Profilbild von NobbyR

NobbyR

Lesejury Profi
offline

NobbyR ist Mitglied der Lesejury

Melde dich in der Lesejury an, um dich mit NobbyR über deine Lieblingsbücher auszutauschen.

Anmelden

Meinungen aus der Lesejury

Veröffentlicht am 26.10.2020

Magisches Abenteuer

Diebe der Nacht
0

"Diebe der Nacht" von Thilo Corzilius ist ein bei Klett-Kotta erschienener Fantasy-Roman mit Elementen des Steampunk.

Worum es geht
Hauptfigur ist der junge Glin, der einer Gruppe fahrender Schauspieler ...

"Diebe der Nacht" von Thilo Corzilius ist ein bei Klett-Kotta erschienener Fantasy-Roman mit Elementen des Steampunk.

Worum es geht
Hauptfigur ist der junge Glin, der einer Gruppe fahrender Schauspieler eines mechanischen Theaters angehört, die sich Herbstgänger nennt. Sie führen selbst ausgedachte Theaterstücke auf, die ihre Publikum auch mit chemischen und mechanischen Spezialeffekten unterhalten. Doch das Theaterensemble ist nur eine Fassade, die dazu dient Raubzüge zu tarnen, denn in Wirklichkeit sind die Herbstgänger Meisterdiebe und Trickbetrüger und haben schon manch einen spektakulären Coup gelandet. Und so planen sie, als das Theater in der sagenhaften Lagunenstadt Mosmerano gastiert, in Wirklichkeit einen Kunstraub. Sie wollen ein mysteriöses Gemälde, das offiziell gar nicht existiert, aus dem Tresor des Erzherzogs stehlen. Jedes Mitglied der Theatergesellschaft hat neben der Schauspielerei besondere Fähigkeiten, die ihnen sowohl auf der Bühne als auch bei ihren Einbrüchen nützlich sind: Es gibt Akrobaten, Mechanisten, Chemistiker und Kämpfer. Glin, der Ziehsohn des Ensemblegründers und -leiters Talmo, ist als Gehirn der Truppe für die minutiöse Planung zuständig. Als jedoch bei einer Vorstellung jemand aus Talmos Vergangenheit aufkreuzt, der skrupelloser Magier Aurinius von Veelyn, stehen die Herbstgänger plötzlich zwischen den Fronten und müssen all ihr Geschick aufbieten, um inmitten einer politischen Intrige um uralte Zauberkünste einerseits Vergeltung zu üben, andererseits mit heiler Haut davon zu kommen und trotzdem noch ihren Raub durchzuziehen und so Profit zu schlagen.

Kritik
Obwohl der Ort der Handlung, Mosmerano, ganz offensichtlich Venedig nachempfunden ist, hat Thilo Corzilius hier einen fantastischen Kosmos erschaffen, den er "Ruhende Welt" nennt und zu der auch ganz eigene Religionen mit Göttern, eine andere Zeitrechnung, Sprache und natürlichen Länder gehören. Das ganze ist detailreich, atmosphärisch dicht und fesselnd beschrieben. Protagonist Glin steht jedoch nicht allein im Mittelpunkt, sondern auch den anderen Figuren wird genügend Raum gelassen, sich zu entwickeln. Da wären vor allem die anderen Mitglieder der Herbstgänger: neben Glins Adoptivvater und Mechanist Talmo Melisma der erfindungsreiche Chemistiker Shalimo, die Schaupieldiva Madeire, die im Umgang mit Schwertern und Messern begabte Kriegerin Yrrein, der nie um einen Scherz oder derben Fluch verlegene Priester Falk und die Akrobatin und affengleiche Kletterkünstlerin Sira. Sie alle spielen in diesem fesselnden Abenteuer eine Rolle und sind so skurril geschildert, dass man als Leser schnell den Einstieg findet und sie ins Herz schließt. Während anfangs alles nach Plan zu lauen scheint, entwickeln sich rasch ungeahnte Schwierigkeiten bis hin zu einer Katastrophe, die im Laufe der mit zahlreichen überraschenden Wendungen gespickten Handlung wächst und schließlich die gesamte Welt bedroht.

