Profilbild von Magnolia

Magnolia

Lesejury Star
online

Magnolia ist Mitglied der Lesejury

Melde dich in der Lesejury an, um dich mit Magnolia über deine Lieblingsbücher auszutauschen.

Anmelden

Meinungen aus der Lesejury

Veröffentlicht am 13.01.2021

Amsterdam im ausgehenden 16. Jahrhundert

Krone der Welt
1

In ihrem großartigen Historischen Roman „Krone der Welt“ entführt uns Sabine Weiß ins Amsterdam des ausgehenden 16. Jahrhunderts.

Wir erleben hier das aufstrebende Handelszentrum Amsterdam, in dem sowohl ...

In ihrem großartigen Historischen Roman „Krone der Welt“ entführt uns Sabine Weiß ins Amsterdam des ausgehenden 16. Jahrhunderts.

Wir erleben hier das aufstrebende Handelszentrum Amsterdam, in dem sowohl die Spanier als auch die Engländer das Sagen haben wollen neben dem allgegenwärtigen Glaubenskrieg der Katholiken gegen die Calvinisten, eingebettet in die Geschichte um die drei Geschwister Vincent, Ruben und Betje Aardzoon.
Antwerpen ist gefallen, tausende sind auf der Flucht. Wim Aardzoon muss weg mit seinen Kindern, hier findet er keine Anstellung. Es zieht sie nach Norden und sie müssen sich beeilen, bevor alle anderen die guten Anstellungen ergattern. Zunächst sind sie wenig begeistert – der erste Eindruck von Amsterdam ist enttäuschend. Sie geben nicht auf, Wim findet Arbeit und Vincent - schon immer fasziniert von den großartigen Bauwerken - eifert seinem Vater nach, will Architekt werden. Allerdings brauchte er das Bürgerrecht, musste einen Eid leisten und 6 Gulden berappen, um arbeiten zu können. Wohlgelitten waren Zugezogene nicht, das war auch damals schon so. Ruben ist und bleibt der Abenteurer, ihn zieht es hinaus aufs Meer. Betje hingegen zaubert die besten Gerichte, kochen ist ihre große Leidenschaft. So zieht sich das Leben der drei durch das Buch voller Kriege und Glaubensfanatismus, voller Hinterhältigkeit und Hass, Lügen und Intrigen, Neider und Widersacher aber auch voller Liebe, Zuneigung und gegenseitiger Hilfe.

Sabine Weiß beschreibt die einzelnen Szenen sehr lebendig. So werden Brander, diese Höllenschiffe auf- und ausgerüstet, um Schiffbrücken zu zerstören. Natürlich habe ich nachgelesen, was es mit diesen Brandschiffen auf sich hat, habe ich doch vorher nichts darüber gewusst, konnte mir dieses Fiasko danach aber gut vorstellen.

Hauptsächlich begleite ich Vincent. Er ist sehr zielstrebig und mit ihm als ideenreicher Architekt erfahre ich so einiges über die Erweiterung der Stadt, den Ausbau der Grachten und all der prunkvollen Häuser. Den Bewohnern geht es gut, sie können sich diese begehrten Dinge leisten, die Ruben auf seinen Handelsreisen heran schippert. Von reichen Kaufleuten wird schließlich die Companie van Verre gegründet, der Vorläufer der Niederländischen Ostindien-Kompanie.

Die Entwicklung Amsterdams wird anhand der fiktiven Geschichte um die Geschwister anschaulich dargestellt und geschickt verwoben mit historischen Persönlichkeiten. Die niederländischen Namen und Bezeichnungen geben dem Roman eine ganz besondere Atmosphäre. Im Glossar werden viele Begriffe nochmal dargestellt, jedoch erklärt sich vieles beim Lesen von selbst.

Gerne habe ich Vincent, Ruben und Betje begleitet, bin zurück ins ausgehende 16. Jahrhundert und habe mich meistens gut aufgehoben gefühlt im aufstrebenden Amsterdam. Unbedingt empfehlenswert für all jene, die historische Romane gerne lesen.

