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Veröffentlicht am 14.05.2021

Sozialkritischer US-Actionkrimi mit multiethnischem Jason Bourne

Der gekaufte Tod
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Ich bin Fan von unkonventionellen, leicht schrägen Krimis (humorvoll oder nicht). Diese haben meist einen Schauplatz, der nicht so oft genutzt wird und können mit skurrilen Charakteren und Geschichten ...

Ich bin Fan von unkonventionellen, leicht schrägen Krimis (humorvoll oder nicht). Diese haben meist einen Schauplatz, der nicht so oft genutzt wird und können mit skurrilen Charakteren und Geschichten aufwarten.

Stephen Mack Jones vereint all das in “Der gekaufte Tod”. Mit dem deutschen Titel bin ich nich so ganz warm geworden, aber mit dem Inhalt umso mehr. August Snow, Detroiter Ex-Cop und Ex-Marine, mutiert unfreiwillig zum Privatermittler und FBI-Informanten.

Eine reiche Geschäftsfrau nimmt sich - so die offizielle Version - das Leben, doch Snow geht der Sache auf den Grund und wirbelt Staub auf.

Das Flair der amerikanischen Großstadt wird genauso eingefangen wie die sozialen und ökonomischen Fragen der Vereinigten Staaten. August selbst ist da schon ein wunderbares Beispiel - Sohn eines Afro-Amerikaners und einer Mexikanerin, bietet er viel Angriffsfläche für Hass. Er kann es sich aber leisten, damit relativ locker umzugehen, denn aufgrund seiner Ausbildungen weiß er sich zu wehren. Und er hat Geld, was ihm wiederum Zutritt zu “weißeren” Kreisen ermöglicht.

Alles sehr stereotyp und dann auch wieder nicht. Der Autor thematisiert die gängigen Probleme und nutzt auch Klischees dafür, packt alles aber in eine fesselnde, schonungslose Krimigeschichte rund um Mord, Rache, Geldwäsche und Waffen.

Viele Waffen. Action muss sein. Wer das nicht mag, liegt mit diesem Krimi falsch. Aber hin und wieder sind markige Sprüche, kantige Typen und schräge Figuren genau das Richtige. Für Fans von Gregg Hurwitz oder Robert Ludlum auf jeden Fall ein Volltreffer.

Veröffentlicht am 07.04.2021

Diffuse Angst und culture clash

Der andere Sohn
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Dieser Schweden-Krimi ist unkonventionell, fesselnd und wird teilweise schon zu einem Psycho-Thriller. Nicht allzu blutig, mehr unter der Oberfläche.

Von einer diffusen Angst (die viel zur Spannung beiträgt) ...

Dieser Schweden-Krimi ist unkonventionell, fesselnd und wird teilweise schon zu einem Psycho-Thriller. Nicht allzu blutig, mehr unter der Oberfläche.

Von einer diffusen Angst (die viel zur Spannung beiträgt) sind hier gleich mehrere Charaktere betroffen: Der Vater einer vermissten jungen Frau, die Polizisten, die weder sie noch ihre Leiche finden können, der junge Schwarze, der als Verdächtiger gilt, aber alles bestreitet und die Mutter des Verdächtigen, die alles versucht, um ihren Sohn zu verteidigen.

Und dann ist da noch jemand: John Adderley. FBi-Undercover-Agent mit schwedischen Wurzeln und einem großen Problem. Er muss untertauchen und raus aus den USA. Mehr zu verraten wären zu viele Spoiler an dieser Stelle.

Zu Beginn des Buches gibt es zwei Zeitstränge, das Verschwinden der Frau liegt schon einige Zeit zurück. Ein Cold Case also. Während des 524 Seiten starken Krimis lernt der Leser schwedische Polizeiarbeit ebenso kennen wie die unterschiedlichen Gesellschaftsschichten Karlstads und ein paar fein erdachte Charaktere. Natürlich gibt es ein paar Klischees, ein bisschen Amerika gegen Schweden, aber alles in allem finden sich durchaus ein paar schöne, eigene Ideen.

Gut, dass “Der andere Sohn” der Start einer Reihe ist, andernfalls wäre der Cliffhanger am Ende von den Autoren Peter Mohlin und Peter Nyström noch grausamer gewählt als er ohnehin schon ist. Der Fall ist soweit geklärt, aber John kommt nicht zur Ruhe. Der Leser auch nicht!

Veröffentlicht am 18.02.2021

Ein deutscher Harry Hole?

Der Solist
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Ein Sonderermittler ohne Vorname, skurrile Kollegen und ein reduzierter und gleichzeitig fantastischer Erzählstil machen Jan Seghers’ Roman zu einem speziellen Krimi. Neuhaus, so der Nachname, bekommt ...

Ein Sonderermittler ohne Vorname, skurrile Kollegen und ein reduzierter und gleichzeitig fantastischer Erzählstil machen Jan Seghers’ Roman zu einem speziellen Krimi. Neuhaus, so der Nachname, bekommt es mit extremistisch motivierten Taten in Berlin zu tun und geht alles auf die ihm eigene, verschlossene Art an: nicht umsonst nennen ihn viele nur den “Solisten”.

