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Meinungen aus der Lesejury

Veröffentlicht am 22.05.2021

Witzig, skurril, absolut lesenswert

Señor Herreras blühende Intuition
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Wohin geht ein Schriftsteller, der von der Ereignislosigkeit seines Lebens gestresst ist, um Inspiration für sein nächstes Buch zu finden? Natürlich in ein Schweigekloster und zwar nicht in irgendeines, ...

Wohin geht ein Schriftsteller, der von der Ereignislosigkeit seines Lebens gestresst ist, um Inspiration für sein nächstes Buch zu finden? Natürlich in ein Schweigekloster und zwar nicht in irgendeines, sondern gleich in eines mit strengerer Observanz. Dass dort nur noch vier Ordensschwestern leben und er diese auch nur aus der Ferne beobachten kann - geschenkt! Schließlich ist da ja der ehemalige Matador Señor Herrera, der als Gästebetreuer und Koch den Schriftsteller Leo Renz mit mehr ausgefallenen als leckeren Kreationen andalusischer Küche verwöhnt.
Als Herrera erfährt, dass Renz an einem Krimi arbeitet, verstricken sich die beiden in ein wahres Geflecht alternativer Wahrheiten und es scheint, dass Renz‘ Romanideen im Kloster zur Realität werden. Und diese alternativen Wahrheiten machen ausnahmsweise einmal wirklich Spaß. Ist die junge Klosterschwester Ana Marìa womöglich in Mafiamachenschaften verstrickt und hat im Kloster nur Zuflucht gefunden? Ihre blonden Haare sind zumindest schon einmal eindeutiges Indiz ihrer skandinavischen Herkunft und machen Rückschlusse auf die Mafia mehr als plausibel. Oder etwa nicht?
Doch Herrera und Renz bleiben mit ihren Verdächtigungen nicht nur bei der zu jungen, ihrer Meinung nach etwas zu hübschen Ordensschwester. Auf einmal vermutet Herrera in Renz den Täter, denn sind all die Romanideen wirklich nur ausgedacht?
Und dann taucht auch noch eine Frau auf, die sozusagen das Alter Ego von Renz‘ Frau ist. Gleicher Name, gleicher Beruf, gleichnamige Tochter. Soll diese als Auftragskillerin Schwester Ana María aus dem Weg räumen und befinden sich zu allem Überfluss jetzt auch noch Renz‘ Frau und Tochter in Gefahr?
Wie gut, dass seine Gattin ihm vor seinem Retreat im Kloster ein paar Yogaposen mit auf den Weg gegeben hat, so dass er seinen Körper dehnen und seine Seele entspannen kann.
Linus Reichlin erzählt die skurrile Geschichte um den Matador Señor Herrera und den Schriftsteller Renz in humorvollem, leichtem Ton. Der Leser wird von immer neuen Wendungen überrascht. Eine absolut unterhaltsame, aber keinesfalls seichte Lektüre, die den Leser gut gelaunt zurücklässt.





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Veröffentlicht am 21.05.2021

Frau sein in Südkorea, aber nicht nur

Kim Jiyoung, geboren 1982
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Kim Jiyoung, geboren 1982 ist kein Sachbuch, auch wenn der Stil, in dem es geschrieben ist, eher sachlich und nüchtern ist und wie ein Bericht anmutet, der emotions- und schonungslos den alltäglichen Sexismus ...

Kim Jiyoung, geboren 1982 ist kein Sachbuch, auch wenn der Stil, in dem es geschrieben ist, eher sachlich und nüchtern ist und wie ein Bericht anmutet, der emotions- und schonungslos den alltäglichen Sexismus der koreanischen Gesellschaft beschreibt und der Text an vielen Stellen mit Berichten aus Zeitungen und offiziellen demografischen Daten kommentiert wird. Warum dies so ist, wird spätestens im letzten Kapitel aufgelöst, das ich, ohne zu viel verraten zu wollen, genial fand, weil es einen schon fast sprachlos zurücklässt.
Nun aber zum Buch. Der Inhalt ist recht schnell erzählt. Die 33-jährige Kim Jiyoung lebt mit Mann und einjähriger Tochter in einer kleinen Stadtwohnung am Rande der südkoreanischen Hauptstadt Seoul ein wenig bemerkenswertes Leben. Der Name Kim Jiyoung ist übrigens so alltäglich wie in etwa Sabine Müller hierzulande. Es soll hier auch nicht ein spezifisches Frauenschicksal aufgezeigt werden, sondern das einer jeden (südkoreanischen) Frau. Wodurch die Protagonistin sich allerdings von anderen Frauen unterscheidet, ist, dass sie plötzlich in andere Persönlichkeiten schlüpft und mit deren Stimmen spricht. Was ihr Mann zunächst nur als eine Spinnerei seiner Frau abtut, kulminiert bei einem Besuch bei den Schwiegereltern, bei dem Jiyoung die Identität ihrer Mutter annimmt und in einer Art und Weise spricht, die ihrer altersbedingten Stellung in der koreanischen Gesellschaft nicht angemessen ist. Sie tadelt ihre Schwiegereltern und das ist etwas, was man in ganz Asien nicht macht. Ältere sind immer mit Respekt zu behandeln, no matter what.
Nach dem Eklat bei den Schwiegereltern beschließt Jiyoungs Mann, einen Psychiater zu Rate zu ziehen.

