Profilbild von marcello

marcello

Lesejury Star
offline

marcello ist Mitglied der Lesejury

Melde dich in der Lesejury an, um dich mit marcello über deine Lieblingsbücher auszutauschen.

Anmelden

Meinungen aus der Lesejury

Veröffentlicht am 18.04.2021

Extrem beeindruckend trotz stellenweiser Langatmigkeit

Das Lied der Krähen
0

Der Inhalt der Krähen-Dilogie, die hier mit "Das Lied der Krähen" startet, wird gemeinsam mit der Grisha-Trilogie zur neuen Netflix-Serie "Shadow and Bone" verflochten, was ich beim Lese natürlich im Hinterkopf ...

Der Inhalt der Krähen-Dilogie, die hier mit "Das Lied der Krähen" startet, wird gemeinsam mit der Grisha-Trilogie zur neuen Netflix-Serie "Shadow and Bone" verflochten, was ich beim Lese natürlich im Hinterkopf hatte. Das ist jedoch etwas heikel, denn zeitlich spielen die Reihen eigentlich versetzt, aber gewiss nicht parallel. Deswegen ist bereits im Vorfeld klar, dass der Inhalt von "Das Lied der Krähen" wohl stärker abgeändert wird, damit sich eine schlüssige Verzahnung ergeben kann. Dennoch habe ich diesen Gedanken erstmal beiseitegeschoben und mich ganz auf das Lesevergnügen konzentriert.

Relativ schnell bin ich beim Lesen von "Das Lied der Krähen" auf den Gedanken gekommen, dass es eigentlich fast nicht zu glauben ist, dass dieses und "Goldene Flammen" tatsächlich beide von derselben Autorin sein sollen, denn lustigerweise ergeben sich genau die gegensätzlichen Pro- und Kontra-Argumente in der Bewertung. Wo "Goldene Flammen" stellenweise oberflächlich war, sich aber kaum eine Pause gegönnt hat, ist "Das Lied der Krähen" teilweise langatmig, aber dafür enorm fokussiert und detailreich in der Charakterentwicklung. Aber dennoch wäre es gelogen zu behaupten, dass man Leigh Bardugos Stil letztlich nicht doch erkennt. Lustig ist es dennoch, dass ich nun komplett gegenteilige Rezensionen schreiben werden.

Dank der Grisha-Trilogie ist mir diesmal der Einstieg in die Welt von "Das Lied der Krähen" nicht so schwer gefallen. Zwar findet die Handlungen an völlig neuen Orten statt, aber dennoch finden wir uns erneut in der erschaffenen Welt von Bardugo wieder, die von ständigen Kriegen, neuen Allianzen und eben den Grishas geprägt ist. Jedoch gibt es eine Erweiterung um das Jurda Parem, eine Art Droge, die Fähigkeiten der Grisha verändert und damit auch verstärkt. Es gibt auch wieder neue Begrifflichkeiten, aber in all das findet man gut hinein. Zumal sich bereits hier die Liebe zum Detail auswirkt, da Ketterdam als neuer Handlungsort förmlich vor den Augen entsteht, da alles intensiv und anschaulich beschrieben wird. Während "Goldene Flammen" in vielen Elementen noch eher einem Jugendroman entsprach, habe ich diesen Gedanken bei "Das Lied der Krähen" nicht mehr gehabt. Zwar haben wir es erneut nicht mit erwachsenen Figuren zu tun, aber die sechs Hauptfiguren sind bereits so vom Leben gezeichnet, dass sie die Bitterkeit des Lebens bereits kennen. Sie haben keine Träume mehr, stattdessen kämpfen sie in einer komplizierten Welt ums ständige Überleben und können daher keine Gutmenschen sind. Das schafft atmosphärisch eine ganz andere Ausgangslage, die aber dann auch ganz hervorragend zur sich entwickelnden Handlung passt.

