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Veröffentlicht am 05.10.2020

Was soll man dazu sagen?

Wir sind fünf
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Tormod lebt mit Frau und 2 Kindern in einem kleinen norwegischen Ort. Nach schweren Turbulenzen durch Drogenmissbrauch in der späten Jugend hat er hier einen vermeintlich sicheren Hafen gefunden. Das ändert ...

Tormod lebt mit Frau und 2 Kindern in einem kleinen norwegischen Ort. Nach schweren Turbulenzen durch Drogenmissbrauch in der späten Jugend hat er hier einen vermeintlich sicheren Hafen gefunden. Das ändert sich, als das Verschwinden des Familienhundes das zarte Gebilde Familie ins Schwanken bringt. Mithilfe seines ehemaligen Drogenkumpans Espen experimentiert er mit einem Tonklumpen, der bald ein gewisses Eigenleben entwickelt. Mehr möchte ich ungern von der weiteren Story verraten, um nicht zu spoilern.

Die Geschichte an sich bietet reichlich Potential für Entwicklungen in jede Richtung, egal ob Comedy, Mystery oder handfester Thriller. Aber nichts von alldem trifft auf diesen Roman zu. Es ist eine etwas eigenwillige Mischung aus Drama mit einem Hauch Mystery. Wohin die Reise grob geht, ist relativ überraschungsarm. Was mich jedoch am meisten störte, ist das starre Korsett, in das Faldbakken seine Protagonisten bindet. Noch dazu ohne nachvollziehbare "Entwicklung". Steht seine spätere Frau Siv in frühen Jahren immer zu ihm und bringt ihn durch seine schwierigste Lebenszeit, ja rettet ihn quasi vor seiner Selbstzerstörung, ist sie nach der Hochzeit plötzlich uninteressiert, phlegmatisch, will ständig ihre Ruhe haben und faulenzt allabendlich nur vor dem Fernseher. Man spürt an keiner Stelle mehr die Zugehörigkeit zu ihrem Mann.
Auch die Kinder haben ihre festen Rollen von Beginn an. Der Junge ist etwas feist und will nur daddeln, ist ansonsten untalentiert bei nahezu allem außer seinen Games. Die Tochter hingegen ist quirlig, hochintelligent, wissbegierig und ausgesprochen talentiert bei nahezu allem. Lediglich Tormod darf sich den Luxus einer geteilten Persönlichkeit leisten, und die auch nur wenn er ausreichend Alkohol und Amphetamine konsumiert. Dann erst kommt seine Genialität zum Vorschein und er übertrifft auch seine Lehrer um Längen. Und Freund Espen ist auch nach etlichen Jahren immer noch der gleiche Vollhonk, der er immer schon war. Mit einer unerklärlichen Macht über Tormod, der sozusagen willenlos alles schnieft und schluckt, was Espen ihm anbietet. Auch er machte keinerlei Entwicklung durch.
Mit anderen Worten: Die Grundpfeiler dieser Story sind in meinen Augen schon mehr als fragwürdig. Der einzige Protagonist mit Entwicklungspotenzial ist der Tonklumpen und dessen Entwicklung ist leider nur zu vorhersehbar.

Nun aber das Positive dieses Buches, wobei da leider ausschließlich der Schreibstil übrig bleibt. Faldbakken schreibt mit leichter Hand. Keine endlos verschachtelten Satzkonstrukte sondern sachlich und konkret, sogar schon schlicht zu nennen. Etwas gewöhnungsbedürftig waren die wiederkehrenden Erläuterungen - teils in Klammern - als ob der Leser etwas zu schlicht wäre, um ohne diese zu verstehen, von was er schreibt.
Durch den auktorialen Erzählstil erfährt der Leser auch, was andernorts geschieht und die jeweils Handelnden denken. Allerdings wird derart distanziert erzählt, dass bei mir keinerlei Empathie mit irgendeinem Protagonisten entstehen konnte - nicht einmal mit dem Tonklumpen.
Dann noch das Ende, wenn man es denn überhaupt so nennen kann. Denn im Grunde erfährt der Leser nicht, wie es ausgeht. Mitten in der spannendsten Stelle der Geschichte endet alles im Nichts. Ich brauche wirklich kein HappyEnd bei einer guten Story, aber zumindest eine einigermaßen abgeschlossene Handlung des Romans. Gerade komme ich ins wanken, ob ich tatsächlich noch 3 Sterne vergeben soll oder noch einen abziehe. Aber dafür war er mir zu ernsthaft, der Roman und zu gut geschrieben.

