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Meinungen aus der Lesejury

Veröffentlicht am 23.12.2020

Familiengeschichte aus Hamburg

Hotel Savoy
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Ich mag diese Coverbilder nicht, obwohl dieses sich schon von den gängigen Covern, Frauen mit Rücken zum Leser vor Gebäude, abweicht. Aus meiner Sicht suggeriert das Cover einen anderen Inhalt als der ...

Ich mag diese Coverbilder nicht, obwohl dieses sich schon von den gängigen Covern, Frauen mit Rücken zum Leser vor Gebäude, abweicht. Aus meiner Sicht suggeriert das Cover einen anderen Inhalt als der Leser:in dann darin finden wird.

Josephine lebt auf dem Land bei ihrer Tante und den Heidschnucken und hat so den zweiten Weltkrieg überlebt. Doch dann kommt ein Brief aus Hamburg, dass sie nun mit 21 Jahren die Erbin des Hotel Savoy sein wird. Sie reist nach Hamburg und stellt sich ihren Erinnerungen, ihren Ängsten und vor allem der Vergangenheit.

Karsten Flohr blättert ganz langsam die verkrusteten Schichten ab und lässt so die Machenschaften der Nazis wieder sichtbar werden. Er zeigt, wie und wo (hohe Ämter) sich die Mitläufer:innen und die Täter:innen in der noch jungen BRD eingerichtet. Aber nicht nur in der Stadt, sondern auch auf dem Land ist viel Unrecht geschehen, wo die Menschen, auch vor Angst, weggeschaut haben. Josephine will diesen Zustand nicht akzeptieren. Sie will erfahren, wo ihr Vater und ihre Mutter geblieben sind und wer ihr Leben zerstört hat.

Es geht vordergründig um die Aufarbeitung der Vergangenheit und weniger um das Hotelleben, um den Glanz und die Prominenz, sondern um die Menschen im Hotel. Der Autor beschreibt vieles recht sachlich, manchmal schon fast zu nüchtern, aber trotzdem spürt man die Wut, die Trauer und die Zuneigung der Charaktere.

Und natürlich muss auch in diesem Buch die Hoffnung bleiben und auch das Gute darf gewinnen.

Veröffentlicht am 20.12.2020

Sehr unterhaltsam, etwas skurril und gut gelesen

Bullenbrüder: Tote haben kalte Füße
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Ach, mit den Bullenbrüdern auf Verbrecherjagd zu gehen, kann nur Spaß machen. Es ist kein klassischer Krimi mit düsteren Charakteren, riesigen Blutlachen, wilden Schießereien und rasanten Verfolgungsjagden. ...

Ach, mit den Bullenbrüdern auf Verbrecherjagd zu gehen, kann nur Spaß machen. Es ist kein klassischer Krimi mit düsteren Charakteren, riesigen Blutlachen, wilden Schießereien und rasanten Verfolgungsjagden. Wenn man dies will, müssten Charlie und Anita die Geschichte verlassen und das wäre wirklich schade. Denn beide bringen das Leben und die Arbeit von Holger Brinks so schön durcheinander und sein Nervenkostüm immer an seine Grenzen. Da ist man tatsächlich froh, nur Zuhörer:in zu sein.

Die Geschichte ist einfach gestrickt und man ahnt, was passieren wird, aber durch die vielen kleinen Unterbrechungen durch familiäre Katastrophen, bleibt es spannend und unterhaltsam. Ich habe mich köstlich über die ausufernden Hochzeitswünsche von Mutter Anita und ihrem Rodrigo amüsiert und wie die Mutter ihre Söhne in den Wahnsinn treibt. Von ihrem aktiven Sexleben, welches sie im Haus ihres Sohnes nachgeht, rede ich lieber nicht.

Es gibt Szenen, die will man auf keinen Fall mal live und in Farbe erleben und niemand kann sie so gut und bildlich vorlesen, wie Christoph Maria Herbst. Er ist, aus meiner Sicht, einer der besten Hörbuchsprecher (neben Achim Buch und Torben Kessler). Er schafft es den Charakteren unverwechselbare Stimmen zu geben, so dass sofort das Kopfkino startet und das Bild des Charakters sich erstellt. Ich gebe zu, dass ich immer auf den Einsatz der kaugummischmatzenden Kollegin von Holger Brinks gewartet habe. Großes Kino, wie Christoph M. Herbst sie darstellt. Ich hoffe, dass sie einmal einen größeren Part bekommt.

Ach so, der Fall oder die Fälle werden schon aufgeklärt. Ordnung muss sein.

Veröffentlicht am 13.12.2020

Eine Liebegeschichte aus der Sicht eines Mannes

Charmanter Mann aus Erstbesitz
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Die Suche nach einer neuen Liebe mal aus der Sicht eines Mannes. Diese Idee fand ich gut und sie wurde auch von der Autorin gut umgesetzt. Natürlich gibt es ein paar Klischees, aber diese sorgten für ...

Die Suche nach einer neuen Liebe mal aus der Sicht eines Mannes. Diese Idee fand ich gut und sie wurde auch von der Autorin gut umgesetzt. Natürlich gibt es ein paar Klischees, aber diese sorgten für eine leichtere Lesestimmung. Denn die Autorin hat keinen lustigen Witwer erschaffen, sondern einen trauernden Mann, der sich nur schwer von seiner verstorbenen Frau und ihren Sachen trennen kann. Er merkt schnell, dass er an seine Grenzen kommt. Im Kopf ist er noch nicht bereit für die neue Liebe, auch wenn die Familie und die Freunde um ihn herum der Meinung sind, dass er nun schon zu lange allein ist.

