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Veröffentlicht am 09.03.2021

Geschichten vom Heimweg

Asphalthelden
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Das Buch Asphalthelden beinhaltet 10 Kurzgeschichten über den Heimweg von der Schule. Diese Geschichten sind jeweils sehr berührend und aussagekräftig, hängen aber auch lose zusammen: Alle Kinder gehen ...

Das Buch Asphalthelden beinhaltet 10 Kurzgeschichten über den Heimweg von der Schule. Diese Geschichten sind jeweils sehr berührend und aussagekräftig, hängen aber auch lose zusammen: Alle Kinder gehen auf die dieselbe Schule, so kommen einige Begebenheiten und Ereignisse öfter aus verschiedenen Blickwinkeln am Rande vor.
Es ist dem Autor gelungen die Welt der jeweiligen Protagonisten sehr gut einzufangen, zu beschreiben und in den letzten Zeilen jeweils den Blickwinkel überraschend noch einmal zu verschieben, so dass sich völlig neue Erkenntnisse und Aha-Erlebnisse ergeben.
Da gibt es eine Superkurzhaargang, die versucht ihr Geld für eine Anschaffung zu vermehren. Der Grund für die kurzen Haar ist eine Solidaritätsbekundung der besonderen Art und das Geld ist für einen zuvor ungeahnten Zweck. Ein Mädchen findet Halt in ihrer Trauer beim Skaten, das Board hat eine spezielle Bedeutung für sie. Ein Junge tritt für seinen Freund ein, als dieser als homosexuell gemobbt wird und zieht so großen Zorn auf sich. Wie man den Schulalltag übersteht, wenn die Eltern versuchen ihren Weg zu finden und man für den dementen Opa da sein möchte oder wie es ist, wenn man vor Sorge um die Mutter erstarrt, kann man hier in tollen Geschichten nachlesen.
Mir haben diese Geschichten sehr gut gefallen. Einzeln lassen sie sich toll lesen, haben jeweils eine tiefergehende Botschaft zu den unterschiedlichsten Themen und bieten gute Gesprächsanlässe. Sie ergeben aber in der Gesamtheit auch eine tolle Geschichte. Dem Autor ist hier ein kleines Schätzchen gelungen, dass ich mir als Schullektüre vorstellen kann. Hier steckt viel mehr drin als nur ein Schulweg. Toll gemacht.
Ein lesenswertes, empathisches Werk, das mich berührt hat und das ich gerne weiterempfehle.

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Veröffentlicht am 06.03.2021

Leni Landeis Abenteuer in Hamburg

Das Haus der Mädchen
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Andreas Winkelmann hat mit "Das Haus der Mädchen" einen spannenden Thriller in Hamburg angelegt, der von Simon Jäger gut eingelesen wurde.
Leni kommt als Praktikantin für einen Verlag nach Hamburg. Sie ...

Andreas Winkelmann hat mit "Das Haus der Mädchen" einen spannenden Thriller in Hamburg angelegt, der von Simon Jäger gut eingelesen wurde.
Leni kommt als Praktikantin für einen Verlag nach Hamburg. Sie ist unsicher und hat wenig Geld zur Verfügung, daher ist sie froh, dass sie ein günstiges Zimmer über eine online-Vermittlung bekommt. Hier freundet sie sich mit Vivi an, die in Hamburg einen reichen Mann kennenlernen möchte. Als Vivi verschwindet, vermutet Leni ein Verbrechen und versucht sie zu finden. Dabei lernt sie einen Obdachlosen kennen, der einen Mord beobachtet hat. Die Beiden bemerken, dass die Fälle zusammenhängen. Der Kommissar, der wegen des Mordes ermittelt, findet in ihnen wertvolle Zeugen. Die Handlung ist sehr spannend, die kurzen, teils offen endenden Kapitel beschleunigen das Tempo, so dass man immer noch einen Track weiter hört, als man eigentlich wollte. Am Ende merkt man, dass der Kommissar auf eine Finte des Täters hereingefallen ist, dadurch wird das Ganze nochmals spannender. Die einzelnen Protagonisten sind gut gezeichnet und stimmige Charaktere. Tolle, kurzweilige Unterhaltung.

