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Veröffentlicht am 03.05.2021

Im Osten nichts Neues

Kim Jiyoung, geboren 1982
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Die 33jährige Kim Jiyoung leidet unter einer Persönlichkeitsstörung. Sie spricht und verhält sich wie ihre Mutter, dann wieder wie eine verstorbene Freundin, wobei sie von Ereignissen erzählt, die sie ...

Die 33jährige Kim Jiyoung leidet unter einer Persönlichkeitsstörung. Sie spricht und verhält sich wie ihre Mutter, dann wieder wie eine verstorbene Freundin, wobei sie von Ereignissen erzählt, die sie gar nicht miterlebt hat, ein Umstand, der nicht weiter erklärt wird.
Kim Jiyoung sucht daraufhin einen Psychiater auf, der Kims Werdegang in knappen und emotionslosen Worten schildert. Als mittlere von drei Geschwistern wächst sie in einer Familie auf, in der die Mutter die Fäden in der Hand hält und dafür sorgt, dass die Kinder ein gutes Leben führen können. Trotzdem ist es der wenig erfolgreiche Vater, der sich damit brüstet, wie weit sie es gebracht haben. Die Mutter, eine starke Frau, lässt dies jedoch so nicht stehen und bietet ihm Paroli.
Mit einer starken Mutterfigur vor Augen wundert es mich sehr, dass Kim Jiyoung so unterwürfig und duckmäuserisch durchs Leben geht. Ja, das Leben in Südkorea scheint ausgesprochen sexistisch und frauenfeindlich zu sein. Aber wenn man sich wie Kim Tag für Tag diesem Sexismus unterordnet und nie traut, den Mund aufzumachen und sich zu wehren, wie soll sich dann jemals etwas an der Situation ändern? Als Kim hochschwanger in der U-Bahn beleidigt wird, rennt sie beispielsweise tränenüberströmt davon und geht den restlichen langen Weg zu Fuß nach Hause, anstatt wütend zu werden und sich zu verteidigen. Dieses Verhalten ging mir unheimlich gegen den Strich. Vieles, was in diesem Buch geschildert wird, ist wirklich übel, aber Kims Verhalten ist es auch. Mimimi auf über 200 Seiten!
Es ist kaum vorstellbar, dass die geschilderten Zustände sich auf die jüngste Vergangenheit beziehen sollen. Ist Südkorea in gesellschaftlicher Hinsicht wirklich so rückständig? Zu gern würde ich eine südkoreanische Doktorandin befragen, die ich vor 2 Jahren kennenlernte, zu der ich aber leider den Kontakt verloren habe. Ihre Meinung würde mich wirklich sehr interessieren. Ich erinnere mich, dass sie auf jeden Fall von Deutschland nach Seoul zurückkehren wollte, weil sie sich dort gute Zukunftschancen ausrechnete. Das passt überhaupt nicht zu der im vorliegenden Roman propagierten Darstellung.
Ich hatte die Leseprobe sowie begeisterte Rezensionen gelesen, erwartete also ein interessantes Buch. Leider bin ich sehr enttäuscht. Der Sprachstil ist simpel und erinnert mich an den Schulaufsatz eines Drittklässlers, und leider konnte ich keine Empathie mit der Protagonistin empfinden, da ich mich so über ihre passive Opferrolle geärgert habe. Mir ist es ein Rätsel, wie es dieses Buch geschafft hat, zum „Weltbestseller“ zu werden!

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Veröffentlicht am 12.04.2021

Von Kommunisten und Kommunarden

Teufelsberg (Wolf Heller ermittelt 2)
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Zu Beginn des Buchs wird eine Frau von einem jungen Mann erdrosselt, mit dem sie eben noch getanzt und gekifft hat. Ein völlig sinnloser Mord, doch da der Mörder kurz darauf selbst das Zeitliche segnet, ...

