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Veröffentlicht am 15.09.2016

Und der Wahnsinn geht weiter!

After truth
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Von der Sogwirkung, die mich im kürzlich gelesenen Band 1 (After passion) so eingenommen hat, war ich richtig fasziniert, sodass ich schon ganz bald Band 2 lesen musste. Auch hier ist diese Sogkraft wieder ...

Von der Sogwirkung, die mich im kürzlich gelesenen Band 1 (After passion) so eingenommen hat, war ich richtig fasziniert, sodass ich schon ganz bald Band 2 lesen musste. Auch hier ist diese Sogkraft wieder enorm spürbar. - Aber was ist das eigentlich? Wie lässt sich diese Wirkung auf den Leser erklären? - Ich habe diesmal versucht, ganz genau darauf zu achten, wann ich immer in den "Leseflow" gekommen bin ...

»Ich habe zugelassen, dass er mir alles nimmt. Früher war mein Leben einfach, geregelt und klar. Jetzt ... nach ihm, nach der Wahrheit ... ist alles ... ganz anders.«
(S. 18)

Also zum einen liegt es ganz bestimmt an dem einfachen und wirklich schnell und flüssig zu lesenden Schreibstil, der mich nur so durch die Seiten fliegen hat lassen. Die knackig kurzen Kapitel haben aber ebenso zu diesem Umstand beigetragen. (Hier zeigt sich auch gerne der "Nur-noch-das-eine-Kapitel-Effekt".)
Und vom Inhalt her, sind es zum anderen die Szenen, in denen es zwischen Tessa und Hardin streitmäßig richtig zur Sache geht, die mich gebannt haben. Man fiebert so sehr mit den beiden mit, man hofft ständig auf eine dauerhafte Versöhnung zwischen ihnen. Aber tatsächlich ist es bei Tessa und Hardin so, dass erstens deren Stimmung extrem schnell kippen kann (vor allem bei Hardin ist die Stimmung unberechenbar) und sie zweitens beide auf eine gewisse Weise ziemlich impulsiv, aber auch eifersüchtig sein können, was (immer wieder) zu Streit, Trennung, Gewaltausbrüchen und verletzenden-Dingen-an-den-Kopf-werfen führt. Und ja klar, wenn man sich auf die Buchcharaktere völlig einlässt (was ich ja immer versuche), ist es nur verständlich, wenn mir das Gefühlstohuwabohu von Tessa und Hardin nahe geht und ich deswegen von den Geschehnissen so gefesselt bin ...

»Ich weiß nicht mehr, wer ich ohne dich bin.«
(S. 37)

Die größte charakterliche Entwicklung hat in diesem Buch eindeutig Hardin durchgemacht. Wenn ich an den Beginn von Band 1 denke, dann ist das ein enorm positiver Weg, den er da (mit Tessa) gegangen ist. Hardin ist zwar immer noch sehr impulsiv, zornig und teilweise gewalttätig, aber trotzdem kein Vergleich mehr zu dem Zeitpunkt, als Tessa ihn gerade erst kennengelernt hat. Durch, oder besser gesagt für, Tessa will Hardin zu einem besseren Menschen werden und ich persönlich finde, dass er sich, wenn einem seine schreckliche Vergangenheit bekannt ist, wirklich große Mühe gibt, um an sich zu arbeiten. Mittlerweile kommt mir Hardin sehr viel freundlicher, viel weniger stur, viel mehr bemüht und um einiges offener vor, als noch ganz am Anfang. Und das will was heißen!

Auch Tessa hat sich verändert, aber eigentlich nur in dem Sinne, dass sie sich von Hardin nicht mehr alles gefallen lässt, also nun selbstbestimmter ist, und sie in meinen Augen auch nicht mehr so ganz das klassische "good girl" darstellt.

Ich erwarte nicht, dass er sich entschuldigt, aber ich will ihn trotzdem gern sehen.
Das ist die Wurzel meines Problems: dass ich trotz der schrecklichen Dinge, die er zu mir sagt, immer noch mit ihm im Bett liegen will.

(S. 501)

In After truth tun sich auch wieder eine Menge neue Themen auf, die erhebliches Konfliktpotenzial für Tessa und Hardin beinhalten. Ein paar davon sind hier ja schon zum Teil thematisiert worden, aber ich bin mir sicher, dass die in Band 3 (After love) wieder Raum bekommen, sodass das Bangen, wie die zwei Wahnsinnigen ihr gemeinsames Leben gestalten werden, beim Leser weitergehen kann.