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Veröffentlicht am 03.03.2021

forderndes Hörbuch für grandioses Kopfkino

Pandolfo
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Mailand 1493: Der reiche Händler Bernardinio Bellapianta findet auf dem Markt den schwer verletzen jungen Pandolfo in einem Abfallhaufen. Er nimmt ihn mit in seinen Palast und lässt ihn dort gesundpflegen. ...

Mailand 1493: Der reiche Händler Bernardinio Bellapianta findet auf dem Markt den schwer verletzen jungen Pandolfo in einem Abfallhaufen. Er nimmt ihn mit in seinen Palast und lässt ihn dort gesundpflegen. Pandolfo leidet unter zunächst Amnesie, nach und nach wird seine Geschichte offenbart.
Auch die Geschichte seines Gönners Bernardinio und von dessen Zwillingsbruder, einem kauzigen Erfinder, wird erzählt.
Michael Römling verwebt geschickt historische Fakten und Erfindungen der Zeit mit der fiktiven Geschichte um seine Hauptpersonen. Er setzt wechselnde Zeitebenen und unterschiedliche Erzählperspektiven ein, so gelingt ihm ein spannender Mix. Dazu eine äußerst bildreiche Sprache, detailverliebte Beschreibungen von Personen und Orten. Verrat, Mord, Liebe, Reisen, Erfindungen, Experimente und vieles mehr gibt es hier zu entdecken und permanent läuft ein feiner hintergründiger Humor mit. Die einzelnen Charaktere sind sehr vielschichtig und glaubhaft angelegt. Viele sympathische Personen, von denen man auch Kleinigkeiten erfährt, bereichern die Geschichte.
Die Figuren der Zwillingsbrüder gefielen mir am besten. Aus dem Waisenhaus zu einem Ziehvater gegeben, lernen sie mit ihren Begabungen umzugehen und das Beste aus ihrer Situation zu machen. Bernardinio hat ein Zahlentalent und ist ein findiger Händler, der Stimmungen und politische Entwicklungen mutig genutzt hat. So ist er, unterstützt von den Erfindungen seines Bruders,zu großem Reichtum gekommen. Sein Leben wird in Rückblenden erzählt , seine Reisen und sein gesamter Werdegang sind ein Hörgenuss für sich.
Frank Stöckle vermag über 851 Minuten fesselnd vorzutragen, seine Stimme passt hervorragend zu dem historischen Stoff, er intoniert so, dass man immer weiterhören möchte und man sich in der Geschichte verliert. Aufgrund der vielen Details und der vielen Handlungsstränge ist ein konzentriertes Hören notwendig, nur so nebenbei geht hier nicht. Eine Personenübersicht hätte ich mir gewünscht, ansonsten gibt es hier nichts auszusetzen. Für alle die historische Romane lieben kann ich eine absolute Hörempfehlung aussprechen.

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Veröffentlicht am 03.03.2021

Gwangju - Aufstand 1980

Menschenwerk
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Han Kangs „Menschenwerk“ spielt 1980 in Gwangju, Südkorea und berichtet vom Gwangju-Aufstand, bei dem Studentenproteste vom Militär niedergeschlagen wurden.
Der Junge Dong-ho versucht zunächst die Leiche ...

Han Kangs „Menschenwerk“ spielt 1980 in Gwangju, Südkorea und berichtet vom Gwangju-Aufstand, bei dem Studentenproteste vom Militär niedergeschlagen wurden.
Der Junge Dong-ho versucht zunächst die Leiche seines beim Aufstand getöteten Freundes zu finden. In den folgenden Kapiteln werden die Ereignisse aus verschiedenen Perspektiven von unterschiedlichen Personen berichtet. Danach werden die weiteren Lebenswege der Menschen, die mit Dong-ho während des Aufstandes in Verbindung standen, erzählt. Nach und nach werden dadurch Teile der Geschehnisse offenbart und am Ende fügt sich ein schlüssiges Bild zusammen, was in den Tagen des Aufstandes genau passiert ist.