Das Geschehen wird aus mehreren Perspektiven erzählt, was es möglich macht, nahezu allen sechs Figuren ordentlich Raum zu gewähren. Einzig Wylan wird hier etwas stiefmütterlich behandelt, was ja möglicherweise im zweiten Band noch nachgeholt werden kann. Aber bei den anderen fünf wird eine höchst ambivalente Charakterentwicklung betrieben. Einzig Jasper ist davon eine Figur, die man auf Anhieb ins Herz schließt, weil er angesichts der düsteren Welt noch etwas Optimismus verbreitet. Die anderen sind zu sehr vom Leben gezeichnet und tragen ihr Innerstes nicht so offensichtlich nach außen. Aber man wird behutsam von Kapitel zu Kapitel tiefer in ihr Seelenleben hineingezogen und deswegen konnte ich nach Beendigung der Lektüre nur konstatieren, dass ich zu allen Figuren, so unterschiedlich sie doch waren, eine Verbindung aufgebaut bekommen habe. Das war Bardugo in dem Ausmaß bei "Goldene Flammen" noch nicht gelungen. Gleichzeitig hat diese Entscheidung für intensive Charakterentwicklungen den Nachteil, dass die Handlung stellenweise ausgebremst wird. Wenn gerade richtige spannende Sachen passieren, wird bei einem Teil des Kapitels ein Rückblick zu der Figur eingeschoben, die deren Handeln zwar erklärt, aber gleichzeitig das Geschehen in der Jetztzeit unnötig in die Länge zieht. In der Konsequenz hätte ich mich wahrscheinlich für einen etwas anderen Erzählstil entschieden. Im Grunde war alles richtig gemacht, aber vielleicht nicht immer ideal gegeneinander gesetzt.

Wenn man die Rückblenden zwischendurch mal ausspart und nur die Handlung der Gegenwart bedenkt, dann muss ich schon den Hut vor Bardugo ziehen, denn es ist eine extrem raffinierte, komplexe, exzentrische und einfach mitreißende Geschichte entstanden, die immer wieder etwas Neues zu bieten hatte. Zudem hat es mir gefallen, dass das Buch trotz minimaler Gewichtung gegen Kaz und Inej es geschafft hat, allen Charakteren ihren Teil einzuräumen. Sie mögen die Gesichter sein, aber nur alle zusammen sind sie das Herz dieser Operation. Kaz sticht sicherlich mit seinem Mastermind heraus und es ist wirklich faszinierend, wie er eine Eventualität nach der anderen schon längst bedacht hat, aber jede Figur wird für ihre besonderen Momente in Erinnerung bleiben. Zudem hat es unheimlich viele Wendungen gegeben, man konnte die Geschichte zu keinem Zeitpunkt vorausahnen, was angesichts so vieler Bücher im Genre Fantasy eigentlich unmöglich erscheint. Das macht in der Summe eine der intelligentesten Handlungsentwicklungen aus, die ich seit langem gelesen habe.

Fazit: "Das Lied der Krähen" ist atmosphärisch und stilistisch so ganz anders als die Grisha-Reihe, was aber nichts am Lesevergnügen ändert. Dieses ist schlichtweg anders, denn der Auftakt der Krähen-Dilogie überzeugt mehr mit Handlung, Charakterentwicklungen und Liebe zum Detail. Nach diesem echten Erlebnis kann ich ein gewisses Bauchgrummeln dennoch nicht leugnen, denn wie viel wird davon in "Shadow and Bone" zu erleben sein?

  • Einzelne Kategorien
  • Cover
  • Erzählstil
  • Handlung
  • Charaktere
Veröffentlicht am 11.04.2021

Emotionale Reise mit Protagonistin Kyra

Fadeaway
0

Ich habe mich auf Anabelle Stehls Debütroman „Breakaway“ wirklich sehr gefreut, weil ich die neue Autorin schon lange mit ihrem Blog begleite. Wie nicht anders zu erwarten, war das Erstlingswerk noch stark ...