Band 2 steht Band 1 in nichts nach. Ich bin wieder ausgesprochen gut unterhalten worden, was ziemlich sicher auch der Sogkraft, die von Hardins und Tessas Zwistigkeiten ausgeht, geschuldet war. Ich werde die beiden letzten Bände also garantiert ebenso bald verschlingen, denn ja ... das Hessa-Fieber hat mich wahrlich gepackt!

Veröffentlicht am 15.09.2016

Aufwühlende Thematik: Holocaust

Bis ans Ende der Geschichte
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Ja, Jodi Picoult hat es wieder getan: einen Roman geschrieben, der wegen seiner brisanten Thematik aufwühlt und sehr nachdenklich stimmt.
Es geht darin um die Judenverfolgung in der Zeit des zweiten Weltkriegs ...

Ja, Jodi Picoult hat es wieder getan: einen Roman geschrieben, der wegen seiner brisanten Thematik aufwühlt und sehr nachdenklich stimmt.
Es geht darin um die Judenverfolgung in der Zeit des zweiten Weltkriegs und um die Tatsache, Macht über jemandes Leben und Sterben zu haben. Rache und Zorn werden hier ebenso thematisiert, wie Mitleid und Vergebung ...

»Gute Menschen und schlechte Menschen. Als wäre das so einfach. Jeder ist beides zugleich.«
(S. 56)

Sage ist eine Protagonistin, für die ich bis zum Schluss, obwohl sie eine nennenswerte Entwicklung durchgemacht hat, keine Sympathie entwickelt habe. Ihre anfängliche Lebensführung (die Beziehung zu einem verheirateten Mann und ihr sich-vor-der-Welt-Verstecken, bedingt durch ihr geringes Selbstwertgefühl, weil sie meint, im Gesicht entstellt zu sein) und ganz allgemein ihre emotionslose Art, haben sie nicht zu meinem Lieblingscharakter gemacht.
Und warum ist sie mir dann im Laufe der Geschichte, trotz enormer Wandlung, nicht sympathischer geworden? - Weil diese Entwicklung viel zu schnell vonstatten gegangen ist und somit ziemlich unglaubwürdig war. Man kann nicht innerhalb kürzester Zeit selbstbewusst werden, aus sich herausgehen und sich attraktiv und schön finden, wenn dies vor kurzem noch überhaupt nicht so war. Eine derartige Umstellung passiert in meinen Augen eher schleichend und nicht so plötzlich wie es bei Sage der Fall war. Das ging mir wahrlich zu schnell.
Und rachedurstige und lügende Menschen konnte ich noch nie besonders gut leiden. Sages letzte Handlungen haben sich für mich eben sehr rachedurstig gelesen, was ich absolut abstoßend fand ...

»Machen Sie es sich nicht ein bisschen einfach, wenn Sie sagen, Sie hätten das Schreckliche getan, weil jemand Sie dazu anstiftete?«, wende ich ein. »Das ändert doch nichts daran, dass es falsch war. Egal, wie viele Menschen einem sagen, dass man von einer Brücke springen soll, man hat doch immer noch die Option, sich umzudrehen und wegzugehen.«
(S. 153)

Dann gibt es hier auch noch den 95-jährigen Josef, der einer der Hauptcharaktere war. Was ich von diesem Mann halten soll, weiß ich bis jetzt nicht ... Seine Erzählungen/Beichten über seine Vergangenheit als SS-Mann im KZ Auschwitz waren für mich alles andere als leichte Kost. Die Gräueltaten, die er und die anderen Soldaten begangen haben, klingen heftig und gefühllos und als seine Erzählung davon beendet war, musste ich erst mal ganz tief durchatmen.

Ebenso sehr mitgenommen hat mich Minkas (Großmutter von Sage) Geschichte. Minka hat im Ghetto gelebt und wurde anschließend in Todeslager nach Auschwitz gebracht. Und was sie darüber alles zu berichten hat, ist zutiefst berührend, aufwühlend und hat mich wahnsinnig traurig gestimmt. Diese 200 Seiten über Minkas Vergangenheit fand ich am besten an dem ganzen Buch!

