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Veröffentlicht am 04.04.2021

Spannungsgeladen und sozialkritisch – vom Leben in Detroit

Der gekaufte Tod
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„Der gekaufte Tod“ von Stephen Mack Jones hat eigentlich zwei Protagonisten: den mittlerweile millionenschweren Ex-Cop August Snow und die Stadt Detroit. Beide hat das Leben hart gemacht, und so stehen ...

„Der gekaufte Tod“ von Stephen Mack Jones hat eigentlich zwei Protagonisten: den mittlerweile millionenschweren Ex-Cop August Snow und die Stadt Detroit. Beide hat das Leben hart gemacht, und so stehen Gewalt und Verbrechen an der Tagesordnung.

August Snow, halb Schwarzer, halb Mexikaner, hat sich als Polizist unbeliebt gemacht, als er Korruption in den eigenen Reihen aufdeckte – mit dem Schadenersatz, den er daraufhin ausbezahlt bekam, kommt er nach einem langen Auslandsaufenthalt zurück in seine alte Heimat, um das heruntergekommene Viertel Mexicantown wieder auf Vordermann zu bringen. Unverhofft wird er jedoch in den Mord an einer alten Bekannten verwickelt, der die hässliche Fratze der Welt der Schönen und Reichen am anderen Ende der Stadt offenbart.

Natürlich handelt es sich vordergründig um einen Krimi – ein Verbrechen ist geschehen und August ist auf krummen Wegen in die Ermittlungen involviert. „Der gekaufte Tod“ stellt aber nicht nur ein Verbrechen in den Vordergrund, sondern thematisiert all die Verbrechen, die täglich auf den Straßen Detroits geschehen: Raub, Drogenhandel, Diskriminierung, schreiende Ungerechtigkeit … Das Buch spricht sozialkritische Themen an, die zum Alltag in einer harten Stadt gehören: die Unterschiede zwischen schwarz und weiß, reich und arm, somebodys und nobodys. August befindet sich irgendwo am Schnittpunkt vieler Kategorien und bemüht sich das ganze Buch hindurch, seinen Platz zu finden: Er ist weder ganz schwarz noch ganz mexikanisch. Er war früher nicht reich, hat jetzt Millionen auf dem Konto. Er hat als Polizist das Verbrechen bekämpft, jetzt muss er pragmatisch zu Mitteln greifen, die ihn über die Grenze des Legalen stoßen. August ist ein Grenzgänger, der das Beste aus einer miesen Situation machen muss – dass ihm dabei immer noch ein cooler Spruch über die Lippen kommt, macht ihn für uns Leser*innen nahbar und irgendwie sympathisch.

Eine Schwäche des Romans sehe ich in der deutschen Übersetzung: Der Ton des Buchs ist stark von Slang geprägt und die Dialoge sind meist höchst umgangssprachlich. Dass da einiges etwas holzig rüberkommt, liegt wohl an fehlenden Entsprechungen im Deutschen. Und manchmal erscheinen August und sein Freundeskreis aus teils eher dubiosen Gestalten auch ein wenig zu cool, mit der Hand ein wenig zu schnell an der Waffe. Das mag einer deutschen Leserschaft auch einfach nur sehr fremd sein, aber insgesamt lösen sich viele Probleme wie im Actionfilm. Glücklicherweise gelingt dem Roman aber im Großen und Ganzen die Balance zwischen solchen Szenen und durchaus intelligenten und ernsthaften Episoden, sodass ein spannendes, unterhaltsames und durchaus auch zum Nachdenken anregendes Buch dabei herausgekommen ist.

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Veröffentlicht am 28.12.2020

Ein durch und durch solider Kriminalroman

Vergessene Gräber
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„Vergessene Gräber“ von Leo Born ist der fünfte Teil der Reihe um die Frankfurter Ermittlerin Mara Billinsky und ihren Kollegen Jan Rosen. Das ungleiche Gespann (sie die Frau fürs Grobe, er der Mann für ...

