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Veröffentlicht am 15.04.2021

Das war leider nichts für mich

Madame Piaf und das Lied der Liebe
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Inhalt:
Frankreich wird durch die deutsche Armee besetzt, aber die junge Édith Piaf führt währenddessen trotz Ausgangsbeschränkungen und Essensrationierungen ein ausschweifendes Leben inmitten ihrer Bewunderer ...

Inhalt:
Frankreich wird durch die deutsche Armee besetzt, aber die junge Édith Piaf führt währenddessen trotz Ausgangsbeschränkungen und Essensrationierungen ein ausschweifendes Leben inmitten ihrer Bewunderer und Fans. Ein guter Freund und Förderer schafft es, ihr einen Auftritt im ABC zu ermöglichen und von da an ändert sich ihr Leben schlagartig. Sie wird über Nacht zum Star und beginnt selber, einen jungen Sänger auszubilden. Mit Yves Montand teilt sie nicht nur ihre Leidenschaft für die Musik, sondern auch ihr Bett und nach und nach verschenkt sie ihm ihr Herz. Ihr gemeinsames Glück inspiriert sie zu neuen Höchstleistungen, welche sie schliesslich weltberühmt machen, aber auch an sich selber zweifeln lassen...

Meine Meinung:
Dieses Buch...hat mich leider nicht komplett überzeugt. Ich war gestern aber fünf Stunden lang im ÖV unterwegs und hatte kein anderes dabei. Aufgrund des sehr oberflächlichen und leichten Schreibstils bin ich aber nur so durch die Seiten geflogen und habe einige Aspekte - vor allem die gründlichen Recherchen der Autorin, wie auch die schön erzählte Entstehungsgeschichte einzelner Chansons von Piaf - trotz allem sehr gerne gemocht. Heute Morgen habe ich es dann beendet und bin vom eher offenen Schluss leider noch einmal so richtig enttäuscht worden.
Was soll ich sagen: die Figuren bleiben flach, Édith Piaf ist keine schillernde, starke Persönlichkeit, sondern eine schwache Frau, die sich permanent verunsichern und von Yves Montand mehr und mehr dominieren lässt, die Handlung plätschert nur so dahin (100 Seiten weniger hätten der Geschichte gut getan) und die Musik und das Musiker*innenleben kommen einfach viel zu kurz. Ja und dann habe ich nach etwa 300 Seiten zufällig auf den Autorinnentext geblickt und dabei bemerkt, dass Michelle Marly das Pseudonym von Micaela Jary ist. Leider hat mich diese Autorin schon einmal aus den gleichen Gründen enttäuscht. Und ich muss sagen, dass ich ab dann total voreingenommen war und nicht mehr objektiv bleiben konnte.

Erzählsprache:
Ich denke, dass die Autorin wirklich gut und gründlich recherchiert hat und dass die historischen Fakten nach bestem Wissen und Gewissen stimmen. Micaela Jary schreibt dazu auch noch ein paar Worte im Nachwort und diese haben mich wirklich stark beeindruckt. Was ich aber sehr schade finde: obwohl Jary permanent betont, die Tochter des berühmten Filmmusikkomponisten Michael Jary zu sein und bereits zahlreiche Einblicke in das Künstlerleben gesammelt zu haben, so bleibt genau dieses Künstlerleben erstaunlich blass. Die Sprache und die Qualität der Beschreibungen bleiben durchs Band extrem oberflächlich und wiederholen sich stark. Es haben mir beim Lesen sowohl emotionale Tiefe, als auch srpachliche Bilder gefehlt. Ich nehme Piaf die Nervosität vor dem Auftritt oder die Erleichterung danach nicht ab, das fühlt sich nicht so an, wie ich mir das vorstellen würde und wie ich es kenne. Auch hatte ich bis zum Schluss das Gefühl, die Figuren nicht wirklich fassen zu können. Weder habe ich ein Bild vor meinem inneren Auge, noch haben mich ihre Persönlichkeiten beeindruckt.

Fazit:
Das war leider gar nichts für mich und obwohl ich sicher voreingenommen war und obwohl einiges an meiner Kritik auch Geschmacksache ist, frage ich mich, weshalb dieses Buch (und die weiteren Bücher dieser Autorin, sorry) ein Bestseller ist, denn sprachlich ist das wirklich unausgereift. Nur weil Édith Piaf darin vorkommt? Schade. Dieses Buch kommt in den offenen Bücherschrank und ich hoffe, hoffe, hoffe von Herzen, dass jemand damit viele schöne Lesestunden verbringen wird.