»Sie können mir mein Zuhause wegnehmen«, sagte er. »Und mein Geld und meine Frau und mein Kind. Sie können mir meine Lebensgrundlage und mein Essen wegnehmen und« - hier setzte seine Stimme aus - »meinen Enkelsohn. Aber meine Träume können sie mir nicht nehmen.«
(S. 330)

Ganz allgemein kann ich sagen, dass es mir hier aber einfach zu viele verschiedene Erzählstränge gegeben hat. Ich fand den ständigen Perspektivenwechsel ermüdend und deswegen ist es mir auch so schwergefallen, mich ordentlich in die Charaktere hineinzuversetzen bzw. sie zu verstehen. Den Mittelteil des Buches mit Minka, in dem auf 200 Seiten kein Wechsel stattgefunden hat, fand ich deshalb am mitreißendsten.

Ich fand das Buch wirklich nicht schlecht, aber umgehauen (wie beispielsweise Neunzehn Minuten) hat es mich leider auch nicht.
Lesenswert sind in meinen Augen hier vor allem die Passagen über den Holocaust und Josefs grauenvolle Beschreibungen über seine Arbeit als SS-Mann, da dies bei mir die aufwühlendsten Gefühle hervorgerufen hat.

Veröffentlicht am 15.09.2016

Sklavenbefreier auf fanatischer Mission

Das verrückte Tagebuch des Henry Shackleford
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›Verrückt‹ ist ein gutes Stichwort, mit dem ich beginnen möchte, denn verrückt sind sie wirklich: Henry Shacklefords Tage bei den Abolitionisten. Allen voran John Brown - oder auch: der Alte Mann - ist ...

›Verrückt‹ ist ein gutes Stichwort, mit dem ich beginnen möchte, denn verrückt sind sie wirklich: Henry Shacklefords Tage bei den Abolitionisten. Allen voran John Brown - oder auch: der Alte Mann - ist ein irrer Kauz. Mit seinem Fanatismus, alle Sklaven in die Freiheit führen zu wollen, und seiner fast schon wahnsinnigen Art, immer und überall zu beten oder von Gott zu referieren, ist er mir ganz besonders in Erinnerung geblieben.
Old John Brown brennt für diese eine Sache und nichts und niemand kann sich ihm in den Weg stellen. Deswegen war der Alte Mann auch weitestgehend so gefürchtet: mit seiner zielgerichteten und überzeugten Art hat ihn eine unerschütterliche Aura umgeben.

Der Alte Mann klatschte in die Hände und nickte mit dem Kopf. Was seine Begeisterung für die Freiheit anging, war er nicht zu stoppen.
(S. 235)

Und wo ist Henry bei der ganzen Sache? - Während John Brown daran arbeitet, im Namen Gottes, eine "Armee" auf die Beine zu stellen und den ultimativen Sklavenbefreiungs- und Kampfplan auszuhecken, überlegt Henry immer mal wieder, ob und wie er abhauen soll, denn eigentlich ist es ihm als Sklave bei seinem Master ja gar nicht so schlecht gegangen. Zumindest Hungerleiden musste er nicht. Denn seit er ein befreiter Sklave ist, so sagt er selbst, wisse er erst, was richtig-Hunger-haben bedeutet ...

Klingt schon alles ein bisschen irrwitzig und zum Schmunzeln, nicht? Nun, das ist es auch. Es fängt ja schon damit an, dass alle Henry für ein Mädchen halten und er deswegen von Zeit zu Zeit in Situationen kommt, die sich als sehr lustig gestalten.
Auch Henrys Spitzname, die kleine Zwiebel, begleitet uns durchs gesamte Buch, weil ihn fast jeder so nennt, seitdem John Brown ihm (bzw. ihr) diesen Namen gegeben hat.
Die Dümmlichkeit so mancher Charaktere und Old John Browns Wesen sind ebenfalls Dinge, die das Lesevergnügen erheblich vergrößern. - Also, der Spaß kommt hier definitiv nicht zu kurz.