Ich habe mich auf Anabelle Stehls Debütroman „Breakaway“ wirklich sehr gefreut, weil ich die neue Autorin schon lange mit ihrem Blog begleite. Wie nicht anders zu erwarten, war das Erstlingswerk noch stark ausbaufähig. So etwas muss angesprochen werden, ist aber wahrlich kein Drama. Denn Übung macht den Meister und dieses Motto kann man sogleich am zweiten Band „Fadeaway“ erkennen, denn es ist eine deutliche Steigerung zu beobachten.

Schon im ersten Band war Kyra eine wichtige Protagonistin, vor allem zum Ende hin und schon dort war klar, ihre Geschichte wird eine besondere und das hat sich mit jeder Faser dieses Buchs bestätigt. Da ich Anabelle wie gesagt schon länger verfolge, weiß ich, welche Themen sie bewegen, wofür sie sich einsetzt und da war kaum zu übersehen, dass Kyra ihre Einstellungen zu Feminismus, zu Diversität und zu Mut teilt. Es mag noch genug Komponenten geben, bei denen Kyra und Anabelle ganz unterschiedlich sind, aber ich hatte doch das Gefühl, dass Kyra ihr auf jeden Fall deutlich näher ist als Lia aus dem ersten Band. Und das hat man dann auch an der Qualität der Geschichte gemerkt. Es war direkt viel authentischer und Kyras ganzer Entwicklungsprozess war unheimlich ergreifend und nachvollziehbar gestaltet. „Fadeaway“ will natürlich auch eine Liebesgeschichte sein, aber es war deutlich zu erkennen, dass das Buch sogar ohne ausgekommen wäre und zu überzeugen gewusst hätte. Ich denke, das ist schon ein sehr großes Kompliment an die Erzählung.

Im ersten Band war es so, dass Lia mir nicht so packend gestaltet worden ist und ich Noah viel lieber mochte. Lustigerweise ist es hier genau andersherum. Ich mochte Kyra zu jedem einzelnen Zeitpunkt, selbst wenn sie völlig impulsiv agiert hat. Dafür war meine gemeinsame Geschichte mit Milan deutlich schleppender. Wie er zunächst gedanklich nur bei Handball war, wie er gegenüber Kyra bei der ersten Begegnung agiert hat, wie distanziert er auch teilweise mit seinen Freunden war, weil alles dem Handball untergeordnet ist. Das waren keine Sympathien auf den ersten Blick. Im Verlauf der Handlung löst sich dieser Eindruck auf, gleichzeitig zeigt sich aber auch, warum Milan anfangs so extrem gezeichnet worden ist. Denn so ist auch bei ihm die Entwicklung krasser zu sehen, die er durchläuft. Spätestens wenn es zwischen Milan und Kyra ernster wird, dann bestehen auch keine Zweifel mehr daran, dass er ein echt feiner Kerl ist und sie sich keinen besseren hätte wünschen können.

Aber auch hier wieder, die Liebesgeschichte ist da, aber sie ist nicht dominant. Was ich in anderen Büchern derbe kritisieren würde, fühlt sich hier aber völlig okay an, weil es eben vor allem um Kyra ging. Anfangs war ich irritiert, weil es lange gedauert hat, bis sich Kyra und Milan öfters und langanhaltend begegnet sind, aber ich habe irgendwann kapiert, dass „Fadeaway“ mit den Erwartungen spielt. Das mag einige enttäuscht haben, aber ich fand die Darstellung von Kyra, wie sie nach einer beinahe-Vergewaltigung Schritt für Schritt zurück zu sich selbst findet, sehr, sehr überzeugend.

Fazit: „Fadeaway“ ist eine deutliche Verbesserung gegenüber „Fadeaway“. Zum einen habe ich Anabelle deutlich herausgehört und gemerkt, dass ihr das Geschriebene eine Herzensangelegenheit war und zum anderen war Kyras Geschichte ein echtes Erlebnis. Die Liebesgeschichte kommt da fast etwas kurz, aber dennoch war auch diese eine deutliche Verbesserung gegenüber dem ersten Band. Weiter so!

