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Veröffentlicht am 07.02.2021

Liebe am Abgrund

8.540 Kilometer
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Inhalt:

„Hey, do you wanna buy some coke?“, das sind die Worte, mit denen Jasper Sunny auf einem Festival das erste Mal anspricht. Es folgt ein Lächeln, das dem Mädchen nahezu den Atem raubt. Sunny ist ...

Inhalt:

„Hey, do you wanna buy some coke?“, das sind die Worte, mit denen Jasper Sunny auf einem Festival das erste Mal anspricht. Es folgt ein Lächeln, das dem Mädchen nahezu den Atem raubt. Sunny ist kaum in der Lage, ein vernünftiges Wort herauszubringen. Jasper hingegen scheint erst einmal verwirrt, ob der Sprachlosigkeit seines Gegenüber. Es sind die Freundinnen, welche plötzlich dazukommen, die die Situation retten. Erst einige Zeit später findet Sunny ihre Stimme wieder.

Sollte es so etwas wie Liebe auf den ersten Blick geben, dann ist Sunny wohl in diesem Moment diesem einzigartigem Gefühl verfallen. Jasper und sie verbringen einen Abend miteinander, den das Mädchen so schnell nicht wieder vergessen wird.

Um Jasper nicht zu verschrecken, willigt Sunny in Jaspers Angebot ein. Sie rauchen gemeinsam einen Joint, der Abend gipfelt in der Einnahme von Kokain. Dieser erste Drogenkonsum wirft Sunny jedoch völlig aus der Bahn. Sie muss viel zu früh ins Bett, fürchtet Jasper nicht mehr wiederzusehen. Doch der Fremde bleibt und berichtet ihr in dieser Nacht von seinen Erlebnissen. Wie er eine lange Zeit mit einem alten Seemann und seinem Hund Remmie auf einem Austern-Schiff gelebt hat. Dass er an das Schicksal glaube und es keine Zufälle gäbe.

Sunny und Jasper treffen sich am nächsten Tag wieder. Sunny kann es nicht mehr verleugnen: Sie hat sich Hals über Kopf in den jungen Mann verliebt. Umso schwerer ist der Abschied, der früher oder später folgen muss.



Meinung:

Was für eine Geschichte! Doch fangen wir von vorne an. Bereits auf den ersten Seiten, als sich Sunny und Jasper auf dem Festivalgelände kennenlernen, war ich mir nicht sicher, was ich im Sinne der intersubjektiven Nachvollziehbarkeit vom Verhalten und den Gedanken der Figuren halten sollte. Dazu sei angemerkt: Ich selbst hatte in meinem Leben noch keinen Kontakt zu Drogen und stehe dem Konsum von Cannabis, Koks & Co. skeptisch gegenüber.

Die erste Kontaktaufnahme, die Jasper gegenüber Sunny startet, besteht darin, dass er dem Mädchen Koks anbietet. Sunny nimmt das Angebot an. Sie möchte den Fremden, dessen Lächeln sie vom ersten Moment an verzaubert, nicht verschrecken. Das Verhalten baut zunächst kein Identifikationspotential mit den Figuren auf. Auch die Gefühle, die Sunny für Jasper empfindet, waren nur schwer greifbar. Ein charmantes Lächeln ist für mich keine Rechtfertigung, sich exzessivem Drogenkonsum hinzugeben.

Doch Sunny ist jung, sie ist abenteuerlustig und genau das waren wohl die Gründe, die sie auch in Jaspers Arme trieben.

Nach dem ersten Kennenlernen geht Sunny der Fremde nicht mehr aus dem Kopf. Immer wieder muss sie an Jasper denken. Die Entfernung, die nach seiner Abreise zwischen ihnen liegt, der Gedanke, Jasper nie mehr wiederzusehen, zerreißt ihr das Herz und treibt sie in eine depressive Stimmung.

Sunny fasst einen Plan. Sie möchte Jasper besuchen. Sie überlegt sogar, ihr geregeltes Leben für einen Jungen, den sie bislang kaum richtig kennenlernen konnte, über den Haufen zu werfen und ein Abenteuer zu wagen.

