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Veröffentlicht am 05.04.2021

Ein Buch, das bewegt

Alte Sorten
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Sally, die aus der Klinik wegläuft und Liss findet, die ihr eine Unterkunft bietet. Sie bietet ihr viel mehr als das. Liss ist ganz ruhig und unaufgeregt im Umgang mit Sally, genauso, wie es ihr gut tut ...

Sally, die aus der Klinik wegläuft und Liss findet, die ihr eine Unterkunft bietet. Sie bietet ihr viel mehr als das. Liss ist ganz ruhig und unaufgeregt im Umgang mit Sally, genauso, wie es ihr gut tut und wie sie es noch nicht erlebt hat. Natürlich ist recht schnell klar, dass Liss nicht einfach eine ganz ruhige Person ist, sondern dass es da ganz viel in ihr gibt, das verheilen muss. Das hilft ihr, Sally das zu geben, was sie in dem Augenblick braucht, als sie bei ihr ankommt.

Man erkennt an der Sprache, wie sich Sally verändert. Ist sie am Anfang noch ganz hart, wird es im Laufe der Zeit besser und die Sprache im Zusammenhang mit Sally wird weicher. Bei Liss sind es die Rückblicke oder besser die Fragmente, die im Laufe der Zeit das Bild von Liss‘ Geschichte immer klarer werden lässt und die Wahrheit wie ein Puzzle zusammenfügen. Erst gibt es eine Andeutung, dann den nächsten Hinweis und irgendwann die Auflösung. Es ist sprachlich ganz fein abgestimmt und arbeitet auf das Ende zu.

Die Kämpfe, die Sally führt, sind greifbar, genauso, wie das innere Leid, das Liss so lange schon mit sich trägt und nicht herausgelassen hat. Man spürt es beim Lesen, genauso wie man beim Lesen spürt, dass Sally heilt. Es sind so kleine Momente, wo es um Nahrungsaufnahme geht, um die Beschreibungen, wie Sally damit umgeht und auch wie eine Person aus dem Dorf, die alte Anni, diese kleine Momente der beiden Frauen auf eine besondere Art begleitet. Sie ist so eine Art Anker in der Geschichte, wie ein Baum, der Halt gibt.

Genauso gibt es auch immer wieder die dunklen Wolken, die dunklen Momente, wo deutlich wird, was für eine große Wunde jede der beiden Frauen in ihrem Inneren mit sich trägt.

Es gibt in dem Buch alles, was es für eine gute Geschichte gibt, es ist zwischendurch sehr spannend und es versprüht auf ganz und gar unkitschige Art eine besondere Wärme. Die Sprache von Ewald Arenz unterstreicht jeden Teil der Geschichte und beschreibt die Entwicklung der Personen und Stimmungen. Zwischendurch und am Ende musste ich sogar weinen, da es mich so berührt hat und betroffen gemacht hat. Die Eindringlichkeit mit der die innere Not der beiden Protagonistinnen beschrieben wird hat mich mitgenommen. Eine ganz große Leseempfehlung von meiner Seite für „Alte Sorten“.

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Veröffentlicht am 28.03.2021

Ein Buch, das bewegt

Im Wasser sind wir schwerelos
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"Im Wasser sind wir schwerelos" von Tomasz Jedrowski spielt in Polen im Jahr 1980. Ludwik und Janusz verlieben sich ineinander und verbringen eine wunderbar schwerelos Zeit miteinander. Am Ende des Sommers ...

"Im Wasser sind wir schwerelos" von Tomasz Jedrowski spielt in Polen im Jahr 1980. Ludwik und Janusz verlieben sich ineinander und verbringen eine wunderbar schwerelos Zeit miteinander. Am Ende des Sommers holt sie die Realität ein und ihre Beziehung wird durch die unterschiedliche Einstellung zum kommunistischen Regime und der Schwierigkeiten, die Homosexuellen im katholischen Polen jener Jahre drohen auf eine Zerreißprobe gestellt.

Wie war es als homosexueller Mensch in dieser Zeit zu leben? Tomas Jedrowski lässt Ludwik erzählen, wie er feststellt, dass er Männer liebt. Er beschreibt seine erste Liebe zu einem Jungen in seinem Alter, dann wie er als junger Mann Gewissheit bekommt und dann wie er sich in Janusz verliebt. Zwei junge Männer mit unterschiedlichem Hintergrund, der eine regierungstreu, der andere aufgewachsen in einem dem Regime kritisch gegenüber stehenden Haushalt. Es wird eine ganz zarte Liebesgeschichte gesponnen und die Unterschiede und möglichen Schwierigkeiten schwingen von Anfang an mit.