Es gibt einige bedrückende und traurige Passagen, die den Schmerz von Edward sehr deutlich beschreiben. Man leidet etwas mit ihm, aber man lacht auch mit ihm. Die Autorin lässt ihn immer nur kurz in Selbstmitleid versinken und schickt ihn dann zu den Dates mit den Damen. Herrlich, wie er überfordert ist, wenn die Damen zum Angriff pfeifen. So viele Dinge muss er wieder lernen und sich auf so viele neue Details einstellen, dass er dabei manchmal schnell frustriert ist und dann geht nichts mehr.

Der Humor ist während der gesamten Geschichte vorhanden und man kann schön mit und über Edward schmunzeln. Auch einzelne Familienmitglieder sorgen für Unruhe und Chaos in seinem Leben, aber sie schützen ihn auch vor Einsamkeit und Trauer.

Für mich war es eine gute und unterhaltsame (Liebes-)Geschichte, die aber auch die Trauer durch den Verlust des Partners nicht klein redet, sondern zu lässt ohne rührselig oder kitschig zu werden.

  • Einzelne Kategorien
  • Cover
  • Erzählstil
  • Handlung
  • Charaktere
Veröffentlicht am 04.12.2020

Das Leben von Harold

Die unwahrscheinliche Pilgerreise des Harold Fry
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Wer mit Harold reist, muss die Langsamkeit mögen. Er läuft quer durch England, um sich von seiner Kollegin zu verabschieden. Eigentlich will er sie retten - vor dem Tod. Man muss nur fest daran glauben. ...

Wer mit Harold reist, muss die Langsamkeit mögen. Er läuft quer durch England, um sich von seiner Kollegin zu verabschieden. Eigentlich will er sie retten - vor dem Tod. Man muss nur fest daran glauben. Beim Laufen erfährt der Zuhörer vieles aus dem Leben von Harold. Viele traurige Stationen aus seinem Leben dringen an die Oberfläche. Die "Flucht" der Mutter vor ihm und seinem Vater, die vielen Momente, wo er versagt hat. Nicht nur beruflich, sondern auch privat. Seine kaputte Ehe mit Maureen und die fehlende Kraft sie zu beenden. Das Fehlen von Liebe, Zuneigung und Vertrauen in fast allen Lebenssituationen, seine Unfähigkeit das Richtige zur richtigen Zeit zu tun.

Ich schwankte immer zwischen Mitleid für Harold und seinem ziemlich bedrückenden Leben und Kopfschütteln über so viel Unfähigkeit, aber irgendwie wollte ich ihn auch bis zum Schluss begleiten. Während seiner Tour wird er eine kleine Berühmtheit, die er nicht sein will und die verschiedensten Menschen folgen und begleiten ihn ein Stück. Nicht immer war es gut für die Geschichte, denn sie schweiften ein wenig ab, aber Harold fand stets wieder den richtigen Weg. Und während er seinen Ballast immer mehr abwirft, wird auch Maureen immer nachdenklicher und fängt an, sich und ihr gemeinsames Leben zu reflektieren.

Der Sprecher Heikko Deutschmann hat mit seiner Stimme Harold so gut herausgearbeitet, dass man seine Langsamkeit und seine Gedanken gut über sieben Stunden ertragen konnte.

Veröffentlicht am 18.11.2020

Spannende Geschichte, gut gelesen

Schattenwege
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Es ist schon eine ganze Weile her, dass ich ein (Hör-)Buch von
Arnaldur Indriðason gelesen bzw. gehört habe und trotzdem war es wie immer. Sehr schnell hörte ich mich in die Geschichte ein (auch dank des ...

Es ist schon eine ganze Weile her, dass ich ein (Hör-)Buch von
Arnaldur Indriðason gelesen bzw. gehört habe und trotzdem war es wie immer. Sehr schnell hörte ich mich in die Geschichte ein (auch dank des guten Sprechers Walter Kreye) und verfolgte die Ermittlungen der Polizei mit Interesse. Die Geschichte hat zwei Handlungsstränge. Die eine Handlung führt uns in die Zeit des zweiten Weltkrieges und die andere Handlung findet in der heutigen Zeit statt. Der Mord an einen alten Mann wirft Fragen auf, besonders als alte Dokumente zu einem Mordfall bei ihm gefunden werden. Die Ermittlerin holt sich Hilfe bei den pensionierten Polizisten Konráð und dieser stürzt sich in den Fall. Langsam trägt Konráð Schicht für Schicht den alten Staub ab und findet immer mehr Ungereimtheiten und unbeachtete Puzzleteile. Parallel erfährt man, wie die Ermittlungen in dem alten Fall in den 40iger Jahren stattfanden und mit welchen Problemen die Polizei damals zu kämpfen hatte.

Die Sprünge zwischen den Ermittlungen hätte man etwas besser trennen bzw. kennzeichnen können. So musste man beim Zuhören schon genau darauf achten, in welchem Fall man sich gerade befindet.

Insgesamt ist es aber wieder ein spannender und beklemmender Fall gewesen. Die Verwicklungen und die Verbindungen bis in die heutige Zeit waren wieder gelungen und interessant.

Das nächste Hörbuch von Arnaldur Indriðason liegt schon auf dem SUB bereit.