Fazit: Wenn man nicht unbedingt Mainstream lesen muss, kann man dieses Buch gut lesen.

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Veröffentlicht am 08.11.2018

Fiktive wahre Geschichten aus dem Knast

Gangsterblues
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Joe Bausch, bekannt aus dem Kölner Tatort, arbeitet seit über 30 Jahren als Mediziner in der JVA Werl. Im Laufe seines Berufslebens hat er sicherlich eine Menge erlebt und gehört. In seinem neuen Buch ...

Joe Bausch, bekannt aus dem Kölner Tatort, arbeitet seit über 30 Jahren als Mediziner in der JVA Werl. Im Laufe seines Berufslebens hat er sicherlich eine Menge erlebt und gehört. In seinem neuen Buch lässt er in 12 Knast-Geschichten die Leser am Leben hinter Gittern teilhaben.
Man erfährt so einiges aus dem für Normalbürger verborgenen Gefängnisalltag, sowohl der Insassen als auch des Wachpersonals und natürlich des Mediziners selbst. Die jeweilige Haftursache, sprich das begangene Verbrechen, wird jeweils kurz erläutert - nicht mit überflüssigem Voyeurismus, sondern angenehm sachlich. Er erwähnt auch Schwachstellen des Systems und vor allem Schwächen der Menschen innerhalb dieses Systems.

Die Stories sind durchweg interessant zu lesen und Bausch schreibt so, wie er diese Stories auch live erzählen würde. Das passt natürlich auch irgendwie, denn er ist schließlich kein Schriftsteller. Alles andere würde man ihm vermutlich nicht abnehmen.
Leider muss ich an dieser Stelle sagen, dass das Buch dadurch auch gewisse Schwachstellen hat. Man ist lediglich Beobachter oder Zuhörer aus der Ferne. Es gelang mir an keiner Stelle irgendeine wie auch immer geartete Verbindung zu einer der geschilderten Personen - nicht einmal zu der des Erzählers Bausch. So, als ob jemand von seiner Urlaubsreise erzählt, was er alles gesehen hat unterwegs. Man hört es, nimmt es zur Kenntnis und das war es dann auch.
Was mich sehr gestört hat: Wenn man dieses Buch kauft aufgrund des Bucheinbandes, dann ist man der Meinung, dass es sich um wahre Geschichten handelt - so steht es auf dem Klappentext ausdrücklich erwähnt: "Wahre Geschichten, die unter die Haut gehen."
Bereits im Vorwort des Buches erfährt man dann allerdings, dass es sich beileibe nicht um wahre Geschichten handelt, sondern vielmehr um fiktive Stories: "Die Idee, die interessantesten von ihnen zu anonymisieren, zu fiktionalisieren und weiterzuspinnen, trieb mich dabei an."
Obendrein auf einem Vorsatzblatt: "Sie beschreiben also keine lebenden oder toten Personen; sie haben sich nicht zugetragen, hätten sich aber so wie beschrieben zutragen können."
Das ist natürlich die Entscheidung des Autors, ihm bekannte Begebenheiten noch entsprechend auszuschmücken und weiterzuspinnen, damit sie überhaupt interessant genug erscheinen, um aufgeschrieben zu werden. Dennoch sollte nicht auf dem Bucheinband der Eindruck von True-Crime erweckt werden, wenn es nicht den Tatsachen entspricht. Das gibt auf jeden Fall einen Punkt Abzug von mir.
Ich gebe zu, dass ich während der Lektüre unwillkürlich Vergleiche zog mit den vom Ansatz her ähnlichen Büchern Ferdinand von Schirachs (Schuld, Verbrechen, Strafe). Leider jedoch hat Bausch nicht dessen schriftstellerische Begabung, mich als Leser mit zu nehmen und vor allem mitfühlen zu lassen. Wenn ohnehin sehr viel Fiktion dabei war, hätte er mir auch irgendwie vermitteln können, was in dem jeweiligen Protagonisten vorging. Aber in diesem Buch ist eigentlich nur einer Protagonist: Joe Bausch. Das war zwar immer noch unterhaltsam, weil ich Herrn Bausch und seine direkte Art durchaus mag, aber insgesamt war es doch etwas wenig.

