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Meinungen aus der Lesejury

Veröffentlicht am 06.02.2021

Sigge will cool sein

Mein geniales Leben
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Genauer gesagt, beliebt. Denn an seiner alten Schule in Stockholm ist er eigentlich immer nur geärgert und ausgelacht worden. Er hat ein besonderes Problem: er schielt und kann dadurch Abstände nicht einschätzen. ...

Genauer gesagt, beliebt. Denn an seiner alten Schule in Stockholm ist er eigentlich immer nur geärgert und ausgelacht worden. Er hat ein besonderes Problem: er schielt und kann dadurch Abstände nicht einschätzen. Das bedeutet: in Ballspielen ist er eine Niete und jeder, der schon mal auf einer öffentlichen Schule in der Mittelstufe war (wir alle, denke ich mal), weiß, wie wichtig es ist, in diesem Bereich zu glänzen.

Sigge hingegen glänzt im Eiskunstlauf und zwar nicht nur durch seine Leistungen, sondern auch durch sein Outfit. Als seine Schulkameraden ihn so im Internet "erwischen", ist er die Lachnummer. Für Ewigkeiten, wie es scheint.

Aber eigentlich ist das jetzt alles ad acta gelegt, denn er hat diese Schule verlassen. Ebenso wie seine Mutter ihren bisherigen Lebensgefährten (der aber nicht sein Vater, sondern der seiner beiden kleinen Schwestern ist).

Sie wohnen jetzt auf dem Land bei der schrillen Oma, die nicht so, sondern mit ihrem Vornamen Charlotte angesprochen werden will. Und Sigge hat 60 Tage Zeit, sich neu zu erfinden, seine Persönlichkeit zu definieren. Er will nämlich beliebt sein und zwar so richtig. Ungefähr so wie Beyonce. So, dass auch die allercoolsten in seiner Klasse ihn anhimmeln Dafür erstellt er ein Programm.

Aber er hat nicht mit dem Leben selbst gerechnet, das ihm immer wieder dazwischen funkt. Und ihn meilenweit zurück wirft. Oder ist das vielleicht gar nicht so schlimm?

Denn: wie wird man eigentlich glücklich? Ist Popularität möglicherweise gar nicht das Wichtigste im Leben? Gibt es vielleicht andere, wesentlich wichtigere Dinge im Leben? Und was sind überhaupt die wichtigsten Werte in der Gemeinschaft, im Miteinander? Die wilden Frauen und Mädchen in Sigges Familie sowie weitere Figuren lassen ahnen, dass des Pudels Kern ganz woanders liegt.

Die schwedische Autorin Jenny Jägerfeld hat einen Roman geschrieben, in dem das Verhalten nichts mit dem Alter zu tun hat - nicht (nur) die Jungen sind hier eigen, nein, auch und vor allem die Älteren gehen ihren eigenen Weg. Und scheinen damit gut klarzukommen.

Eine Art Entwicklungsroman, aber einer der ganz besonderen Art. Einer, der leider stellenweise ein paar Längen aufweist, der aber die meiste Zeit sehr unterhaltsam und locker unterwegs ist und auch tiefsinnigere Momente nicht vermissen lässt. Eine lohnenswerte Lektüre für Familienmenschen jeglichen Alters!

Veröffentlicht am 26.01.2021

Luftballonliebe

Jedes Jahr im Juni
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Lucas ist Emmies absoluter Traummann - und ihre ganz persönliche Luftballonliebe: hat sie ihn doch durch das "Verschicken" eines Luftballons kennengelernt, der auf der anderen Seite des Ärmelkanals landete ...

Lucas ist Emmies absoluter Traummann - und ihre ganz persönliche Luftballonliebe: hat sie ihn doch durch das "Verschicken" eines Luftballons kennengelernt, der auf der anderen Seite des Ärmelkanals landete und ausgerechnet von einem frisch nach Frankreich gezogenen Halbengländer, Lucas, nämlich gefunden wurde.

Seither - seit Jahren, ja Jahrzehnten, sie waren schließlich noch Schüler - ist Lucas ihr bester Freund, was wie die Faust auf Auge passt. Er ist nämlich am selben Tag im selben Jahr geboren und den feiern sie seitdem immer zusammen und zwar in Frankreich.

Auch zum Rest der Familie hat Emmie ein enges Verhältnis. Naja, zumindest zur englischen Mutter und zum französischen Vater. Früher war sie auch mal mit Lucas`Halbbruder Eliot eng, aber das ist lange her und hat seine Gründe.

Aber eigentlich hätte sie gern eine ganz andere Beziehung zu Lucas: als Paar nämlich, nicht nur als beste Freunde. Sie liebt ihn nämlich schon seit Ewigkeiten. Und er? Bisher war sie sicher, dass das nicht der Fall ist, doch es deutet alles darauf hin, dass er ihr jetzt, an ihrer beider 30stem Geburtstag die Frage aller Fragen stellen will. Aber...

Lesen Sie lieber selbst, zumindest wenn Sie weiblichen Geschlechts sind. Es ist ein warmherziger, manchmal ein wenig oberflächlicher Roman, der aber auf jeden Fall gute Laune macht und auf eine ganze Reihe wichtiger sozialpolitischer Themen eingeht. Unter anderem natürlich. Denn eigentlich ist es ja ein Liebesroman. Wenn auch anders als gedacht!