»Nun«, sagte er, »den Neger gibt es in allen Farben. Dunkel. Schwarz. Schwärzer. Am schwärzesten. Schwärzer als die Nacht. Schwarz wie die Hölle. Schwarz wie Teer. Weiß. Hell. Heller. Am hellsten. Heller als Licht. Weiß wie die Sonne. Und fast weiß. Nimm mich zum Beispiel. Ich habe einen braunen Ton. Du dagegen bist fast weiß und anmutig, und das ist eine schreckliche Zwickmühle, oder?«
(S. 249)

Sehr gut hat mir auch die Atmosphäre, die die Geschichte hervorgerufen hat, gefallen. Ich musste beim Lesen immer an den Wilden Westen aus diesen typisch amerikanischen Filmen denken. - Kopfkino pur!

Dass dieses Buch jedoch keine völlig frei erfundene Geschichte ist, sondern es zumindest den gottesfürchtigen Abolitionisten John Brown gegeben hat, wusste ich aber erst, als ich nach dem Beenden des Buches seinen Namen gegoogelt habe. Da hätte ich mir doch gerne noch eine Anmerkung vom Autor gewünscht, wenigstens am Ende eine kurze.

Mal ehrlich, alle versklavten Neger waren ganz natürliche Lügner, denn kein Geknechteter hatte je was davon gehabt, dem Master zu sagen, was er wirklich dachte. Vieles im Leben eines Farbigen war reines Schauspiel, und die Neger, die ruhig ihr Holz sägten und die Klappe hielten, lebten am längsten.
(S. 38)

Ein wenig anstrengend fand ich die Mundart der meisten Charaktere. Oft wurde einfach das "t" am Ende eines Wortes weggelassen oder zwei Wörter mit "’n" abgekürzt (z. B.: "Du wirs’ dir da keine Sorgen machen müssen ..." und "... war rumgekommen und hatte’n bisschen was gesehen."). Diese Tatsache hat meinen Lesefluss leider negativ beeinflusst, aber ansonsten kann ich nichts nennenswert Negatives über dieses Buch sagen.

Ob John Browns Plan, die Sklaven zu befreien, geglückt ist und ob Henry es doch irgendwann geschafft hat, sein wahres Geschlecht zu offenbaren, werde ich jetzt hier nicht vorwegnehmen, aber ich kann euch versichern, dass ihr das Kennenlernen dieser verrückten Charaktere bestimmt nicht bereuen werdet.

Veröffentlicht am 15.09.2016

Eine ganz und gar ungewöhnliche Liebe

Léon und Louise
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Eine erheiternde erste Begegnung zwischen Léon Le Gall und Louise Janvier findet während dem ersten Weltkrieg statt. Es ist Louise, die Frau mit der gepunkteten Bluse auf dem quietschenden Fahrrad, die ...

Eine erheiternde erste Begegnung zwischen Léon Le Gall und Louise Janvier findet während dem ersten Weltkrieg statt. Es ist Louise, die Frau mit der gepunkteten Bluse auf dem quietschenden Fahrrad, die Léon seit ihrer ersten Begegnung nicht mehr aus dem Kopf geht. Und obwohl Louise erst nicht auf Léons Bitten, sich mit ihm zu treffen, eingeht, entschließt sie sich schlussendlich doch kurzerhand dazu, ihn auf einem Wochenendausflug mit dem Fahrrad zu begleiten. 24 Stunden, in denen sie sich endlich ein wenig näher kommen, sind ihnen dabei vergönnt, dann reißt sie ein Bombenangriff jäh auseinander.
Beide in dem Glauben, der jeweils andere wäre tot, treffen sie erst ganze zehn Jahre später in der Pariser Métro zufällig wieder aufeinander ...

Das Problem dabei ist, dass der gute Léon zehn Jahre später, also 1928, mit Yvonne verheiratet und zusätzlich bereits Vater ist. Und da Léon viel zu loyal und pflichtbewusst ist, käme es für ihn auch gar nicht in Frage, seine Frau für Louise zu verlassen.
Überraschenderweise ist Louise genau derselben Ansicht, was ich erst gar nicht erwartet habe, da ich sie als laute, selbstbewusste und vor allem emanzipierte, wie der Schnabel gewachsen redende Frau kennengelernt habe, die klare Vorstellungen von ihrem Leben hat.