  • Einzelne Kategorien
  • Cover
  • Erzählstil
  • Handlung
  • Charaktere
Veröffentlicht am 01.01.2021

Eine Kindheit inmitten des Krieges

Der Hütejunge
1

Der Junge, dessen Namen die Mutter nicht aussprechen mag, wird 1934 in ein kleines Eifeldorf hineingeboren. Vor dem Krieg mussten schon alle mit anpacken und der heranwachsende Junge war stolz, seinen ...

Der Junge, dessen Namen die Mutter nicht aussprechen mag, wird 1934 in ein kleines Eifeldorf hineingeboren. Vor dem Krieg mussten schon alle mit anpacken und der heranwachsende Junge war stolz, seinen Beitrag als Hütejunge zu leisten. Auf die Kühe aufpassen, das konnte er. Ein aufgeweckter, neugieriger Junge, der seine Welt erobern will. Fast könnte man meinen, es sei eine glückliche Kindheit gewesen. Dann war Krieg, sie hatten nicht viel. Nie viel gehabt. Der Vater war früh gestorben, das Geld immer knapp. Mutter hielt alles zusammen, sie alleine musste die Familie, die sechs Kinder, durchbringen.

Ulrike Blatter beschreibt mit ihrem „Hütejungen“ ein Stück Zeitgeschichte. Es sind die Kindheitserinnerungen ihres Vaters, fiktiv verändert. Aus Kindersicht, ohne erhobenen Zeigefinger, sind all diese Schrecken, die grausamen, ja unmenschlichen Vorkommnisse in Kriegszeiten behutsam erzählt. Der Leser begleitet den Jungen, seine Familie und die Dorfbuben durch diese entbehrungsreichen Jahre, durch die Sommer und die eiskalten Winter. Seine jugendliche Neugier erspäht so einiges. Er sieht viel, ist ein guter Beobachter und ein sehr liebenswerter Charakter. Wir sind immer nah dran am Jungen und sehen die Welt oft mit seinen Augen, als ob er einen an die Hand nimmt und durch diese schwere Zeit führt, dem Schrecken das allzu tragische nimmt. Man spürt so richtig, dass es hier ums Überleben geht - irgendwie. Jeder leistet seinen Beitrag, so gut er eben kann.

Ein sehr eindringliches Buch, dessen Geschichte mich sofort mitgenommen hat. Mit dem Jungen und seiner Familie ging, durchlitt und durchlebte ich diese Jahre, konnte deren Handlungsweise gut nachvollziehen und war und bin unendlich dankbar, dass ich in Friedenszeiten ohne große Not groß werden konnte. Sehr schön und aufschlussreich finde ich den bebilderten Teil in der Buchmitte, so wird das gelesene nochmals sehr anschaulich dargestellt.

Die Autorin erzählt alles, ungeschönt. Und doch wendet man sich nicht ab, liest weiter. Das geht, das kann man aushalten. Lebendig, ja behutsam geschrieben. Ein sehr schöner, ein leiser Erzählstil. Wie ich finde, ein sehr wichtiges Buch, das jeder lesen sollte.

  • Einzelne Kategorien
  • Cover
  • Erzählstil
  • Handlung
  • Charaktere
Veröffentlicht am 21.12.2020

Ein Muss für jeden Thriller-Fan

Blutroter Schatten
1

Wenn das mal kein Thriller ist! Ein eiskalter Mörder, ein smarter Anwalt. Er ist sehr erfolgreich, schlägt wie im Rausch brutal zu und wird dabei von Sam, seiner Tochter, beobachtet. Längst sitzt er im ...

Wenn das mal kein Thriller ist! Ein eiskalter Mörder, ein smarter Anwalt. Er ist sehr erfolgreich, schlägt wie im Rausch brutal zu und wird dabei von Sam, seiner Tochter, beobachtet. Längst sitzt er im Hochsicherheitstrakt der Psychiatrie, als draußen alles wieder anfängt. Mehrere Leichen werden gefunden, brutal ermordet, bei jedem hinterlässt der Schlitzer, wie er genannt wird, folgendes: „Mit den besten Empfehlungen von Thomas Rohde“. Wie kann das sein? Der Schlüssel zu diesen neuerlichen Morden ist wohl Rohde, der aber ist weggesperrt und will nicht mit der Polizei reden. Er verlangt, ausschließlich mit seiner Tochter sprechen, ansonsten schweigt er. Sie will mit ihrem Vater nichts mehr zu tun haben, willigt aber letztendlich ein. Kennt er diesen Schlächter?

