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Veröffentlicht am 14.11.2020

Geschichten über starke Frauen

Untreuen
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Das Buch „Untreuen“ ist eine Sammlung der Kurzgeschichten über Frauen, die plötzlich ihrem Leben einen anderen Sinn geben wollen. Sie verändern ihren Alltag, ihre Gewohnheiten.

Manchmal reicht nur ein ...

Das Buch „Untreuen“ ist eine Sammlung der Kurzgeschichten über Frauen, die plötzlich ihrem Leben einen anderen Sinn geben wollen. Sie verändern ihren Alltag, ihre Gewohnheiten.

Manchmal reicht nur ein einziger kleiner Moment aus, eine neue Begegnung, eine Eingebung, damit das bisher Gelebte in Frage gestellt wird. Auf einmal wird all das, was bisher im Leben am wichtigsten war: der Ehemann, die Kinder, das geregelte sichere Leben, nicht mehr so wichtig. Die Frauen treffen neue Entscheidungen, gehen weg, bleiben weg, ändern auf verschiedene Weise ihr Leben.

Bewegend fand ich die Geschichte „Elegie“ über die schwerkranke Komponistin Elisabeth, die ab sofort über ihr Schicksal selbst entscheiden will.
In der Geschichte „Glenhead“ ist das neue Haus „wie ihr Schatten“ (….) “mit leeren Zimmern, aber verriegelter Tür“ (Zitat Seite 60) der Auslöser für Sarahs neue Entscheidung, für ihren Entschluss „wegzugehen“.
Die Geschichte „Dick“ ist eine erschütternde Beichte, in der eine Frau das Geheimnis ihres Lebens enthüllt. Sie spricht über den Preis, den sie als junges Mädchen für ein Geschenk ihres Vaters, ein neues Cabrio, bezahlen musste.

In allen Erzählungen dieses Bandes schreibt Kirsty Gunn, feinsinnig und objektiv, über bewegende Episoden, enthüllt sehr emotionale Details, die zu ganzen Geschichte werden.

Es lohnt sich diese Erzählungen mehrmals zu lesen und sich Zeit zum Nachdenken nehmen.

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Veröffentlicht am 07.11.2020

Ein gutes Buch

Sieben Richtige
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Am Anfang des Romans reihen sich mehrere traurige Geschichten aneinander an.
In Bochum wird ein dreieinhalbjähriges Mädchen auf dem Nachhauseweg von einem Raser überfahren und lebensbedrohlich verletzt. ...

Am Anfang des Romans reihen sich mehrere traurige Geschichten aneinander an.
In Bochum wird ein dreieinhalbjähriges Mädchen auf dem Nachhauseweg von einem Raser überfahren und lebensbedrohlich verletzt. In Köln wartet die Schriftstellerin Eva Winter vergeblich auf den Fahrer einer Umzugsfirma, der die Möbel für ihre neue Wohnung bringen sollte. Evas Vater ist gerade in einem Altenheim verstorben. Ricardo Santos, ein zuverlässiger Lkw-Fahrer verstirbt auf einem Rastplatz von einer Wespe gestochen. Victor Faber erhält eine Mail von seiner Noch-Ehefrau mit einer erschütternden Nachricht ihrer Ärztin. In Rom endet die junge Liebe von Linda und Tim; ab sofort gehen die beiden getrennte Wege.

All diese Geschichten sind sehr traurig und bedrückend. Und auch wenn ich beim Lesen denke „so ist das Leben“, hoffe ich doch, dass es für alle Protagonisten irgendwie weitergehen muss. So wie in dem kurzen Kapitel „Die Zehntelsekunde,“ angekündigt wurde: „Wenn es dann rauschend abwärtsgeht, fühlen wir: Das was schön, aber schöner wird es nicht, denn irgendwann hört es wohl auf. (…) Beim nächsten Mal, beim nächsten Mal ganz ohne Zweifel.“ (Zitat Seite 11)

Die Neugier auf den weiteren Verlauf und der anschauliche, dynamische Schreibstil des Autors bewirken, dass ich weiterlesen muss. Auch die Hoffnung auf die sechs Richtige plus Zusatzzahl für die Protagonisten des Romans zieht mich in die Geschichte hinein.

Und so werden die einzelnen Geschichten weitergesponnen, neue Lebenskapiteln aufgeschlagen, manche Episoden aus der Vergangenheit hervorgeholt. Die Wege der Protagonisten kreuzen sich oder gehen weit auseinander, über alles entscheidet oft nur der Zufall. Dies bewirkt, dass man bei den vielen Protagonisten, die alle sehr wichtige Rolle in dem Ganzen spielen, leicht den Überblick verlieren kann. Eine gute Hilfe bietet hier die Aufstellung aller Personen am Anfang des Buches.