Während des Lesens habe ich oft versucht, mich in Sunny hineinzuversetzen. Das ist mir zum Teil gelungen. Sunny wächst in einer Familie auf, in der man zusammenhält. Die Eltern sind tolerant und unterstützen die Tochter in ihren Plänen. Sie besitzt zwei Freundinnen, die mit ihr durch dick und dünn gehen würden, die ihr aber auch in Krisensituationen mal ordentlich die Leviten lesen. Außerdem hat das junge Mädchen Pläne. Sie möchte studieren. Sie macht sich sogar Sorgen, ob sie beim Fahren mit dem Auto die Geschwindigkeitsbegenzung versehentlich überschritten, und somit vielleicht eine Ordnungswidrigkeit begangen hat.

Jasper hingegen ist das genaue Gegenteil. Er lebt nicht in der Vergangenheit und schon gar nicht in der Zukunft. Er lebt im Hier und Jetzt. Jasper glaubt nicht an Zufälle, stattdessen glaubt er an das Schicksal. Wenn das Leben in all seinen Facetten eh schon vorherbestimmt ist, was macht es für einen Sinn, sich Sorgen zu machen, oder sich in Ängsten zu verlieren? Für fast jede Situation hat Jasper eine Lösung parat. Er scheut sich nicht, einfach mal mitten in die Wildnis zu ziehen und dort ohne fremde Hilfe ein Haus aufzubauen.

Nach dem Muster, wonach sich Gegensätze anziehen, ist zu erklären, was Sunny an Jasper spannend findet.

Die Frage nach der Nachvollziehbarkeit trieb mich also von Beginn an um.

Jaspers Charme ist wohl einer der Gründe, warum Sunny immer wieder auf ihn hereinfällt. Bei jedem Treffen bietet er ihr Drogen an. Sunny fällt es schwer, dieses Angebot abzulehnen. Einerseits möchte sie gefallen, andererseits ist sie auch neugierig. Mir erschien Sunny in vielen Fällen naiv. Ich hatte Jasper schnell als jemanden erkannt, der Versprechungen macht und sie oft nicht einhalten kann. Jemand, der gerne Dinge verschweigt. Spätestens nach der ersten Lüge war mein Misstrauen geweckt.

Es fehlt nicht an Warnungen durch treue Freunde. Aber Sunny lässt sich nicht warnen. Sunny möchte nicht auf die Meinung anderer hören. Sie möchte ihre eigenen Erfahrungen machen, auch, wenn die Vergangenheit gezeigt hat, dass sie immer wieder enttäuscht wird.

Schnell wird dem Leser klar: Dieses Buch wird sich zu einer Achterbahn der Gefühle entwickeln.

Zum Ende hin gewinnt die Geschichte noch einmal zusätzlich stark an Spannung. Ich habe an den Seiten geklebt, gehofft, gezittert, gebangt. Und dann hört das Buch auf. An einer Stelle, die hoffen lässt, dass die Autorin noch eine Fortsetzung schreiben wird.



Fazit:

Liebe am Abgrund.

Wer Jennifer Schmitzs „8.540 Kilometer gegen das System“ liest, kann erwarten, auf eine Achterbahnfahrt der Gefühle mitgenommen zu werden, die oft den Atem kostet.

Im Mittelpunkt steht die dysfunktionale Psychodynamik eines Pärchens, sie ist der Dreh- und Angelpunkt dieses Liebesdramas.

Das Buch ist aber keine leichte Kost und schon gar keine locker-flockige Liebesgeschichte.

Jennifer Schmitzs wählt nicht die distanzierte Perspektive des Reporters, sondern schaut direkt in den Abgrund.

Das Ende ist spannend, aufwühlend und vor allem verstörend. Hier wünscht man sich als Leser unbedingt eine Fortsetzung. Doch wird es die geben? Das Leben ist nicht vorhersehbar und seine Geschichten bleiben, wie in diesem Buch, oft offen.

