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Meinungen aus der Lesejury

Veröffentlicht am 10.07.2021

Scheitern ist relativ

Das Liebesleben der Pinguine
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Ich hatte das Buch bei Netgalley angefordert, weil ich das knallige Cover mochte und weil mich die verlorenen Großstädter interessiert haben. Das Melancholische hat mich angezogen.

Rezi enthält Spoiler

Worum ...

Ich hatte das Buch bei Netgalley angefordert, weil ich das knallige Cover mochte und weil mich die verlorenen Großstädter interessiert haben. Das Melancholische hat mich angezogen.

Rezi enthält Spoiler

Worum geht es?

Das Buch folgt der Vergangenheit und Gegenwart von vier Figuren: Niko und Sascha, die sich in der Vergangenheit liebten, aber, anstatt sich das einzugestehen, so sehr verletzten, dass sie auch in der Gegenwart nicht zueinander finden. Nura, die damalige Freundin von Sascha, die nun im Bereich Online-Dating arbeitet und wiederum Franco hilft, eine Frau zu finden. Franco ist ein sensibler, tierlieber Italiener, der von seinem Onkel in die Rolle des Gangsters gedrängt wurde und später nach Deutschland geflüchtet ist - wo er auf Sascha traf. Und Niko wiederum hat kaum soziale Kontakte und wird von einem Online-Schachspieler nach Istanbul eingeladen, wo es zu körperlichen Annäherungen kommt.

Meine Gedanken dazu

Als ich am Ende auf die Beziehungen der Figuren schaute, die alle einen Partner haben, irgendwie, war ich mir nicht sicher, ob das "richtig" ist. Franco hat ein Frau gefunden, die ihn unterstützt, aber sich selbst vernachlässigt. Er ist glücklich, aber ich fragte mich, ob das länger halten wird, weil es "nur" die Sehnsucht nach Geborgenheit füllt.

Niko und Saschas Beziehung ist von Angst und falschen Erwartungen geprägt, die sie zu dummen Taten verführen. Ich hatte gehofft, dass sie zusammen kommen, aber sie schaffen es nicht, ihre Problem zu lösen.

Nura ist eine starke Frauenfigur, die trotz schwieriger Vergangenheit gut allein klarkommt. Für sie ist es vor allem die Veränderung, die sie aus dem Leben reißt.

Was alle Figuren eint, ist der Sprung ins kalte Wasser, den auch der Pressetext erwähnt. Anstatt ihr Leben in die eigenen Hände zu nehmen, passen sie sich der Welt an und schaffen es nicht, eigene Wünsche zu kommunizieren.

Fazit

Für mich war "Das Liebesleben der Pinguine" ein interessantes, trauriges Buch, von dem leider nicht viel hängen bleibt. Die Geschichten greifen gut ineinander und ich konnte mit den Figuren mitfühlen. Letztlich sind es aber eher Porträts des vermeintlichen Scheiterns denn mitreißende Geschichten.

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Veröffentlicht am 15.05.2021

Schäfchenwolke

Mittwochs am Meer
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Ich kannte Alexander Oetker als Krimiautor und Reporter im Fernsehen. Da ich jedoch noch nie ein Buch von ihm gelesen habe, wollte ich das ändern. Spoiler am Anfang: Ein Krimi ist es nicht. Eher eine ...


Ich kannte Alexander Oetker als Krimiautor und Reporter im Fernsehen. Da ich jedoch noch nie ein Buch von ihm gelesen habe, wollte ich das ändern. Spoiler am Anfang: Ein Krimi ist es nicht. Eher eine leichte Liebesgeschichte, die das Potential zu einer Charakterstudie gehabt hätte, aber letztlich schnell vergessen ist.

Rezi enthält Spoiler!

Worum geht es?

Maurice ist Anwalt und arbeitet als Insolvenzverwalter. Jede Woche verbringt er ein paar Tage in den Firmen seiner Klienten und versucht, deren Unternehmen zu retten. Eines seiner Projekte ist eine Fabrik an der bretonischen Küste. Ein Job wie jeder andere, bis irgendwann eine mysteriöse Frau auftaucht - und sich alles ändert.