Bis auf ein paar Rückblenden linear erzählt wird die abwechslungsreiche Geschichte von einem personalen Erzähler, der wechselnden Figuren folgt. Corzilius' flüssiger Schreibstil ist modern und angenehm zu lesen. Actionlastige Passagen wechseln sich mit traurigen, humorvollen und geheimnisvollen Szenen ab, so dass sich ein durchgehender Spannungsbogen ergibt, der auch unterhaltsame Nebenhandlungen enthält, beispielsweise wir die Herbstgänger wie sie mit List einen Maler dazu bringen ein bestimmtes Gemälde zu erstellen oder wie sie in einem Bordell Unterschlupf finden. Durch die Rückblenden, in denen vor allem die Vorgeschichte der Charaktere beleuchtet wird, gewinnen die Figuren an Tiefe und werden für den Leser greifbarer, ihr Handeln nachvollziehbarer. Am Ende wartet dann ein wieder actionreicher, aber auch emotionaler Showdown, wobei Abschluss Raum für eine mögliche Fortsetzung lässt.

Fazit
Insgesamt ist "Diebe der Nacht" ein höchst gelungener, abenteuerlicher Fantasy-Roman mit viel Magie und Steampunk-Elementen, der packend erzählt ist. Für mich ein Lesehighlight des Jahres 2020!

  • Einzelne Kategorien
  • Cover
  • Erzählstil
  • Handlung
  • Charaktere
Veröffentlicht am 23.09.2020

Verdienter Gewinner des Locus-Awards

Ich bin Gideon
0




Ich habe das Buch im englischen Original gelesen, kann also zur Qualität der deutschen Übersetzung nichts sagen.

Der Science-Fantasy-Roman "Gideon the Ninth" ist der erste veröffentlichte Roman der ...




Ich habe das Buch im englischen Original gelesen, kann also zur Qualität der deutschen Übersetzung nichts sagen.

Der Science-Fantasy-Roman "Gideon the Ninth" ist der erste veröffentlichte Roman der neuseeländischen Autorin Tamsyn Muir und Auftakt zur Locked-Tomb-Trilogie. Im englischsprachichen Raum wurde das Buch mit den Schlagworten "lesbische Nekromanten im All" beworben, was den Inhalt nur unzureichend beschreibt, denn Nekromanten stehen zwar im Mittelpunkt des Geschehens, aber Homosexualität spielt allenfalls eine Nebenrolle und der wesentliche Handlungsort ist nicht das Weltall.

Tamsyn Muir hat für "Gideon the Ninth" den Locus-Award für den besten Erstlingsroman 2019 gewonnen.

Worum es geht
Als die 18-jährige Waise Gideon Nav versucht, von dem Planeten zu fliehen, der vom Neunten Haus kontrolliert wird und wo sie in Leibeigenschaft aufgewachsen ist, wird ihr Vorhaben von der Thronerbin des Neunten Hauses, Harrowhark "Harrow" Nonagesimus, vereitelt. Sie überredet Gideon, als ihr Oberster Kavalier zu dienen und sie bei Harrows Bestreben zu unterstützen, Lyktor des Imperators zu werden. Im Gegenzug verspricht sie Gideon die Freiheit. Obwohl fortschrittliche Technologie vorhanden ist, kämpfen Kavaliere mit einem Rapier und einer ergänzenden Nebenhandwaffe wie beispielsweise einem Dolch. Harrow und Gideon reisen zum Planeten, der vom Ersten Haus regiert wird, wo sie zusammen mit den Erben und Kavalieren der anderen Häuser ein heruntergekommenes Herrenhaus erkunden, das als Canaan-Haus bekannt ist. Bei ihrer Erforschung von Canaan-Haus entdecken sie alte Experimente und müssen Aufgaben lösen, die mächtige nekromantische Methoden enthüllen. Nach einer Reihe unerklärlicher Todesfälle greifen die verbleibenden Häuser zu Bestechung, Erpressung und wechselnden Allianzen, um zu überleben.

Kritik
Tamsyn Muir wirft ihre Leser ohne weitschweifige Erklärungen in eine geheimnisvolle Welt, die eine faszinierende Mischung aus Science-Fiction- und Fantasy-Elementen ist. Noch dazu greift sie zu einer personalen Erzählerin (Gideon), die insofern unzuverlässig ist, als dass sie selbst nur wenig über die Hintergründe des Geschehens weiß. Gleichzeitig jongliert die Autorin mit einer Vielzahl von Figuren mit nicht immer leicht zu merkenden Namen, so dass man leicht die Übersicht verlieren könnte, gäbe es nicht am Anfang ein Auflistung, zu der man immer mal wieder zurückblättern kann. Das kann irritieren, aber der lockere Schreibstil, der zwischen teils historischen Begriffen und einer schnodderigen Sprache changiert, und der immer wieder durchblitzende Humor in dem ansonsten düsteren Setting lassen einen trotzdem leicht durchhalten. Nach und nach erfährt man dann mehr über die Zusammenhänge und die Figuren. Ungefähr ab der Mitte entwickelt sich die Geschichte dann zu einer Art klassischem Whodunit-Krimi mit einer Variation des "Und dann gab's keines mehr" Themas. Ab hier gewinnt der Roman zunehmend an Tempo.