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Veröffentlicht am 21.03.2021

Ein antifeministisches Buch, das sich unter dem Deckmantel des Feminismu verbirgt

Sie hat Bock
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Inhalt:
Katja Lewina schreibt in erster Linie über sich und ihre Erfahrungen und bettet immer wieder sehr informative Kapitel ein. So zum Beispiel zu gleichberechtigten Beziehungen, zur Menstruation, der ...

Inhalt:
Katja Lewina schreibt in erster Linie über sich und ihre Erfahrungen und bettet immer wieder sehr informative Kapitel ein. So zum Beispiel zu gleichberechtigten Beziehungen, zur Menstruation, der richtigen Intimhygiene, der Pornoindustrie und dem Aufbau der Klitoris. Eine Triggewarnung vorweg (die fehlt nämlich im Buch): sexueller Missbrauch und die zum Glück kurz gefasste Schilderung einer Vergewaltigung sind ebenfalls Teil dieses Buches.

Meine Meinung:
Ich bin froh, bereits einige feministische Bücher gelesen zu haben und somit kann ich von mir behaupten, in diesem Buch nicht wirklich etwas Neues gelernt, aber dennoch ein paar andere Meinungen zu gewissen Themen erfahren zu haben. Und genau da liegt der Hund auch schon begraben. Katja Lewina schreibt ausschliesslich aus ihrer persönlichen Erfahrung und obwohl sie wissenschaftliche Informationen einbaut, bleibt sie in der Art, wie sie über Menschen schreibt, sehr stereotyp und oberflächlich. Sie teilt aus. Gegen Männer vor allem und dies in der Regel sehr schubladisierend und teilweise abwertend. Aber auch gegen Frauen. Ja, dieses Buch ist kein feministisches Buch, sondern ein antifeministisches Buch. Es spielt unterschiedliche Lebensformen und Frauen gegeneinander aus. Beispiele gefällig?

1. Katja Lewina lebt mit ihrem Mann in einer offenen Beziehung (die auch nur entstanden ist, weil ihr Mann sie damals betrogen hatte und sie beide dann erfahren haben, dass sie doch gerne noch weitere Menschen in ihre Betten lassen wollen, der Schmerz und die Enttäuschung über den Betrug und die Hörigkeit gegenüber ihres Mannes sind aber immer noch sehr spürbar. Ehrlich und mutig, wie ich finde, aber auch nicht unbedingt selbstbestimmt). So weit aber eigentlich nichts Neues, alle, wie sie wollen. Dass Lewina es nötig hat, monogam lebende Menschen als langweilige, prüde Menschen, die ihr Potenzial nicht ausschöpfen und ihre wahre Natur nicht ausleben, darzustellen, finde ich ein wenig unpassend.

2. Als sehr freiheitsliebende und offene Person, akzeptiert die Autorin selbstverständlich alle Lebensformen (Achtung: Ironie), aber: es gibt doch noch Ausnahmen, wer andere Präferenzen hat - auch hier wieder - wird als "merkwürdig" bezeichnet (man beachte, geschrieben wird in dieser Szene über eine - hypothetische - Frau).
"Oder weil sie das "merkwürdige" Bedürfnis danach, gefesselt und geknebelt von drei Unbekannten gleichzeitig gevögelt zu werden (...).
(Seite 59/60)

3. Obwohl sie sonst sehr schnell mit Stereotypen bei der Hand ist, hat Katja Lewina Mühe, ihre eigene Sexualität in eine Schublade zu packen. Muss sie ja auch gar nicht. Pansexuelle aber als "selbstgerecht" zu betiteln, geht dennoch nicht.
"Darum werde ich mir zwar noch lange nicht in selbstgerechter Manier ein "pansexuell"-Krönchen aufsetzen."
(Seite 69)

4. Wunschkaiserschnitte übrigens, werden auf Seite 201 im Buch als "hirnverballert" bezeichnet. So weit also zur Selbstbestimmung von Gebärenden...

5. Nach Lewinas "erstem Mal", einer Vergewaltigung, hat sie sehr schnell ihre Freude an der Sexualität gefunden. Sie tut diese Gewalttat und den Übergang zum alltäglichen Vögeln salopp ab. Ich kann das verstehen, schliesslich möchte man ein Trauma nicht mehrmals durchleben oder detailliert schildern. In einem solchen Buch aber könnte man die Plattform nutzen und wenigstens zwei bis drei Sätze dazu verlieren, wie man mit seinem Trauma umgeht, wie man sich selber hilft und wie man rechtlich gegen einen Täter vorgeht. Schliesslich muss man davon ausgehen, dass betroffene Personen dieses Buch lesen und erstens durch die fehlende Triggerwarnung und zweitens durch den unsensiblen Umgang mit dem Thema getriggert werden können.