Meine Meinung

Anfangs fand ich das Buch nett - die Figur wird langsam eingeführt, die Stimmung ist ruhig, die Landschaftsbeschreibungen haben Flair. Aber als nach 40 Seiten (von ca. 146) noch nichts passiert war, wurde ich stutzig. Dann die Frau, die Maurice mit Gedichten von Rimbaud erobert. Und seitenweise Liebe, oberflächliche Gespräche und Schwüre. Und ein paar Akte. Maurice, dem Pünktlichkeit bisher sehr wichtig war und der erstaunliches Verhandlunggeschick besitzt, vernachlässigt seine Arbeit. Bis zur kleinen Katastrophe. Die Spannung im Buch steigt sehr langsam, alles fühlte sich rosa-rot und unglaubwürdig an. Ich hätte das Buch abgebrochen, wenn ich nicht in den Rezis gelesen hätte, dass es eine überraschende Auflösung gibt.

[Spoiler] Wer denkt, dass Zwillings-Motiv wäre so oft genug behandelt worden, der irrt. Warum sollte sich ein Mann in die Zwillingsschwester seinr großen Liebe vergucken, wenn doch auch Zwillinge unterschiedliche Menschen sind? [/Spoiler]

Ich finde die Auflösung simple und sie hat mich gar nicht gepackt. Ich habe auch nicht verstanden, warum sich Maurice nur in die Frau verliebt, weil diese ihn anspricht. Es fühlte sich an, als wollte er eine falsche Entscheidung aus seiner Vergangenheit korrigieren.

Ich fand es sehr schade, dass Maurice nicht "richtig" scheitert und ein Happy End bekommt. Ich habe auch nicht mit ihm mitgelitten, weil die Liebe alles übertönt.

Sehr gut fand ich die Darstellung Frankreichs - die Beschreibungen sind ausführlich, aber nicht nervig. Man fühlt sich wirklich, als sei man in der Bretagne und dieses Gefühl nehme ich über das Buch hinaus mit. Auch Vorurteile der Regionen untereinander werden angesprochen, was ich interessant und witzig fand.

Fazit

"Mittwochs am Meer" ist ein Versuch einer netten, sommerlichen Liebesgeschichte. Und diese wird sicher einigen Leuten gefallen, weil sie so "perfekt" ist. Für mich war der Text eher langweilig.

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Veröffentlicht am 06.02.2021

Ein Gregor macht noch keinen Lehrer

Der Mathelehrer und der Tod
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Ich hatte das Buch angefordert, weil ich einen humorvollen Cosy-Krimi lesen wollte und das Thema "Bildung" derzeit sehr präsent ist. Letztlich war es ein Roman, der an seiner Hauptfigur krankt.

Rezi enthält ...

Ich hatte das Buch angefordert, weil ich einen humorvollen Cosy-Krimi lesen wollte und das Thema "Bildung" derzeit sehr präsent ist. Letztlich war es ein Roman, der an seiner Hauptfigur krankt.

Rezi enthält Spoiler!

Worum geht es?

Um einen Mathe-Physik-Lehrer, der aus dem Fenster gestürzt ist. Und einen Deutsch-Geschichts-Lehrer, der sich in sein Spiegelbild verlieben würde, wenn er einen Spiegel aus dem passenden Jahrhundert finden würde.

Die Hauptfigur

Ich glaube, Gregor Horvath darf man hassen und das habe ich getan. Ich tat es jedoch nicht mit Freude und ich bin mir nicht sicher, ob es an der Figur liegt oder am Handwerk. Denn Gregor ist mit seiner Vorliebe für alte Klamotten und alte Musik so deutlich, dass es langweilig wird. Wenn er nicht gerade über den Täter spekuliert, beschreibt er sich selbst und seine Besonderheiten - man sieht ihn aber selten daran an seiner Umwelt scheitern. Ganz im Gegenteil: Mit den Schülern kommt er gut klar, mit einer Viererclique besonders. Feinde hat er nicht. Er mag starke Gefühle nicht, woran auch seine Beziehung zerbrochen ist. Vergleicht man Gregor mit ähnlichen Figuren wie den Sherlock-Darstellungen in "Sherlock" und "Elementary", dann fällt auf, dass Gregor weder besonders intelligent noch witzig ist noch dass er ein besonders schweres Päckchen oder eine interessante Vergangenheit mit sich herumträgt. Er ist "nur" aus der Zeit gefallen und hat leicht autistische Züge. Und er mag Tai-Chi. Und natürlich löst eine Frau plötzlich starke Gefühle in ihm aus. Ich habe aber kein Bedürfnis, ihn nochmal 180 Seiten über sich dozieren lesen zu wollen.