Die Hauptfigur Ludwik beschreibt das Leben im Polen der damaligen Zeit, das Schlange Stehen und auf der anderen Seite das gute oder besser dekadente Leben einer bestimmten Klasse auf der anderen Seite. Er hadert mit sich und der Welt, in der er lebt.

Mein Leben war ein winziger schmaler Flur, von dem keine Türen abzweigten, ein schmaler Tunnel, in dem ich mir die Ellbogen anstieß, der nur in eine Richtung führte. Das oder die Leere, redete ich mir zu. Das oder weggehen.Tomasz Jedrowski, Im Wasser sind wir schwerelos

Dieser innere Kampf und das System, das Ludwik nicht nur wegen seiner politischen Haltung ablehnen würde, werden so eindringlich beschrieben, dass ich als Leserin diesen Kampf spüren konnte. Zusätzlich ist es die Sprache Jedrowskis, die mich wirklich verzaubert hat. Die Sätze haben eine ganz besondere Kraft und es ist eines dieser Bücher, die ich ganz langsam gelesen habe, um die Sprache einfach auf mich wirken zu lassen. Ein wunderschönes Buch, das ich euch nur ans Herz legen kann.

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Veröffentlicht am 21.03.2021

Eine ganze Welt - eine Schwangerschaft mit 57

Eine ganze Welt
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Surie Eckstein ist 57, vielfache Mutter und Großmutter und schwanger. Dies bringt ihr bisheriges Leben komplett durcheinander, zumal sie sich niemandem in der chassidischen Gemeinde von Brooklyn anvertrauen ...

Surie Eckstein ist 57, vielfache Mutter und Großmutter und schwanger. Dies bringt ihr bisheriges Leben komplett durcheinander, zumal sie sich niemandem in der chassidischen Gemeinde von Brooklyn anvertrauen mag. Ein innerer Kampf mit sich und der Welt, wie sie sie bislang wahrgenommen hat, beginnt.

In diesem Alter noch einmal Mutter zu werden, ist vermutlich für jede Frau eine ganz besondere Situation. Gedanken, ob man überhaupt fit genug ist, noch einmal zwei Kinder großzuziehen und ihnen auch gerecht zu werden, ob man überhaupt alt genug wird, um sie erwachsen werden zu sehen, schwirren da durch den Kopf. Bei Surie kommen noch andere Faktoren hinzu, der Tod eines ihrer Söhne kommt wieder ins Bewußtsein, da sie den Tod dieses Kindes noch nicht verarbeitet hat. Außerdem lernt sie im Krankenhaus, angeleitet durch ihre Hebamme Val eine ganz andere Welt und ein Wissen kennen, das ihr keine Angst mehr macht, sondern Freude.

Goldie Goldbloom nimmt uns Leser:innen mit auf den Weg ins Innere ihrer Protagonistin Surie und bringt uns diese unbekannte Welt näher, die Regeln, aber auch den starken familiären Zusammenhalt und den Zusammenhalt in der chassidischen Gemeinde. Sie zeigt, dass Surie beides möchte, in der Gemeinde und in ihrer Familie verankert sein und doch ein paar Dinge anders machen, als das von ihr erwartet wird. Mit liebevollen Beschreibungen der einzelnen Personen und Situationen gelingt es Goldie Goldbloom, einen Einblick in einen fremden Mikrokosmos zu geben.

Suries Gedanken und Gefühle waren mir ganz nah während des Lesens, ich habe mit ihr gezweifelt, gehadert und auch geweint. „Eine ganze Welt“ ist ein ganz liebevoll erzähltes Buch, das ich vom ersten bis zum letzten Satz wunderschön fand, auch wenn es an manchen Stellen sehr traurig ist. (

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Veröffentlicht am 11.03.2021

Coming-of-Age Roman der Nachwendezeit

Nur vom Weltraum aus ist die Erde blau
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Plattenbausiedlung, Nachwendezeit – Sascha ist 13 und führt ein recht unaufgeregtes Leben. Das Aufregendste ist das morgendliche Vorbeischleichen an der Wohnungstür der gefürchteten Pawelke-Brüder, die ...

Plattenbausiedlung, Nachwendezeit – Sascha ist 13 und führt ein recht unaufgeregtes Leben. Das Aufregendste ist das morgendliche Vorbeischleichen an der Wohnungstür der gefürchteten Pawelke-Brüder, die Nachmittage mit seinem Freund Sonny und seine Sammlung außergewöhnlicher Wörter. Und dann kommt Juri in seine Klasse und die eigentliche Geschichte von „Nur vom Weltall aus ist die Erde blau“ beginnt.

