Gedankenchaos perfekt erfasst
Dieses ganze LebenDie italienische Autorin Raffaella Romagnolo hat „Dieses ganze Leben“ aus der Perspektive einer Sechzehnjährigen geschrieben und erweckt ihre Protagonistin sehr gekonnt zum Leben. Paola De Georgi ist Einzelgängerin, ...
Die italienische Autorin Raffaella Romagnolo hat „Dieses ganze Leben“ aus der Perspektive einer Sechzehnjährigen geschrieben und erweckt ihre Protagonistin sehr gekonnt zum Leben. Paola De Georgi ist Einzelgängerin, Tochter äußerst wohlhabender Bauunternehmer und große Schwester eines behinderten Bruders. Sie leidet an Akne, wird in der Schule gemobbt und ihre Mutter scheint sich vor allem für ihren (erhöhten) Körperfett-Anteil zu interessieren. Vor allem macht Paola aber zu schaffen, dass ihr ihr eigenes Leben so wenig wahrhaftig vorkommt: Überall geht es nur um den schönen Schein. Bei den von ihrer Mutter verordneten Nachmittagsspaziergängen mit ihrem Bruder entfernen sich die beiden immer wieder unerlaubt aus ihrer Blase. Kommen sie so dem wahren Leben näher?
Romagnolo hat eine überzeugende Hauptfigur geschaffen, die die Geschichte komplett trägt. Paola ist nicht „everybody’s darling“, sondern grüblerisch, miesgelaunt und frustriert. Ein stream of consciousness bildet das Chaos im Kopf des Teenagers perfekt ab. Es geht um einen Jungen, Buch- und Filmanspielungen, Beobachtungen von Erwachsenen und liest sich ziemlich sprunghaft, doch weil die Autorin immer bei Paolas Perspektive bleibt und deren Gedankenwelt so glaubhaft erfasst, ergibt sich mit der Zeit doch ein stimmiges Gesamtbild. Viele kleine Gedankenfetzen haben eine ganz eigene Aussagekraft und beschreiben das Erleben des Mädchens nachvollziehbar und manchmal auch, trotz aller Lakonie, herzzerreißend.
Etwas bedauert habe ich das abrupte Ende des Romans. Es passt zwar zur Geschichte, doch Paolas Familie macht eine so unerwartete Entwicklung durch, dass ich gerne noch mehr davon gelesen hätte.