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Veröffentlicht am 11.09.2020

Es brennt

Der brennende See
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Der Autor hat mich mit seiner Sprache für sich eingenommen, weniger die Geschichte war es, der ich folgte, sondern seinen Worten. Der Autor schafft es nicht nur Situationen, Geschehnisse und Menschen ...

Der Autor hat mich mit seiner Sprache für sich eingenommen, weniger die Geschichte war es, der ich folgte, sondern seinen Worten. Der Autor schafft es nicht nur Situationen, Geschehnisse und Menschen zu beschreiben und dies zu verschriftlichen, sondern er schafft Atmosphäre. Die kleinen Dinge, die Dinge, die eine Situation ausmachen beschreibt er, als wäre er dabei gewesen, als hätte er die Situation vor Augen und alles ganz genau beobachtet, in sich eingesogen und es nun an Lesern*innen weitergegeben.
Der erste Teil des Romans befasst sich in der Hauptsache mit d und Bekannte ihres Vater. Nach und nach kommt Julia ins Spiel und die Frage wer sie ist, wer sie für ihren Vater war und in welcher Beziehung sie zu Hannah steht, welche Geheimnisse ihr Vater hatte. Dieser Teil wird sehr politisch, Friday-for-Future ist ein großes Thema und die Frage welche Verantwortung unsere Generation trägt, eine Genration, die irgendwie dazwischen gerät, zwischen zwei Generationen, der 68'er-Bewegung und der Jugendbewegung heute, in einer Zeit, in der sich die Zukunft von uns allen rapide verändert und bewegt.
"Aber erklär das mal einem Mädchen, das sich gar nichts mehr sagen lässt! ...in ihrer Antihaltung so was von unbeirrbar und radikal, weil sie unterstellt, dass wir Erwachsenen sie grundsätzlich belügen."

Ein spannendes und abwechslungsreiches Buch, es spricht viele wichtige Lebensbereiche an, sei es Abschied und Neuanfang, Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft, persönliche Entwicklung, dass derselbe Himmel bei weitem nicht der gleiche Horizont ist und dass es sich immer lohnt über den Tellerrand hinaus zu schauen. Ein Roman, der nachdenklich stimmt und ein Autor mit einer ganz besonderen Beobachtung gsgabe. Für mich ist klar, dass es nicht das letzte Buch des Autors für mich ist.m
"Der brennende See" ist ein Roman für Jung und Alt.

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Veröffentlicht am 11.09.2020

Spannend mit vielen Wendungen

Der Fall Alice im Wunderland
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Als großer Fan von ‘Alice im Wunderland’ hat mich dieses Buch magisch angezogen, der Hut, die Taschenuhr, der Titel, Logikprofessoren, eine Bruderschaft...musste ich haben. Der Krimi ist in der Ich-Perspektive ...

Als großer Fan von ‘Alice im Wunderland’ hat mich dieses Buch magisch angezogen, der Hut, die Taschenuhr, der Titel, Logikprofessoren, eine Bruderschaft...musste ich haben. Der Krimi ist in der Ich-Perspektive des argentinischen Doktoranden G. geschrieben. G. ist natürlich nicht sein richtiger Name, aber Aussprache und Schreibweise scheinen so schwierig zu sein, dass er der Einfachheit halber G. genannt wird. Dank eines Stipendiums reiste er ein Jahr zuvor nach England um dort in Oxford Logik zu studieren, beim hoch angesehenen Arthur Sheldom. "Der Fall Alice im Wunderland" ist bereits der zweite Teil um diese beide Logikprofis, denn zeitgleich erschien auch Teil eins: "Die Oxford Morde" , was ich bislang noch nicht gelesen habe, aber sicher irgendwann nachholen werde. Der mehr oder weniger namenlose Ich-Erzähler ist ein sympathischer Charakter, ebenso sein Doktorvater A. Sheldom. Die verübten Morde werden eher durch Zufall mit ‘Alice im Wunderland’ in Verbindung gebracht.
Das Rätsel und welches Geheimnis diese Seite des Tagebuches enthält ist lange auch für die Leserinnen geheim und lässt eine gewisse Spannung entstehen, ebenso die Frage nach dem/der Mörderin, da war ich tatsächlich lange auf der falschen Fährte und hatte jemand anderen im Visier. Im Zentrum stehen die Aufklärung der Morde und die Suche nach dem Motiv, im Grunde das Finden der Logik dieser Verbrechen.