Zu Beginn des Buchs wird eine Frau von einem jungen Mann erdrosselt, mit dem sie eben noch getanzt und gekifft hat. Ein völlig sinnloser Mord, doch da der Mörder kurz darauf selbst das Zeitliche segnet, kann er nicht mehr zu seinen Beweggründen befragt werden. Die Nichte der Ermordeten, die junge attraktive Amerikanerin Louise, findet die Tante und alarmiert die Polizei. Es stellt sich heraus, dass Louise und der herbeigerufene Kommissar Wolf Heller mal was miteinander hatten, was schon ein großer Zufall ist, aber hej, Berlin ist ja ein Dorf.
Es geschehen weitere Morde, die Polizei stößt auf einen Vierfachmörder von Frauen, doch statt ihn dingfest zu machen, wird er erst mal beschattet. Dass er derweil die Frau, bei der er gerade wohnt, übelst zurichtet, ist anscheinend ein hinzunehmender Kollateralschaden und wie so manches in diesem Roman ziemlich fragwürdig.
Wolf Hellers Halbschwester Petra, gerade erst aus Berchtesgaden angereist, wo es ihr in sexueller Hinsicht zu langweilig war, zieht in kürzester Zeit in eine angesagte Kommune zu einem stadtbekannten Terroristen, erpresst einen Immobilienhai und fackelt zusammen mit ihrem Lover ein Auto ab. Außerdem erfährt der Leser, dass „die Uschi“ darauf aufpasst, dass „der Rainer“ nicht fremdgeht. Jüngere Leser haben wahrscheinlich keine Ahnung, um wen es sich hierbei handelt, aber mal ganz abgesehen davon, wen sollte es heute noch interessieren, wer vor 50 Jahren mit wem im Bett war?
Die hübsche Louise verliebt sich währenddessen in einen russischen KGB Agenten, der sich als Amerikaner ausgibt und sie prompt entführt. Die ganze Story ist äußerst lahm und ich habe mich über weite Strecken gelangweilt.
Im übrigen frage ich mich, ob Bücher heutzutage nicht mehr korrekturgelesen werden? Gleich zweimal wird „dass“ mit „das“ verwechselt, ein Armutszeugnis für einen renommierten Verlag. Von diesem Buch hatte ich mir weitaus mehr versprochen.

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Veröffentlicht am 13.09.2020

Vom Ozelot, der sein Leben für einen Bikini lassen musste

Ozelot und Friesennerz
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Als ich das Buch entdeckte, dachte ich, endlich einmal ein Sylt-Buch ohne Sommer-Sonne-Strandkorb-Liebe. Auch die Leseprobe hat mich angesprochen, wenngleich ich die Aussage, dass man „als echte Sylterin ...

Als ich das Buch entdeckte, dachte ich, endlich einmal ein Sylt-Buch ohne Sommer-Sonne-Strandkorb-Liebe. Auch die Leseprobe hat mich angesprochen, wenngleich ich die Aussage, dass man „als echte Sylterin qua Geburt automatisch etwas Besonderes“ und „automatisch einem Adelsgeschlecht angehört“ doch etwas fragwürdig finde.
In ihrem Buch (das übrigens für mein Empfinden kein Roman, sondern eine Sammlung von Anekdoten und Ereignissen ist) beschreibt Sabine Matthiessen ihre Kindheit und Jugend auf Sylt, einem Sylt, das man – Gottseidank – so heute nicht mehr vorfindet. Der Mief der Sechziger und Siebzigerjahre kroch einem während der Lektüre praktisch in die Knochen.
Die Familien vermieteten die eigenen Schlafzimmer und campierten während der Saison zusammengepfercht im Wohnzimmer. Für die Kinder war keine Zeit, die mussten sich selbst beschäftigen und gut benehmen. Abends gingen die Eltern dann auch gerne noch aus und gaben den Kindern Schlaftabletten, damit sie nicht aufwachten, während die Eltern außer Haus waren. Äußerst befremdlich fand ich, dass die Autorin als Baby im Schlafzimmer mit im Ehebett der Feriengäste schlief und nach deren Syltaufenthalt sogar mit ihnen „in Urlaub“ fuhr.
Die Autorin entstammt einer bekannten Kürschnerfamilie, damals gehörte es wohl dazu, dass die reichen Urlauber mit einem Pelz nach Hause fuhren. Es war eine andere Zeit, Pelz zu tragen war noch nicht verpönt. Trotzdem finde ich es sehr bedenklich, wie unreflektiert Frau Matthiessen gewissen Anekdoten erzählt. Zum Beispiel die Geschichte, in der ein namentlich genannter Bankier für seine junge Gespielin einen Bikini aus Ozelot anfertigen lässt und die Autorin das Fell dieses vom Aussterben bedrohten Tieres als „Wildware“ bezeichnet. Sicher ist dies der Fachbegriff, aber ich empfinde ihn in der heutigen Zeit doch als ausgesprochen zynisch.
Überhaupt erzählt Susanne Matthiessen gerne Klatschgeschichten über bekannte Personen. Will ich wirklich wissen, wie Willy Brandt betrunken vom Balkon fiel oder ein bekannter Verleger ungepflegt mit fettigem Haar im Laden saß? Nein! Wenn ich solche Geschichten lesen will, kaufe ich mir die Zeitung mit den großen Buchstaben.
Es gab Passagen, die ich interessant fand, aber im Großen und Ganzen hat mich das Buch eher gelangweilt. Mir fällt nicht eine Person im gesamten Buch ein, die mir sympathisch war, und der Schreibstil kommt sehr abgehackt und holprig daher. Für mich war es eine ziemlich enttäuschende Lektüre.

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Veröffentlicht am 13.04.2020

Klatsch und Tratsch

Das Gerücht
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Joanna zieht nach 15 Jahren in London in einen kleinen Küstenort. Ein Grund dafür ist, dass ihr sechsjähriger Sohn Alfie in seiner Klasse gemobbt wurde, ein anderer, dass ihre Mutter ebenfalls in Flinstead ...