Dass Gideon auf Frauen steht, wird an mehreren Stellen deutlich, ohne dass dies in irgendeiner Weise näher diskutiert wird oder für die Geschichte von besonderer Bedeutung wäre. Mit Harrowhark verbindet sie eine über Jahre gewachsene Hassliebe, die dazu führt, dass die beiden sich seit ihrer Kindheit regelmäßig gegenseitig provozieren und quälen. Gleichzeitig steht Gideon unverrückbar treu zu ihrer Nekromantin, ob aus Eigennutz oder aus Vertrautheit ist lange unklar. Beide Charaktere durchlaufen im Zuge der Handlung eine innere wie äußere Entwicklung. Überhaupt sind Gideon und Harrow zwei der interessantesten Romanfiguren seit langem: starke, selbstbewusste, vielschichtige, intelligente Heldinnen, die auf den ersten Blick nicht unbedingt sympathisch wirken, aber unter ihrer harten Schale eine anrührende Verletzlichkeit verbergen. Während Harrowhark eher ein übersinnlicher Nerd ist, verfügt Gideon über Instinkt und Bauerschläue. Beide sind mir schnell ans Herz gewachsen, so dass das Ende eine ziemliche Überraschung war, die ich an dieser Stelle natürlich nicht verraten möchte.

Fazit

"Giden the Ninth" ist kein Buch, dass man nebenbei schnell durchliest, sondern bedarf einer gewissen Aufmerksamkeit. Wahrscheinlich wird man sogar bei der Lektüre der Fortsetzung(en) nochmals darauf zurückgreifen und Dinge nachschlagen, wenn Passagen plötzlich in neuem Licht erscheinen. Aber wer durchhält, wird mit einer fesselnden Geschichte, außergewöhnlichem Worldbuidung und jeder Menge Sense of Wonder belohnt.

Ich freue mich schon auf "Harrow the Ninth".

  • Einzelne Kategorien
  • Cover
  • Erzählstil
  • Handlung
  • Charaktere
Veröffentlicht am 19.09.2020

Bitterböse Satire

Das Palais muss brennen
0

Vorab vielen Dank an den Verlag Kiepenheuer & Witsch sowie NetGalleyDE, dass ich dieses Buch für eine ehrliche Rezension vorab lesen durfte.

"Das Palais muss brennen" ist das Romandebüt der österreichischen ...

Vorab vielen Dank an den Verlag Kiepenheuer & Witsch sowie NetGalleyDE, dass ich dieses Buch für eine ehrliche Rezension vorab lesen durfte.

"Das Palais muss brennen" ist das Romandebüt der österreichischen Autorin Mercedes Spannnagel, die für ihre Texte schon mehrfach ausgezeichnet wurde. Mit knapp unter 200 Seiten eher ein literarischer Snack als ein episches Werk.

Worum es geht
Im Mittelpunkt der bitterbösen Geschichte steht Luise, deren Mutter die rechtskonservative Bundespräsidentin Österreichs ist und mit der sie sich im Dauerclinch befindet. Sie lässt kaum eine Gelegenheit aus, ihre Mutter zu provozieren: Sei es, dass sie sich als Kontrast zu deren neun edlen Windhunden einen Mops zulegt, den sie Marx tauft, oder eine High-Society-Jagdgesellschaft dadurch torpediert, dass sie deren Waffen im Swimmingpool versenkt. Auch politisch lehnt Luise die Partei ihrer Mutter ab, möchte am liebsten die amtierende Regierung durch eine Kunstaktion mit ihrer Schwester Yara zum Wiener Opernball stürzen. Doch es läuft nicht ganz so wie geplant.

Kritik
Die Thematik des erstarkenden Rechtspopulismus in Europa ist brandaktuell. Der Roman zeichnet am Beispiel der österreichischen Republik scharfzüngig das realistische Bild einer tief gespaltenen Gesellschaft. Dabei ist "Das Palais muss brennen" aber keine todernste Politdystopie, sondern eine rasante, witzige Satire über Widerstand im Spannungsfeld zwischen post-pubertärer Rebellion und politischer Opposition. Mit frischer Sprache erzählt Mercedes Spannagel, wie eine vordergründig auf Moral und Ordnung pochende, darunter aber korrupte rechte Elite von ihren eigenen Kindern gestürzt werden kann. Das ist nicht nur unterhaltsam, sondern regt auch zum Nachdenken an. So manchem realen Politiker würde man ein Tochter wie Luisa wünschen.