Die Schul-Referenzen waren nett, aber ich hatte mit einem Böhmermann-Video in 20 Minuten mehr Spaß und Aha-Momente als auf 180 Seiten.

Die anderen Figuren

Der Autor hat ein gutes Gefühl für Namen - jede Figur hat einen Namen, der passt. Ob Lokalpolitiker oder betrunkener Familienvater, ob Sonderling oder Polizist - ich fand das sehr stimmig.

Allerdings erinnerte mich Kriminaltechnikerin Betty zu sehr aus "Abby" aus "Navy CIS" - das war überdeutlich.

Die Spannung

Als erfahrene Krimiguckerin war mir bereits früh klar, dass das Tatmotiv, das 140 Seiten lang aufgebaut wird, nicht das richtige ist. Die Auflösung war überraschend, aber nicht sehr. Ein paar falsche Fährten werden gelegt, aber glaubwürdig war es nicht.

Problematisch ist, dass es nur einen Handlungsstrang gibt. Dadurch verpufft die Spannung.

Fazit

Das Buch ist einen nette Lektüre, aber kein Muss. Es gibt belletristische Bücher, die das Thema besser aufbereiten. Gregor, ich hab leider nur ne 3 mit Sternchen für dich.

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Veröffentlicht am 11.10.2020

Autorin schafft ...

So sehen Siegerinnen aus
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Ich durfte das Buch im Rahmen einer Leserunde bei Bastei Lübbe lesen und stellte fest: Das Thema ist wichtig und hat zu aufregenden Diskussionen geführt. Für mich war die Darstellung im Buch jedoch nichts, ...

Ich durfte das Buch im Rahmen einer Leserunde bei Bastei Lübbe lesen und stellte fest: Das Thema ist wichtig und hat zu aufregenden Diskussionen geführt. Für mich war die Darstellung im Buch jedoch nichts, weil das Buch sich gern an Metaphern abarbeitet, an den entscheidenen Stellen aber ein bisschen zuwenig Praxisnähe zeigt. Und weil die Erzählerin zu glatt wirkt.

Worum geht es?

Wie man Kämpfe ausfechtet, welche Möglichkeiten man hat und wie man sie einsetzt - verbale Kämpfe, natürlich. Für mich teilt sich das Buch in zwei Hälften: In den Kapiteln 1 bis 3 zeigt das Buch, wie man sich körperlich und innerlich gut positioniert, wie man Abstand herstellt und ausnutzt, wie Provokationen funktionieren. Ab Kapitel 4 konzentriert sich der Text auf die Metaphern der Jägerin, Kriegerin usw.

Gestaltung

Trotz umfangreicher Inhaltsangabe sind die Kapitel kurz und gut konsumierbar. Leider gibt es nur wenige Grafiken, dafür aber Infokästchen, in denen verschiedene Möglichkeiten der Reaktion aufgezeigt werden. Die Infokästchen wurden gut im E-Book formatiert, die Gestaltung passt sich der Schriftgröße und -art an.

Was hat mir gefallen?

Praktische Tipps: Besonders in der ersten Hälfte gibt es viele praktische Tipps, die sich gliedern von "wenig" bis zu "sehr offensiv" - man hat als LeserIn die Möglichkeit, auch innerhalb der persönlichen Grenzen agieren zu können, es wird kein Ideal aufgebaut, das man erreichen muss.

Männer und Frauen: Es Buch macht selten Unterschiede zwischen den Geschlechtern und ich spürte selten, dass es sich an Frauen wendet.