  • Einzelne Kategorien
  • Cover
  • Erzählstil
  • Handlung
  • Charaktere
Veröffentlicht am 16.11.2020

Übertrifft den ersten Band beim weitem

Forever Mine - San Teresa University
0

Vor einem halben Jahr habe ich mit „Forever Free“ den ersten Band aus der „Forever“-Reihe von Kara Atkin gelesen. Mit schwerem Herzen habe ich drei Sterne gegeben, aber ein paar stilistische Mängel waren ...

Vor einem halben Jahr habe ich mit „Forever Free“ den ersten Band aus der „Forever“-Reihe von Kara Atkin gelesen. Mit schwerem Herzen habe ich drei Sterne gegeben, aber ein paar stilistische Mängel waren doch so schwerwiegend, dass ich für all die anderen tollen Ansätze nicht einfach mit der Bewertung übers Ziel hinausschießen konnte. Im Rückblick bin ich dankbar für diese Entscheidung, denn meine Hoffnung „dann macht es wahrscheinlich explosionsartig klick“ hat sich haargenau bestätigt.

Kate kannte man bereits aus „Forever Free“ und ich habe mich auf ihren Band sehr gefreut, da sie bereits beim ersten Kennenlernen eine durch und durch sympathische Persönlichkeit ist. Vielleicht kann ich ihre Geltungssucht in als Everbody’s Darling nicht recht nachvollziehen, aber sie ist in sich vollkommen logisch und nachvollziehbar gestaltet worden. Und trotz dieser oberflächlichen Welt, in der sie gerne agiert, ist sie sehr bodenständig und wohl die beste Freundin, die man sich wünschen könnte. Ihr gegenüber wurde mit Alec ein Neuling eingeführt, aber einer, der wirklich gut mithalten kann. Er ist zwar auch jemand, der wie Hunter gerne mal seine grummlige Seite auspackt, aber er ist ein Familienmensch, er ist ein treuer Freund und er ist jemand, der immer für das einsteht, woran er glaubt. Er ist in meinen Augen auch tausendmal besser als Hunter weggekommen, weil Alec von der Perspektivenverteilung her deutlich mehr Anteil bekommen hat als er. Zwar mag auch hier Kate die treibende Kraft gewesen sein, aber ich hatte dennoch das Gefühl, Alec zu kennen, ihn zu verstehen und das ist für mich das wichtigste Aspekt bei der Charakterarbeit.

Häufig laufen New Adult-Bücher so ab, dass die Figuren lange umeinander herumschleichen, bis sie sich letztlich aufeinander einlassen. Und dann gibt es die Bücher des Genres, die genau umgekehrt ablaufen. Dort gibt sich die Paarung zuerst der körperlichen Anziehung hin, um sich dann erst wirklich kennenzulernen. Auch wenn ich so meinen Traumprinzen selbst wohl nie finden werden, weil mir das emotionale immer wichtiger ist als die Anziehung, so finde ich diese Umkehrung immer wieder spannend zu lesen. Bei Kate und Alec hat es wirklich hervorragend geklappt, zumal es Atkin auch geschafft hat, dass diese benötigte körperliche Anziehung auch vom ersten Moment an auf den Leser übergesprungen ist. Wenn die beiden sich später wirklich kennenlernen, ist zwar die Luft ein wenig raus, weil das erste Mal schon hinter sich gebracht wurde, aber diese Fokussierung auf der emotionalen Ebene hat ebenso wunderbar geklappt und es hat wirklich viele tolle Momente gegeben, in denen man nur mitschwärmen konnte.

Im ersten Band hat sich Atkin schon an wichtigen Themen versucht, aber hier klappt das eindeutig besser. Zum einen haben wir Kate, die Mobbing und Slutshaming erfährt und zum anderen haben wir Alec, der zu seiner Bisexualität steht, aber trotzdem auch Kritik auszuhalten hat. Ein paar Mal hätte man noch richtig tief gehen können, aber weil die Liebesgeschichte so hervorragend funktioniert hat, verstehe ich, dass die Erzählzeit lieber dorthin verteilt wurde. Zumal ich eben die Behandlung der Themen keinesfalls als oberflächlich bewerten würde.

