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Veröffentlicht am 23.05.2021

Nachtschatten

Blütenschatten
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Schon lange hat mich kein Buch mehr noch nach seinem überraschenden Ende so atemlos zurückgelassen.

Dabei beginnt es zunächst eher unspektakulär. Die Malerin Eve, Anfang 60, läuft durch die nächtlichen ...

Schon lange hat mich kein Buch mehr noch nach seinem überraschenden Ende so atemlos zurückgelassen.

Dabei beginnt es zunächst eher unspektakulär. Die Malerin Eve, Anfang 60, läuft durch die nächtlichen Straßen Londons. Durchs Fenster beobachtet sie ihren Ehemann und dessen Geliebte. Nach und nach erfahren die Leser, dass Eve die Trennung herbeigeführt hat und auf dem Weg in ihr Atelier zu ihrem sehr viel jüngeren Geliebten Luca ist. Allmählich entfaltet sich aus Eves Sicht das Panorama ihres Lebens, ihre Jugend als junge Wilde und Muse eines egozentrischen Künstlers, ihre Ehe mit dem Statarchitekten Kristof, die schwierigen Beziehungen zu ihrer Tochter und die Rivalitäten mit anderen Künstlerinnen.

Als die Schilderung bei der Begegnung mit Luca angekommen ist, hat die Erzählung für mich Fahrt aufgenommen. Die nahezu kaltherzige Eve, die nur für ihre Kunst, ungewöhnliche Darstellungen der Pflanzenwelt, zu leben scheint, verfällt ihm, den sie selbst den "Jungen" nennt immer mehr. Doch wem kann der Leser hier trauen? Luca, dessen Motive mindestens verdächtig erscheinen? Und Eve selbst, deren Ansichten bisweilen durchaus zu schockieren wissen?

Die virtuose Autorin hat ihr Buch beinahe ausschließlich mit Antiheldinnen und -helden besetzt. Dennoch fand sich kein Protagonist, der mich kaltließ. Auch mit der eigentlich durch und durch unsympathischen Eve habe ich mitgelitten. Wirklich eine literarische Leistung, der ich aus vollem Herzen meine Hochachtung ausspreche. Der wundervoll anspruchvolle, scharfsinnige Stil hat ein Übriges getan, mich umgehend nach weiteren Büchern von Annalena McAffee Ausschau halten zu lassen. Das letzte Drittel des Buches hat mich durch seine raffinierte Konstruktion förmlich verschlungen wie die fleischfressenden Pflanzen, die Eve in ihrer Jugend gezeichnet hat und das Ende war mindestens so schön und giftig wie der Nachtschatten, der in Eves späten Werken eine wichtige Rolle spielt.



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Veröffentlicht am 03.05.2021

Märchenzauber

Das Mädchen und der flüsternde Wald
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"Monster und Geheimnisse tanzten in seinen Wörtern und Abenteuer tropften von seiner Zunge."

Das ist zweifellos beides auch bei der Autorin der Fall, die mich mit ihrem Buch mühelos bezaubert und restlos ...

"Monster und Geheimnisse tanzten in seinen Wörtern und Abenteuer tropften von seiner Zunge."

Das ist zweifellos beides auch bei der Autorin der Fall, die mich mit ihrem Buch mühelos bezaubert und restlos überzeugt hat.

Jankas Herkunft ist geheimnisumwittert. Sie lebt mit ihrer Pflegemutter in einem kleinen Dorf, ist aber schon als Mädchen viel stärker und größer als jeder andere. Obwohl sie in dem jungen Sascha und dem Waldläufer Anatoly gute Freunde hat, fühlt sie sich nirgends zugehörig. Da ist es alles andere als hilfreich, dass ihr eines Tages die Beine eines Bären wachsen. Verstört flieht Janka mit ihrem Hauswiesel Mäusefänger in den funkelnden Schneewald, auf der Suche nach Heilung und ihrer wahren Familie.

Was folgt, ist so märchenhaft schön, geschickt konstruiert und atmosphärisch dicht und tiefgründig erzählt, dass es auch für Erwachsene eine wahre Lesefreude ist. In die Handlung eingestreut sind immer wieder Märchen, die Janka unterwegs erzählt bekommt oder die sie von dem Waldläufer Anatoly einst erfahren hat und nun an Mäusfänger weitergibt. Nach und nach erschließt sich, zunächst fast unbemerkt, gerade aus diesen Märchen und den unglaublich phantasievollen Abenteuern, die Janka erlebt, ihre Herkunft.

Dabei steht Janka bald nicht nur Mäusfänger zur Seite, sondern eine ganze Tierschar und schließlich sogar ein hühnerbeiniges Hexenhaus samt Baba Yagas. All dies ist so liebevoll und originell gestaltet und erzählt, dass ich wohl nicht nur an den literarischen Herzensbrecher Mäusefänger noch lange denken werde.

Selten hat mich auch das Ende eines Buches derartig überzeugt. Hier ist nichts klischeehaft oder süßlich, sondern regt zum Nachdenken und reifen an. Wie überhaupt das ganze Buch ein Plädoyer ist für Freundschaft und Zusammenhalt trotz aller Unterschiede, ganz ohne erhobenen Zeigefinger.

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Veröffentlicht am 02.05.2021

Cozy cat crime

Die Katze und die Leiche in der Scheune
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Sofern Clarice Beech als Ermittlerin in Serie gehen sollte, könnte sich für mich eine würdige Nachfolge für die Mrs. Murphy Katzenkrimis von Rita Mae Brown gefunden haben.

Dass die Autorin sich auch privat ...

Sofern Clarice Beech als Ermittlerin in Serie gehen sollte, könnte sich für mich eine würdige Nachfolge für die Mrs. Murphy Katzenkrimis von Rita Mae Brown gefunden haben.

