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Veröffentlicht am 15.08.2021

Eine Hommage an die "Lost Gardens of Heligan"...

Die Gärten von Heligan - Spuren des Aufbruchs
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Inez Corbi hat mit ihrem Buch „Die Gärten von Heligan“ dem bekannten Garten in Cornwall ein literarisches Denkmal gesetzt. Ja, ich räume ein, ich habe die „Lost Gardens of Heligan“ bereits mehrmals besucht ...

Inez Corbi hat mit ihrem Buch „Die Gärten von Heligan“ dem bekannten Garten in Cornwall ein literarisches Denkmal gesetzt. Ja, ich räume ein, ich habe die „Lost Gardens of Heligan“ bereits mehrmals besucht (mein absoluter Lieblingsgarten in Cornwall) und bin deshalb vielleicht nicht ganz objektiv... aber so konnte ich ausführlich in Erinnerungen schwelgen...
Geschickt arbeitet die Autorin mit zwei Handlungssträngen: die Londonerin Lexi flüchtet vor ihrem Ex-Freund nach Cornwall, um in Heligan zuerst als „Freiwillige“ für Kost und Logis zu arbeiten. Dort soll im kommenden Jahr ein Jubiläum gefeiert werden (30 Jahre seit der Wiedereröffnung) – und die Projektmanagerin fällt wegen einer Risikoschwangerschaft vollkommen aus! Da Lexi aus ihrem „früheren Leben“ selbstständige Projektarbeit kennt, wird ihr die vakante Stelle angeboten. Sie stürzt sich mit Feuereifer in die Recherchen und stößt schnell auf Materialien über die Entstehung von Heligan.
Und damit beginnt der 2. Handlungsstrang: 1781 leben die Waisen Damaris und Allie bei ihrem Cousin Henry Tremayne auf dem Landgut Heligan. Eines Abends finden sie am Strand nach einem Sturm Julian, der offensichtlich als Einziger den Untergang eines gekenterten Schiffes überlebt hat. Julian ist vollkommen verzweifelt, da seine Familie offensichtlich den Tod gefunden hat und er sich dafür die Schuld gibt. Fast zeitgleich beschließt Henry rund um sein Landgut einen Garten nach dem Vorbild schon existierender bekannter englischer Gärten anzulegen. Gemeinsam mit Damaris, die die gesammelten Eindrücke durch Zeichnungen festhalten soll (die Fotografie der damaligen Zeit!), begibt er sich auf eine Grand Tour durch England.
Aber mehr zum Inhalt soll hier nicht verraten werden...
Inez Corbi hat es gut verstanden, diese beiden Zeit- und Handlungsstränge miteinander zu verweben: durch Henry, Damaris und Allie nehmen wir daran teil, wie Heligan überhaupt entstanden ist, welche Ideen und Auffassungen dahinterstehen und es wird uns auch etwas vom damaligen Zeitgeist vermittelt (z.B., dass es für Damaris eigentlich an der Zeit sei, zu heiraten). Durch Lexi erfahren wir einiges über die wechselvolle Geschichte von Heligan (und wie es zu dem Namen „Lost Gardens of Heligan“ kam). Sehr originell fand ich, dass einzelne Gegenstände und Orte in beiden Zeitebenen auftauchen (z.B. wird 1787 ein „Wagenrad-Penny“ verloren und taucht im der Jetzt-Zeit auf)
Mir waren die Protagonisten sympathisch, sie waren lebendig und einfühlsam geschildert, ich konnte mich gut in sie hineinversetzen, aber der Garten ist in beiden Zeitebenen die absolute Hauptperson, man spürt die intensive Auseinandersetzung und Recherchearbeit der Autorin.
Im Nachwort klärt die Autorin uns Leser*innen über Realität und Fiktion auf – etwas, was ich gerade bei historischen Romanen wichtig finde und sehr schätze. Im vorderen Buchumschlag befinden sich Fotos aus Heligan, im hinteren „Die Zeitgeschichte von Heligan“, eine sehr gut umgesetzte Informationsmöglichkeit.
Das Buch ist ein schöner „Wohlfühl“-Roman, der mir wunderbare Lesestunden in einer einzigartigen Atmosphäre beschert hat. Klar ist einiges vorhersehbar, aber gekonnt erzählt und spannend verpackt – mein Lesevergnügen wurde absolut gestillt! Deshalb empfehle ich das Buch gern weiter, für Cornwall-Urlauber und Garten-Liebhaber eigentlich ein „Muss“: ja, so könnte wirklich alles entstanden sein...