Mit Juri als Neuer in der Klasse beginnt dann ein neuer Abschnitt und die Eintönigkeit von Saschas Tagen wird durchbrochen und die Geschichte nimmt Fahrt auf. Es wird nicht rasant, aber mit jeder Seite geht es mehr auf die „Monsterkatastrophe“ zu. Allerdings werde ich jetzt nichts über diese Katastrophe schreiben, denn was jetzt genau die eigentliche Katastrophe ist, muss jede:r (der Beteiligten) für sich selbst ausmachen.

Das für mich Schöne dieses Buchs ist, wie langsam und nicht langatmig oder langweilig der Autor diese Geschichte erzählt. Er fängt die feinen Nuancen der Zeit ein, obwohl er zu dem Zeitpunkt noch ein kleine Kind war und schafft es die Gefühle der Hauptpersonen so gut und vor allem dem Alter der Personen angemessen zu beschreiben. Es wirkt echt, nicht gekünstelt oder zwanghaft gewollt.

Juri ist weltraumverrückt, Sascha sammelt besondere Wörter aus verschiedenen Sprachen, Sonny möchte wie Elton John sein (er hat sogar eine Federboa), Herr Reza hat ein trauriges Geheimnis und auch die Pawelkes bestehen nicht komplett aus einer Farbe. Die Personen sind liebevoll erstellt worden. Dies und die Tatsache, dass die Geschichte nicht zu einer mit Sensationen gespickten Jugenddetektivgeschichte abdriftet, sondern bis zum Schluss ganz fein und eher sanft erzählt hat das Buch für mich zu einem Lesevergnügen gemacht und kann es deshalb nur empfehlen.

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Veröffentlicht am 21.02.2021

Richtig gute Fantasy-Unterhaltung

Tinte & Siegel
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Al MacBharrais, Siegelagent und wohnhaft in Glasgow, hat ein Problem: keiner seiner Schüler hat bislang die Ausbildung überlebt. So auch Gordie, Lehrling Nummer 7, der an einem Scone, genauer gesagt an ...

Al MacBharrais, Siegelagent und wohnhaft in Glasgow, hat ein Problem: keiner seiner Schüler hat bislang die Ausbildung überlebt. So auch Gordie, Lehrling Nummer 7, der an einem Scone, genauer gesagt an einer darin enthaltenen Rosine, erstickt ist. Das ist nicht sein einziges Problem, Gordie hat wohl einen schwunghaften Handel mit nichtmenschlichen Wesen betrieben, also Kobolden, Trollen u.ä. Außerdem kann Al nur schriftlich bzw. über Sprach-Apps kommunizieren, denn wenn er spricht, richtet sich sein Gegenüber irgendwann gegen ihn, Al ist mit einem Fluch belegt. Zum Glück hat er in Nadia die perfekte Managerin gefunden, die nicht nur mit Zahlen umgehen kann, sondern auch sehr schlagkräftig ist.

So gut und spannend wie die Geschichte beginnt, geht sie auch weiter. Es ist richtig gute Fantasy-Unterhaltung mit den nötigen Ingredienzien. Es gibt einen älteren Menschen mit magischen Fähigkeiten, eine Draufgängerin mit einer Menge Hirn (Nadia) und einen liebenswerten kleine Störenfried (den Hobgoblin) und einen ungewöhnlichen Mordfall (Gordies Tod durch ein Scone mit Rosinen, wo jeder weiß, dass Rosinen nicht ungefährlich sind). Hinzu kommen noch jede Menge Feen, Trolle, Gött:innen und fiese, skrupellose Menschen, die für Geld und Ruhm bereit sind, über Leichen zu gehen. Ein freakiger Computernerd und eine Art Stammkneipe, das real existierende Gin 71, tun ein Übriges um einen perfekt abgestimmten Unterhaltungscocktail zu servieren.

Hinzu kommt, dass Kevin Hearne die Geschichte mit einem Hauch schwarzem Humor würzt und sie sehr kurzweilig geschrieben ist. Gleichzeitig bekommt man Lust, nach Schottland zu reisen, durch Glasgow zu laufen und nachdem man in der Mitchell Library war, im Gin 71 den Tag ausklingen zu lassen. Also ein Buch, das Lust auf mehr macht und auch schon im Titel mehr verspricht. Da es „Tinte & Siegel Die Chronik des Siegelmagiers 1“ ist, ist zu vermuten, dass es einen Band 2 geben wird, die Frage ist nur wann. Ich freue mich auf jeden Fall auf die Fortsetzung und werde mir in der Zwischenzeit die anderen Werke Kevin Hearnes anschauen.

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