Ach, dieses Buch... Es hat es mir so schwer gemacht. Und es hat mich sehr stark mit meinem eigenen Feminismus konfrontiert, was super ist und wichtig. Denn eigentlich mag ich Frauen, die Dinge beim Namen nennen, die derb und offen sind, die Raum einnehmen und diesen selbstverständlich einfordern. Aber ich mag es nicht, wenn diese Frauen ihre durch diesen Raum entstehende Macht nutzen, um andere klein zu machen. Frauen oder Männer. Missstände aufzuzeigen muss sein, Dinge beim Namen nennen auch, abwerten und in Schubladen denken geht aber nicht. Kein einziges Wort dazu, dass Lewina als weisse cis Frau in Deutschland gegenüber Frauen in anderen Kulturen privilegiert ist. Keine Sensibilität für die Befindlichkeiten anderer Personen.... Feminismus geht anders.

Mein Fazit:
Feministische Bücher lesen: ja, sehr, sehr gerne. Aber wenn ihr nicht bloss oberflächliche und provokative Parolen, sondern ein richtig gutes, wissenschaftlich fundiertes, bewegendes und tiefgründiges feministisches Buch lesen wollt, dann greift doch zu "Untenrum frei" von Margarete Stokowski oder zu "Periode ist politisch" von Franka Frei.

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Veröffentlicht am 17.10.2020

Zu brav, zu stereotyp

Mängelexemplar
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Inhalt:
Karo hat schon einige Schicksalsschläge hinter sich, steckt in einer unglücklichen Beziehung fest und verliert ihren Job. Ihre Trauer und Angst lähmen sie und sie beginnt, ihr Leben zu sortieren, ...

Inhalt:
Karo hat schon einige Schicksalsschläge hinter sich, steckt in einer unglücklichen Beziehung fest und verliert ihren Job. Ihre Trauer und Angst lähmen sie und sie beginnt, ihr Leben zu sortieren, sich Hilfe zu holen und sich von Dingen und Menschen, welche sie unglücklich machen, zu trennen. Zur Angst kommen Panikattacken hinzu und Karo realisiert, dass die Psyche nicht eine Wohnung ist, die man einfach abstauben und umräumen kann und schon ist alles wieder gut. Um tiefe und alte Wunden heilen zu lassen, braucht es mehr Zeit und Unterstützung, als sie erwartet hat. Und auf diesem Weg begleiten wir sie ein Stück.

Meine Meinung:
So gut und spannend dieses Buch auch klingt und so wichtig es auch ist, über psychische Erkrankungen zu lesen, sprechen und schreiben, so unpassend erscheint mir "Mängelexemplar" als Grundlage für den Austausch über dieses wichtige Thema. Das Buch war mir zu brav, zu oberflächlich, zu stereotyp und ein wenig zu gewollt provokativ. Der Stil erinnert sehr stark an eine Mischung aus "Axolotl Roadkill" und "Drüberleben". Einerseits gewollt überspitzt, was die Schilderungen der psychischen Erkrankung anbelangt und andererseits gekünstelt intellektuell, wenn es um den sprachlichen Ausdruck geht. Radikal war das nicht, eher ermüdend. Als tieftraurig und leidenschaftlich habe ich "Mängelexemplar" ebenfalls nicht erlebt, eher ähnlich brav wie "Schäfchen im Trockenen". Es stört mich sehr, dass dieser Schreibstil anscheinend ein Merkmal für zeitgenössische Literatur vor allem von Frauen sein soll (auf der Seite des Verbrecher Verlags finden sich Hinweise darauf in den Pressestimmen) und ich frage mich wirklich, ob es die Idee sein soll, dass man in der zeitgenössischen, Missstände anprangernden Literatur (vor allem als Frau) über ernste, anspruchsvolle Themen nur noch gewollt provokativ, ein wenig derb aber trotzdem gerade noch brav genug, dass sich niemand auf den Schlips getreten fühlt, schreiben darf. Wenn jemand Wut und Schmerz ausdrücken will, soll diese Person doch wütend und schmerzvoll schreiben. Gerne düster, brutal, heftig, aber - wenn es der Person besser entspricht - auch melancholisch, leise und zart. Dieser nichtssagenden Einheitsbrei, bei dem irgendwie jedes Buch, zu dem ich aktuell greife, ähnlich klingt, ist mir leider zu undifferenziert, was schade ist, weil so Themen, die mehr Aufmerksamkeit erhalten sollten oder auch Autor*innen, welche gelesen werden sollten, in der Masse untergehen.