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Veröffentlicht am 01.08.2021

Ein Berufswechsel für Hauke Sötje...

Feuer in der Hafenstadt
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Mit "Feuer in der Hafenstadt“ von Anja Marschall ist der erste historische Kriminalroman um Hauke Sötje endlich wieder neu aufgelegt worden. Ich kannte bereits zwei (den 3. und 4.) Nachfolgebände, aber ...

Mit "Feuer in der Hafenstadt“ von Anja Marschall ist der erste historische Kriminalroman um Hauke Sötje endlich wieder neu aufgelegt worden. Ich kannte bereits zwei (den 3. und 4.) Nachfolgebände, aber durch die Neuauflage konnte ich endlich erfahren, wie alles begann...
Hauke Sötje war mit Leib und Seele Kapitän auf seinem eigenen Schiff, der „Revenge“. Durch eine Explosion verliert er sein Schiff und seine gesamte Mannschaft (53 Personen), er überlebt als einziger. Er wird zwar freigesprochen, aber er trägt noch immer tief an seiner Schuld, so dass ihm ein ehrenvoller Freitod der einzige Ausweg erscheint. Nach Glückstadt reist er eigentlich nur aus einem einzigen Grund...
Doch dann wird Hauke sofort als „Verursacher von Handgreiflichkeiten“ verhaftet. Ihm wird auch Meuterei und versuchter Mord vorgeworfen. Ein alter Bekannter, der Graf von Lahn, benötigt seine Hilfe und schlägt ihm im Gegenzug zu seiner Freilassung ein Geschäft vor. Und schon ist Hauke mittendrin in einem undurchsichtigen Machtkampf bei der Glücksstädter Heringsfischerei AG, wo einiges offensichtlich nicht mit rechten Dingen zugeht! Dann geschieht ein Mord, bei dem Hauke unter Verdacht gerät – also muss er in eigener Sache ermitteln... Gleichzeitig versucht Hauke, die Ursachen für die Explosion der „Revenge“ zu finden, den sein Verdacht, dass er und seine Mannschaft für unbekannte „höhere“ Zwecke missbraucht und geopfert wurden, verdichtet sich immer stärker. Während seiner Ermittlungen lernt er die Fabrikantentochter Sophie Struwe kennen, deren Vater anscheinend auch in die Geschäfte der Heringsfischerei AG verwickelt war. Und wir sind mittendrin und können am Geschehen Anteil nehmen...
Die Geschichte liest sich spannend, der Schreibstil ist – wie gewohnt – flüssig und angenehm. Die Autorin fängt das Leben in der Kleinstadt an der Elbe im ausgehenden 19. Jahrhundert (1894) gekonnt und perfekt ein, so dass ich mir gut vorstellen konnte, gemeinsam mit Sophie oder Hauke durch die Stadt zu eilen. Zu diesem Gefühl trägt auch ein historischer Stadtplan bei, so dass ich mich gut orientieren konnte. Die Autorin hat den einzelnen Kapiteln auch kleine Originalartikel oder Annoncen aus der „Glückstädter Fortuna“ aus dem Jahr 1894 vorangestellt. Mein Lieblingsinserat: „Wegen Rückgang einer Heirath ist eine elegante Garnitur in Kupfer, Velour, Plüsch (1 Chaisselongue, 2 Fauteuils) für den billigen Preis von 200 Mark zu verkaufen. Original Glückstädter Fortuna, Januar 1894“ (S. 203) Hm, da fragt man sich doch sofort: was ist der „Rückgang einer Heirath“? Auch habe ich aus diesen Anzeigen gelernt, dass es gesund sei, dem Kaffee Natron hinzuzufügen: „...Dieser Zusatz wirkt wohlthätig gegen Herzklopfen, Unterleibsbeschwerden, Blutstauung und Kopfschmerz.“ (S. 34)
In einem Anhang finden wir dann einen Abschnitt „Anmerkungen zu Wahrheit und Fiktion“ (finde ich gerade bei historischen Romanen sehr wichtig!), ein Glossar und weiterführende Literatur.
Mir hat das Buch sehr gut gefallen, wobei ich einschränkend sagen muss, dass mir die beiden Nachfolgebände, die ich kenne, n o c h besser gefallen haben – den Grund kann ich leider nicht richtig benennen, vielleicht liegt es daran, dass Hauke dann schon fest in seine Rolle als Kriminalinspektor hineingewachsen ist...
Aber eigentlich ist dies nur ein Jammern auf sehr hohem Niveau, denn schon während des Lesens habe ich mir den nächsten Roman „Tod am Nord-Ostsee-Kanal“ (den 2. der Reihe) gekauft, damit werde ich alle bisherigen Hauke-Sötje-Bücher gelesen haben...Ich kann „Feuer in der Hafenstadt“ mit bestem Wissen und Gewissen wärmstens weiterempfehlen und wünsche allen Leser*innen viel Spaß mit Hauke!

