mit.

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