Rückblickend wird nun chronologisch die Lebensgeschichte der Protagonistin erzählt, die exemplarisch für die Mehrzahl der koreanischen Frauen ist und die, wie man vermutet, in irgendeiner Weise zu diesem ungewöhnlichen Verhalten beigetragen haben muss.
Wir erfahren von Jiyoungs Kindheit, in der sie und ihre ältere Schwester wie selbstverständlich immer hinter dem jüngeren Bruder zurückstecken mussten, dieser verhätschelt wurde, während die Schwestern schon früh für sich selbst sorgen mussten.
Auch in der Schule findet es niemand ungewöhnlich, dass die Jungen mittags zuerst das Essen bekommen und die Mädchen dann sogar noch dafür getadelt werden, nicht rechtzeitig zum Ende der Mittagspause fertiggegessen zu haben.
Wir lernen auch, dass Jiyoungs Mutter früh arbeiten gehen musste, um das Studium ihrer Brüder zu finanzieren. Bei Jiyoung und ihrer Schwester steht es zwar außer Frage, dass auch sie studieren, dennoch hegt die Mutter die Hoffnung, dass die Schwester Lehramt studiert, da dies ein vergleichsweise billiges Studium ist und sie als Lehrerin die Familie gut unterstützen kann.
Im Berufsleben erfährt Jiyoung, wie männliche Kandidaten, die schlechtere Abschlüsse haben, bevorzugt eingestellt werden und später wesentlich bessere Karrieremöglichkeiten haben. Als Jiyoung nach der Geburt ihres Kindes schweren Herzens ihren Beruf aufgibt und sich um das Baby kümmert, muss sie entsetzt mitanhören, dass sie nun von großen Teilen der (männlichen) Gesellschaft als Schmarotzer betrachtet wird, da sie auf Kosten ihres Mannes lebt.
Was auch immer sie macht, wie sehr sie nach den Regeln der Gesellschaft spielt, sie kann nicht gewinnen.
Je länger ich das Buch las, umso wütender wurde ich und umso mehr wurde mir klar, dass das Problem, das beschrieben wird, leider ein universelles ist. Es wäre wünschenswert, dass unsere Gesellschaft weiter wäre als die im Buch beschriebene koreanische Gesellschaft. Natürlich wurden in Deutschland bereits viele Dinge angestoßen und dennoch sind wir noch lange nicht an einem Punkt, an dem wir uns mit dem Ist-Zustand zufriedengeben dürfen.
Eine ganz klare Leseempfehlung!

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Veröffentlicht am 29.04.2021

Nichts für schwache Nerven

VANITAS - Rot wie Feuer
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Grandioser Abschluss der Vanitas Trilogie

Im letzten Band der Vanitas-Trilogie begibt sich Carolin direkt in die Höhle des Löwen und taucht ausgerechnet dort unter, wo der Karpin-Clan sein Unheil treibt, ...