„Sieben Richtige“ ist ein Debütroman von Volker Jarck. Laut S. Fischer Verlage mag der Autor „schöne Sätze in guten Büchern“ (Zitat Verlagsseite). Es gibt viele schöne Sätze in diesem guten Buch. So wie diese hier zum Beispiel:
„Das Hörnchen verharrt, vermutlich denkt es nach. Es sieht nicht aus, als hätte es eine Antwort parat. Oder es weiß ganz genau, dass man manchmal am besten schweigt und in die Sonne blinzelt. An guten Tagen blinzelt sie zurück.“ (Zitat Seite 49)
Bitte lesen und genießen!

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Veröffentlicht am 12.10.2020

Ein Familienalbum voller Poesie

Die Unschärfe der Welt
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In ihrem Roman „Die Unschärfe der Welt“ überführt uns Iris Wolff nach verschneites Banat Ende sechziger Jahre, wo der Protagonist Samuel in einer Pfarrerfamilie zur Welt kommt. Samuel wächst sehr gut behütet ...

In ihrem Roman „Die Unschärfe der Welt“ überführt uns Iris Wolff nach verschneites Banat Ende sechziger Jahre, wo der Protagonist Samuel in einer Pfarrerfamilie zur Welt kommt. Samuel wächst sehr gut behütet auf. Das Pfarrhaus mit großem Garten und Obstbäumen, in dem er viel Zeit vor allem mit seiner Mutter verbringt, gleicht einer Idylle, die von der übrigen von Ceausescu regierten Rumänien abgeschnitten ist.

Der Roman ist, genauso wie ein Familienalbum voller diversen Fotos, eine Sammlung von Bildern aus dem Leben der Familie über vier Generationen hinweg. Bildern, die dem Betrachter, die Geschichte dieser Familie erzählen.

In kurzen Kapiteln vertrauen uns die einzelnen Familienmitglieder ihre Erinnerungen und Episoden aus ihrem Leben an, erzählen ihre persönlichen Geschichten. So lernen wir nicht nur den schweigsamen Träumer Samuel, der als Kind lange nicht sprechen will, später aber die Kraft und die Wirkung der Worte sehr zu schätzen wusste, aus der Perspektive des jeweiligen Erzählers kennen. Auch die anderen Familienmitglieder, sowie ihre Freunde und die Umgebung, werden uns auf diese Weise nähergebracht. Die unterschiedliche Erzählweise und die Zeitsprünge zwischen den einzelnen Erzählungen bewirken jedoch, dass die Protagonisten unnahbar bleiben, ihre Schicksale berühren nur selten. Vieles bliebt in dieser Geschichte verschwommen, unscharf.

Der Roman besticht jedoch durch seine wunderschöne dichterische Sprache und poetische Bilder der rumänischen Landschaft. Auch die emotionale Kritik der Diktatur von Ceausescu beeindruckt und beweist, dass diese Geschichte der Autorin sehr am Herzen liegt. Iris Wolff ist geboren und aufgewachsen im Banat und in Siebenbürgen.

Der Roman steht auf der Longlist für den Deutschen Buchpreis 2020. Ich würde ihn allen Lesern empfehlen, für die ein Buch viel mehr als „nur Unterhaltung“ bedeutet.

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Veröffentlicht am 03.10.2020

Der Preis unserer Träume

Und dann noch die Liebe
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Das Leben des deutsch-französischen Journalisten Francois ist mehr als aufregend. Sein Job verlangt viel vor ihm ab: permanent auf der Suche nach neuesten Topnachrichten, dauernd auf Reisen, ständig auf ...

Das Leben des deutsch-französischen Journalisten Francois ist mehr als aufregend. Sein Job verlangt viel vor ihm ab: permanent auf der Suche nach neuesten Topnachrichten, dauernd auf Reisen, ständig auf Abruf, keine Zeit für Familie. Den täglichen Stress versucht er mit gutem Essen und Trinken in Bars und Restaurants sowie mit gelegentlichen weiblichen Bekanntschaften zu kompensieren.
Das ändert sich, als er eines Tages Agapi, eine Mitarbeiterin des griechischen Finanzministeriums, bei der Verhandlungen in Brüssel kennenlernt. Er weiß, dass es diesmal die wahre Liebe ist und will sie nicht verlieren. Doch dann überschlagen sich die Ereignisse und Francois steht vor einer schweren Entscheidung.


Der Roman „Und dann noch die Liebe“ von Alexander Oetker unterscheidet sich sehr von seinen bisherigen Krimis. Es ist kein Liebesroman, obwohl es hier auch um Gefühle und Emotionen geht.

Zu einem erzählt der Autor über das unruhige Europa in den Jahren 2015 bis jetzt. Vor allem die griechische Finanzkrise und die aktuelle Flüchtlingspolitik dominieren in diesem Roman. Auch die Terroranschläge in Paris und später in Nizza wurden thematisiert. Der Autor bleibt bei all diesen Themen nicht passiv, er äußert seine Meinung dazu, zieht Vergleiche, kritisiert.