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Veröffentlicht am 03.02.2021

Eine chaotische Großfamilie

Lil April - Mein Leben und andere Missgeschicke
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Inhalt:

Als eines von fünf Kindern einer Großfamilie wünscht sich Lil nichts mehr, als Einzelkind zu sein. Jeden Tag erlebt sie Dramen, Chaos, Probleme, aber auch Spaß, alles, was der Alltag in einer ...

Inhalt:

Als eines von fünf Kindern einer Großfamilie wünscht sich Lil nichts mehr, als Einzelkind zu sein. Jeden Tag erlebt sie Dramen, Chaos, Probleme, aber auch Spaß, alles, was der Alltag in einer Großfamilie mit sich bringt. Die vielbeschäftigten Eltern neigen dazu, die unzähligen Aufgaben gefühlt fast immer nur an Lil zu delegieren. Verzweifelt versucht sie Aufgaben und Privatleben auf die Reihe zu bekommen.

All das, was an Zeit bleibt, nutzt Lil, um mit Helli, ihrer besten Freundin, abzuhängen. Und dann gibt es da noch diesen Jungen mit dem Skateboard, der ganz frisch in die Gegend gezogen ist. Dennis hat immer einen lockeren Spruch auf der Zunge, er fährt mit seinem Board sogar ins Klassenzimmer, bis direkt an seinen Platz.

Lil kann es nicht verleugnen. Irgendwie hat Dennis ihr Interesse geweckt. Doch statt sie zu beachten, hängt er lieber mit ihrer kleineren Schwester Arti rum. Die, die immer so schlagfertig ist und auf Dennis Ansagen jedes Mal total cool kontert. Lil hingegen passiert ständig irgendein Missgeschick. Die Salami fällt ihr in Gegenwart von Dennis vom Brot direkt auf den Schoß oder ihr Vater spricht sie auf den BH an, den sie auf dem Terrassentisch hat liegen lassen. Peinlicher geht’s ja wohl gar nicht, oder?



Meinung:

Stephanie Gessner zeichnet in Lil April das Bild einer absolut verrückten und chaotischen Großfamilie, bestehend aus fünf Kindern, einem Hund, einem Au-Pair-Mädchen und zwei Eltern, die zwischen Beruf und Haushalt pendeln.

Die Geschichte wird aus der Sicht von Lil erzählt, einem Mädchen, dass am liebsten aus dem ganzen Chaos ausbrechen würde. Denn irgendwie steht sie der ganzen Familie als "Delegationsopfer"zur Verfügung. Lil kann gut Zeichnen und ist deswegen natürlich prädestiniert, ihrem Bruder Pego dabei zu helfen, die Straßenachse für den Kunstunterricht zu zeichnen. Die Hecke muss geschnitten werden? - Hat Lil nicht kürzlich Papas Pflanzenatlas studiert? Prima, dann kann sie das ja machen. Dabei hat Lil doch soviel vor. Beispielsweise mit dem coolen Jungen, der neu in die Nachbarschaft gezogen ist, ins Gespräch zu kommen.

Und während ihre Probleme nicht gründlich gewürdigt werden, scheinen am Horizont die nächsten Familienkrisen auf. So scheinen Papa und Mama irgendwie ein Geheimnis zu haben. Ständig ist Papa auf Geschäftsreise und muss auch am Abend des öfteren noch mal weg. Bei einem Telefonat wird Mama sogar richtig ernst. Was ist da los? Als wäre das nicht schon Problem genug, wird dann plötzlich der Familienhund Pan inkontinent, und Mama plädiert lautstark am Esstisch ihn abzugeben. Die Kinder sind außer sich. Da müssen aber ganz schnell gute Lösungen her, finden Lil und ihre Geschwister.

Während des Lesens musste ich des öfteren Schmunzeln. Denn in diesem Buch für jüngere Leser/innen sind die Kinder die Stimme der Vernunft.

Lils Eltern hingegen lösen den höchst strapaziösen Spagat zwischen Erwerbs- und Familienarbeit, indem sie sich letzterer entziehen. Besonders Lils Vater ist speziell. So sticht seine Liebe für Griechenland ganz besonders hervor. Die Kinder der Familie wurden allesamt nach griechischen Göttern benannt (Lil ist eine Abkürzung für Lilaia), ihre Anfangsbuchstaben ergeben in geordneter Reihenfolge den Namen eines griechischen Philosophen (Platon) und wenn einer eindeutig zu weit gegangen ist, dann erschallt Papas Ruf, „zum ZEUS“, einmal quer durchs Haus. Mama hingegen nennt das Familienoberhaupt liebevoll Zeusel.