Fazit: Noch einmal, ich bin wirklich froh, bei dem ersten Band so tief gestapelt zu haben mit der Bewertung, weil „Forever Mine“ in meinen Augen wirklich deutlich besser ist als der Auftaktband und das kann ich mit der Sternenbewertung nun abbilden. Die Charaktere sind großartig, ihre gemeinsame Chemie ist grandios und die gesamte Erzählung ist wirklich wunderbar mit sensiblen Themen gepickt worden und dabei stets rund erzählt worden. Weiter so!

  • Einzelne Kategorien
  • Cover
  • Erzählstil
  • Handlung
  • Charaktere
Veröffentlicht am 04.11.2020

Mein persönlicher Lieblingsband

Someone to Stay
0

Auch wenn ich Laura Kneidl als Autorin großartig finde, so bin mit ihrer „Someone“-Reihe bislang nicht hundertprozentig glücklich geworden, weil angesichts der Aussicht, Themen wie Transgender und gemischtrassige ...

Auch wenn ich Laura Kneidl als Autorin großartig finde, so bin mit ihrer „Someone“-Reihe bislang nicht hundertprozentig glücklich geworden, weil angesichts der Aussicht, Themen wie Transgender und gemischtrassige Beziehungen präsentiert zu bekommen, einfach zu wenig aus den Vorlagen gemacht wurde. Wenn man aufrütteln und sensibilisieren will, dann bitte auch richtig. Das klingt jetzt vernichtend, aber dennoch waren die ersten beiden Bände ohne Frage sehr gut zu lesen und ich habe es definitiv auch nicht bereut, zugegriffen zu haben, aber es ist immer so, wenn gewisse Erwartungen entstehen, die nicht erfüllt werden, dann steigt automatisch auch die Enttäuschung.

Nun aber ist mit „Someone to Stay“ der letzte Band der Reihe erschienen und ehrlich gesagt, war meine Vorfreude auf Aliza und Lucien nicht sonderlich groß, denn es waren beides keine Figuren, bei denen es für mich klick gemacht hat. Umso überraschter bin ich letztlich, dass die beiden sich zu meinen Lieblingen gemausert haben, aber weniger als Paarung, sondern vielmehr als Einzelfiguren und da im Besonderen Aliza! Aliza ist genau die Betrachtung einer Figur, die ich mir schon viel früher in diese Reihe gewünscht hätte. Bislang habe ich persönlich im NA-Genre noch keine muslimische Hauptfigur gehabt, alleine dafür muss ich schon den Hut ziehen. Auch wenn sicherlich nur wenig Themen angesprochen werden, die man rein aus dem Bauch heraus mit einer muslimischen Herkunft hätte verbinden können, fand ich die Darstellung dennoch stets sehr authentisch. Kneidl hat sich bewusst dafür entschieden, dass Aliza selbst gar nicht gläubig und auch ihre Familie recht liberal ist, dadurch hat diese Darstellung auch wunderbar gepasst.

Aber auch abseits von ihrer Herkunft ist Aliza eine sehr faszinierende Persönlichkeit, der man eigentlich nur vorwerfen kann, dass sie nicht weiß, wann für sich selbst genug ist. Aber sie ist selbstbewusst, mutig, idealistisch, prinzipientreu und höchst empathisch. Sie ist eine Stimme für unsere Frauengeneration, die man gerne klonen würde. Vor allem hat mir sehr gut gefallen, dass es auch weg von ihrem Kochblog geht. Er steht für ihre Anfänge und für das, was sie immer ausmachen wird, aber sie hat mehr zu sagen und deswegen fand ich es so passend, dass sie auch in gesellschaftspolitischen Aspekten ihre Stimme findet. Und in all dem ist Aliza völlig ruhig und gelassen. Sie steht zwar oft unter immensem Druck, aber hat sie das nie hektisch gemacht, weil sie immer stur weitergemacht hat. Ich kann es nämlich absolut nicht leiden, wenn sich die Hektik von den Figuren auch auf die Leserschaft überträgt, so dass man sich selbst plötzlich unruhig fühlt.