Neuer Ansatz: Das Buch konzentriert sich auf seine Schwerpunkte und ist nicht zu ausschweifend. Die Metapher der Kriegerin usw. fand ich neu.

Eigen- und Fremdwahrnehmung: Neu war für mich der Punkt der "Provokation" - dass Angriffe manchmal nicht dazu dienen, den "Gegner" zu bekämpfen, sondern spielerisch Respekt zeigen. Ich fand das wichtig zu erkennen. Allerdings wird nicht erklärt, wie man damit umgeht, wenn man keine Lust hat. Und: Nicht jede "Provokation" wird vom Gegenüber auch als solche erkannt.

Was hat mir nicht gefallen?

Tipps für Alltag: Obwohl mir die Ratschläge gefallen haben, waren sie rückblickend nicht praxisnah genug; nicht konkret genug, eher allgemeiner Natur. Viele kleine Kämpfe, die Menschen im Alltag austragen, werden nicht notiert z.B. wenn man von einem Kollegen unsachlich kritisiert wird.

Keine Retorik: Viele Siege im Buch basieren nicht nur auf der körperlichen Präsenz, sondern auch auf Retorik - darauf geht das Buch aber kaum ein. Das macht es einerseits fokussiert auf das Körperliche, andererseits fehlt mir eine Analyse der Bausteine, die einen einen "Sieg" ausmachen.

Männer und Frauen: Anhand von Wilhelm Tell und Katniss Everden wird uns erklärt, dass Männer eher auf das Ziel konzentriert sind, Frauen auf das große Ganze blicken. Das wird aber nicht mit Quellen belegt. Und der Vergleich hinkt, weil Männer in Katniss' Situation eine ähnliche Motivation hätten, aber anders reagiert hätten.

Zu ausschweifend: Die Kriegerinnen usw. sind das Verkaufsargument des Buches, werden aber sehr, sehr ausführlich präsentiert. Mindestens eine halbe Seite lang widmet sich das Buch den Eigenschaften einer Kriegerin, inkl. Beispiel aus einem Film. Es gibt Menschen, die das brauchen, die damit gut arbeiten können. Ich habe an diesen Stellen aber den Schwerpunkt verloren, weil ich die Beispiele gut kenne und wissen wollte, was mir das in der Praxis sagt.

Anglizismen: Ich hatte große Probleme damit, dass englische Fach(?)-Begriffe verwendet werden, die nicht so gut übersetzt werden, angefangen mit dem "Standing", das ich nicht nur als Standpunkt, sondern auch als innerliche Erdung verstehe. Ich verstehe das, weil die Autorin ihre Ausbildung teilweise im englisch-sprachigen Raum absolviert hat und weil sie es im beruflichen Alltag oft anwendet. Und weil es für Methoden z.B. bei Kampfchoreografien keine deutschen Bezeichnungen gibt. Mich hat das aber herausgerissen, weil ich erstmal googlen musste, was die wörtliche Übersetzung ist. Die Erklärungen fand ich oft zu kurz. Ich hatte meist das Gefühl, dass die Sprache des Buches nicht die ist, die bei mir trifft,

Erzählfigur: Die Figur berichtet manchmal von Beispielen aus ihrem persönlichen Alltag - und trotz Selbstzweifeln klappt das ohne Probleme. Es wirkt auf mich zu glatt und irgendwie künstlich. Natürlich würde es nicht zum Buch passen, von Misserfolgen zu erzählen oder wie lange die Lösung eines Konflikts tatsächlich gedauert hat.

Motivation: Auch wenn mit dem Haltung-Einnehmen der wichtigste Punkt am Anfang besprochen wird, fehlte mir zwischendurch die Erinnerung, dass man kämpfen DARF. Dass man genausoviel Platz einnehmen kann wie der "Gegner". All die Techniken nützen nichts, wenn man nicht verkörpert, dass man sich gerade im Recht fühlt.

Kosten und Nutzen: Welche Reaktion ist einer Situation die "beste"? Welche Punkte sollte man bedenken? Wann nimmt man die "sanfte" Variante, wann weicht man aus, wann greift man an? Das Buch spricht das an, erklärt das aber kaum an Beispielen.

