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Veröffentlicht am 26.01.2021

Historischer Roman im Hamburg von 1886 mit vielen interessanten gesellschaftspolitischen Fragen

Elbleuchten
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An diesem Roman ist besonders lesenswert, wie viele gesellschaftspolitische Fragen thematisiert werden.
Angesiedelt ist die Geschichte im Hamburg in den Jahren 1886/7. Im Vordergrund steht die junge ...

An diesem Roman ist besonders lesenswert, wie viele gesellschaftspolitische Fragen thematisiert werden.
Angesiedelt ist die Geschichte im Hamburg in den Jahren 1886/7. Im Vordergrund steht die junge Reederstochter Lily. Durch einen von ihr mitverursachten Unfall trifft sie auf den Hafenarbeiter Jo und erhält durch ihn Kontakt zu den im Elend lebenden Menschen in ihrer Stadt. Eine Mitschülerin vom Lehrerinnenseminar führt ihr die Ungerechtigkeiten zwischen Männern und Frauen vor Augen. Lily engagiert sich trotz ihrer sozialen Herkunft zusehends im Elendsviertel und schreibt als Journalistin über diese Themen. Zwischen ihr und Jo entwickelt eine folgenreiche Liebesgeschichte.

Während so mancher historischer Roman auf mich einen zu gekünstelten Eindruck macht, ist das bei dieser fiktiven Geschichte überhaupt nicht der Fall. Sie erzählt recht realistisch über eine – eigentlich zeitlose - Liebesgeschichte von Angehörigen unterschiedlicher sozialer Schichten, die sich zu ihrer Zeit nicht schickte. Die Autorin hat hervorragend recherchiert und spricht so viele unterschiedliche Themen an wie die soziale Lage der Arbeiter, Gleichberechtigung zwischen Mann und Frau, medizinische Versorgung, Handicaps, Zuzug von Ausländern, Homosexualität. Beim Lesen wird einem erst bewusst, wie jung manche soziale Errungenschaft noch ist. Gerade auch die Hamburger Stadtgeschichte wird real geschildert mit den Beziehungen zwischen Werften und Reedereien und den Villen entlang Alster und Elbchaussee. Für Abwechslung in dem Liebesgeschichtenteil sorgen Einschübe mit kriminellem Gehalt. Denn auch die bessere Hamburger Gesellschaft war nicht frei von Intrigen und Boshaftigkeiten und durchaus bereit, ihre Ziele welchen Preis auch immer zu erreichen.
Das Buch bekommt von mir eine volle Leseempfehlung.

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Veröffentlicht am 15.01.2021

Erinnerungen an den Vater und die eigene Kindheit

Vati
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Wie schon in ihrem vor einem Jahr erschienenen Roman „Die Bagage“ und anknüpfend an diesen erzählt die Autorin von ihrer eigenen Kindheit. Während sie dort das Leben ihrer Großmutter Maria schilderte, ...

Wie schon in ihrem vor einem Jahr erschienenen Roman „Die Bagage“ und anknüpfend an diesen erzählt die Autorin von ihrer eigenen Kindheit. Während sie dort das Leben ihrer Großmutter Maria schilderte, steht hier das Leben ihres Vaters im Fokus, der Marias vermeintliches Kuckuckskind Grete heiratete. Er selbst ist der uneheliche Sohn einer Magd und dem Bauern aus einem österreichischen Dorf, wurde kurz vor der Matura zum Dienst im Zweiten Weltkrieg eingezogen, aus dem er mit amputiertem Unterschenkel zurückkehrte, wurde zum Witwer mit vier kleinen Kindern. Vor allem aber war er ein Literaturliebhaber, der seine Neigung auf eben seine Tochter Monika übertrug.
Da der Vater wie alle Männer seiner Generation schweigsam war, greift die Autorin für die Geschichte auf eigene Erinnerungen und Erzählungen ihrer weit verzweigten Verwandtschaft zurück. Es ergibt sich ein wunderbares Portrait eines Mannes, der durch die Umstände seiner Zeit geprägt wurde. Interessant sind auch die immer wieder eingeflochtenen Werdegänge der Onkel und Tanten der Autorin, die recht hanebüchen klingen.
Ein besonderes Buch für Leser mit Interesse an Familiengeschichten.


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Veröffentlicht am 08.01.2021

Eine besondere Liebesgeschichte über eine unkonventionelle absolute Liebe

Die einzige Geschichte
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Mit einem Abstand von 50 Jahren erzählt der Protagonist Paul aus den 1960er/1970er Jahren, als er im Alter von 19 Jahren entgegen aller gesellschaftlichen Konventionen eine mehr als 10 Jahre währende Liebesbeziehung ...