„Vergessene Gräber“ von Leo Born ist der fünfte Teil der Reihe um die Frankfurter Ermittlerin Mara Billinsky und ihren Kollegen Jan Rosen. Das ungleiche Gespann (sie die Frau fürs Grobe, er der Mann für die Recherche) ermittelt in einer grausigen Mordserie, in die die örtliche Russenmafia verwickelt zu sein scheint und die ihre Wurzeln in der Vergangenheit hat. Gleichzeitig versucht Rosen, seine Freundin Anyana vor ihrem brutalen ehemaligen Zuhälter zu beschützen, und verstrickt sich so immer tiefer in die Geschäfte der Verbrecherbande.

Mit viel Liebe zum Detail und so mancher Brutalität entführt Leo Born uns in eine Welt des Verbrechens, in der die Vergangenheit ganz und gar nicht ruht. Seine Figuren erwachen mit lakonischen Sprüchen, problematischen Beziehungen und intimen Geheimnissen zum Leben und reißen uns Leserinnen einfach mit. Würde man versuchen, diesen Roman in einem Wort zusammenzufassen, wäre es wohl: actiongeladen. Denn es passiert ständig sehr viel, und als Leserin muss man aufpassen, nicht den Faden zu verlieren, wenn die Ereignisse sich überschlagen.

„Vergessene Gräber“ ist ein Buch, das vor Spannung strotzt und immer neue Aspekte in den Mix wirft. Die Ereignisse und Rechercheergebnisse werden nach und nach zusammengefügt, sodass sich erst am Schluss ein vollständiges Bild ergibt – wie das bei einem guten Krimi der Fall sein sollte. Einen kleinen Punktabzug gibt es dafür, dass es sich bei dem Roman eben um einen sehr typischen Krimi handelt: Durch und durch solide, aber eben selten überraschend. Viele klassische Genreklischees werden bedient, angefangen von der rebellischen Ermittlerin, die alles im Alleingang macht, über die möglichst gräulichen Bluttaten bis hin zum ausbremsenden Chef, der die Ermittlungen durch seine Überkorrektheit gar zu vermasseln droht. Viele Elemente kennt man schon, dem Krimigenuss tut das aber nur wenig Abbruch.

Ein spannender Kriminalroman, der sicher nicht nur Fans der Reihe begeistern kann.

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Veröffentlicht am 28.11.2020

Eine erschreckend realitätsnahe Dystopie in Zukunftsdeutschland

Sterbewohl
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Das leicht albern wirkende Cover von „Sterbewohl“ ist trügerisch: Es handelt sich keineswegs um einen schwarzhumorigen Roman über das Altwerden, sondern um ein dystopisches Zukunftsszenario, in dem der ...

Das leicht albern wirkende Cover von „Sterbewohl“ ist trügerisch: Es handelt sich keineswegs um einen schwarzhumorigen Roman über das Altwerden, sondern um ein dystopisches Zukunftsszenario, in dem der Begriff „aktive SterbeHILFE“ bereits zu einem zynischen Euphemismus verkommen ist.

In nüchternen, fast trockenen Worten (im Englischen würde man sagen: matter-of-fact) berichtet die Protagonistin Nadja über ihr Leben in der Bundesrepublik Deutschland. Einer Bundesrepublik, die zur Scheindemokratie verkommen ist und ihre BewohnerInnen rein nach ihrer Leistungsfähigkeit beurteilt. Wer nicht zum Bruttoinlandsprodukt beiträgt, hat es nicht verdient zu leben – das betrifft Arbeitslose, aber vor allem alte Menschen, die nach dem Eintritt ins Rentenalter auf Staatskosten zum freiwilligen Sterben eingeladen werden, um der Gesellschaft nicht auf der Tasche zu liegen.