Mein Fazit:
Das Buch kommt in den offenen Bücherschrank, weil ich mir sicher bin, dass es jemand anderem viel besser gefallen wird als mir. Es ist nicht schlecht geschrieben, es ist nicht langweilig, aber es ist ein wenig nichtssagenden, was schade ist, weil das sehr viel Potenzial auf der Strecke geblieben ist.

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Veröffentlicht am 30.08.2020

Leider wurde hier einiges an Potenzial verschwendet...

Vielleicht auf einem anderen Stern
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Inhalt:

Maddy und ihre Mutter Eve leben gemeinsam mit Eves Freund ein beschauliches Leben. bis Maddy schwer erkrankt. Weil sie ihre Herkunft ergründen will, bevor es vielleicht zu spät ist, versucht sie, ...

Inhalt:

Maddy und ihre Mutter Eve leben gemeinsam mit Eves Freund ein beschauliches Leben. bis Maddy schwer erkrankt. Weil sie ihre Herkunft ergründen will, bevor es vielleicht zu spät ist, versucht sie, ihren Vater ausfindig zu machen. Wie kann es sein, dass Eve ihr diesen wichtigen Part ihres Lebens stets vorenthalten hat? Und was wird sich in der kleinen Familie verändern, wenn Maddys Krankheit voranschreitet?



Meine Meinung:

Der Schreibstil von "Vielleicht auf einem anderen Stern" hat mir sehr gut gefallen. Flüssig, immer mal wieder nachdenklich, aber auch amüsant erzählt Karen Raney nämlich sowohl aus der Sicht von Maddy als auch aus der Sicht ihrer Mutter Eve aus einem von einer schweren Erkrankung geprägten Leben. Vor allem Maddy habe ich dabei in mein Herz geschlossen und die vielen Fragen, welche sich die junge Frau stellt, aber auch ihren Aktivismus, ihre Ängste, Sorgen und ihre Leidenschaft für die Kunst und die Musik haben mich sehr berührt.

Plötzlich aber verschwindet Maddy aus der Erzählung und es geht nur noch um Eve. Eve, welche es irgendwie nicht auf die Reihe gekriegt hat, sich damals mit Maddys Vater zu arrangieren. Missverständnisse in einer Beziehung können natürlich immer auftauchen, aber dass man sich missversteht, wenn es um eine Schwangerschaft und eine mögliche Abtreibung, respektive das Behalten des Babys geht, kann ich nicht nachvollziehen.

Auch hat mir gefehlt, dass Maddy und Eve, die scheinbar so eine grandiose Beziehung zueinander zu haben scheinen, sich kein einziges Mal richtig miteinander unterhalten haben. Beide hatten stets das Gefühl, der jeweils anderen zur Last zu fallen und blieben dabei mit ihren eigenen Sorgen alleine. Wie schräg ist das denn?

Schlimmer wird es nur noch, als Maddys Vater ins Spiel kommt. Das Buch ist per se schon nicht wirklich frauenfreundlich. Aber mit den Ansichten über Frauen, die gefälligst bei ihren Kindern zu bleiben haben, hat Maddys Vater Antonio das Fass dann definitiv zum Überlaufen gebracht (und Eve widerspricht nicht)...



Aber von der Handlung her...
Was will uns dieses Buch sagen? Berührt hat es mich leider abgesehen von Maddys Gedankengängen gar nicht und eigentlich hätte "Vielleicht auf einem anderen Stern" (wie der Titel zur Handlung passt, habe ich übrigens immer noch nicht herausgefunden) ein tolles Jugendbuch sein können. Ein Buch über Maddy und ihren ersten Freund Sam, die gemeinsam versuchen, ihre junge Liebe zu leben, ohne sich von durch Maddys Krankheit geprägtem Alltag einschüchtern zu lassen. Aber nach der Lektüre dieser fast 500 Seiten bin ich auf dem gleichen Stand wie vorher. Weder habe ich Eve und ihre egoistische, weinerliche Art, noch ihre spezielle Nachbarin Norma oder Maddys Vater Antonio greifen können und Maddy, die irgendwann nicht mehr Teil der Geschichte ist - obwohl genau die Szenen um diese mutige, kreative und kluge junge Frau so faszinierend geschrieben waren - verschwindet komplett im Hintergrund, während die verbliebenen Figuren sich ihren bedeutungsloses Existenzen hingeben.