Mit einem Abstand von 50 Jahren erzählt der Protagonist Paul aus den 1960er/1970er Jahren, als er im Alter von 19 Jahren entgegen aller gesellschaftlichen Konventionen eine mehr als 10 Jahre währende Liebesbeziehung zu einer 30 Jahre älteren verheirateten Frau unterhielt. Diese Geschichte bestimmte sein gesamtes weiteres Leben, weil er nie wieder liebte.
Obwohl die Beziehung tragisch endete, weil Paul die Verantwortung für die zur schweren Alkoholikerin werdende Susan überforderte, liest sich das Buch in keinster Weise traurig. Es fließen immer wieder sehr philosophische, zum Nachdenken anregende Überlegungen des Erzählers zu Liebe und Leben ein. Formal gelungen ist der Perspektivwechsel in den drei Teilen der Geschichte: Erste Person, Du-Form, Dritte Person.

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Veröffentlicht am 05.01.2021

Folgen der Trennung eines Kindes von seiner Mutter

Immer wenn ich meine Augen schließe
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Ein wirklich lesenswertes Buch, dessen nur 116 Seiten es in sich haben.

Dass sich osteuropäische Gastarbeiter in Westeuropa monatelang verdingen, um den Lebensunterhalt für ihre in der armen Heimat gebliebene ...

Ein wirklich lesenswertes Buch, dessen nur 116 Seiten es in sich haben.

Dass sich osteuropäische Gastarbeiter in Westeuropa monatelang verdingen, um den Lebensunterhalt für ihre in der armen Heimat gebliebene Familie zu verdienen, ist ein bekanntes Phänomen. Doch kaum jemals wird an die Zurückgebliebenen gedacht, insbesondere die Kinder. Dies nun ist das Thema, das der Autor sehr berührend in den Fokus rückt. Die elfjährige Erzählerin befindet sich wegen schwerer Magersucht in einem Krankenhaus. Sie verweigert die Nahrungsaufnahme, weil sie sich vor Sehnsucht nach der geliebten Mutter verzehrt, die Gastarbeiterin im Ausland ist. Das Mädchen erinnert sich an ihr Leben, das letztlich in ihre Erkrankung mündete – außereheliches Kind einer jungen Mutter, die sie immer wieder verlässt und in der Obhut der stets nörgelnden Großmutter oder einer Freundin zurücklässt.

Aus Sicht des kleinen Mädchens geschrieben, liest sich die Geschichte recht einfach. Umso eindringlicher ist das Quäntchen Kritik, das der Autor an den Verhältnissen des rumänischen Staates übt, der es zulässt, dass seine Bürger unter Zurücklassen ihrer Kinder abwandern und die emotionale Bindung zu ihnen verlieren.

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Veröffentlicht am 04.01.2021

Geschichtlich äußerst interessante Familiengeschichte

Eva schläft
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Dank dieses wunderbaren, wirklich lesenswerten Romans verfüge ich jetzt über fundierte Kenntnisse über Südtirol und seine Geschichte seit Ende des Ersten Weltkriegs bis zur Zeit des Schengener Abkommens. ...

Dank dieses wunderbaren, wirklich lesenswerten Romans verfüge ich jetzt über fundierte Kenntnisse über Südtirol und seine Geschichte seit Ende des Ersten Weltkriegs bis zur Zeit des Schengener Abkommens.

In dem Buch lässt die Autorin die fiktive Eva aus einem Südtiroler Bergdorf ihre Familiengeschichte seit den 1920er Jahren schildern. Sie spannt den Bogen beginnend in den Jahren nach Ende des Ersten Weltkriegs, als Südtirol mit seinen deutschsprachigen Bewohnern Italien zugeschlagen wurde, über die Zeit nach der Machtergreifung Mussolinis, in der alles Deutsche in Südtirol unerwünscht war, die ersten Jahre des Zweiten Weltkriegs, als sich die Leute für eine Auswanderung ins Deutsche Reich oder ihren rechtlosen Verbleib in Italien entscheiden mussten, die gewalttätigen Autonomiebestrebungen nach dem Krieg bis hin zum Autonomiestatut.
Evas eigene Geschichte ist sehr interessant. Ihre Mutter Gerda war allein erziehend und berufstätig. Ihre einzige Liebe war ein Südtirol stationierter Soldat (Vito) aus Sizilien, der für Eva zum Vater wurde. Die Beziehung scheiterte letztlich an der Geschichte, der sich Gerda und Vito unterwarfen. Auch auf die Probleme anderer Minderheiten wird informativ eingegangen, z.B. die der Homosexuellen.

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