Joanna zieht nach 15 Jahren in London in einen kleinen Küstenort. Ein Grund dafür ist, dass ihr sechsjähriger Sohn Alfie in seiner Klasse gemobbt wurde, ein anderer, dass ihre Mutter ebenfalls in Flinstead lebt.
Auch in seiner neuen Schule tut sich Alfie schwer damit, Anschluss zu finden. Um das Interesse der anderen Mütter auf sich zu ziehen, erzählt Joanna ein Gerücht weiter, das sie vor kurzem aufgeschnappt hat: angeblich soll eine Kindermörderin namens Sally McGowan unter falscher Identität im Ort leben. Die Gerüchteküche kocht, bald scheint jede Frau im richtigen Alter eine potentielle Kindsmörderin zu sein. Die Besitzerin eines kleinen Ladens wird schnell als Hauptverdächtige ausgemacht, hat ihr Name doch dieselben Initialen wie Sally McGowan, also ein klares Indiz! Auch die Initiatorin eines Lesekreises scheint verdächtig, immerhin hat sie Joanna nicht auf der Straße gegrüßt, sondern sie ignoriert. Die ganze Geschichte ist total abstrus und an den Haaren herbeigezogen. Würde ein kleiner Ort wirklich mit so großem Interesse auf einen Jahrzehnte zurückliegenden Kriminalfall reagieren? Ich wage es zu bezweifeln. Die Idee für dieses Buch ist gut, aber die Umsetzung nicht. Ich habe schon lange kein so in die Länge gezogenes Buch mehr gelesen. Von den „Schauern, die einem über den Rücken jagen“ (Zitat vom Umschlag) habe ich nichts gemerkt, mich hat das Ganze nur unendlich gelangweilt. Der Schluss ist zugegebenermaßen eine Überraschung, doch keine, für die es sich lohnt, sich durch 400 Seiten Banalitäten und Paranoia zu kämpfen.

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Veröffentlicht am 16.03.2020

Und jedem Anfang wohnt ein Zauber inne

Die Glasschwestern
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Die beiden Zwillingsschwestern Saphie und Dunja verlieren am selben Tag ihre Ehemänner. Der eine fällt vom Gerüst in den Tod, der andere kippt vom Fitnessrad. Besonders traurig scheinen die beiden allerdings ...

Die beiden Zwillingsschwestern Saphie und Dunja verlieren am selben Tag ihre Ehemänner. Der eine fällt vom Gerüst in den Tod, der andere kippt vom Fitnessrad. Besonders traurig scheinen die beiden allerdings zunächst nicht zu sein. Dunja, deren toter Ehemann ohnehin ihr Ex war, den sie oft wie ein drittes Kind empfand, zieht weg aus der Stadt und zu ihrer Schwester aufs Land, wo diese ein Hotel betreibt. Saphie war bisher immer die Zupackendere der beiden, jetzt verkehren sich die Rollen und Dunja übernimmt immer mehr die Leitung des Hotels, während Saphie eine Auszeit nimmt. Auch die Jüngste der drei Schwestern, Lenka, erscheint im Hotel und bringt einiges durcheinander, nicht zuletzt das Gefühlsleben ihres Neffen Jules.
Der Leser erfährt bruchstückhaft von einem Tunnel, der zu DDR-Zeiten angeblich vom Vater der Zwillinge gebaut wurde. Hier wird viel Geheimniskrämerei betrieben, doch wer auf eine befriedigende Auflösung hofft, wird enttäuscht.
Außerdem erscheint seltsamerweise beiden Zwillingen im Traum ein gläserner Mensch, welche Bedeutung diesem zukommt, muss der Leser schlussendlich auch für sich selbst entscheiden.
Obwohl das Buch auf über 400 Seiten viel über Dunjas und Saphies Leben, ihre Erfahrungen und Gefühle erzählt, bleiben mir die beiden fremd, ja, sie wurden mir sogar zunehmend unsympathisch. Es ist nicht gerade nett und entspricht auch nicht meinem Humor, wenn Touristen als lachhafte, debile Gestalten und ältere Gäste als Kaffee-Sabber-Rentner beschrieben werden.
Es gab durchaus Passagen, die ich gern gelesen habe, aber im Großen und Ganzen überwiegen bei mir Enttäuschung und Frust, denn aufgrund der Leseprobe hatte ich mehr Handlung und weniger Nabelschau erwartet. Vieles wird angerissen, aber nicht zu Ende geführt. Es ist ein Buch über Vergangenes und Neuanfänge, doch der Zauber dieser Neuanfänge hat sich mir nicht erschlossen. Ich bin mir nicht sicher, ob ich bei diesem Roman bis zum Ende durchgehalten hätte, wenn ich nicht Teil einer Leserunde gewesen wäre.

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