Han Kang gibt jeder Person mit einem Kapitel eine Stimme und schildert einfühlsam und überzeugend deren Geschichte und Gefühle. Die Autorin nimmt kein Blatt vor den Mund und schildert detailliert und eindringlich Bilder von Leichenbergen und Foltermethoden. Sie geht auf Themen wie Schuld, Vergebung, Tod und Leben mit dem Tod von geliebten Menschen ein.
Mich machte hier Vieles fassungslos, immer wieder finde ich es unglaublich, wozu Menschen fähig sind. Die hier geschilderte Gewalt ist historisch belegt und damit ist dieses Buch ein Zeitzeugnis, eine Mahnung und ein Aufruf gegen die Gewalt und das Vergessen.

Der Roman lässt sich schnell und flüssig lesen, hinterlässt Eindruck und macht noch lange nach dem Lesen nachdenklich.
Mir hat auch gut gefallen, dass man als (westlicher) Leser/in nicht nur etwas über koreanische Geschichte, sondern auch über die koreanische Kultur lernt.

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Veröffentlicht am 28.02.2021

Eine dunkle Nacht: 16 Ermordete, kein einziger Mörder

Dunkelnacht
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Kirsten Boie hat in ihrem Buch Dunkelnacht die wahren Begebenheiten der Tage und Nächte 27.- 29. April 1945 in Pensberg in Bayern beschrieben.
In der Nacht, bevor die Amerikaner kamen, spielte sich Unglaubliches ...

Kirsten Boie hat in ihrem Buch Dunkelnacht die wahren Begebenheiten der Tage und Nächte 27.- 29. April 1945 in Pensberg in Bayern beschrieben.
In der Nacht, bevor die Amerikaner kamen, spielte sich Unglaubliches an diesem an sich beschaulichen Ort ab. Ein Endphasenverbrechen, das auf traurige Weise deutlich macht, wozu „durchschnittliche“ Menschen fähig sind.

Über den Reichssender verkündet die Freiheitsaktion Bayern, dass der Krieg vorbei ist. Einige Bürger der Stadt handeln beherzt, um zu verhindern, dass überzeugte Nazis den Nerobefehl umsetzen und z.B. das Bergwerk sprengen. Außerdem setzen sie den alten Bürgermeister wieder ein, den die Nazis nach Dachau geschickt hatten. Sie glauben sich sicher und denken das Richtige zu tun. Als sich kurze Zeit später das Blatt wieder wendet, ziehen Wehrmacht und Werwölfe diese Männer zur Verantwortung. Die Wehrmacht erschießt die Männer, die im Rathaus dabei waren und überlässt danach der Organisation Werwolf die Stadt. Diese hängt die Männer und Frauen, die auf der Liste stehen, die sie selber kurzerhand aus dem Stehgreif und auf Zuruf zusammenschreibt.
Die Jugendlichen Gustl, Marie und Schorsch stehen zwischen den Fronten und beobachten. Durch ihren Blickwinkel wird diese Nacht schmerzhaft lebendig. Diese drei Charaktere sind erfunden, aber: die Täter und Opfer sind es nicht.
Kirsten Boie schreibt knapp und übersichtlich, die kurzen Kapitel sind mit Daten und Personenangaben betitelt. Auch sprachlich scheint man sich in dem geschilderten Zeitraum zu befinden. Dadurch bekommt dieses Werk eine einmalige authentische Wirkung. Johann von Bülow liest das Buch in einer der Zeit üblichen kurzen und harten Sprechweise, die einen fassungslos lauschen lässt und in die Zeit zurückversetzt, die man zum Glück nicht erleben musste.
Die Autorin hat für dieses Werk intensiv recherchiert und das Grauen knapp aber genau geschildert, keine Nebenstränge lenken ab. Mit dem Abzug der Mörder endet dieses Buch. Im Nachwort schreibt Kirsten Boie noch zu ihrer Intention und auch darüber was danach in Pensberg geschah. Das es 16 Ermordete und keinen Mörder gab, macht fassungslos, gerade weil diese Fälle mehrfach verhandelt wurden.

Das Buch ist keine leichte Kost, aber ich kann es wirklich empfehlen. Da es immer weniger Zeitzeugen gibt, ist es wichtig, an diese Zeit zu erinnern, in der eine politische Führung das Schlimmste in den Menschen zu Tage förderte, auch in Denen, die glaubten sie wären unbeteiligt.



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