Fazit
Klare Kaufempfehlung!

  • Einzelne Kategorien
  • Cover
  • Erzählstil
  • Handlung
  • Charaktere
Veröffentlicht am 03.09.2020

Packender Near Future Katastrophenthriller

Vakuum
0

Vielen Dank an Fischer-TOR und NetGalley, dass ich diesen Roman im Austausch für eine unabhängige Rezension lesen durfte.

Der Katastrophenthriller "Vakuum" von Phillip P. Peterson, bekannt unter anderem ...

Vielen Dank an Fischer-TOR und NetGalley, dass ich diesen Roman im Austausch für eine unabhängige Rezension lesen durfte.

Der Katastrophenthriller "Vakuum" von Phillip P. Peterson, bekannt unter anderem durch seine erfolgreiche "Transport"-Reihe, ist am ehesten der Hard Science Fiction zuzuordnen, auch wenn er in der Gegenwart oder allenfalls nahen Zukunft spielt.

Die Menschheit sieht sich unvermittelt mit einer Bedrohung von kosmischen Ausmaßen konfrontiert, als die Physikerin Susan Boyle bei der Überwachung eines Neutrino-Teleskops ein starkes Signal aus der Richtung eines nahen Sternhaufens empfängt und schließlich sukzessive Sterne vom Himmel verschwinden. Zur gleichen Zeit steht der Astronaut Colin Curtis kurz vor seiner Landung auf dem Mond, als die Crew ein unbekanntes Raumschiff entdeckt, das sich mit nahezu Lichtgeschwindigkeit dem Sonnensystem nähert und eine Funkbotschaft aus physikalischen Formeln sendet, bevor es wieder flüchtet. Die Nachforschungen zeigen, dass aus dem Weltraum ein Phänomen auf die Erde zukommt, das die Existenz des gesamten Universums bedroht. Die drohende Katastrophe führt die USA an den Rand des Unterganges.

Aus wechselnden Perspektiven erzählt der Autor in 65 relativ kurzen, weitgehend chronologisch aufgebauten Kapiteln, wie die Gesellschaft und vor allem die Wissenschaft mit einer kosmischen Gefahr unvorstellbaren Ausmaßes umgehen, wobei Astronaut Colin und Physikerin Susan sind Hauptfiguren sind. Beide sind keine klassischen Heldenfiguren: er ein Womanizer, sie ein Workaholic. Doch ihre Schilderung mit Ecken und Kanten macht sie realistisch, und durch die Entwicklung, die sie im Verlauf des Romans durchmachen, werden sie sympathisch. Eingestreut in die Handlung sind − teils in Dialogform − wissenschaftliche Hintergrundinformationen, was eingangs ein wenig aufgesetzt wirken mag. Doch durch die häufigen Perspektivenwechsel und die kurzen Kapitel verfügt der Roman über ein hohes Tempo, so dass man immer wieder geneigt ist, zumindest noch einen Abschnitt zu lesen. Und im weiteren Verlauf sind diese technologischen und astrophysikalischen Details besser in die Handlung eingebettet. Am Ende gelingt es Peterson die Handlungsfäden zu einem schlüssigen Ganzen zusammenzuführen. Gewohnt stilsicher und packend schildert der Autor ein düsteres Zukunftsszenario. Was vielleicht ein wenig zu kurz kommt, sind die emotionalen Aspekte einer solchen Katastrophe, da ein naturwissenschaftlich-analytische Herangehensweise im Vordergrund steht.

Insgesamt ist "Vakuum" ein fesselnder Science-Fiction-Thriller, der sich nicht hinter vergleichbaren Werken anglo-amerikanischer Autoren verstecken muss. Andreas Eschbach wird zu diesem Roman mit den Worten zitiert: "Das ist der endgültigste Katastrophenthriller, der je geschrieben wurde. Und das denkbar tollkühnste Rettungsunternehmen. Großartig!" Dem kann man vorbehaltlos zustimmen.

  • Einzelne Kategorien
  • Cover
  • Erzählstil
  • Handlung
  • Charaktere
Veröffentlicht am 02.09.2020

Fesselnder Psychothriller

Schrei nach Rache
10

Der Roman „Schrei nach Rache“ ist Matthias Bürgels zweiter Thriller um den nach einem Unfall querschnittgelähmten Profiler Falk Hagedorn.