In dem zweiten Handlungsstrang geht es um die Flucht der Deutschen am Ende des Zweiten Weltkrieges. Die Hauptperson ist hier die Oma von Francois, die mit ihrer Stiefmutter ihr Heimatdorf verlassen musste. In wenigen kurzen Kapiteln wurden Episoden der Flucht beschrieben.

Ich habe von diesem Roman mehr erwartet; mehr Gefühl, mehr Emotionen. Die Problematik beider Handlungsstränge ist zweifellos hoch interessant. Während der Autor die aktuelle Flüchtlingspolitik breit thematisiert, wurde die Flucht 1945 nur am Rande behandelt. Vor allem der Erzählstrang über die aktuellen Ereignisse wirkt mehr wie ein Bericht, wie eine emotionslose Reportage, die nicht richtig berühren kann.

Die wahre Liebe, die der Titel und das Cover des Buches suggerieren, wurde nur gelegentlich und dann kurz zum Schluss behandelt. Sehr schade eigentlich, weil der Autor so schön über die Liebe schreiben kann: „Du wirst die kleinen Träume auch haben, die kleinen schönen Träume, ich spüre es, ganz bestimmt.“ (Zitat Seite 178)

Alexander Oetker zeichnet in seinem Roman ein lebendiges Bild unserer europäischen Gesellschaft, das sehr interessant aber auch polemisch wirkt.

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Veröffentlicht am 29.09.2020

Geschichten aus dem Mittelalter

Der Halbbart
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Der Roman „Der Halbbart“ versetzt den Leser nach Schwyz im Jahre 1313. In einem kleinen Dorf wohnt Eusebius, mit seiner Mutter und zwei älteren Brüdern Geni und Poli. Eusebius, den alle Sebi nennen, ist ...

Der Roman „Der Halbbart“ versetzt den Leser nach Schwyz im Jahre 1313. In einem kleinen Dorf wohnt Eusebius, mit seiner Mutter und zwei älteren Brüdern Geni und Poli. Eusebius, den alle Sebi nennen, ist ein aufgeweckter Junge und sehr guter Beobachter.
Als eines Tages ein Fremder im Dorf erscheint, der man aufgrund seines Aussehens Halbbart nennt, sucht Sebi seine Gesellschaft und versucht so viel wie möglich von ihm zu lernen. Der Halbbart scheint ein Mann mit vielen praktischen Fähigkeiten zu sein und er hilft gerne den Menschen im Dorf. Nur über seine tragische Vergangenheit möchte er lieber nicht sprechen.


Dieses Buch hat mich sofort in seinen Bann gezogen. Im Mittelpunkt steht natürlich Sebi, der die ganze Geschichte erzählt. Er ist ein aufgeweckter Junge, der gut beobachten und noch besser erzählen kann. Er wächst in einer Welt, in der der Glaube und Aberglaube den Alltag beeinflussen und die prägen nachhaltig auch seine Gedanken und Geschichten.
Mit den Augen des 13-jährigen Buben konnte ich in diese mittelalterliche Welt eintauchen und das mühsame Leben der Dorfbewohner betrachten. Mit der Naivität eines Kindes erzählt Sebi über den Alltag der ungebildeten Menschen, über das scheinbar bessere Leben der Reicheren im Dorf und den enormen Einfluss der Kirche. Seine Erzählungen sind so offen, aufrichtig und unkritisch, dass man über seine kindliche Naivität oft schmunzeln muss.
Der geheimnisvolle Halbbart spielt eine große Rolle im Sebis Leben. Es ist offensichtlich, dass der Halbbart ein gebildeter Mensch ist und viel, nicht nur Gutes, in seinem Leben mitmachen müsste. Sein Wissen teilt er gern mit Sebi, der ihn von Anfang an als einen Freund und nicht als einen Fremden behandelt.
Natürlich kommen auch die geschichtlichen Ereignisse in diesem Roman vor. Sebi und seine Brüder wurden in diese Geschehnisse verwickelt. Dazu gibt der Autor zwar keine Quellennachweise, dafür aber erzählt viele interessante Geschichten. Wieviel sie der Wahrheit entsprechen, müsste man es selbst herausfinden. Denn in dem Interview für Literatur-Lounge sagt der Autor selbst:
Ein Roman soll keine Unterrichtsstunde sein. Es geht nicht um Geschichte, sondern um Geschichten.

FAZIT:
„Der Halbbart“ von Charles Lewinsky ist ein wunderbarer Roman voller Geschichten, Märchen und Weisheiten, die das Herz jedes Lesers berühren. Obwohl es eine Geschichte über das Mittelalter ist, ist sie in vielen Punkten aktueller denn je. Wunderschön erzählt, berührend, aufschlussreich – einfach lesenswert!

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