Überhaupt ist mit Papa nicht immer leicht zu diskutieren. Ständig gibt er den intellektuellen Eigenbrötler aus dem Elfenbeinturm, wenn es um die Lösung konkreter Probleme geht.

Lil hat es nicht einfach, das spürt der Leser und dennoch meistert sie jede Situation mit Bravour.



Fazit:

Eine Großfamilie und ihre Probleme.

„Lil April – Mein Leben und andere Missgeschicke“ ist der Auftaktband einer Reihe rund um eine chaotische Großfamilie.

Stephanie Gessners Buch überzeugt durch seinen authentischen Ton und glänzt durch seine schrulligen Figuren, die nie flach oder eindimensional daherkommen.

„Lil April“ liest sich überaus kurzweilig. Die Geschichte ist zum Schmunzeln, zum Kopfschütteln, aber nie zum Achselzucken.

Ein Roman, dem man viele junge Leser wünscht.

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Veröffentlicht am 15.12.2020

Mal was Neues

Multipla
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Inhalt:

Kriege, Terror und Naturkatastrophen haben dafür gesorgt, dass sich die Menschen gegen eine lebensfeindliche Umwelt stemmen müssen. Das Wasser ist verseucht, die Luft verschmutzt. Wissenschaft ...

Inhalt:

Kriege, Terror und Naturkatastrophen haben dafür gesorgt, dass sich die Menschen gegen eine lebensfeindliche Umwelt stemmen müssen. Das Wasser ist verseucht, die Luft verschmutzt. Wissenschaft und Technik helfen den Menschen, die Mittel in die Hand zu bekommen, die ihnen ein Leben ermöglichen, zumindest für den Augenblick. Mit der Hilfe von Masken kann man vor die Tür gehen, mit Hilfe von Luftfilterungsanlagen in der Wohnung frei atmen.

Die meisten Lebewesen kommen mit Mutationen auf die Welt. Alle drei Monate gibt es eine spezielle Impfung durch die Regierung, die gegen die durch die Haut aufgenommen Giftstoffe weitestgehend helfen soll.

Die Protagonistin des Buches, die junge Bastlerin Delyla, lebt in Multipla, der Hauptstadt Devidiens. Sie hat sich mit den Gegebenheiten weitestgehend arrangiert. In ihrer kleinen Wohnung bastelt sie an neuen Erfindungen. Ihr treuer Begleiter ist eine kleine Katze namens Molly, die Delyla einst von der Straße gerettet und liebevoll aufgepeppelt hat.

Doch als eines Tages Detektiv Scarlar MacKunning vor Delylas Tür steht, gerät die Welt der jungen Frau ins Wanken. Denn der Detektiv bittet sie nicht nur darum, ein seltsames Buch zu öffnen, und die Schrift darin zu entschlüsseln. Das, was vielleicht auf den ersten Blick noch wie ein Zufall wirken mag, ist in Wahrheit mehr. Delyla wird schon bald Teil einer großen Operation. Denn das DWZ möchte die fähige Bastlerin in seinem Team im Kampf gegen eine Organisation, die sich gegen das bestehende System aufgelehnt hat.



Meinung:

Arya Black schreibt mit Multipla eine außergewöhnliche, „biotechnologische“ Geschichte. Es handelt sich um die Dystopie, die ein düsteres Gemälde der Zukunft entwirft.

Die Protagonstin Delyla lebt im Bastlerviertel der Hauptstadt von Multipla. Wie viele andere auch muss sie hart um ihr tägliches Überleben kämpfen. Doch ihr Geschäft läuft so gut, dass sie sich selbst und ihre Katze Molly über die Runden bringen kann. Gelegentlich geht sie auf den Markt, scannt dort die Lebensmittel, die sie benötigt und lässt sich die Lieferung dann per Metalladler nach Hause bringen.