Auch Lucien ist mir im Verlauf sehr sympathisch geworden. Zwar bleibt er deutlich blasser als Aliza, aber das gilt für die gesamte Reihe, dass die männlichen Protagonisten, obwohl sie alle immenses Potenzial hatten, nie den Raum bekommen haben, den sie verdient haben. Dennoch haben Lucien und Aliza für mich als Paar nichts besonderes herausgerissen. Und nein, es liegt nicht daran, dass ihre gemeinsame Geschichte so ruhig erzählt ist und dass es keine Sexszene gibt. Im Gegenteil beides hat haargenau auf die beiden gepasst. Aber insgesamt hatte ich das Gefühl, dass in „Someone to Stay“ nicht die Liebesgeschichte zentral war. Es ging vielmehr darum, dass zwei Figuren ihren Weg gefunden haben und dabei ganz zufällig auch einander. Und deswegen ist es vollkommen in Ordnung, dass mich die Liebesgeschichte nicht restlos vom Hocher gerissen hat. Ein wahres Geschenk war es auch, dass die dramatische Sequenz, die das Paar am Ende auseinander zu gehen droht, so knapp gehalten wurde. Auch das war für die beiden als Paar wieder goldrichtig.

Fazit: „Someone to Stay“ ist völlig überraschend für mich mein Lieblingsband geworden. Und das liegt vor allem daran, dass für mich diesmal nicht die Liebesgeschichte im Vordergrund steht. Es geht um zwei faszinierende Figuren, die eine Reise zu sich selbst machen und das Seite an Seite. Aliza war für mich das absolute Highlight der Reihe und ich denke, dass mit ihr ein neuer Typus von Hauptfiguren im NA-Genre geschaffen wurde, den es viel öfters geben sollte!

  • Einzelne Kategorien
  • Cover
  • Erzählstil
  • Handlung
  • Charaktere
Veröffentlicht am 28.09.2020

Intensiv mit kleinen Schönheitsfehlern

Bad At Love
0

Während ich von Morgane Moncombles erster Dilogie insgesamt doch recht angetan war, habe ich insgesamt in Deutschland ein sehr geteiltes Echo zu der französischen Autorin vernommen. Kein Autor kann alle ...

Während ich von Morgane Moncombles erster Dilogie insgesamt doch recht angetan war, habe ich insgesamt in Deutschland ein sehr geteiltes Echo zu der französischen Autorin vernommen. Kein Autor kann alle Leser von sich überzeugen, dafür sind Geschmäcker einfach zu unterschiedlich, aber ich habe fast das Gefühl, dass es speziell bei dieser Autorin nur zwei Lager gab, entweder man mag ihren Stil oder eben nicht, dazwischen schien es nicht wirklich etwas zu geben. Aber ich lese oft sehr gehypte Bücher, wo gewisse Schwächen eigentlich für jeden offen auf dem Tisch liegen sollten, wie man das bewertet, ist dann einem jeden selbst überlassen, aber ich fand es bei Moncomble stets sehr evident, dass sie unheimlich gute Ansätze hat, die einfach nur etwas Schliff brauchen, aber wenn man auf ihr Alter blickt, sollte das wohl auch nachvollziehbar sein.

Dass Moncomble definitiv riesiges Potenzial hat, beweist sie meiner Meinung nach mit ihrem neusten Werk „Bad at Love“, wo ich alleine schon durch ihr Vorwort sofort abgeholt worden bin, weil sie den Lesern schon dort vermitteln konnte, was Schreiben für sie bedeutet und dass sie ihre Aufgabe darin sieht, auch ernste und kaum zu ertragene Themen zu behandeln. Man hat ihrem Vorwort aber sofort angemerkt, dass sie damit nicht hervorstechen will, sondern dass es ihr ein persönliches Anliegen ist und das hat sie mir sehr sympathisch gemacht.