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Veröffentlicht am 30.04.2021

Nimm mich mit, Kapitän, auf die Reise...

Dampfer ab Triest
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...nein, das denkt Inspector Bruno Zabini ganz bestimmt nicht, als er abkommandiert wird, Graf Urbanau an Bord des Kreuzfahrtschiffes „Thalia“ zu beschützen...
Mit „Dampfer ab Triest“ hat Günter Neuwirth ...

...nein, das denkt Inspector Bruno Zabini ganz bestimmt nicht, als er abkommandiert wird, Graf Urbanau an Bord des Kreuzfahrtschiffes „Thalia“ zu beschützen...
Mit „Dampfer ab Triest“ hat Günter Neuwirth den Grundstein für eine neue Krimi-Reihe um Bruno Zabini gelegt – und schon mal vornweg: dies ist ihm ausgezeichnet gelungen!
Wir Leser reisen zuerst in das Jahr 1907 nach Triest, damals der bedeutendste Hafen der Monarchie Österreich-Ungarn (nein, das wusste ich vorher auch nicht!). Bruno ist eigentlich nur Polizist geworden, weil sein Vater es so gewollt hat, denn sein Herz gehört der Wissenschaft und Technik – aber nun hat er festgestellt, dass „moderne“ Polizeiarbeit viel auf diese Grundlagen zurückgreift und so hat er sich dem Fortschritt verschrieben, so z.B. ist der „Tatortkoffer“ für ihn kein lästiges Utensil, sondern unabkömmlich für gewissenhafte Recherchen am Tatort.
So bekommt er schnell heraus, dass der tödliche Autounfall des Chauffeurs von Graf Urbanau keineswegs ein „Unglück“ war, sondern ein ganz konkreter Mordanschlag („Das Bremsseil des Automobils wurde absichtsvoll mit einer Säge bearbeitet, so dass das Reißen des Seils nur eine Frage der Zeit war.“ S. 69).
Graf Urbanau plant, gemeinsam mit seiner Tochter Carolina eine 3 ½-wöchige Kreuzfahrt anzutreten. Die Sicherheitslage des hohen Gastes beunruhigt den Statthalter von Triest, zumal er auch hört, dass es bereits mehrere Morddrohungen gegeben habe. Deshalb verfügt er, dass ein „verlässlicher Mann inkognito“ den Grafen zu seinem Schutz zu begleiten habe – da fällt die Wahl auf Bruno, der darüber überhaupt nicht begeistert ist...
Und dann stechen wir gemeinsam mit Bruno, seinem Tatortkoffer, Graf Urbanau, Carolina und anderen netten (und weniger netten) Passagieren in See, die uns letztendlich bis Konstantinopel bringt. Auch der Mörder ist an Bord und wir erfahren in kurzen Einschüben etwas über seine Vorgeschichte, z.B. hat er das Töten in Peking beim Boxeraufstand als „Sinn seines Lebens“ (S.128) erkannt.
Günter Neuwirth zeichnet die einzelnen Charaktere der Passagiere und der Besatzung detailliert und facettenreich, so dass man ab und zu das das Gefühl hat, man nehme selbst am Plausch an der Reling teil. Er geht auf die damaligen Erwartungen an eine Kreuzfahrt ein (z.B. hat die Direktion des Österreichischen Lloyd Graf Urbanau mitgeteilt, „dass die Mitnahme von eigenen Möbelstücken aus Sicherheitsgründen nicht gestattet sei, ...“ S. 18)
Einige Male können wir Bruno bei seinen Ermittlungen über die Schulter schauen und sind beeindruckt von seinem fortschrittlichen Arbeitsansatz und ärgern uns mit ihm, dass Polizeistationen immer noch nicht mit einem Fotoapparat ausgestattet sind. Auch privat steht Bruno modernen Errungenschaften positiv gegenüber. z.B. bei Zahnpasta: „Es gab zwar noch zahlreiche Menschen, die lieber Zahnpulver oder Zahnseife zum Zähneputzen verwendeten, aber gerade für die Reise fand Bruno die Verpackung in der Tube ungemein vorteilhaft.“ (S.239)
Der Autor hat sich durchgängig bemüht, in seinen Schreibstil auch etwas die damalige Zeit einfließen zu lassen, mir hat es gut gefallen, gibt es doch der Geschichte ein kleines „Sahnehäubchen“ obenauf...
Auch habe ich fast „nebenbei“ wieder einige neue historische Erkenntnisse gewonnen, z.B. kannte ich bisher die österreichische Geschichte nicht wirklich, Triest als bedeutender Seehafen war mir unbekannt und vom Boxeraufstand wusste ich auch nicht viel...
Mir hat „Dampfer ab Triest“ gut gefallen, ich finde, dass es ein gelungener Auftakt für eine Reihe ist, die ich sicherlich gern weiterverfolgen werde – deshalb kann ich das Buch vollkommen unbesorgt weiterempfehlen.

