Profilbild von Archer

Archer

Lesejury Star
offline

Archer ist Mitglied der Lesejury

Melde dich in der Lesejury an, um dich mit Archer über deine Lieblingsbücher auszutauschen.

Anmelden

Meinungen aus der Lesejury

Veröffentlicht am 30.07.2021

13. August 1961

Dreieinhalb Stunden
0

Wir schreiben das Jahr 1961. Es ist der 13. August, ein schöner sommerlicher Sonntag. An diesem Tag steigen viele Menschen in den Interzonenzug D-151 von München nach Berlin. Viele sind Rückkehrer in die ...

Wir schreiben das Jahr 1961. Es ist der 13. August, ein schöner sommerlicher Sonntag. An diesem Tag steigen viele Menschen in den Interzonenzug D-151 von München nach Berlin. Viele sind Rückkehrer in die DDR. Unter ihnen gibt es eine Person, die um jeden Preis ein Geheimnis gewahrt sehen möchte, um ihre Familie zu retten. Doch dieses allzu übermächtige Geheimnis kommt heraus: Der Ullbricht baut eine Mauer und schließt die Grenzen endgültig. Es sind noch dreieinhalb Stunden Zeit bis zum letzten Halt auf westdeutscher Seite - wie soll man sich da entscheiden? Für die Freiheit, aber ohne finanzielle oder soziale Sicherheit? Für das Vertraute mit allem, was man besitzt, aber in einem geschlossenen Land? Marlies, die Frau, die schon vorher Bescheid wusste, weiß, dass sie so oder so alles verlieren wird. Sascha, der junge Musiker, muss eine Sache aus seiner Vergangenheit klären. Artur, der abgehalfterte Bulle aus München, will noch einmal einen großen Fall haben. Und was ist mit all den anderen DDR-Leuten? Jeder von ihnen muss eine übermächtige Entscheidung treffen, und das Rattern der Zugräder auf den Schienen zerhackt die Stunden in Minuten und Sekunden ...

Vorneweg: Perfekte Sprecher. Auf die beiden kann man überhaupt nichts kommen lassen. Auch ist diese Geschichte aus der jüngeren deutsch-deutschen Geschichte im Kern sehr interessant und es war auch nicht so, dass ich mich wirklich gelangweilt hätte. Allerdings empfand ich den Stil des Autors als wenig raffiniert oder ausgefeilt. Ich weiß nicht, wie oft da der Blick gehoben wird, Lächeln geschenkt oder ähnliche Worthülsen verwendet wurden. Und wenn ich mir so ansehe, wie Menschen in Krisensituationen reagieren, halte ich von vornherein die ganze Prämisse für etwas realitätsfern. Meiner Meinung nach machen sich da in dem Zug viel zu viele Menschen viel zu viele Gedanken. Im Ernstfall war das mit Sicherheit nicht so. 99 Prozent aller anwesenden DDR-Bewohner wäre nicht ausgestiegen, aus einem einfachen Grund. Egal, was im Radio kam, die meisten hätten mit den Schultern gezuckt und sich gedacht: Wird schon nicht so schlimm werden. Wir haben schon Schlimmeres erlebt und überstanden - immerhin ist das Ende des Krieges gerade einmal 15/16 Jahre her. Von daher weiß ich zwar die erdachte Dramatik und die geschichtlichen Hintergründe, die man so im Laufe der Zugfahrt erfährt und mitbekommt, zu schätzen, allein mir fehlt ein Stück Begeisterung über den Stil und die letztendliche Überzeugung, dass sich diese Geschichte so hätte abspielen können. 3,5/5 Punkten.

Veröffentlicht am 07.05.2021

Winterdämon und Hexenmädchen

Der Bär und die Nachtigall
0

Irgendwo hoch im Norden der Rus lebt der Bojar Pjotr mit seiner Familie. Die Sommer sind hier kurz, die Winter lang und hart, doch ihm geht es recht gut als Landadligen und Verwandten des Zars in Moskau. ...

