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Meinungen aus der Lesejury

Veröffentlicht am 21.04.2017

Schöne Geschichte mit Luft nach oben

Überleben ist ein guter Anfang
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In einer Selbsthilfegruppe treffen sechs völlig unterschiedliche, krebskranke Frauen aufeinander. Sieglinde, die Älteste, möchte so bald wie möglich ihren Traum einer Weltreise in die Tat umsetzen. Leider ...

In einer Selbsthilfegruppe treffen sechs völlig unterschiedliche, krebskranke Frauen aufeinander. Sieglinde, die Älteste, möchte so bald wie möglich ihren Traum einer Weltreise in die Tat umsetzen. Leider kommt es nicht mehr dazu. Daraufhin entschließen sich die restlichen Frauen, diesen letzten Wunsch stellvertretend zu erleben und machen sich auf die Reise. Sie besuchen Frankreich, die USA, Peru, Australien, Indien und Ägypten.

Sehr gut gefallen hat mir die ganz andere und sehr positive Herangehensweise an das Thema Krebs und die Verarbeitung in diesem Roman. Das Buch weckt die Lust, etwas zu erleben, und nicht zu warten, bis es fast zu spät ist. Außerdem hat mir die Verschiedenartigkeit der fünf Frauen sehr gut gefallen, die sich zuvor sicher nie begegnet wären, sowie die Beschreibung ihrer Sorgen und Probleme auch während der Reise.

Etwas schade fand ich es, dass die Figuren für mich dennoch etwas blass geblieben sind und ihnen zum Teil die Tiefe fehlt. Gleichzeitig erscheinen sie für die heutige Zeit doch sehr naiv und entsprechen dem traditionellen Rollenbild. Auch die Reiseziele sind nur sehr oberflächlich beschriebene Handlungsorte, die farblos bleiben, obwohl ich fast alle persönlich kenne. Im Prinzip werden ein oder zwei Hauptsehenswürdigkeiten kurz angesprochen, auf die jeweilige Kultur oder die Menschen wird jedoch nicht eingegangen.

Alles in allem für mich eine schöne Geschichte, die aufgrund des angenehmen Schreibstils schnell gelesen werden kann, ihr Potential aber nicht komplett ausschöpft.

Veröffentlicht am 09.03.2017

Denkanstöße in Romanform

Die Verseflüsterin
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Marcus und Isabelle leben ein recht normales Leben. Sie haben bereits einen Versuch gestartet, ihre Beziehung und ihr Leben zu verändern, sind jedoch gescheitert, da der Alltag und das Hamsterrad sie schnell ...

Marcus und Isabelle leben ein recht normales Leben. Sie haben bereits einen Versuch gestartet, ihre Beziehung und ihr Leben zu verändern, sind jedoch gescheitert, da der Alltag und das Hamsterrad sie schnell wieder eingeholt haben. Das ändert sich jedoch, als Marcus plötzlich Botschaften erhält, die ihn zum Nachdenken bringen und dazu bewegen, sein Leben zu überdenken. Im zweiten Teil spielen dann auch die Vergangenheit, Schuld und Vergebung eine Rolle.

Meine Erwartungen an das Buch waren sehr hoch und wurden nicht ganz erfüllt, da es doch anders war als ich es mir vorgestellt habe. Trotzdem gefällt es mir sehr gut. Wer aufgrund des Klappentextes einen geradlinigen oder sogar spannenden Roman erwartet, wird dies eher nicht vorfinden. Wer sich jedoch auf das Buch einlässt, etwas für sich mitnehmen oder zumindest neue Denkanstöße (was ist wirklich wichtig im Leben) erhalten möchte, für den hält „Die Verseflüsterin“ ein paar kleine verborgene Diamanten bereit.

Veröffentlicht am 02.03.2017

Ausnahmebuch über Ausnahmesituation

In jedem Augenblick unseres Lebens
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Tom Malmquist erzählt in diesem Buch, wie er seine Frau Karin verloren hat, gleichzeitig mit einem neugeborenen Kind dastand und wie er diese Zeit und die Monate danach erlebt hat.

Ich finde es immer ...

Tom Malmquist erzählt in diesem Buch, wie er seine Frau Karin verloren hat, gleichzeitig mit einem neugeborenen Kind dastand und wie er diese Zeit und die Monate danach erlebt hat.

Ich finde es immer schwierig, ein solch autobiographisches Werk zu beurteilen. Mein Eindruck ist, dass Malmquist dieses Buch geschrieben hat, um selbst begreifen zu können, was alles passiert ist, und dies zu verarbeiten. Dieses Jahr ist ihm mehr „passiert“ und er hat nur noch reagiert/funktioniert, anstatt selbst aktiv zu handeln. Er beschreibt diese Ausnahmesituation oft atemlos, mit Brüchen, Zeitsprüngen und es wirkt manchmal wie ein Film, der vor einem selbst abläuft. Das Chaos in seinem Kopf ist im Buch spürbar und für mich absolut nachvollziehbar. Die eine oder andere Entscheidung wirkt von außen betrachtet sicher komisch, aber wer will urteilen, wenn er nicht selbst betroffen ist und in der jeweiligen Situation steckt.