Worum es geht
An vier deutschen Flughäfen wird innerhalb kurzer ...

Der Roman „Schrei nach Rache“ ist Matthias Bürgels zweiter Thriller um den nach einem Unfall querschnittgelähmten Profiler Falk Hagedorn.

Worum es geht
An vier deutschen Flughäfen wird innerhalb kurzer Zeit jeweils die grausam zugerichtete Leiche eines Mannes aufgefunden. Obwohl es zunächst keine erkennbaren Gemeinsamkeiten zwischen den Ermordeten gibt, weisen die Tatortspuren auf einen Serientäter hin. Die ermittelnden Beamten des LKA sind jedoch überrascht, als sich herausstellt, dass die hinterlassenen DNA-Spuren von einer Frau stammen. Daraufhin bittet das LKA den griesgrämigen Fallanalytiker Falk Hagedorn, der eigentlich nicht mehr für die Polizei tätig werden will, als externer Berater ein Profil der Täterin zu entwerfen. Widerstrebend lässt sich der an den Rollstuhl gefesselte Hagedorn auf den Auftrag ein. Doch anhand seines Psychogramms keimt in ihm der Verdacht, dass er die Mörderin persönlich kennen könnte. Der sich daraus entwickelnde Fall fordert Hagedorn physisch und psychisch bis auf das Äußerste.

Kritik
Wenn ein Autor, der im Hauptberuf Polizist im Range eines Kriminalhauptkommissars ist, Kriminalromane schreibt, darf man als Leser ein gehörige Portion Realismus erwarten, denn schließlich weiß der Mann, wovon er spricht. Nun ist echte Fahndung nicht immer so spannend wie fiktive, so dass es gilt, einen Mittelweg zwischen Dramaturgie und Authenzitätsanspruch, den man als Fachmann sicherlich an sich selbst hat, zu finden. Vielleicht ist es da von Vorteil, dass hier weniger die polizeiprozedurlichen Ermittlungen im Zentrum stehen als die Leistungen eines Fallanalytikers sowie zwischenmenschliche Beziehungen und seelische Abgründe. „Schrei nach Rache“ ist nach „Dunkler Hass“ der zweite Auftritt des als knorrig beschriebenen Psychotherapeuten und Profilers Falk Hagedorn, und der Thriller dreht sich wie sein Vorgänger um einen Serienmörder, wobei es Matthias Bürgel durchaus gelingt, dem Thema einen originellen Twist zu geben, da es sich hier – ohne jetzt zu viel zu verraten – um keinen typischen Serienkiller handelt. Doch auch wenn die reine Polizeiarbeit eher in der Nebenhandlung vorkommt, hat man doch den Eindruck, dass diese glaubwürdiger geschildert ist als in den meisten Krimis. Hier brillieren in vielerlei Hinsicht Fachwissen und saubere Recherche.

Hagedorn ist eine tatkräftige Figur mit Ecken und Kanten, die einem bei aller Kauzigkeit schnell sympathisch wird. Seine Behinderung wird thematisiert, aber nicht problematisiert. Ein beträchtlicher Teil der Handlung wird aus seiner Perspektive erzählt. Auch die ermittelnde Beamtin Nadine Adler, Kriminalrätin des Landeskriminalamtes und Leiterin der Sonderkommission, ist ein interessanter Charakter mit Stärken und Schwächen. Die beiden ergänzen sich zu einem guten Team, von dem man gerne mehr lesen möchte.

Bürgel versteht es, vom Prolog an fesselnde Spannung aufzubauen, und verknüpft nach und nach die einzelnen Handlungsfäden in sich schlüssig, bis sich aus dem Puzzle ein Gesamtbild ergibt. Die verschiedenen Handlungsorte, Personen und Geschehnisse fordern die Aufmerksamkeit des Lesers. Doch als die Täterin feststeht, folgt eine überraschende Wendung bis zu einem dramatischen und tragischen Showdown, der schockiert. Der Schreibstil ist modern, locker, unterhaltsam und flüssig lesbar. Das Ende lässt auf eine Fortsetzung hoffen.

Fazit
Insgesamt ist „Schrei nach Rache“ ein rasanter Thriller, der sich hervorragend für einen entspannten Leseabend eignet.

  • Einzelne Kategorien
  • Handlung
  • Charaktere
  • Erzählstil
  • Cover
  • Spannung