Einzige Vertraute von Delyla ist ihre kleine Katze, die sie einst von der Straße aufgelesen und aufgepeppelt hat. So lebt Molly mittlerweile mit einem Metallohr, in das eine eigens für sie entworfene Maske integriert ist, die, sobald sich Molly vor die Tür begibt, herausfährt. Auch ein zweites Skelett hat Delyla für ihr Haustier entworfen, ohne das die Katze nicht in der Lage wäre, sich fortzubewegen.

Arya Black erzählt in ihrem Roman nicht nur eine spannende Geschichte, die den Alltag geprüfter Menschen in einer lebensfeindlichen Umwelt mit seinen unterschiedlichen Facetten und vielschichtigen gesellschaftlichen Hintergründen in den Blick rückt, sondern sie hat auch eine Vorliebe für Geschichten mit ambivalenten Personal. Von Außenseitern, die zu Helden werden.

Delyla wird unfreiwillig zu einem Kämpfer des Systems. Die DWZ weiß ihre Fähigkeiten sehr zu schätzen. Seite an Seite mit dem Detektiv gerät Deylyla in einen Konflikt mit einer Rebellenorganisation. Was erst noch wie ein normaler Auftrag ausgesehen hat, wird nach und nach zu einer endlosen Tour de force.

Durch die Zusammenarbeit mit dem Detektiv entwickelt Delyla, die bislang hauptsächlich mit ihrer Katze Zeit verbracht hat, Gefühle für einen Menschen. Diese Emotionen einzuordnen fällt gar nicht so einfach. Leser, die befürchten, hier mit einer klebrigen Liebesgeschichte konfrontiert zu werden, kann ich an dieser Stelle beruhigen. Arya Black beschreibt die Zusammenarbeit und die daraus resultierende Entwicklung der Zuneigung ihrer Figuren gemächlich und glaubhaft. Die zwischenmenschliche Komponente bleibt dezent im Hintergrund und überlagert die Haupthandlung nicht.



Fazit:

Wenn es vor zwanzig Jahren ein Genre gab, das Zukunft vor sich zu haben schien, dann war es die Utopie. In den letzten Jahren bekommt man es in der Regel mit einer Zukunftsvision zu tun, die ein negatives und düsteres Bild der Zukunft zeichnet. Sehr oft wird die pessimistische Zukunftsprognose mit Themen wie Technisierung oder permanente Überwachung, in Zusammenhang gebracht.

Arya Black schreibt mit Multipla eine Geschichte, die dieses Genre um bisher ungelesenes bereichert, und die sich vermutlich am ehesten in das Genre Biopunk einordnen lässt.

Ihre Figuren nicht vornehmlich Sprachrohr von Weltanschauungen, sondern lebendige Subjekte, mit einer eigenen Biografie, die Emotionen und Gedankenwelten spiegeln. Menschen, die wirken, als seien sie mitten aus dem Leben gegriffen.

Passend zur Geschichte verfolgt der Verlag ein besonderes Konzept. Die Bücher von Matabooks werden weitestgehend in Handarbeit hergestellt. Sie bestehen überwiegend aus Gras, Reis und Zuckerrohr. Das Buch ist vollständig recycel- und ökologisch abbaubar.

Ich empfehle Multipla Lesern, die etwas Neues, etwas Originelles in Buchform suchen.



Buchzitate:

„Die Menschen sehen nur, was sie sehen wollen und hassen alles, das anders ist und nicht der Norm entspricht. Heutzutage ist Toleranz etwas, das nur noch die Wenigsten besitzen.

Wenn es etwas nicht gibt, dann erschaffe es!

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Veröffentlicht am 25.11.2020

Abgründig, packend, intensiv

Monday, wo bist du?
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Inhalt:


Wie jeden Sommer waren Claudia und Monday voneinander getrennt. Wie jeden Sommer schrieb Claudia fleißig von ihrer Grandma aus Briefe an ihre beste Freundin. Doch dieses Mal war irgendwas anders, ...