Ein Wechselbad der Gefühle tut sich beim Lesen auf. Verdächtige gibt es, ja. Er, der Schlitzer, ist immer einen Schritt weiter als die Polizei. Diese kranken Phantasien, die der auslebt, sind fast nicht auszuhalten. Immer grauenhafter werden seine Taten, als ob er Rohde um jeden Preis gefallen möchte. Und dieser nutzt die Gunst der Stunde, quält Sam mit jeder neuen Begegnung.

Patricia Walter ist eine nervenaufreibende Geschichte gelungen, die mich nicht hat schlafen lassen. Entsetzen über so einen gefühlskalten Vater, der seine Tochter benutzt, um seine mörderischen, ja krankhaften Gewaltexzesse nochmal zu genießen, überkommt mich immer wieder. Auf der verzweifelten Jagd nach dem Nachahmungstäter stockt mir des Öfteren der Atem.

Für Thriller-Fans ist dieser „Blutrote Schatten“ ein absolutes Highlight, den ich ohne Wenn und Aber weiterempfehlen kann.

  • Einzelne Kategorien
  • Cover
  • Erzählstil
  • Handlung
  • Charaktere
Veröffentlicht am 21.12.2020

Zwei Schwestern, das erste Kinderkrankenhaus in Berlin, eindrucksvoll erzählt

Kinderklinik Weißensee - Zeit der Wunder (Die Kinderärztin 1)
1

Der sechste Geburtstag von Marlene sollte ein schöner, fröhlicher Tag werden. Mit Emma, ihrer kleinen Schwester isst sie ganz viel Streuselkuchen, als Mama sich zusammenkrümmt und stirbt. Zwei ...

Der sechste Geburtstag von Marlene sollte ein schöner, fröhlicher Tag werden. Mit Emma, ihrer kleinen Schwester isst sie ganz viel Streuselkuchen, als Mama sich zusammenkrümmt und stirbt. Zwei kleine Mädchen – plötzlich ganz alleine. Sie wollen auf gar keinen Fall ins Waisenhaus, aber genau da verbringen sie zwölf Jahre ihres noch so jungen Lebens. Eine Ausbildung als Kinderkrankenschwester bietet ihnen dann die Chance zusammenzubleiben, aufeinander aufzupassen. Es geht hier streng zu, wobei die beiden sich leichter unterordnen können als die verwöhnten Töchter aus gutem Hause. Hanny Polsfuß, die Oberin, führt die Elevinnen mit eiserner Hand, Disziplin und Gehorsam wird vorausgesetzt. Marlene und Emma müssen sich erst beweisen, die Polsfuß verordnet ihnen eine zweimonatige Probezeit. Bald spricht sich herum, dass die Schwestern vom Waisenhaus kommen und sie werden dementsprechend herablassend behandelt. Der adelige Assistenzarzt Maximilian von Weilert erkennt Marlenes Fähigkeiten, die beiden verlieben sich, was aber nicht jedem und jeder gefällt.

Mit dem ersten Teil der „Kinderklinik Weißensee – Zeit der Wunder“ führt Antonia Blum ins Berlin von 1911 - zurück in eine Welt voller Standesdünkel. Es ist erst gut hundert Jahre her und doch war es eine ganz andere Zeit. Der Mann war derjenige, der das Sagen hatte, Frauen hatten zu dienen. Adelig geboren hieß, eine gute Partie zu machen. Als erstgeborenes Mädchen verschrieb man sich in diesen Kreisen den Idealen des Vaterländischen Frauenvereins vom Roten Kreuz, die nachgeborenen Mädchen wurden standesgemäß verheiratet. Die Linie musste fortgesetzt werden. Gefühle? Darauf kam es nicht an.