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Veröffentlicht am 18.01.2021

"Romantisch war die Seefahrt nie." (S.184)

The Great Escape
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„THE GREAT ESCAPE; Fotografien von der Seefahrt 1950 – 1970“ ist ein Fotoband mit 170 Fotos, die Seeleute in dieser Zeit aufgenommen haben (wohlgemerkt: Laien, keine Fotoexperten!). Beim Blättern stellt ...

„THE GREAT ESCAPE; Fotografien von der Seefahrt 1950 – 1970“ ist ein Fotoband mit 170 Fotos, die Seeleute in dieser Zeit aufgenommen haben (wohlgemerkt: Laien, keine Fotoexperten!). Beim Blättern stellt man schon fest, dass die Fotos 50 – 70 Jahre alt sind, sie sind zum Teil etwas unscharf und muten unserer digitalisierten Wahrnehmung etwas „altmodisch“ an – aber das macht sie gerade besonders authentisch! Herausgegeben wurde das Buch von Julia Dellith, die auch den begleitenden Text dazu geschrieben hat. Als „echter Seemann“ hat Horst Bredenkamp ein Nachwort verfasst.
Als Tochter eines Schiffsagenten in Afrika (1950-er bis 1960-er Jahre) und Frau eines Seemannes (1970-er bis 1980-er Jahre) war ich natürlich sofort sehr interessiert und ausgesprochen neugierig auf das Buch.
Die Fotos sind in 4 Rubriken unterteilt: Nordamerika, Südamerika, Südostasien, Kreuz- und Passagierfahrten. Aus persönlichen Gründen habe ich Aufnahmen aus Afrika vermisst – aber das ist etwas „Jammern auf hohem Niveau“ und hängt vermutlich mit dem Angebot an zugesandten Fotos zusammen.
Die Fotos geben einen sehr guten Eindruck der damaligen Zeit und der damaligen Tätigkeiten an Bord wieder: so wird auf einigen Fotos gezeigt, wie z.B. Bananenstauden noch mit „Manpower“ einzeln an Bord geschleppt werden und wie lebende Tiere verladen wurden, wie Kartons in großen Netzen an Bord gehievt werden mussten... Den Transport der einzelnen Bananenstauden hat mein Mann auch noch bei seinen ersten Einsätzen miterlebt, später ging es dann mit Containern alles bedeutend schneller – aber dadurch verkürzten sich eben die Liegezeiten und die damit verbundenen Möglichkeiten zu längeren Landgängen, wie auch die Herausgeberin auf S. 189 treffend beschreibt.
Gelungen finde ich auch, dass Frau Dellith auch Fotos in ihren Band aufgenommen hat, die die wahre Größe von Schiffen, bzw. Schiffsschrauben mit dem „Maßstab Mensch“ zeigen, z.B. auf S. 11 oder S. 33 – bei ähnlichen Fotos meines Mannes waren „Landratten“ immer überrascht!
Die Fotos geben für mich ein umfassendes Bild der Arbeit, des Freizeitverhaltens, der Exotik der Länder (zu einer Zeit, in dem es noch kein Massentourismus gab) und des Landgangs.
Leider trübt es die Betrachtung der Bilder erheblich, dass die Erklärungen (die sog. Bildunterschriften) erst im Anhang zu finden sind, die Blätterei ist wirklich sehr mühsam.
Den Begleittext fand ist etwas zu kurz geraten, aber ich muss zugeben, dass die Autorin unter der Hauptunterschrift „Faszination Seefahrt“ auf alle wichtigen Aspekte der Zeit von 1950 – 1970 eingegangen ist.
Ein sehr schönes und interessantes Buch, mir hat es – bis auf die „fehlenden“ Bildunterschriften - gut gefallen, ich kann es vorbehaltlos jedem empfehlen, der sich für Seefahrt interessiert!