Inhalt:


Wie jeden Sommer waren Claudia und Monday voneinander getrennt. Wie jeden Sommer schrieb Claudia fleißig von ihrer Grandma aus Briefe an ihre beste Freundin. Doch dieses Mal war irgendwas anders, sie bekam keine Antwort.

Am Ende der Ferien konnte Claudia das Wiedersehen kaum erwarten. Doch auch im Unterricht fehlte Monday. Beim Morgenappell fand ihr Name nicht einmal mehr Erwähnung.

Der einzige Gedanke, der Claudia beschäftigt, ist die Frage nach ihrer besten Freundin. Doch irgendwie scheint es niemanden zu interessieren, wohin diese verschwunden ist. Als Claudia bei Mondays Familie nachfragt, sieht sie sich rasch in Widersprüche verstrickt. Zunächst soll ihre Freundin bei deren Vater dann wieder bei ihrer Tante sein. Claudias Eltern legen den Fokus eher auf die eigene Tochter und deren schulische Leitungen. Monday wird schon wieder auftauchen.

Auf Nachfrage bei den Lehrern reagieren die meisten mit Desinteresse. Die Polizei weist auf die Vermisstenliste hin, deren Bearbeitung bereits genug Zeit absorbiert. Möchte Claudia wirklich eine Person melden, die vermutlich nur für eine Weile bei Verwandten untergekommen ist?

Das Verschwinden eines schwarzen Mädchens scheint ganz Washington D.C. herzlich egal.


Meinung:


Als Claudia von den Sommerferien bei der Grandma zurückkehrt ist nichts mehr, wie es vorher war. Ihre beste Freundin scheint wie vom Erdboden verschwunden und keinen scheint es zu kümmern. Auf Nachfrage reagiert das Umfeld mit Unwissen, Gleichgültigkeit und Ausreden.

Claudia will sich aber nicht entmutigen lassen, bleibt hoffnungsvoll und hakt weiter nach. Das Schweigen frisst sich aber in alles und alle hinein, allerorts begegnen ihr Ablehnung und Zurückweisung.

Claudia begreift, dass sie machtlos ist. Ihr Alltag muss weitergehen. Doch ohne Monday ist sie kaum lebenstauglich. Die beiden sind so komplementär angelegt wie Ying und Yang. Mit Monday hat Claudia ihre beste Freundin, wenn nicht sogar ihren Seelenpartner, verloren. Das tut unglaublich weh.

Zwar gibt es da einen Jungen in der Kirchengemeinde, der Interesse an Claudia zeigt. Auch geben sich ihre Eltern größte Mühe, um das Kind zu fördern und dessen Alltag schön zu gestalten. Doch es bleibt ein großes Loch. Denn einen Menschen, den man ins Herz geschlossen hat, den kann man nicht einfach durch einen anderen ersetzen. Das wird anhand von Tiffany D. Jacksons Geschichte sehr schnell deutlich.


Fazit:


Tiffany D. Jackson schreibt mit „Monday, wo bist du?“ den zweiten Roman, der ins Deutsche übersetzt wurde. Ihre Kunstfertigkeit und das Reflexionsniveau des Buches schaffen es, den Leser auch an schwierige Themen zu binden. Und das Buch behandelt eine Menge schwierige Themen wie Kindesmisshandlung, Rassismus und Gleichgültigkeit.

Das Ergebnis ist ein packendes Buch, ein dunkles Bild der US-Gesellschaft und eine subtile Offenbarung ihrer Widersprüche.
Der Sonnenstrahl, der das Elend durchbricht ist die bedingungslose Freundschaft der beiden Mädchen.
Dieses Buch lässt einen dennoch traurig und sprachlos zurück.

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Veröffentlicht am 19.11.2020

Ein horizonterweiterndes Buch

Ich bin Linus
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Inhalt:

„Ich bin Linus“ ist ein Buch über den Umgang mit Identitätsfragen, über transgeschlechtliche Identitätsfindung und die Klaviatur körperlicher Verwandlungen. Eine Autobiografie über einen mühsamen ...