Dass die Autorin sich auch privat mit Tieren gut auskennt, merkt man ihrer Protagonistin Clarice wohltuend an. Diese engagiert sich wie die Autorin im Tierschutz. Als sie beim Versuch, einen streunenden Kater wieder einzufangen, unsanft in einer Scheune auf einer weiblichen Leiche landet, lässt sie es sich nicht nehmen, selbst in die Ermittlungen einzusteigen. Dabei stiehlt sie ihrem Rick, dem zuständigen Polizeibeamten, äußerst locker die Show.

Als sich die Identität der ermordeten Dorfbewohnerin als falsch erweist, muss Clarice nach und nach einsehen, dass durchaus ihr nahestehende Personen in die Tat verwickelt sein könnten..

Der Krimi punktet mit englischem Landleben, Charme und einer Fülle an Charakteren, die durchaus ein Verzeichnis der Menschen und Tiere verdient hätte. Die Verbrechensauflösung ist so komplex, dass man darauf kaum kommen kann. Auch dies war für mich ein Pluspunkt, da es mir in Büchern oft gelingt, zu viel vorauszuahnen. Die kriselnde Ehe von Clarice und Rick war ein weiterer faszinierender Erzählstrang, wie mich überhaupt die zum Teil liebenswert kauzigen Figuren überzeugt haben. Einzig die schließlich auch titelgebenden Katzen hätten noch mehr Profil bekommen können. Clarices Hunde stehlen ihnen doch immer mal wieder die Show.

Dafür gefallen mir die Cover-Katzen umso mehr. Raffiniert ist auch der vorn auf dem Buch im ländlichen Idyll mit Katze versteckte Hinweis auf einen Kriminalfall.

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Veröffentlicht am 26.04.2021

All you need is love

Der Sternenfänger
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Wer vom kleinen Prinzen berührt wurde, wird auch dieses Buch in sein Herz schließen. Die märchenhafte kurze Erzählung vom Weisenjungen Michel, der zum Sternenfänger wird, um seine geliebte Freundin Eli ...

Wer vom kleinen Prinzen berührt wurde, wird auch dieses Buch in sein Herz schließen. Die märchenhafte kurze Erzählung vom Weisenjungen Michel, der zum Sternenfänger wird, um seine geliebte Freundin Eli zu retten, wird vom Autorenduo mit leichter Hand geschildert und birgt doch viel Stoff zum Nachdenken und lange Nachwirken.

Als Eli schwer erkrankt, bekommt Michel die Aufgabe, zehn Arten der Liebe zu finden und den Liebenden ein sternförmiges Stoffstück zu entwenden. Nur ein daraus geflicktes Herz kann Eli wieder gesunden lassen. Auf seiner Suche lernt Michel viel über das Leben und Liebe und die Leser lernen mit ihm.

Nach meinem Gefühl hätte das Buch ruhig einige Seiten mehr haben dürfen. Es ging mir wirklich zu Herzen, ohne in den Kitsch abzugleiten und hat mich neugierig auf weitere Bücher der Autoren gemacht.

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Veröffentlicht am 12.04.2021

Naturpoesie

Echo Mountain
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Dies ist nun schon das zweite Buch von Lauren Volk, das mich restlos bezaubert hat. Obwohl die Protagonistin Ellie erst 12 Jahre zählt und das Buch sicherlich als Jugendbuch vermarktet wird, habe ich mir ...

Dies ist nun schon das zweite Buch von Lauren Volk, das mich restlos bezaubert hat. Obwohl die Protagonistin Ellie erst 12 Jahre zählt und das Buch sicherlich als Jugendbuch vermarktet wird, habe ich mir hier auch als Erwachsene restlos wiedergefunden, denn Ellie scheint über eine alte, beinahe magische Seele zu verfügen.

Der Börsencrash von 1934 treibt Ellies vorher wohlhabende Familie aus der Stadt aufs Land, an den unzivilisierten Echo Mountain. Für Ellie selbst wäre das kein großes Unheil, doch ihre Mutter und ihre ältere Schwester Esther leiden sehr unter der Abgeschiedenheit. Dann geschieht Ellies geliebtem Vater ein folgenschwerer Unfall. Während er von der Familie im Koma gepflegt wird, glauben alle, Ellie habe diesen Unfall verschuldet. Noch mehr als zuvor sucht Ellie Trost bei den Tieren und in der Schönheit der Natur.

Eine von Volks großen Stärken sind ihre unglaublich lebendigen, poetischen Naturbeschreibungen. Auch für die geheimnisvolle Flamme, die in Ellie brennt und eine gewaltige Gabe für die Heilkust mit sich bringt, findet sie unglaublich berührende Formulierungen. Mit Ellie habe ich mich identifizieren können, da sie sich mit allem um sie herum verbunden fühlt und empathisch mit allen Wesen und der Natur mitempfindet.

Doch vor Ellie liegen große Aufgaben. Nicht nur ihren Vater möchte sie zum Aufwachen bringen. Da ist auch die mysteriöse alte Frau auf dem Berg, die alle nur die Hexe nennen, ein Junge mit verwundetem Herzen und dem Haar eines Bären sowie ein Welpe, der Ellies Herz auf ganz besondere Weise gefangen nimmt. Sie alle brauchen Ellies Hilfe.

Diese Geschichte hat mich nicht nur mit ihrer Tiefgründigkeit, sondern auch mit ihrer Vielschichtigkeit überrascht. Familienzwistigkeiten, der Umgang mit Andersartigkeit und Vorurteilen, über sich Hinauswachsen, tiefe Liebe zu allen Migeschöpfen - eine ganz besondere Coming of Age Geschichte, die noch lange in mir nachhallen wird.

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