Nadja und ihre Freunde haben die 65 alle gerade überschritten und freuen sich auf den Ruhestand. Unerwartet früh werden sie zu einem Sterbeseminar in einem der berüchtigten Sterbehotels eingeladen, von denen man sagt, man käme von dort nicht zurück. Die vier wollen sich damit aber nicht abfinden und laden die Journalistin Marwa ein, sie zu begleiten, um zu dokumentieren, wie freiwillig das Sterben dort wirklich ist. Und die unguten Vermutungen scheinen sich zu bestätigen ...

Die Mischung aus Dystopie und Kriminalroman ist der Autorin Olivia Monti hervorragend gelungen, und die sachliche Erzählerstimme, Nadja, die häufig völlig selbstverständlich von unsäglichen Tatsachen der neuen Gesellschaftsordnung berichtet, lässt mir als Leserin häufiger einen Schauer über den Rücken laufen. Das entworfene Szenario ist gerade so nah an der Realität, dass es ungemütlich wird, und greift Themen auf, die uns auch heute im gesellschaftlichen Kontext beschäftigen: Leistungsdruck, der Fokus auf wirtschaftlicher Leistungsfähigkeit, der Umgang mit alten Menschen und die Angst vor Bettlägerigkeit und Demenz.

Der einzige Wermutstropfen des Romans ist (neben der leider häufig fehlerhaften Orthographie und Interpunktion), dass viele Aspekte eher oberflächlich erzählt werden. Die Zusammenhänge sind selten komplex und werden, gerade gegen Ende, manchmal unzufriedenstellend einfach aufgelöst. Das hinterlässt einen unerfüllten Wunsch nach mehr Details, die dem Roman zu voller Größe gefehlt hätten.

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Veröffentlicht am 10.10.2022

Spannungsgeladen, aber stilistisch uninspiriert

Schmerzwinter
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„Schmerzwinter“, Aaron Sanders erster Thriller in einer neuen Reihe um den schwedischen Kommissar Jan Nygård, der in Hamburg ermittelt, hat es wirklich in sich, überzeugt aber vor allem auf Handlungsebene, ...

„Schmerzwinter“, Aaron Sanders erster Thriller in einer neuen Reihe um den schwedischen Kommissar Jan Nygård, der in Hamburg ermittelt, hat es wirklich in sich, überzeugt aber vor allem auf Handlungsebene, denn der eher einfallslose Schreibstil hat wenig zu bieten.

Als zwei übel zugerichtete Frauenleichen im Schnee gefunden werden, die jemand offenbar zu Marionetten gemacht hat, läuten bei Jan sofort alle Alarmglocken, denn er wittert einen Nachahmungstäter. Vor Jahren hat der sogenannte Puppenmacher auf ähnliche Weise getötet, der mittlerweile jedoch hinter Schloss und Riegel sitzt. Jan hat jedoch nicht nur mit den grausamen Details dieses Falls zu kämpfen, sondern auch mit seiner eigenen traumatischen Vergangenheit. Den dramatischen Verlust seiner Frau vor drei Jahren hat er noch nicht verwunden, und seine siebzehnjährige Tochter Leonie entfremdet sich zunehmend von ihm. Halt bietet ihm die Polizeipsychologin Anna, die ihn auch bei den Ermittlungen unterstützen kann. Gemeinsam heften sie sich an die Fährte des Killers.

Aaron Sanders versteht es wirklich, Spannung und Grusel aufkommen zu lassen. Die Morde sind nichts für schwache Nerven, und durch den häufigen Schauplatzwechsel und die rasanten Entwicklungen kommt man kaum zum Atemholen. Es handelt sich bei „Schmerzwinter“ zweifelsohne um einen Pageturner! Dadurch rückt zum Glück der einfallslose und häufig repetitive Schreibstil nicht so stark in den Vordergrund, der bei einer weniger spannenden Handlung sicher noch deutlich negativer ins Gewicht fiele. Ebenfalls wenig originell ist die Figurenzeichnung von Jan, der als traumatisierter Polizist mit Aggressionsproblem und einer Vorliebe für Alleingänge schon ein ziemliches Klischee darstellt. Eine interessante Abwechslung bietet da Anna, die ein viel besser balancierter Charakter ist: Tough, aber keine Superfrau; intelligent, aber nicht ab Minute 1 ein Ermittlungsprofi, der sofort alles über den Täter weiß; einfühlsam, aber ohne sich Jan an den Hals zu werfen. Sie hat definitiv größeres Potenzial als ihr eher stereotyper Partner, und es bleibt zu hoffen, dass ihr im nächsten Band eine umfangreichere Rolle zukommen wird.