Grandioser Abschluss der Vanitas Trilogie

Im letzten Band der Vanitas-Trilogie begibt sich Carolin direkt in die Höhle des Löwen und taucht ausgerechnet dort unter, wo der Karpin-Clan sein Unheil treibt, in Frankfurt.
Sie hat keine Lust, ihr Leben lang auf der Flucht zu sein und vor ihren Problemen davonzulaufen. Stattdessen schmiedet sie einen äußerst riskanten Plan. Geschickt stiftet sie Unruhe zwischen den Karpins und dem armenischen Malakyan-Klan und zettelt einen Bandenkrieg an. Ihr Ziel ist es, dass die Malkyans ihr den Job abnehmen und die Karpins ausschalten. Doch während sie bei ihrem Rachefeldzug noch darauf bedacht ist, dass ihr in Frankfurt niemand auf die Spur kommt, holen sie die Schatten aus der Vergangenheit ein. Wegen des Mordes ihres Nachbarn in Wien wird sie per internationaler Fahndung als Zeugin gesucht. Nicht hilfreich, wenn man im Untergrund bleiben will. Und dann liegen auf einmal Blumen vor ihrer Tür, die eine mehr als deutliche Sprache sprechen.
Ursula Poznanski ist derzeit meine uneingeschränkte Lieblings-Thriller-Autorin. Auch mit Vanitas 3 – Rot wie Feuer hat sie wieder einen außerordentlich spannenden Thriller geschrieben mit unerwarteten Wendungen bis zum Schluss. Ich wundere mich bei all ihren Büchern, dass diese noch nicht längst verfilmt sind. Andererseits, glaube ich, wären meine Nerven zu schwach mir die Verfilmung dieses Thrillers anzusehen. Als Buch für mich allerdings ein wirklich grandioser Abschluss der genialen Vanitas-Trilogie.

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Veröffentlicht am 25.04.2021

Amüsantes Erdmännchen-Abenteuer

Der Wald ruft
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Ich weiß gar nicht, wie es mir passieren konnte, dass die Erdmännchen-Krimis bisher total an mir vorbeigegangen sind. Wahrscheinlich hätte ich bis heute nichts von Rufus, Ray und Co gehört, wenn es bei ...

Ich weiß gar nicht, wie es mir passieren konnte, dass die Erdmännchen-Krimis bisher total an mir vorbeigegangen sind. Wahrscheinlich hätte ich bis heute nichts von Rufus, Ray und Co gehört, wenn es bei lovelybooks nicht ein Gewinnspiel zum neuesten Hörspiel der Bande gegeben hätte, zu dessen Teilnahme mich vor allem der Sprecher Christoph Maria Herbst bewogen hat.
Was für ein Glück! Eine äußerst amüsante Geschichte.
Dass der großartige Strombergdarsteller die Geschichte grandios vorlesen würde, war mir von vornherein klar.
Aber dem Abenteuer, das die Erdmännchen bestehen müssen, zuzuhören, hat wirklich Spaß gemacht. Diese müssen ihr bisheriges Zuhause, den Berliner Zoo, Hals über Kopf verlassen und sich auf eine abenteuerliche Flucht begeben, da sie als Touristenattraktion an ein Einkaufszentrum in Norwegen verkauft werden sollen. Zufluchtsort ist der deutsche Wald. Dort angekommen werden die Flüchtlinge nicht von allen gleichermaßen freudig aufgenommen. Besonders die Wildschweine, allen voran Eber Hermann und Sohn Fritz, versuchen die guten Sitten im deutschen Wald vor den „dahergelaufenen Afrikanern“ zu verteidigen. Immerhin bekommen die Erdmännchen zunächst Duldungsrecht, nicht zuletzt weil Rufus eine flammende Rede schwingt, die von „I had a dream“ bis zu „Ich bin ein Berliner“ reicht und die darin kulminiert, dass er sogar den Mandarin-Enten einen „krassen Migrationshintergrund“ zuschreibt, als Beleg dafür, dass ein jeder ein Einwanderer ist, wenn man nur weit genug zurückgeht.
Natürlich geht das Zusammenleben nicht lange gut und die Erdmännchen müssen noch so einige Abenteuer bestehen, bevor sie sich ihren Platz in ihrer neuen Heimat erkämpft haben.
Auch wenn es sich bei diesem Hörspiel meiner Meinung nach eher um eine Abenteuergeschichte als um einen Krimi handelt, fand ich die Geschichte sehr spannend und rasant erzählt. Die ganzen, sehr deutlichen Anspielungen auf unsere Gesellschaft fand ich sehr amüsant und ich musste mehr als einmal laut lachen.
Einziger kleiner Kritikpunkt ist, dass die Wildschweine vielleicht nicht dringend im sächsischen Dialekt hätten sprechen müssen. Ist vielleicht doch etwas arg klischeehaft und die Geschichte ist an sich schon so witzig erzählt, dass das gar nicht notwendig gewesen wäre.
Insgesamt aber eine absolute Hörempfehlung!