Irgendwo hoch im Norden der Rus lebt der Bojar Pjotr mit seiner Familie. Die Sommer sind hier kurz, die Winter lang und hart, doch ihm geht es recht gut als Landadligen und Verwandten des Zars in Moskau. Doch dann bekommt seine Frau noch eine Tochter, Wasilisa, und sie ein wildes, unbeherrschbares Kind. Sie kommt nach ihrer Großmutter, sagen die Untergebenen von Pjotr, und diese war eine Hexe, die dem Großfürst den Kopf verdreht hat. Wasja kann die Geister des Landes sehen, und die Geister des Hauses. Sie hat zu ihnen allen ein gutes Verhältnis. Doch dann kommt ein Priester in ihr Dorf und er verbietet ihnen, den Geistern zu huldigen. Die Winter werden immer härter, die Alten, die Kranken, die Kinder sterben und in den Wäldern erheben sich finstere Mächte. Nur Wasja kann ihre Familie und das Dorf retten, doch was, wenn die sie nicht als Rettung, sondern als Fluch sehen?

Ich stehe total auf Geschichten, die auf russischer Folklore, Legenden und Märchen basieren, selbst wenn es nichtrussische Autoren schreiben. Und was den poetischen Schreibstil betrifft, gibt es bei Katherine Arden nicht viel zu bemängeln. Aber ich muss sagen, so interessant es anfangs gestaltet war, so langatmig wurde es für mein Empfinden im Mittelteil und bis kurz vors Ende. Das war immerhin ziemlich spannend und tragisch und hatte zwischendurch sogar ein paar Gänsehautmomente. Was mich auch immer ein wenig gestört hat, war die ewige Springerei in der Perspektive. Die Autorin konnte sich nicht festlegen, wem sie die Stimme verleihen wollte, deshalb durfte einfach mal jeder drankommen. Das sind so Sachen, die mich persönlich gern mal aus dem Lesefluss herausbringen. Obwohl es sich hier um eine Trilogie handelt, kann dieses Buch für sich allein stehen und braucht zumindest was mich betrifft keine Fortsetzung mehr. 3,5/5 Punkten.

Veröffentlicht am 04.05.2021

Tote Mädchen lügen nicht

Das tote Mädchen
0

Der 16jährige Daniel ist Quarterback und damit der Sportstar der Schule in einer abgeschiedenen Gegend in Wisconsin. Als eines Tages ein Mädchen im nahe gelegenen See ertrinkt, erschüttert das die Schüler. ...

Der 16jährige Daniel ist Quarterback und damit der Sportstar der Schule in einer abgeschiedenen Gegend in Wisconsin. Als eines Tages ein Mädchen im nahe gelegenen See ertrinkt, erschüttert das die Schüler. Und obwohl Daniel das Mädchen kaum gekannt hat, passiert während der Beerdigung etwas Seltsames: Emily, die Tote, richtet sich auf und bittet ihn, ihren Tod aufzuklären. Daniel fängt an, an seinem Verstand zu zweifeln - was ist echt, was gaukelt ihm sein Gehirn vor? Ist er krank? Er weiß nur, dass er diesen seltsamen Todesfall lösen muss, um nicht verrückt zu werden. Doch das ist äußerst gefährlich ...

Mich kann man mit Schlagworten wie "abgelegenes Dorf" und "Mord" sofort einfangen. Wenn es dann noch ein Jugendthriller ist, umso besser. Man fragt sich auch genau wie Daniel, ob mehr hinter seinen Visionen steckt als pure Geistergeschichten. Allerdings - so gern ich Geschichten mit Schulhintergrund mag, wurde es mir bis zur Mitte der Geschichte ein bisschen zu viel typisches Jugenddrama mit Freundin, bester Freund und den typischen Schulschlägern. Obwohl die Kapitel kurz gehalten wurden, hat mich das ein bisschen gelangweilt und auch, wie die ganze Geistersache und der Todesfall geklärt wurden, war ein bisschen weit hergeholt. Der Schluss war jedoch durchaus spannend und das Buch kurzweilig genug, insgesamt gesehen. 3,5/5 Punkten.

Veröffentlicht am 29.04.2021

Unter Menschen

Undercover Robot – Mein erstes Jahr als Mensch
0

Dotty ist ein hochgeheimes Forschungsprojekt. Obwohl sie aussieht wie ein Mensch, redet wie ein Mensch, sich bewegt wie ein Mensch, ist sie keiner, sondern ein hochentwickelter Android. Ihr Entwickler, ...