Neuhaus ist wortkarg, analytisch, aufmerksam und irgendwie immer auf dem Sprung, nirgends zuhause. Zum Teil ist seine Vergangenheit dafür verantwortlich, doch allzu viel erfährt der Leser nicht. Aber das Ende könnte auf eine Fortsetzung mit Neuhaus hindeuten, wo es dann mehr Details zu seiner Vergangenheit gibt.

Der etwas eigenbrötlerische Ermittler tritt bei seinem Kampf gegen das Verbrechen schon einmal anderen auf die Füße und ist sich nicht zu schade, sich auch mit der eigenen Behörde anzulegen wenn nötig. Festgefahrene Muster sind ihm zuwider, auch wenn er nach außen hin wenig dagegen tut. Er lebt nach seinen Maßstäben und fährt gut damit.

Er ist weniger “Skandalnudel” und Actionheld als Harry Hole, aber es gibt Ähnlichkeiten. Durchaus vielversprechende.

Veröffentlicht am 04.02.2021

Mahnend und drastisch

2,5 Grad - Morgen stirbt die Welt
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Vielleicht nicht morgen, aber unser Planet bekommt durch uns Menschen auf jeden Fall ernste Probleme. Unter den meisten ist es unbestritten, dass etwas passieren wird und dass wir einiges ändern müssen.

Mit ...

Vielleicht nicht morgen, aber unser Planet bekommt durch uns Menschen auf jeden Fall ernste Probleme. Unter den meisten ist es unbestritten, dass etwas passieren wird und dass wir einiges ändern müssen.

Mit “2,5 Grad - Morgen stirbt die Welt” gibt es einen weiteren Roman/Thriller der diese Thematik aufgreift. Mittels einer fiktiven, teils sehr drastischen Geschichte rund um eine junge Frau, die beschließt, die Untätigkeit der Obersten nicht länger hinzunehmen.

Die Handlung spielt in näherer Zukunft, Extremwetterereignisse passieren quasi monatlich und viele Städte an Deutschlands Küsten sind regelmäßig überschwemmt, in Asien wurden Mauern gegen den steigenden Meeresspiegel gebaut, und diverse Inseln gibt es nicht mehr. Alles Science Fiction?

Möglich. Aber das Buch zeigt auch, dass radikale Kräfte in solchen Krisen Nährboden finden, dass die Politik hilflos ist, teilweise auch aufgrund des Mehrheitsprinzips, und dass die Reichen letztendlich aufgeben und nur mehr ihren Hintern retten wollen.

Viele Elemente dieser Geschichte kommen uns frappierend vertraut vor. Auch die Verzweiflung, die Menschen wie hier Leela (gesprochen Lila) Faber innerhalb von nur zwei ereignisreichen Wochen zu schier unfassbaren Taten zwingt.

Noch sind solche Bücher unterhaltsam, wenn auch mahnend. Tun wir alles dafür, dass das so bleibt.

Noah Richter ist ein Pseudonym von Uwe Wilhelm.

Veröffentlicht am 16.01.2021

Brandaktuell und fantastisch

Der neunte Arm des Oktopus
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“Fantastisch” wird heutzutage gerne nur als “großartig” verwendet, hat aber im Wortstamm die wichtigere Bedeutung: die der Wunschbilder und Illusionen.

Auf “Der neunte Arm des Oktopus” trifft für mich ...

“Fantastisch” wird heutzutage gerne nur als “großartig” verwendet, hat aber im Wortstamm die wichtigere Bedeutung: die der Wunschbilder und Illusionen.

Auf “Der neunte Arm des Oktopus” trifft für mich mehr zweiteres als ersteres zu. Der Thriller ist gut gemacht, unterhält und hat viele authentische Details. Er ist gut recherchiert, Dirk Rossmann und seine Helfer haben viel Arbeit reingesteckt.

Der Autor versucht aber auch, einen möglichen (baldigen) Ausweg aus der Klimakrise zu finden, der natürlich an politischen Allianzen nicht vorbei kann und Gegner auf den Plan ruft. Das liest sich alles gut, aber für mich zu fantastisch, zu unwahrscheinlich, dass wir das so schaffen werden. Ad hoc habe ich auch nicht “die” Lösung, aber ich vermute, dass es - sollte es doch noch gelingen, anders passieren wird.

Aber zurück zum Buch: Am Beispiel Einzelner führt der Autor uns in größeren und kleineren Schritten vom Jahr 2018 bis 2100. Gleichzeitig gibt es noch biologische Exkurse zum Oktopus und seiner Rolle in dieser Geschichte.

Kann die Wende tatsächlich gelingen, können die Menschen die Erde “retten”? “Der neunte Arm des Oktopus” ist kurzweilig und spannend, gleichzeitig regen einzelne Details und (bei allem Fantasmus) Fakten zum Nachdenken an. Reicht es, zu hoffen, dass “wir” es schaffen? Was kann ich als Einzelner tun? Nachhaltige Gedanken zwischen zwei Buchdeckeln.