Für mich ist dies, auch wegen des ungewöhnlichen Schreibstils, keine einfache Unterhaltungsliteratur. Der Autor gibt einen sehr tiefen Einblick in eine Phase seines Lebens, der in jedem Fall interessant ist.

Veröffentlicht am 18.02.2017

Das Werk einer sehr bedachten Erzählerin

Betrunkene Bäume
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Erich, ein Wissenschaftler mit einer besonderen Beziehung zu Bäumen, ist über achtzig. Langsam aber sicher verliert er mit dem Seh- und Bewegungsvermögen seine Unabhängigkeit. Durch Zufall trifft er auf ...

Erich, ein Wissenschaftler mit einer besonderen Beziehung zu Bäumen, ist über achtzig. Langsam aber sicher verliert er mit dem Seh- und Bewegungsvermögen seine Unabhängigkeit. Durch Zufall trifft er auf Katharina, ein junges Mädchen, das im Gegensatz dazu gerade erst ins Leben drängt und versucht, auf eigenen Beinen zu stehen. Nachdem sie von zu Hause ausgerissen ist, gerät sie an Hugo, einen sehr unangenehmen Zeitgenossen. Trotz ihrer Verschiedenartigkeit haben Erich und Katharina vieles gemeinsam. Beide sind aufgrund eigener Entscheidungen relativ alleine. Von den Menschen, die ihnen nahe stehen, fühlen sie sich unverstanden und wenden sich bewusst ab. Erich von seiner Tochter, Katharina von ihrer Mutter. Zugleich verbindet sie die Sehnsucht nach einem geliebten Menschen in Sibirien. Beides sind starke Persönlichkeiten, wodurch sie eine besondere gemeinsame Ebene finden.

Normalerweise achte ich nicht sehr auf das Cover eines Buches. Hier möchte ich betonen, dass dieses sehr gelungen ist. Was man auf einem Bild nicht sieht, ist das besondere Papier des Schutzumschlages und das lackartige Relief der Schrift. Auf den ersten Seiten war ich völlig überwältigt von der besonderen, gewählten Sprache. Kein Wort wirkt zufällig. Die Autorin hält sich auch nicht mit Äußerlichkeiten auf, sondern dringt direkt zum Wesentlichen, den Gefühlen ihrer Figuren vor, die sie sehr eindrücklich beschreibt. Phasenweise plätschert die Handlung ein wenig dahin. Die Stimmung könnte bedrückend sein, doch durch die Stärke der Protagonisten bleibt der Blick nach vorne gerichtet und es gibt einige Stellen, an denen man schmunzeln kann. Für mich ist dies insgesamt ein sehr schönes Buch und ich bin gespannt auf weitere Bücher der Autorin.

Veröffentlicht am 03.02.2017

Sterbebegleitung - unaufgeregt und echt

Und dann steht einer auf und öffnet das Fenster
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Susann Pásztor lässt in diesem Buch drei Personen aufeinandertreffen, die unterschiedlicher kaum sein könnten. Fred, ein alleinerziehender Vater, der nicht unbedingt auf Menschen zugeht, wird ehrenamtlicher ...

Susann Pásztor lässt in diesem Buch drei Personen aufeinandertreffen, die unterschiedlicher kaum sein könnten. Fred, ein alleinerziehender Vater, der nicht unbedingt auf Menschen zugeht, wird ehrenamtlicher Sterbebegleiter und trifft bei der ersten Begleitung auf die kühle, eher abweisende Karla. Er ist unsicher, manchmal naiv, aber auch sehr hartnäckig. Sein Sohn Phil, der auf seine eigene Art sehr speziell ist, wird in das Geschehen verwickelt, weil er Karlas Fotos archivieren soll.

Wenn man die Handlung betrachtet, passiert in diesem Buch relativ wenig und gleichzeitig so unendlich viel. Die Personen entwickeln sich, beeinflussen sich gegenseitig, wachsen an der schwierigen und für alle neuen Situation. Laut Klappentext arbeitet die Autorin selbst als Sterbebegleiterin und ich habe den Eindruck, dass das in jeder Zeile spürbar ist. Die Geschehnisse sind für mich trotz der eigenwilligen Charaktere sehr glaubwürdig. Ich kann mir vorstellen, dass in dieser Situation alles auf das Wesentliche reduziert wird. Obwohl mir keine der Figuren wirklich nahe kommt, gibt es Momente, die mir nahe gehen und mich berühren. Die respektvolle Distanz und gleichzeitige Nähe, die bei solch einer Begleitung vermutlich herrscht, spüre auch ich vor allem Karla gegenüber. Die Konflikte zwischen Phil und seiner Mutter sowie Karla und ihrer Schwester werden angesprochen, spielen aber keine große Rolle. Einiges bleibt am Ende auch einfach offen und ungeklärt.

Mir hat das Buch gut gefallen. Am Schluss wird auch der Titel plötzlich ganz klar und hätte nicht besser gewählt werden können.