Die Anfänge der Kinderheilkunde als eigene Fachrichtung, die Pädiatrie, wird hier sehr anschaulich und gut lesbar dargestellt. Bis dahin wurden kranke Kinder wie kleine Erwachsene behandelt. „Der Arzt als Erzieher des Kindes“ ist aus heutiger Sicht wohl nicht mehr nachvollziehbar. Engagierte Ärzte und gut geschulte Rotkreuzschwestern nehmen den Leser mit in diese ganz eigene Welt. Marlene und Emma gehen jede für sich ihren Weg, die eine träumt davon, eines Tages als Kinderärztin zu wirken, während die andere ganz in ihrer Rolle als Kinderkrankenschwester aufgeht. Es begegnen ihnen strenge, wohlwollende, ehrliche und hinterhältige Menschen auf ihrem nicht immer leichten Weg.

Dieses Buch konnte ich nur schwer aus der Hand legen. Die Geschichte um die beiden Schwestern ist voller Leben, sehr einfühlsam erzählt. Den zweiten Teil „Die Jahre der Hoffnung“ sehne ich herbei, möchte mit den so vertrauten Personen weitergehen.

  • Einzelne Kategorien
  • Cover
  • Erzählstil
  • Handlung
  • Charaktere
Veröffentlicht am 13.12.2020

Emotional, ergreifend, sehr lesenswert

All die ungelebten Leben
1

Ein zu Herzen gehendes Buch, ein ernstes Thema, das mich tief bewegt. Michaela Abresch trifft den genau richtigen Ton. Es ist die Geschichte dreier Schwestern, vor zwanzig Jahren ging jede ihren eigenen ...

Ein zu Herzen gehendes Buch, ein ernstes Thema, das mich tief bewegt. Michaela Abresch trifft den genau richtigen Ton. Es ist die Geschichte dreier Schwestern, vor zwanzig Jahren ging jede ihren eigenen Weg. Sie wollten nichts mehr miteinander zu tun haben, waren mit ihrem neuen Leben beschäftigt. Und dann schreibt Jane, die Jüngste, an Selma und Mascha je einen Brief. Bittet sie zu kommen ins Sommerhaus ihrer Tante Gitte.

Dieses eindringliche Buch setzt viele Gefühle frei. Liebevoll, mit ganz viel Gespür erzählt, erlebe ich die Charaktere. Es ist der nahe Tod, um den herum sich diese Geschichte rankt. Jane hat Krebs und hier habe ich das erste Mal vom Sterbefasten gelesen, mich damit näher beschäftigt. Sehr einfühlsam, jedoch ohne Sentimentalität folge ich Jane, die ihr Schicksal annimmt und akzeptiert. Es sind aber keine düsteren Gedanken, die von denen ich erfahre. Auch wenn ich zunächst ein bisschen zögerlich war, weil das Sterben nun mal nicht in unser Weltbild gehört. Obwohl genau dies für jeden von uns unumgänglich ist. Zumindest verdrängt man diesen letzten Weg allzu gerne. Umso überraschter war ich vom Schreibstil, von der so angenehmen Erzählweise.

„All die ungelebten Leben“ macht sehr deutlich, dass es Mut braucht, sich der Vergangenheit zu stellen, auch unangenehmes auszusprechen. Nur so lassen sich die entstandenen Barrieren abbauen, ja einreißen. Alles, was wir tun, betrifft auch andere. Schweigen oder sich der Wahrheit stellen – was ist besser?

Am Ende des Buches angelangt habe ich Parallelen zu meinem Leben gesehen. So oder so ähnlich läuft es nun mal ab. Ohne falsche Distanz erlebe ich in dieser Geschichte viel positives Miteinander und erfahre, dass es sehr wohl möglich ist, über die Vergangenheit zu sprechen. Und - der Tod gehört zum Leben, unausweichlich.

Ein ernstes Thema, behutsam erzählt. Mit jeder Zeile, jedem Wort fühlte ich mich gut eingebettet, ging sehr gerne ein Stück des Weges mit Jane und den ihren. Ich kann dieses Buch jedem, wirklich jedem wärmstens empfehlen. Es lohnt sich.

  • Einzelne Kategorien
  • Cover
  • Erzählstil
  • Handlung
  • Charaktere