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Veröffentlicht am 08.11.2020

Wie Rom im Jahr 1870 zur Hauptstadt Italiens wird...

Es war einmal in Italien
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Luca di Fulvio hat mit seinem Roman „Es war einst in Italien“ mal wieder eine Geschichte geschrieben, die mich sehr beeindruckt hat – und er hat uns ganz nebenbei in eine Zeit mitgenommen, als Rom noch ...

Luca di Fulvio hat mit seinem Roman „Es war einst in Italien“ mal wieder eine Geschichte geschrieben, die mich sehr beeindruckt hat – und er hat uns ganz nebenbei in eine Zeit mitgenommen, als Rom noch nicht die Hauptstadt des vereinten Italiens war.
Der Roman beginnt in zwei Handlungssträngen: zum einen ist Marta, ein Mädchen, das in einem Zirkus aufwächst und ihr väterlicher Freund Melo (und als Nebenfigur die mir sehr sympathische Armandina, die Marta die Mutter ersetzt), zum anderen die Contessa Nela (von deren Vergangenheit wir einiges erfahren) und Pietro, ihr Adoptivsohn. Wir begleiten diese Menschen einige Monate im Jahr 1870, hören den Kampfruf „Es lebe Italien! Freiheit für Rom!“, der Marta in seinen Bann zieht. Alle Personen bewegen sich auf Rom zu und wir wissen bereits aus dem Klappentext, dass sich dort ihre Wege kreuzen werden. Dort werden sie – jede /jeder auf seine eigene Weise – für die Befreiung von Rom kämpfen: Marta mit einer Waffe, Pietro mit seinen Fotos. Wir erleben, wie Marta und Pietro „erwachsen“ werden, aber auch die Hilfestellungen ihrer „elterlichen“ Bezugspersonen.
Der Autor hat seinen Protagonisten sehr viel Leben „eingehaucht“, sie wirken lebendig und auch authentisch in ihrem Handeln, wir sind nicht immer mit ihren Taten einverstanden, können sie aber meistens nachvollziehen. Die Beschreibungen lassen uns Teil der Handlung werden, die Personen sind nicht nur in „schwarz“ oder „weiß“ dargestellt, sondern wir erleben auch ihre „grauen“ Seiten mit. Es war damals eine gefährliche Zeit und ich habe mich einige Male wirklich um ihr Leben gesorgt...
Aber zwei Wermutströpfchen gibt es bei meiner Begeisterung für das Buch: an einigen Stellen fand ich es sehr grausam und: die brutalen Szenen wiederholten sich und ähnelten sich sehr, hier wäre m.E. vielleicht „weniger mehr“ gewesen... Und der Schluss hat mich leider auch nicht ganz überzeugt: ja, auch ich liebe Happy Endings – aber hier war es mir etwas zu viel an „Friede, Freude, Eierkuchen“... Ja, ich gebe zu: es ist ein „Jammern auf hohem Niveau“, aber im Rückblick hat es meinen Lesegenuss doch leider etwas gestört.
Aber abgesehen von diesen kleinen Meckereien hat mir Luca di Fulvio einen Teil der Geschichte Italiens näher gebracht, die ich überhaupt noch nicht kannte, ich mag ja historische Romane, bei denen ich etwas „lernen“ kann – und ich hatte bisher ganz einfach gedacht, Rom sei „schon immer“ die Hauptstadt Italiens gewesen! Im Anhang geht der Autor – leider etwas kurz – auch die geschilderte geschichtliche Episode ein und erklärt einige Zusammenhänge.
Trotz meiner Kritik: es ist ein Buch, um darin zu versinken, abzutauchen in eine ganz andere Welt, mit den Figuren mitzufiebern, zu bangen und zu hoffen – insofern kann, muss und will ich hier eine Leseempfehlung aussprechen!

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