Fazit

Ich hatte mir vom Buch eine gute Stimmung und Selbstbewusstsein erhofft. Leider war die Erzählerin zu weit weg von meiner Realität, meinem Büroalltag, sodass ich nur wenig mitnehmen konnte. Es war nicht so fokussiert, wie ich mir das gewünscht habe. Ich glaube, aus einer Autobiografie hätte ich mehr mitnehmen können, denn Klewitz ist ein interessanter Mensch mit einer außergewöhnlichen Biografie. Heruntergebrochen auf ein Konzept, und das in schriftlicher Form, hat das für mich aber nicht funktioniert

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Veröffentlicht am 27.09.2020

Den Kuss nicht wert.

Kissing Chloe Brown (Brown Sisters 1)
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Über chronische Krankheiten wird in der Literatur selten geschrieben, zumindest bei großen Verlagen, über Rassismus schon mehr. Da die Geschichte viel versprach, forderte ich es an. Letztlich ist es eine ...

Über chronische Krankheiten wird in der Literatur selten geschrieben, zumindest bei großen Verlagen, über Rassismus schon mehr. Da die Geschichte viel versprach, forderte ich es an. Letztlich ist es eine "normale" Liebesgeschichte, bei dem die Krankheit eine Rolle spielt, das Körperliche aber nochmehr. "Sie schreibt Sexy Diverse Romances, weil sie findet, dass auch Minderheiten und Randgruppen ehrlich und positiv dargestellt werden sollten.", notiert die Autorinnen-Beschreibung - "sexy" nimmt viel Raum im Buch ein.

Worum geht es?

Chloe Brown leidet unter Fibromyalgie, einer Störung des Schmerzverarbeitung, die sich u.a. in Schmerzen und Erschöpfung äußert. Nachdem sie fast von einem Auto überfahren wurde, beschließt sie ihr Leben zu ändern: Sie zieht von zuhause aus und erstellt eine Liste mit Dingen, die sie endlich erledigen will. Gut, dass Hausmeister Redford ebenfalls Probleme hat, die man gemeinsam lösen kann.

Charaktere

Chloe ist eine junge Frau, die als Webdesignerin arbeitet, aber infolge ihrer Krankheit kaum Freunde hat. Ihr wichtigster Halt sind ihre Schwester und ihre Großmutter. Chloe wird von Red als arrogant wahrgenommen, was ich nicht so empfand. Ganz im Gegenteil: Sie ist witzig, selbstironisch, manchmal etwas melodramatisch, aber auch jemand, der andere schwer an sich heranlässt. Sie hat eine deutliche Stimme als Figur. Ihre Hautfarbe spielt keine Rolle, ihre Kurven werden erwähnt, aber ohne das Cover hätte ich übersehen, dass sie vermutlich "schwarz" ist. Ich fand das gut!

Red ist Maler, traut sich aber infolge einer negativen Beziehung nicht weiter zu malen. Stattdessen jobbt er als Hausmeister in Chloes Haus. Red kam mir sehr blass vor, es gibt nur eine große Szene, in denen man ihn ein Bild malen sieht, ansonsten zeichnet er sich dadurch aus, dass er mürrisch durch die Geschichte läuft. Und dass er Chloes Körper mag. Sehr.

Die Dramaturgie

Unsere Helden müssen die typischen Hürden einer Liebesgeschichte überwinden: Sympathie zueinander aufbauen, die Probleme beider lösen - Chloes Angst vor dem Leben, Reds Angst vor einer erneuten schlechten Beziehung - und ins Happy End fahren.

Ich hatte erwartet, dass die Krankheit dem Buch Spannung gibt, aber das war nicht so. Ganz im Gegenteil: Man hätte das weglassen können. Einerseits ist das gut, weil es zeigt, dass auch Menschen mit Behinderungen "normal" leben können, "normal" fühlen und "normale" Liebesbeziehungen haben. Andererseits hatte ich gehofft, dass die Autoren abseits der Klischees schreibt.