Das Buch hat wirklich zig ernste Themen, die aber auch auch in ihrer Ballung sehr geschickt miteinander verwoben sind, so dass man sich nicht erschlagen fühlt. Man hat nicht das Gefühl, dass Moncomble nur ja möglichst viele brisante Themen unterbringen wollte, sondern es wird klar, dass sie sich sehr intensiv damit beschäftigt hat, wie eins zum anderen führt, eine Abwärtsspirale, aus der sich niemand selbstständig befreien kann. Das hat sie mit zwei extrem sympathischen Hauptfiguren unterfüttert bekommen. Auf der einen Seite Azalée, die als unheimlich frech und provozierend daherkommt, aber schon schnell blickt man hinter die Fassade, dass es nur ihr Schutzpanzer ist, den sie sich selbst aufgebaut hat, weil sie in ihren jungen Jahren schon unheimlich viel erleiden musste. Umso toller fand ich es, dass sie es trotz ihrer zahlreichen inneren Dämonen geschafft hat, sich genaue Gedanken darüber zu machen, wer sie sein will. Ihr Podcast dazu, von dem es immer wieder Schnipsel zu Kapitelanfängen gab, war wirklich ganz toll mit den Botschaften, zumal es genau das Bild von Feminismus ist, das ich auch selbst teile. Es ist eben keins, in dem Frauen den Männern vorangestellt sein sollen, es ist auch ganz definitiv keins, in dem sich Frauen gegen andere Frauen richten und das ist hier wunderbar deutlich geworden. Deswegen verneige ich mich auch dafür, dass Moncomble konsequent darauf gesetzt hat, dass Azalée keinen Orgasmus haben kann. Am Ende gibt es dafür keine Wunderheilung, es ist ein Teil von ihr, den sie gerne anders hätte, aber herbeizaubern kann man es eben auch nicht.

An Azalées Seite mit ihrer traurigen Geschichte musste nun jemand, der perfekt auf sie passt und da ist mit Eden wirklich das ideale Gegenstück gefunden worden. Er hat selbst eine schreckliche Kindheitsgeschichte, auch bei ihm hat das Schicksal unerbittlich zugeschlagen, weil niemand das Dunkle überlebt, ohne nicht selbst Spuren davonzutragen. Und weil er versteht, versteht er eben auch Azalée. Ich fand es großartig, wie er bei ihr hartnäckig geblieben ist, wie er sie aber auch herausgefordert hat, als sie sich nicht völlig auf ihn einlassen konnte. Es war wirklich eine tolle Liebesgeschichte zwischen den beiden, die mich tief berührt hat, weil sie trotz all des Schmerzes so echt wirkte.

Dass Moncomble noch nicht ganz oben am Spektrum ihrer Fähigkeiten angekommen ist, zeigt sich dann wieder in Kleinigkeiten. Wo der wichtige innere Kern wirklich ausgezeichnet gelungen ist, so sind es außen herum Kleinigkeiten, die nicht ganz passen, wo es plötzlich zu schnell geht oder wo am Ende dann doch noch völlig übertrieben wird. Das fällt durchaus stark ins Auge, weil die qualitativen Unterschiede hier noch zu groß sind, aber trotzdem zeigt es mir auch deutlich, dass immer noch mehr gehen kann, weswegen man Moncomble definitiv auf dem Schirm haben sollte.

Fazit: „Bad at Love“ ist ein unheimlich intensives Buch, das nicht davor zurückschreckt, tief in das Leiden der menschlichen Spezies einzudringen, weswegen hier eine Triggerwarnung wirklich absolut berechtig vorangesetzt wurde. Es ist keine leichte Kost, aber dennoch eine, in der vieles zusammenpasst, in der aus dem Leid auch etwas Schönes geboren wird, nämlich eine mitreißende Liebesgeschichte, wo sich die Protagonisten nicht besser hätten ergänzen können. In der Ausführung mag es an einigen Stellen noch haken, aber dennoch bleibt „Bad at Love“ als empfehlenswerte Lektüre in Erinnerung.

  • Einzelne Kategorien
  • Cover
  • Erzählstil
  • Handlung
  • Charaktere