Veröffentlicht am 24.06.2018

Zu viel des Guten

Das Eis
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Ausgangspunkt der Geschichte ist das Auftauchen eines schon länger vermissten Mannes, dessen Leiche das wohl nicht mehr so ewige Eis beim Kalben eines Gletschers freigibt. Bei dem Toten handelt es sich ...

Ausgangspunkt der Geschichte ist das Auftauchen eines schon länger vermissten Mannes, dessen Leiche das wohl nicht mehr so ewige Eis beim Kalben eines Gletschers freigibt. Bei dem Toten handelt es sich um Thomas Harding, einen recht charismatischen Umweltschützer, der seit einer Exkursion in eine Höhle unter dem Eis vermisst wird. Es gibt eine gerichtliche Untersuchung über diesen Vorfall, den sein bester Freund Sean Cawson mit viel Glück überlebt hat. Dies bildet den Rahmen für das Buch.
Eingeleitet wird jedes Kapitel von kurzen Geschichten aus der Zeit der ersten Expeditionen in die Arktis, die die zum Teil sehr extremen Situationen beschreiben. Dieser Part gefiel mir recht gut, weil er insgesamt zur Auflockerung beitrug.
Im Rahmen der o g. gerichtlichen Untersuchung erfährt man, wie es zu dem Unglück kam, welche wirtschaftlichen Interessen sich hinter der Erschließung der Arktis verbergen - egal ob als Rohstoffquelle oder als neuer deutlich kürzerer und politisch sicherer Transportweg bis hin zu illegalem Waffenhandel ist alles dabei. Auch der Wandel der Freundschaft (hört bei Geld ja oft auf) und der Klimawandel wird hier angerissen. Letzterer bei der Untersuchung durch den Auftritt eines Gutachters, der leider fast schon als Karikatur rüberkommt. Gewürzt mit ein bisschen Mystik dann und wann und mit einem bekehrten Helden am Schluss lässt mich das Buch etwas ratlos zurück.
Es packt viele unterschiedliche Themen an, will meiner Meinung nach aber zu viel. Man kann einiges über die Arktis lernen und vermeintliche Menschenkenntnis erweist sich im Laufe der Handlung oft als verhängnisvoller Irrtum.
Geschrieben ist es sehr ansprechend und es ist wirklich gut zu lesen, aber ich finde die Verquickung der verschiedenen Bereiche nicht wirklich geglückt.

Veröffentlicht am 23.05.2018

Was verlorene Gegenstände so alles erzählen könnten

Mr. Peardews Sammlung der verlorenen Dinge
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Schriftsteller Peardew hat in seinem Haus eine stattliche Sammlung an gefundenen Sachen gehortet. Sein Plan ist, dass irgendwann vielleicht jemand etwas ganz Wichtiges zurück bekommt, an dem sein Herz ...

Schriftsteller Peardew hat in seinem Haus eine stattliche Sammlung an gefundenen Sachen gehortet. Sein Plan ist, dass irgendwann vielleicht jemand etwas ganz Wichtiges zurück bekommt, an dem sein Herz hängt. Einst verlor er etwas, das für ihn unglaublich wichtig war und ihn an seine Verlobte band. So steigerte er sich über die Jahrzehnte in diese "Macke" des Sammelns hinein.
Der andere Erzählstrang ist der des Verlegers mit dem Spitznamen Bomber und dessen Angestellter Eunice. Beide Stränge werden parallel erzählt, und das zeitversetzt. Während der Peardew-Strang (nebst dessen Angestellter Laura) in aktueller Zeit spielt, beginnt der Bomber-Strang etwa 40 Jahre früher. Selbstverständlich kreuzen sich die Stränge irgendwann und ergeben ein schlüssiges Ende der Geschichte.
Der Schreibstil lässt sich sehr flüssig lesen und macht auch Spaß. Die Zeitwechsel waren für mich nicht immer so leicht nachvollziehbar, brachten aber das Lesevergnügen nur kurz ins Stocken. Nicht so recht zum Ganzen passte für mich der leichte Mystery-Touch, der immer mehr Platz einnahm in der Geschichte.
Sehr gelungen fand ich hingegen die immer wieder eingestreuten, kurzen Geschichten der Besitzer der Fundstücke. Sie brachten ein wenig Abwechslung ins sich doch recht schnell wiederholende Einerlei der Hauptstränge. Davon hätte ich gerne mehr gelesen und dafür weniger Schmalz.
Insgesamt war das Buch gut zu lesen, auch wenn es mich irgendwie enttäuscht hat. Es hörte sich so vielversprechend an, aber für mich zog es sich insgesamt etwas und vor allem der gegen Ende immer stärker aufflammende Romantikteil hat 1 Pünktchen gekostet in meiner Bewertung.
Wer gerne leichte, etwas verdrehte und vor allem romantische Bücher liest, der wird hier jedoch gut bedient!