Veröffentlicht am 24.01.2021

Opereskes Drama

Hingabe
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Ein Roman wie eine Oper! Wie diese beginnt er mit Leidenschaft, dann kommt die Hingabe, dann die diversen Probleme und Bäng! am Ende gibt es einen Riesenknall! Also definitiv kein Roman, den man vor dem ...

Ein Roman wie eine Oper! Wie diese beginnt er mit Leidenschaft, dann kommt die Hingabe, dann die diversen Probleme und Bäng! am Ende gibt es einen Riesenknall! Also definitiv kein Roman, den man vor dem Schluss weglegen sollte - denn ohne diesen ist es eine ganz andere Geschichte.

GroßbauerTomás, der reichste Mann im Ort, ist ein animalischer Typ - auch wenn ein Einzelgänger ist und meist nur zusammen mit seinem Bedienstenen Ramón zu sehen ist, mit dem er fast etwas wie eine Familie bildet, kann er arbeiten wie ein ganzes Kraftwerk - und rasen wie ein Stier. Und als ihn in der Dorfgaststätte der Anblick der neu angekommenen Suiza mit Leidenschaft übermannt, da packt er einfach zu und schleift sie mit sich nach Hause. Sie ist Ausländerin, spricht kein Spanisch, arrangiert sich aber bald mit den Gegebenheiten und lebt sich auf ihre Art und Weise ein. Doch Tomás ist sehr krank und hat möglicherweise nicht mehr lange zu leben....

Auch wenn dieser Roman inhaltlich sehr, sehr weit von mir entfernt war, kann ich nicht umhin, die stilistischen Fertigkeiten der Autorin anzuerkennen sowie den stellenweise aufblitzenden, durchaus gekonnt in den Handlungsaufbau eingefügten Humor zu genießen. Ein Buch, dass vor allem aufgrund der archaisch rüberkommenden Rolle der Frau für mich ein harter Brocken war, doch begriff ich alsbald, dass auch dies für die Autorin ein Mittel zum Zweck war.

Wer Leidenschaften, Sex und insgesamt viel Körperlichkeit in der Lektüre liebt, der ist hier gut aufgehoben!

Veröffentlicht am 07.01.2021

Eindringlich und lesenswert

Die Rattenlinie – ein Nazi auf der Flucht
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Ein irreführender Titel: es geht weniger um die Rattenlinie, nämlich den Weg der Nazis nach Lateinamerika als um die Geschichte des Otto Wächter und seiner Familie. Das Buch dringt tief in das Bewusstsein ...

Ein irreführender Titel: es geht weniger um die Rattenlinie, nämlich den Weg der Nazis nach Lateinamerika als um die Geschichte des Otto Wächter und seiner Familie. Das Buch dringt tief in das Bewusstsein und Gewissen Nachgeborener. Muss man unter allen Umständen zu seinen Vorfahren stehen, wie es Horst, der Sohn von Otto Maurer bedingungslos tut?

Eine spannende Auseinandersetzung mit ethischen Werten, aber auch mit der realen Vergangenheit.

Veröffentlicht am 31.12.2020

Ein Traumtänzer der besonderen Art

Hannah und Ludwig
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Obwohl er von seinen körperlichen und geistigen Voraussetzungen her nicht gerade der lebenstüchtigste Zeitgenosse ist, schafft es Ludwig Seligmann, in den 1930er Jahren, noch bevor es richtig losgeht mit ...

Obwohl er von seinen körperlichen und geistigen Voraussetzungen her nicht gerade der lebenstüchtigste Zeitgenosse ist, schafft es Ludwig Seligmann, in den 1930er Jahren, noch bevor es richtig losgeht mit Bücherverbrennungen und dann auch denen von Menschen, seine gesamte Familie nach Palästina zu holen und ihnen ein Zuhause zu schaffen.

Eines, das ihm von seiner wesentlich anpackerenden Schwester dann auch bald wieder abgeschwatzt wird.. Doch Ludwig lebt weiter, er hat seine Begabung als Kaufmann entdeckt und heiratet nach etlichen Frauenbekanntschaften die schöne Hannah, die ihm von einem Bekannten vorgestellt bzw. vermittelt wird.

Hannah hat im Gegensatz zu Ludwig ihrem Bruder geraten, in Polen zu bleiben und macht sich nun ständig Vorwürfe. Sie ist eine kluge und besonnene Frau, aber kein glücklicher Mensch, warum, das wird bald deutlich und ist für den Leser mehr als nachvollziehbar.

Doch als sie nicht mehr zu hoffen wagen, wird Söhnchen Rafael - richtig, der Autor dieser Geschichte - geboren. Auf ihn richtet Hannah nun ihre gesamte Aufmerksamkeit und Liebe, das größte Glück wird zur großen Prüfung für das Paar. Zu der inzwischen - in der Nachkriegszeit und im jungen Staate Israel - noch so einige hinzukommen.

Ludwig lernt, dass eigentlich auf niemanden Verlass ist, auch nicht auf sich selbst - eine mitreißende, zeitweilig verstörende Familiengeschichte. Der Autor schreibt offen und ehrlich über seine Verwandtschaft und beschönigt nichts. Wobei diese Geschichte natürlich eines nicht ist, nicht sein kann: objektiv. Und so macht der Autor passenderweise nicht mal einen Versuch dazu.

Lesenswert für Menschen, die sich für die Geschichte des 20. Jahrhunderts interessieren und starken Tobak nicht scheuen!