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Veröffentlicht am 02.04.2021

Gelungene Darstellung unserer Zeit

Über Menschen
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„Über Menschen“ – der Titel von Juli Zehs neuem Roman erinnert an ihr Buch „Unterleuten“ von 2016. Wieder befinden wir uns im ländlichen Brandenburg, dort treffen wir jedoch nicht auf alte Bekannte. Protagonistin ...

„Über Menschen“ – der Titel von Juli Zehs neuem Roman erinnert an ihr Buch „Unterleuten“ von 2016. Wieder befinden wir uns im ländlichen Brandenburg, dort treffen wir jedoch nicht auf alte Bekannte. Protagonistin ist diesmal die Werbetexterin Dora. Diese flieht mitten im 1. Lockdown im Frühjahr 2020 vor der Hysterie und Panik Berlins im Allgemeinen und der ihres politisch überkorrekten Freundes Roberts im Speziellen aufs Land. Sie hat es satt, immer alles richtig machen und zu allem eine Meinung haben zu müssen, selbst wenn es keine einfachen Lösungen gibt.
Ihr Freund Robert hatte sich bereits vor Corona verbissen dem Klimaschutz verschrieben und erlebt nun geradezu mit Genugtuung, dass die Menschen dank der Pandemie endlich die drohende Apokalypse erkennen müssen. Dora ist das alles zu prinzipiell. Natürlich findet auch sie, dass man etwas fürs Klima tun muss und dass man sich an Coronaregeln halten sollte. Im Gegensatz zu Robert glaubt sie aber nicht an absolute Wahrheiten, sieht in allem auch die Widersprüche und will dem Meinungsterror, der in der Hauptstadt herrscht, entfliehen. Als Robert ihr dann auch noch verbieten will, mit dem Hund längere Spaziergänge zu machen, bringt dies das Fass zum Überlaufen.
Zum Glück hat sie sich schon vor Corona in aller Heimlichkeit ein altes Gutshaus im brandenburgischen Nest Bracken gekauft.
Dort trifft sie als Erstes auf ihren neuen Nachbarn Gote, der sich als Dorf-Nazi vorstellt und auch sonst keinen allzu sympathischen Eindruck macht. Doch wenn Not am Mann ist, ist er immer zur Stelle und Nachbarschaftshilfe ist bei ihm nicht nur ein Wort. Das Gleiche gilt für den Nachbarn Heini. Unaufgefordert hilft er ihr, ihren Riesengarten in den Griff zu bekommen. Leider reißt er jedoch unentwegt rassistische Witze.
Und dann ist da noch das schwule Pärchen, das einen Blumenladen besitzt und recht liberal wirkt, jedoch die AFD wählt.
All diese Widersprüche verwirren Dora und sie fragt sich, ob und inwieweit sie Stellung beziehen muss. Gleichzeitig erkennt sie immer mehr, dass die Welt sich nicht so einfach in Schwarz und Weiß einteilen lässt. Stattdessen wird sie mit ihren eigenen Vorurteilen konfrontiert. Denn ist für sie, wie für alle Großstadttanten, nicht jeder ein Nazi, der anderer Meinung ist? Hält sie sich aufgrund ihrer linksliberalen Einstellungen nicht doch für etwas Besseres und ist letztendlich genauso wenig zu einem Diskurs bereit wie die, die politische Meinungen vertreten, die ihren konträr sind?
Ich war unheimlich gespannt auf diesen neuen Roman von Juli Zeh, nicht nur weil ich ihre Bücher sehr mag, sondern vor allem, weil ich neugierig war, wie man Corona sozusagen in Echtzeit thematisieren kann, wenn man noch mittendrin steckt, zumal das Thema ja unglaublich emotionsgeladen ist. Aber es ist natürlich kein Buch, das dazu auffordert, irgendwelche Positionen einzunehmen. So wie Dora erkennen muss, dass es Grautöne gibt, nicht alles nur richtig oder falsch ist, verstehe ich es auch als eine Aufforderung an uns, nicht immer alles dogmatisch zu sehen, nicht nur unsere eigenen Ängste gelten zu lassen, Menschen nicht aufgrund einzelner Aspekte in eine Kategorie zu stecken.
Für mich eine gelungene Darstellung der Zeit, die wir im Moment durchleben. Es wird aber auch interessant sein, diesen Roman in ein paar Jahren noch einmal im Rückblick auf die Zeit der Pandemie zu lesen.

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