Veröffentlicht am 21.05.2018

Die andere Walters...

Die letzte Stunde
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Zum Inhalt:
Im Jahre 1348 bricht in Südengland die Pest aus. Innerhalb kürzester Zeit sterben in manchen Landstrichen alle Menschen. Lady Anne, die Herrin von Develish erkennt die Situation richtig und ...

Zum Inhalt:
Im Jahre 1348 bricht in Südengland die Pest aus. Innerhalb kürzester Zeit sterben in manchen Landstrichen alle Menschen. Lady Anne, die Herrin von Develish erkennt die Situation richtig und schottet ihr Dorf hermetisch von der Außenwelt ab. Sogar ihrem Mann verweigert sie nach einer Reise den Zutritt. In der Abgeschlossenheit treten Konflikte auf und eines Tages geschieht sogar ein Mord. Thaddeus, der nach dem Tod des Gutsherren von Lady Anne zum Verwalter ernannt wurde macht sich mit fünf Jugendlichen auf die Suche nach Vorräten. Die weitere Handlung beschäftigt sich mit den Erlebnissen der Gruppe und dem Überlebenkampf der Zurückgeblieben gegen Räuber und den internen Intrigen. Der Mord wird auf den letzten zwei Seiten so nebenbei aufgeklärt.
Stilistisch ist das Ganz recht gut geschrieben. Es liest sich recht flüssig, obwohl bei den Charakteren an manchen Stellen noch etwas mehr Tiefe und Feinschliff zu wünschen wäre.
Genre?
Die Buchbeschreibung auf dem Schutzumschlag erweckt - m. E. durchaus beabsichtigt - den Eindruck, als würde es sich um einen historischen Krimi handeln. Das basiert wahrscheinlich auf der Vermutung, dass es sich besser vermarkten lässt, weil Minette Walters üblicherweise Krimis schreibt. Obwohl ein Mord passiert ist dieser und auch dessen Aufklärung dennoch reine Nebensache.
Ob es ein historischer Roman ist, ist etwas schwieriger zu beantworten. Sicherlich ist er um 1350 angesiedelt und manche Sitten und Gebräuche werden auch so beschrieben wie es wahrscheinlich damals zuging, aber Lady Anne kommt mit für damalige Verhältnisse revolutionären Ideen um die Ecke. Sie bringt den Leibeigenen lesen und schreiben bei, kümmert sich um Kranke und hat für damalige Verhältnisse sehr innovative Ideen zum Thema Hygiene. Sogar einen Leibeigenen, Thaddeus, macht sie nach dem Tod ihres Gatten zum Verwalter. Ob das im Jahre 1348 tatsächlich funktioniert hätte, sei mal dahingestellt. Für mich ist es rundweg unglaubwürdig und genau da liegt für mich das Problem bei der Bezeichnung historischer Roman. Natürlich hat ein Roman fiktive Handlung, aber ich erwarte dennoch einen größtenteils realistischen Rahmen, was mir bei diesem Buch leider fehlt.
Zum Ende noch eine Bemerkung:
Auf der letzten Seite erfährt der geneigte und danach womöglich verärgerte Leser, dass der Roman als Fortsetzungsgeschichte konzipiert ist. Dies war vorher definitiv nicht zu vermuten und erschließt sich auch nicht aus dem Klappentext. So wird man nach 650 Seiten ziemlich allein gelassen auf weiter Flur und kann sich dann überlegen ob tatsächlich Interesse an der Weiterentwicklung dieses phantasiereichen sozialen Experiments besteht oder nicht. Auf mich trifft Letzteres zu.