Inhalt:

„Ich bin Linus“ ist ein Buch über den Umgang mit Identitätsfragen, über transgeschlechtliche Identitätsfindung und die Klaviatur körperlicher Verwandlungen. Eine Autobiografie über einen mühsamen Selbstfindungsprozess, über den steinigen Weg bis zum befreiten Ausleben der eigenen Geschlechternuancen. Ein Werk über die inneren und äußeren Qualen, die Transgender erdulden.

Eine Geschichte von inneren Beschädigungen und gesellschaftlicher Ächtung. Die Schilderung von geschlechtsangleichenden Operationen und Hormonbehandlungen.

Erst mit einunddreißig Jahren hat Linus sein Coming-out. Danach folgen Gespräche mit Freunden und Bekannten. Linus schreibt sein erstes Buch, er erkundet seinen neuen Körper und kämpft dafür sich in einer Welt, in der eine cis-normative Vorstellung von Geschlecht herrscht, zu behaupten.

Oft kommt es ihm vor, als würde er einen Kampf gegen Windmühlen führen.



Meinung:

In „Ich bin Linus“ berichtet Linus davon, wie schwer sein Coming-out für ihn war. Er berichtet von Höhenflügen von schönen Momenten, aber auch von Rückschritten und Tiefschlägen.

Der Leser begleitet Linus über drei Jahre seines Lebens. Linus erzählt von dem Moment, als er das erste Mal seinen neuen Namen gegenüber einem fremden Menschen - einem Barista bei Starbucks – ausgesprochen hat. Es folgen Gespräche mit Freunden und Bekannten. Er berichtet von der inneren Zerissenheit, die er oft empfunden hat. Wie er anfänglich Angst vor Ablehnung und Nachfragen hatte. Er erzählt von den kleinen Schritten, die er machen musste, und die nie einfach waren, aber oft doch sehr befreiend auf ihn gewirkt haben.

Ein Coming-out sei wie duschen, erzählt Linus, du musst es fast täglich machen. Es ist nicht dieser eine Moment, sondern es ist ein fortschreibender Prozess. Der Autor berichtet von Reaktionen im Internet, von Hasskommentaren, Ablehnung und Unverständnis. Viele Menschen stellen ihm Fragen. Hierbei wechselt der Ton von interessiert und neugierig, über fordernd bis hin zu beleidigend. Es kommt sogar vor, dass Linus in seinem privaten Umfeld von Menschen bedroht und gestalkt wird.

Sehr offen geht der Autor in dem Buch mit dem Thema Sexualität um. Er berichtet, wie er seinen Körper lieben gelernt hat, wie er aber auch immer wieder unsicher war, was Reaktionen aus seinem Umfeld betrifft. Er versucht, über eine Plattform Kontakt zu anderen Menschen zu finden, und gerät dabei an Personen, die ihn niedermachen und missbrauchen.

Aber auch in seinem alltäglichen Umfeld stößt Linus oft an seine Grenzen. Doch Linus kämpft, um seinen Traum, endlich als Mann akzeptiert zu werden, verwirklichen zu können. Er berichtet von Behördengängen, von Gängen zum Gynäkologen und der ersten therapeutischen Sitzung.

Sehr offen erzählt der Autor über die Veränderungen seines Körpers. Wie er seine Sexualität erforscht hat, über den Wunsch einen Penis zu haben und einen Bart zu tragen. Welche Möglichkeiten gibt es in medizinischer Hinsicht? Auch das erfährt der Leser in „Ich bin Linus“.



Fazit:

„Ich bin Linus“ ist keine einfache Geschichte, soviel sei vorangestellt. Der Autor Linus Giese lässt den Leser sein sexuelles Coming Out und die folgenden Konflikte intensiv miterleben. Er berichtet von der Respektlosigkeit, die ihm Tag für Tag widerfährt. Er berichtet von Hasskommentaren im Internet, von bewusster und unbewusster Diskriminierung.

Das Buch ist eindringlich statt aufdringlich. Auf packende Art und Weise wird der Transgender-Prozess mit allen Problemen und Unsicherheiten geschildert.

„Ich bin Linus“ ist ein Buch von Belang, weil es dem Leser Wissen vermittelt und ihm vor Augen führt, welches Wissen er eigentlich haben müsste.



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