Für Léon, der sich schon lange daran gewöhnt hatte, zwei Frauen zu haben - eine an seiner Seite und eine im Kopf -, änderte sich damit nicht viel.
(S. 229)

Ja, für Léon ändert sich nicht viel, als er Louise wiedertrifft, denn für ihn ist klar: er wird seine Frau Yvonne und die Kinder nicht verlassen. So ein Mann ist er nicht. Dennoch denkt er ständig an Louise, was ich ihm auch gar nicht verdenken kann, schließlich war er jahrelang der Ansicht, sie sei 1918 ums Leben gekommen.
Auch Louise akzeptiert Léons Entscheidung, sie geht sogar noch einen Schritt weiter und sagt, sie sollen sich gar nicht mehr treffen. Es hat all die Jahre funktioniert, also wird es auch weiterhin funktionieren. Eine Begründung für Louises Denken gab es keine, aber ich kann mir gut vorstellen, dass es für sie nur schmerzhaft gewesen wäre, weiterhin mit Léon zusammen zu sein, in dem Wissen, dass er seiner Frau versprochen hat, sie und die Kinder niemals zu verlassen.

»Ob ich auch Dich vergessen habe? Na, ein wenig schon - es hat ja keinen Sinn, sich hier Tag für Tag vor Sehnsucht zu verzehren. Und doch habe ich Dich, daran ändert sich nichts, immer bei mir.«
(S. 276)

Eine Liebe, wie sie Léon und Louise ein Leben lang verbindet, und das, obwohl sie mehr oder weniger ein fast vollständig getrenntes Dasein führen, ist meiner Ansicht nach sehr, sehr ungewöhnlich und kommt auf dieser Welt wahrscheinlich nicht besonders häufig vor. Vor allem muss man bedenken, dass sie vor ihrer Trennung bei dem Bombenangriff gerade mal, wenn überhaupt, 24 Stunden miteinander verbracht haben. Aber in dieser Zeit dürfte irgendetwas entwachsen sein, was beide für immer aneinander gebunden hat: eine tiefe, prägende Liebe, die nie nachgelassen hat. Ich würde sogar so weit gehen und die beiden als seelenverwandt beschreiben, anders kann ich mir dieses lebenslange Aneinanderfesthalten sonst gar nicht erklären.

So wundervoll, aber gleichzeitig ebenso bedauernswert ich diese außergewöhnliche Liebe auch empfunden habe, genauso sehr hat mir der Schreibstil Alex Capus’ zugesagt. Zwar kamen in der Geschichte kaum direkte Reden vor, was ich ein wenig vermisst habe, aber dafür hatte diese Erzählung etwas Lockeres und Leichtes an sich, das mich wunderbar an das Buch fesseln konnte. Auch den ganz eigenen Humor des Autors fand ich erfrischend und hat absolut meinen Geschmack getroffen. Hier versucht Léon zum Beispiel die wechselnden Stimmungen seiner Frau Yvonne ganz nüchtern, aber auch amüsant treffend, zu beschreiben:

Er war zu einem Mann von einiger Lebenserfahrung herangewachsen, und nach fünf Jahren Ehe war ihm bekannt, dass die Seele einer Frau auf geheimnisvolle Weise in Verbindung steht mit den Wanderungen der Gestirne, dem Wechselspiel der Gezeiten und den Zyklen ihres weiblichen Körpers, möglicherweise auch mit unterirdischen Vulkanströmen, den Flugbahnen der Zugvögel und dem Fahrplan der französischen Staatsbahnen, eventuell sogar mit den Förderquoten auf den Ölfeldern von Baku, den Herzfrequenzen der Kolibris am Amazonas und den Gesängen der Pottwale unter dem Packeis der Antarktis.
(S. 99)

Die ganze Geschichte von Léon und Louise startet auf einer Beerdigung, auf der ein Haufen Le Gall - Familienmitglieder anwesend sind: Kinder, Enkel und Urenkel. Man hat also schon die Vermutung, dass Léon es ist, um den hier getrauert wird. Hinzu kommt, dass das Buch von einem von Léons Enkeln erzählt wird.
Aber nicht nur die Familie ist anwesend, auch eine alte Frau sitzt in den Reihen, über die munter getuschelt wird. - Es ist Louise. Und genau an dieser Stelle startet für uns Leser eine der außergewöhnlichsten Liebesgeschichten zwischen zwei Menschen, die sich einander näher fühlen, je weiter sie voneinander entfernt sind ...

Veröffentlicht am 15.09.2016

Allys unfassbare Herkunftsgeschichte bietet fesselnden Lesestoff!