Insgesamt ein unterhaltsamer, spannender Thriller, von dem man sich aber in puncto Stil und Charakterzeichnung nicht zu viel erwarten darf.

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Veröffentlicht am 07.03.2022

Ein blutiger Thriller mit viel Verwirrpotenzial

Jigsaw Man - Der tote Priester
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„Jigsaw Man – der tote Priester“ ist der zweite Band aus Nadine Mathesons Reihe um DI Anjelica Henley. Der Thriller fällt vor allem durch zwei Aspekte auf: seine exzessiv brutalen Morde und seine vielen ...

„Jigsaw Man – der tote Priester“ ist der zweite Band aus Nadine Mathesons Reihe um DI Anjelica Henley. Der Thriller fällt vor allem durch zwei Aspekte auf: seine exzessiv brutalen Morde und seine vielen Handlungsstränge, die teils etwas chaotisch sind. Gerade für die, die neu in die Reihe einsteigen, nicht immer einfach!

Nach dem brutalen Mord an einem Pastor einer Freikirche findet die Londoner Polizei neben dem Opfer auch einen übel zugerichteten, aber noch lebendigen jungen Mann, der augenscheinlich über Wochen gefoltert wurde. Das führt sie auf die Fährte einer Gruppe Fanatiker, die eine religiöse Motivation für ihre blutigen Taten zu haben scheinen. Und es stellt sich die Frage: Was hatte der ermordete Pastor damit zu tun? Henley taucht ein in einen chaotischen Wirrwarr aus Beziehungen und Abhängigkeiten, bei dem so manche Untat ans Licht kommt und ein Zeuge unglaubwürdiger als der nächste ist. Dass Henleys Privatleben und auch das ihres Partners Ramouter zusätzliches Konfliktpotenzial bereithalten, vereinfacht die Übersicht über all diese Handlungsstränge nicht gerade.

Nadine Mathesons Thriller-Aufbau ist fraglos spannend, ihre Geschichte originell und voller Wendungen. Ihre etwas umständliche Erzählweise, die immer wieder neue Aspekte aufgreift und den Fokus der Lesenden häufig von einem auf den anderen Handlungsstrang zwingt, lässt diese reizvolle Prämisse jedoch oft nicht richtig zur Geltung kommen. Zu vieles passiert gleichzeitig, zu viele Entwicklungen erscheinen gleich stark gewichtet und sorgen dafür, dass die Konzentration auf eine stringente Entwicklung schwerfällt. Dass dabei Verwirrung entsteht und so manche Überraschung am Ende auftaucht, ist der positive Aspekt dieser Erzählweise. Die Kehrseite der Medaille ist, dass es mitunter schwerfällt, im Fluss der Geschichte zu bleiben, da aufgrund der Vielzahl der Handlungsstränge immer wieder Figuren und Ereignisse neu eingeordnet werden müssen, die schon gar nicht mehr präsent sind. Möglicherweise wäre hier die Kenntnis des ersten Bandes hilfreich, auch wenn die grundsätzliche Handlung unabhängig zu verstehen ist.

„Jigsaw Man – der tote Priester“ ist ein durchaus lesenswerter Thriller, verlangt aber etwas Geduld und ein recht hohes Maß an Konzentration. Für Fans von Band 1 treten die Schwächen sicher weniger stark zutage, weshalb ich das Buch nicht uneingeschränkt empfehlen kann, sollte man diesen nicht gelesen haben.

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