Mein Fazit:

Ja, sprachlich hat es dieses Buch in sich. Einige Wendungen haben mich tief berührt und die Schilderungen aus der Sicht der schwer erkrankten Maddy haben mir den Atem geraubt. Aber alles andere ist leider von egozentrischen, flachen Figuren geprägt und nicht nur komplett nichtssagend, sondern auch ermüdend. Schade, das wäre ein fantastisches Jugendbuch geworden oder - wenn die Protagonistinnen auch nur einmal offen miteinander gesprochen hätten - zu einem spannenden und bewegenden Familienroman.

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Veröffentlicht am 29.06.2020

Nicht wirklich hilfreich (abgesehen vom ersten Drittel)

Joy at Work
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Inhalt:

Wie ein (fast) leerer Schreibtisch, übersichtliche Mail-Ordner, freudbringende Dekoration und aufgeräumte, entrümpelte Schubladen und Dokumente nicht nur für mehr Kreativität, sondern vor allem ...

Inhalt:

Wie ein (fast) leerer Schreibtisch, übersichtliche Mail-Ordner, freudbringende Dekoration und aufgeräumte, entrümpelte Schubladen und Dokumente nicht nur für mehr Kreativität, sondern vor allem auch Produktivität beim Arbeiten sorgen, erzählt Marie Kondo in ihrem aktuellsten Buch und schreibt gleich noch, wie das Aufräumen schnell gelingen kann und wie die Ordnung auch längerfristig bestehen bleibt. Gemeinsam mit Scott Sonenshein zeigt sie aber auch auf, wie sich Entscheidungen ordnen, entrümpeln und treffen, wie sich Kontakte und Meetings organisieren lassen und wie mit mehr Motivation, Freude und Effizienz gearbeitet werden kann.


Meine Meinung:

Marie Kondos Methoden sind mir schon oft im Internet begegnet und durften in meinen Kleiderschrank, die Schuhregale und diverse Schränke und Schubladen unserer Wohnung einziehen. Auch in meinem Arbeitszimmer habe ich stets neue Methoden und Ordnungssysteme ausprobiert, bin dabei aber kläglich gescheitert. Die ganzen Musikalien und Unterrichtsmaterialien habe ich zwar zum Glück schon seit Jahren im Griff, die Termine lassen sich auch noch sehr gut handeln, aber die Dokumente, Verträge, Rechnungen, Berichte, Projektdossiers usw. rauben mir des Öfteren den letzten Nerv. Deshalb war es mir ein grosses Anliegen, auch hier endlich Ordnung zu schaffen und so auch produktiver zu werden und mein Arbeitszimmer nicht mehr einfach nur vollzustapeln (und dann mit schlechtem Gewissen die Stapel von Ecke zu Ecke zu räumen), sondern auch wieder mit Freude nutzen zu können. Vor allem das erste Drittel des Buches, das sich mit dem Organisieren und Aufräumen befasst und das von Marie Kondo geschrieben worden ist, hat mir in den letzten Wochen geholfen, meinen Arbeitsbereich endlich in Ordnung zu bringen. Darüber bin ich total froh.

Das zweite Drittel, in dem Scott Sonenshein zu Wort kommt, behandelt aber das Verhalten und Arbeiten in grösseren Firmen, in Teams, während Meetings und beim Führen von Angestellten, Koordinieren von Terminen und Delegieren von Aufgaben. Auch wenn hier halbherzig die Kon-Mari-Methode angewandt wird, dienen diese vor Wiederholungen strotzdenden Kapitel nur so der Selbstbeweihräucherung und Profilierung der Überlegenheit des Autors. Unsympathisch, nicht wirklich zusammenhängend und vor allem nicht zielführend mansplaint der Unternehmer in Marie Kondos Fachgebiet herum und auch wenn einzelne Tipps (beispielsweise zum Ordnen von Dokumenten oder Priorisieren von Entscheidungen) wirklich hilfreich sind, so greift er doch vor allem zahlreiche Themen auf, die nichts mit dem Ordnen und Organisieren zu tun haben, sondern einfach dazu dienen sollen, seinen Erfolg und seine Erfahrung als Manager in ein gutes Licht zu rücken.