Dotty ist ein hochgeheimes Forschungsprojekt. Obwohl sie aussieht wie ein Mensch, redet wie ein Mensch, sich bewegt wie ein Mensch, ist sie keiner, sondern ein hochentwickelter Android. Ihr Entwickler, ein Philosophieprofessor, beschließt, sie nicht nur undercover in seine Familie einzuführen, sondern auch in die Schule. Und ab da beginnen Dottys Probleme. Sie kann nämlich nur die Wahrheit sagen und muss feststellen, dass nicht einmal Lehrer immer gern die Wahrheit hören möchten. Auch sind ihr viele Denkweisen und Handlungen der Menschen mehr als unverständlich, obwohl sie über einen Hochleistungsprozessor verfügt. Doch je mehr Dotty Zeit unter diesen seltsamen Wesen verbringt, desto mehr beginnt sie, sich wie eine von ihnen zu benehmen. Oder umgekehrt? Doch dann besteht auch immer noch die Gefahr, dass sie auffliegt und die Forschungsgruppe kein Preisgeld erhält ...

Die Idee ist wirklich gut und viele Sachen haben zum Nachdenken angeregt, wobei ich fast eher glaube, dass es interessanter für Erwachsene als für Kinder ist. Manche Situationen sind beinahe absurd, weil Dotty ihre Sätze gern mit "Wir Menschen" oder "Wir Menschenkinder" beginnt, bis sie begreift, dass genau das sie verdächtig macht. Oder dass es für das Umgebungsklima nicht immer gesund ist, die Wahrheit zu sagen. Aber manchmal wurde es auch ein bisschen langweilig und zog sich dahin, denn so viele verschiedene Dinge kann ein Roboter ja nicht verkehrt machen, um in ein Fettnäpfchen zu treten. So fand ich das Gedankenexperiment wirklich mega, aber die Umsetzung nicht durchweg fesselnd. 3,5/5 Punkten.

Veröffentlicht am 17.04.2021

Die Facetten der Magie

Tale of Magic: Die Legende der Magie 1 – Eine geheime Akademie
0

Brystal lebt in einem Königreich, in dem nicht nur Magie verboten ist, sondern auch dass Frauen und Mädchen etwas anderes werden als Hausfrauen und Mütter. Im Gegensatz zu ihren Mitschülerinnen kann sich ...

Brystal lebt in einem Königreich, in dem nicht nur Magie verboten ist, sondern auch dass Frauen und Mädchen etwas anderes werden als Hausfrauen und Mütter. Im Gegensatz zu ihren Mitschülerinnen kann sich Brystal nicht damit abfinden; heimlich liest sie Bücher und lernt. Dann wird sie dabei erwischt, wie sie aus Versehen Magie wirkt und sie kommt noch im letzten Moment der Todesstrafe davon, stattdessen landet sie in einem Erziehungsheim. Dort wird sie von Madame Weatherberry entdeckt und befreit und kommt zusammen mit anderen magisch begabten Kindern auf die Akademie, die die Madame gegründet hat. Dort lernen sie, dass es gute und schlechte Magie gibt - die der Feen und die der Hexen. Doch kann es wirklich so einfach sein? Der Kampf gegen die Schneekönigin des Nordens wird es beweisen ...

Dieses Buch hat mir weitaus besser gefallen als Land of Stories, schon allein von den Messages, die hier - wenn auch gern, häufig und manchmal unter Einsatz eines Holzhammers - vermittelt werden. Zumindest bis zur Hälfte ist mir Brystal sehr sympathisch, und das wäre auch so geblieben, wenn sich der Autor nicht entschieden hätte, aus ihr eine megamächtig auserwählte Fee zu machen, die nach ein paarmal Zauberstabschwingen die Obermagierin überhaupt ist. Das hat mir ab einen bestimmten Punkt das Buch ein bisschen verleidet, zumal keine der Feen an der Akademie eine vernünftige Ausbildung erhalten hat. Ein paar der anderen Protagonisten konnten das jedoch wieder gut ausgleichen, besonders Lucy, die sich zu meiner heimlichen Favoritin gemausert hat. Alles in allem war es eine schöne Lektüre mit einigen Dingen, die mich nicht so überzeugen konnten.