Sehr interessant fand ich die biographischen Informationen über Lewis Carroll, die durch die Unterhaltungen zwischen den Mitgliedern der fiktiven Bruderschaft transportiert werden, sehr nah an der Realität und seiner wirklichen Biografie, jedoch keine leichte Kost, schließlich wurde ihm unterstellt, dass sein Hobby, die Fotografie junger Mädchen in gewissen Posen, nichts mit Interesse oder Normalität in der viktorianischen Zeit zu tun haben, sondern schlicht mit Pädophilie. Dieses Thema nimmt viel Raum ein. Es hagelt relativ viele Namen, manche Personen werden etwas genauer beschrieben, sodass es mir da leichter fiel mir die Namen zu merken, aber aufgrund der Anzahl ist es verständlich, dass die Figuren nicht mit allzu viel Tiefe ausgearbeitet sind. Ich habe das Buch in drei Tagen gelesen, sodass Namen und Personen nicht in Vergessenheit gerieten (Namen zu merken fällt mir nämlich wirklich schwer). Weiterhin empfand ich es etwas verwirrend, dass es Ende der Neunziger spielt, jedoch der Eindruck einer viel früheren Zeit vermittelt wird, ich habe zeitweise nur auf Pferde samt Kutsche gewartet oder Telefone mit Wählscheibe und die Vermittlung auf der anderen Seite der Leitung.

Der Schreibstil ist absolut flüssig und ich persönlich mag die argentinischen Autor*innen grundsätzlich gerne. Atmosphärisch angenehm und leicht zu lesen, insbesondere in der aktuell doch sehr angespannten Zeit, der Hektik und unglaublich viel Arbeit war es einfach eine willkommene Abwechslung und es war möglich dem Roman auch abends im Bett nach einem anstrengenden Tag noch zu folgen und das ohne zu große Anspannung durch den Verlauf der Geschichte.

Ein interessanter Kriminalroman mit überraschender Wendung und der Suche nach der Logik der Verbrechen. Viele interessante Infos zu ‘Alice im Wunderland’ und Lewis Carroll. Angenehmer Lesefluss und nette Charaktere. Für gemütliche Abende und zum Abschalten eine wohl dosierte Spannung.

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Veröffentlicht am 22.10.2020

Coming-of-Age zur Wendezeit

Am Rand der Dächer
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Lorenz Just nimmt Leserinnen mit ins Berlin der Wendezeit bis hin zum neuen Jahrtausend. Man trifft auf drei Jungs, die Freunde Andrej, seinen Bruder Anton und seinen besten Freund Simon, die ihren Weg ...

Lorenz Just nimmt Leserinnen mit ins Berlin der Wendezeit bis hin zum neuen Jahrtausend. Man trifft auf drei Jungs, die Freunde Andrej, seinen Bruder Anton und seinen besten Freund Simon, die ihren Weg suchen in einer Zeit des Um- und Aufbruchs, aber auch des Abstieges. Zwei Freunde, die durch Dick und Dünn gehen, heranwachsen, auf Abwege geraten und dunkle Hinterhöfe, besondere Menschen, die Dächer Berlins und sich selber kennenlernen.

“Am Rand der Dächer” ist ein Coming-of-Age-Roman, Schauplatz der Geschichte ist das Berlin von der Wendezeit bis zum Jahrtausendwechsel. Die drei Jungs, die den Mittelpunkt des Romans bilden, Andrej und sein Bruder Anton, sowie Simon, erleben Leser
innen in ihrer Jugendzeit, das Heranwachsen, sich ausprobieren, Grenzen überschreiten und die Suche nach der eigenen Identität. Aus geordneten Verhältnissen stammend stromern sie hinaus die Welt, die sich um sie herum neu ordnet, eine Zeit des Um- und Aufbruchs, eine Zeit der Reise in eine neue, andere Zukunft, der Chancen und Möglichkeiten, positiv, wie negativ.
Ort und Zeit spielten für mich gefühlt eine eher untergeordnete Rolle, vordergründig befasste sich die Ich-Erzählung von Andrej, rückblickend auf seine Jugendzeit, mit der Freundschaft zu Simon und deren gemeinsamen Erlebnisse.

Die Sprache des Autors empfand ich teils als etwas unausgewogen, zwar poetisch und zwischenzeitlich auch märchenhaft, es gibt viele gelungene Metaphern und Vergleiche, u.a. zu Inhalten von Michael Endes Romanen, aber stellenweisen fabuliert der Autor für meine Begriffe zu ausufernd, nicht unbedingt störend, dennoch empfand ich Längen, welche meinen Lesefluss beeinträchtigten. Was ihm in meinen Augen gelungen ist, ist, dass er die Stimmung, melancholisch und dicht, durchgängig aufrecht hält und Andrej’s Erinnerung und Erzählung seiner Jugendzeit somit authentisch wirkt.

Ein Coming-of-Age-Roman, Kinder der 90’er in Berlin. Für Leser*innen, die explizit eine Schilderung einer Jugend während der Wendezeit als Mittelpunkt wünschen nicht geeignet, wer jedoch eine Erzählung über das Heranwachsen dreier Jungs mit interessanter, eigener, teils poetischer Sprache sucht , dem ist dieses Buch zu empfehlen.

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