Beispiele gefällig?

Marie Kondo schreibt auf Seite 112 im Unterkapitel "Zeit richtig einteilen"...

Momentan macht mich meine Arbeit sehr glücklich, doch es hat eine Zeit gegeben, in der mein Terminkalender so voll war, dass ich körperlich und geistig an meine Grenzen stiess. Das war 2015, kurz nachdem ich vom Time Magazin unter die 100 einflussreichsten Menschen gewählt worden war und mit Anfragen aus aller Welt überschüttet wurde.

...und geht dann dazu über, wie sie sich von diesem Druck wieder lösen konnte und listet sofort zahlreiche hilfreiche und praktische Tipps auf.


Scott Sonenshein schreibt auf Seite 114 im Unterkapitel "Zeit richtig einteilen"...

Als ich vom Juniorprofessor frisch von der Hochschule zum Stiftungsprofessor aufstieg (die höchte Auszeichnung an der Universität), wurde ich immer häufiger für verschiedene Tätigkeiten angefragt, die für meine Hauptaufgaben, die Forschung und die Lehre, keinerlei Bedeutung hatten (....Satz geht noch ewig weiter)

... und schwadroniert dann zwei ganze weitere Abschnitte lang weiter über seine damalige Wichtigkeit, die Unfähigkeit der anderen (die ja dann seine Angestellten waren) und liefert erst auf der nächsten Seite einen ersten halbherzigen Tipp zur Zeiteinteilung.


Erst ganz am Ende des Buches kommt Marie Kondo wieder zu Wort und nennt dann noch ein paar allgemeine Tipps für mehr Ordnung und Freude im Arbeitsalltag, die aber leider auch nur irgendwie eine Wiederholung der vorherigen Kapitel sind und nicht wirklich zu einem positiven Gefühl beitragen.


Die Vermischung von Arbeitsbereichen:

Was mich aber noch viel stärker gestört hat, hat mit dem Ziel des Buches zu tun. An welches Publikum richtet sich dieses Buch? Welche Tipps helfen für welche Arbeitsbereiche? Marie Kondos Ansatz richtig sich vor allem an Selbstständige und Menschen, welche zumindest über einen eigenen Arbeitsplatz verfügen und diesen auch zu grossen Teilen selber gestalten können. Scott Sonensheins Inputs richten sich vor allem an Menschen in Führungspositionen, oder Menschen, die in grösseren Unternehmen Karriere machen wollen und sind wohl deshalb für viele von uns nicht zielführend. Einzelne Gedankengänge (wie trage ich selber zu einem erfolgreichen Meeting bei, wie ordne ich mein Netzwerk, welche Aufgabenbereiche machen mir Freude) sind da zwar sicher hilfreich, aber das Delegieren von Arbeitsschritten ist oft nicht das, was letztendlich im normalen Angestellten-Alltag realistisch ist. Alle diese Bereiche werden aber wild vermischt, die Handhabung der eigenen, persönlichen Ordnung von Dokumenten (das können auch die Steuerunterlagen sein und damit haben nun wirklich alle von uns zu tun) wird nahtlos ergänzt mit Informationen zur Zusammenstellung von erfolgreichen Teams, das passt doch alles irgendwie so gar nicht zusammen und ist in meinen Augen nicht sinnvoll aufgeteilt. Ja, es lohnt sich natürlich, zuerst einmal mit dem Aufräumen des Arbeitsplatzes zu beginnen, aber dann muss man doch die weiteren "Aufräumgebiete" ein wenig nach Funktion des Arbeitnehmers/Arbeitgebers (oder Selbständigkeit) oder nach der Position innerhalb einer Firma aufteilen, finde ich, sonst entsteht ein enormes Chaos, das beim Lesen weder für Freude, Input noch dem Willen, sich bald wieder an die Arbeit zu machen, sorgt.


Fazit:

Leider war nur das erste Drittel dieses Buches eine Bereicherung für mich, die weiteren Abschnitte haben für Verwirrung, Ärger, Unverständnis und Chaos gesorgt. In meinen Augen ist die "Zusammenarbeit" des Autoren-Duos gescheitert und Marie Kondo hätte sich diesem Buch, das vor allem von Fans ihrer Arbeit (und ihrer Methoden) gekauft wird - und die sicher auch gewisse Erwartungen an die Umsetzung und Art der Aufräumhilfe haben - alleine annehmen sollen.

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