Themen

Die Krankheit: Das Buch baut die Krankheit am Anfang stark, später weniger, aber noch spürbar ein. Vor allem geht es um die Symptome und die soziale Isolation, die aus einer solchen Krankheit entsteht. Ähnlich wie bei psychosomatischen Beschwerden wird Erkrankten vorgeworfen, sie würden nur simulieren. Ich finde es wichtig, dass wir solchen Krankheiten die Vorurteile nehmen. Allerdings scheint Chloes Krankheit wie weggeblasen, als sie mit Red schläft. Sie taucht am Ende wieder auf, aber in den Liebespassagen sehr wenig. Ich finde das realistisch, weil Liebe ablenkt und Glückshormone Symptome lindern können. Allerdings kann auch Liebe nicht alles retten. Nicht erwähnt wird, wie es (auf Dauer) ist, mit jemandem zusammen zu leben, der chronisch krank ist. Red kümmert sich gern um sie, vielleicht, weil er sie liebt und eine Aufgabe hat. Allerdings kann die Krankheit des Partners auch belastend sein, wenn man Veranstaltungen nicht gemeinsam besuchen kann, weil er/sie/es einen Schub hat. Oder Facharzttermine den Plan durcheinander werfen. Vor allem ist es die Angst, die man mit-trägt - die Angst, dass es schlimmer wird oder nie weggeht. Die Machtlosigkeit nichts tun zu können, außer der Fels in der Brandung zu sein. Dass der Roman darauf überhaupt nicht eingeht, das ärgert mich.

Ein großes Problem hatte ich mit Chloes Wunschliste, denn diese ist dank Red nur noch körperlich präsent: Chloe muss ihre Ängste nicht bewältigen, denn Red erledigt das. Prägnant war für mich, dass sie campen fahren wollte - aber da Red mitfährt und sie mit Sex ablenkt, gehen ihr all die Erlebnisse, die Erfolge verloren. Sie muss nicht ängstlich in einem Zelt liegen oder den Betreiber um Hilfe bitten, sie muss sich nicht der Tatsache stellen, dass sie weg von ihrem Zuhause ist und am fremden Ort mit ihrer Krankheit klarkommen muss. Sie kämpft nicht, sie hat ja Red. Und was sagt das über den Partner aus, wenn er einem nicht zutraut, dass man alleine loszieht, auch wenn man Angst hat?

Toxische Beziehungen: Red hatte vor Chloe eine Beziehung zu einem reichen It-Girl, das ihn als Schmuckstück betrachtet hat und förderte, bis er sich trennte. Aus Rache sabotierte sie seine Karriere und redete ihm ein, alles sei seine Schuld, er sie nicht gut genug. Sie hat ihn geschickt manipuliert, was ich nachvollziehen konnte. Ich habe mich aber immer wieder gefragt, warum Red das mitgemacht hat. Ich denke, dass liegt weniger daran, dass er ein Mann ist als daran, dass er als Figur nicht stimmig ist. Red sagt immer wieder, dass er gelitten hat und die Vorurteile und Verlustängste führen zum Konflikt mit Chloe. Aber es kommt nicht bei mir an, weil Red wenig Initiative zeigt.


Die Erotik

Der Roman kommt schnell auf den Punkt, schon nach ca. 20 Seiten gibt es erste erotische Andeutungen, auf S. 76 von 344 ergießt sich Red in seinen Arbeitsoverall - nach 25 % des Textes. Die restlichen Szenen sind explizit, aber nicht besonders, auch wenn die Orte wechseln. Die Figuren reduzieren sich auf ihre Äußerlichkeiten, immerhin erwähnt Red ihre Schlüsselbeine und er mag ihren Duft. An Klischeeworten wird ebenfalls nicht gespart. Letztlich sind die Szenen austauschbar.

Schreibstil

Die Figuren haben ihren eigenen Stil, Chloe aber mehr als Red. Beide Stile sind jedoch eher erzählend als fühlend und holpern für mich.

Fazit

Aus "Kissing Chloe Brown" hätte etwas Tolles werden können, aber letztlich haben wir einen klischeehaften Liebesroman mit dem Thema der Krankheit. Zuviele Dinge wurden zurechtgebogen, die Figuren sind nicht nahbar, vor allem Red. Für mich nicht rund.

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