Die Sturmschwester
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Band zwei der Sieben Schwestern - Reihe widmet Lucinda Riley der zweitältesten Schwester: Ally.
Anders als Maia, die man in Band eins auf der Suche nach ihren Wurzeln begleiten konnte, ist Ally eher die ...

Band zwei der Sieben Schwestern - Reihe widmet Lucinda Riley der zweitältesten Schwester: Ally.
Anders als Maia, die man in Band eins auf der Suche nach ihren Wurzeln begleiten konnte, ist Ally eher die Selbstbewusste, Starke, die Anführerin. Genauso wie ihre Schwestern trifft aber auch sie der Tod ihres Adoptivvaters Pa Salt mitten ins Herz und sie versucht deswegen Trost bei ihrem Freund zu finden. Kurz darauf ereilt Ally aber schon der nächste fürchterliche Schicksalsschlag, der ihr den Boden unter den Füßen wegreißt. - Also, so sollte man zumindest meinen. Für mich waren in diesem Roman die Emotionen der Charaktere nämlich nicht wirklich vorhanden. Die sind mir definitiv zu kurz gekommen. Vielleicht lag es daran, dass alles so schnell gegangen ist, also auf wenigen Seiten so viel Verheerendes passiert ist und all die Gefühle, die da hätten sein sollen, deswegen untergegangen sind. Weswegen das Verhalten der Protagonisten für mich dann natürlich oft sehr unglaubwürdig rüber gekommen ist. Wenn man innerhalb kürzester Zeit gleich zwei so schlimme Schicksalsschläge verkraften muss, dann trauert man meines Erachtens wesentlich mehr und blickt nicht kurz darauf wieder so positiv in die Zukunft. Leider ist mir das Denken von Ally teilweise sehr unnatürlich vorgekommen, wo ich dann leider oft nur meinen Kopf schütteln konnte.
Ich hatte auch das Gefühl, als wollte die Autorin Ally unbedingt einen sehr triftigen Grund geben, weshalb sie sich auf die Suche nach ihrer Herkunft machen soll. Klar, jeder Mensch ist anders, und es gibt bestimmt Menschen, die in einer aufwühlenden Zeit der Trauer, sich dazu entschließen, auf Spurensuche in ein unbekanntes Land zu reisen. Für mich persönlich ist das aber gar nicht vorstellbar, wenn ich mir das so anschaue, was Ally widerfahren ist ...

»Gerade du solltest wissen, dass die Gene nicht alles sind,
es kommt viel mehr darauf an, was man daraus macht.«

(S. 561)

Auch in diesem Roman gibt es wieder zwei Erzählstränge: einen aus 2007 und der zweite ab dem Ende des 19. Jahrhunderts. In dem Erzählstrang der Vergangenheit lernen wir die junge Anna Landvik kennen, die mir eigentlich sehr schnell sympathisch war. Anders als in Allys Zeitebene ist mir Annas Verhalten um einiges authentischer erschienen, weswegen ich auch lieber die Seiten aus der Vergangenheit verschlungen habe.

Wie in jedem Lucinda Riley - Roman gibt es auch hier wieder jede Menge zu rätseln: Was hat Ally mit der jungen Anna Landvik aus der Vergangenheit zu tun? Warum fühlt sich Ally dem Norweger Thom, den sie auf ihrer Suche kennenlernt, so nahe? Weshalb ist sie musikalisch so begabt? Und vor allem: was hat Edvard Griegs Werk, die Morgenstimmung, mit all dem zu tun? - Das sind nur ein paar von vielen Fragen, die während dem Lesen bei mir aufgetaucht sind und mich beschäftigt haben.
Ich mag die Art und Weise, wie die Autorin es mit diesen Rätseln schafft, Spannung aufzubauen und mich somit total ans Buch zu fesseln. Und obwohl ich mit Musik nicht besonders viel anfangen kann (und mit klassischer noch weniger), hat mir alles Musikalische hier ausgesprochen gut gefallen. Ja, ich habe sogar Lust bekommen, den Klängen der Morgenstimmung eine Weile auf YouTube zu lauschen ...

Zwar kann Die Sturmschwester mit Die sieben Schwestern meiner Meinung nach nicht ganz mithalten, weil mir hier das authentische Verhalten so mancher Charaktere einfach gefehlt hat, aber dennoch ist dieser Roman wegen seiner fesselnden und zum Rätseln einladenden Geschichte auf alle Fälle lesens- und empfehlenswert!