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Bianste

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Meinungen aus der Lesejury

Veröffentlicht am 24.05.2017

Schlimmer geht immer

Rechne immer mit dem Schlimmsten
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Das scheint die Devise zu sein, unter der der Finne Matti lebt. Nach seinem Kriegseinsatz flieht er vor dem kommunistischen Terror gemeinsam mit seiner Frau und den Kindern nach Schweden. Hier gründet ...

Das scheint die Devise zu sein, unter der der Finne Matti lebt. Nach seinem Kriegseinsatz flieht er vor dem kommunistischen Terror gemeinsam mit seiner Frau und den Kindern nach Schweden. Hier gründet er ein eigenes Unternehmen, in dem er Insekten an Forstwirte verkauft, die Schädlinge vernichten. Doch eine Kriegsverletzung macht ihm zu schaffen, als plötzlich feststeht, dass er nicht mehr lange zu leben hat, denkt er sich eine Aufgabe für seine Kinder aus, um entscheiden zu können, wer die Firma übernehmen soll.
Nun hat Matti ganz eigene Ansichten zu eigentlich allem und auch einen ganz speziellen Erziehungsstil. Kein Wunder also, dass die Kinder ebenfalls ein wenig eigenartig geraten. Auch Mattis Frau Beata scheint seltsam zu sein, lässt sie ihrem Mann doch viele Marotten durchgehen und interveniert nur im Notfall.
Insgesamt also eine Figurenkonstellation der ungewöhnlichen Art. Normale Figuren tauchen höchstens als Statisten auf.
Die Erzählhaltung ist die eines Autobiographen, der dem geneigten Leser sogar durch Fußnoten bestimmte Dinge erläutert, die nur Finnen automatisch verstehen würden.
Die Handlung ist skurril, die Anschlüsse, Wendungen, Ideen, die der Autor einbringt, wie er von einem Thema zum nächsten hüpft, wie er kommentiert und relativiert, das macht Spaß beim Lesen. Allerdings bleiben die Figuren dadurch sehr unnahbar, es gibt auch nicht wirklich eine Identifikationsfigur, sodass es sich gegen Ende ein wenig hinzieht. Da nützt auch die Überraschung nicht mehr.
Ein wenig mehr Plot wäre schön gewesen, ein wenig mehr Tiefe ebenfalls.

Veröffentlicht am 19.05.2017

Skurril

Endstation Meißen
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Privatdetektiv Steffen Schröder hat keine Geldsorgen, nur Langeweile. Deshalb nimmt er den Auftrag von Jan Wellenbrinck, seine Freunde auszuspionieren, an. Doch je mehr er über seinen Klienten herausfindet, ...

Privatdetektiv Steffen Schröder hat keine Geldsorgen, nur Langeweile. Deshalb nimmt er den Auftrag von Jan Wellenbrinck, seine Freunde auszuspionieren, an. Doch je mehr er über seinen Klienten herausfindet, umso unsympathischer Wird er ihm (und dem Leser).
Dann wird Wellenbrinck tot aufgefunden und Schröder versucht herauszufinden, wer ihn umgebracht hat.
Dass Wellenbrinck nicht gerade ein Sunnyboy ist, sagt schon der Untertitel: Tod einer Arschkrampe und dieser Untertitel zeigt auch, dass Braukmann es nicht immer ganz ernst meint. Durchaus humorvoll-skurril sind seine Figuren. Land und Leute beeinflussen zwar die Handlung, stehen aber nicht, wie bei anderen Regionalkrimis im Vordergrund.
Das Titelbild ist sehr düster, das Cover komplett in Schwarz-Weiß gehalten.
Der Schreibstil des Autors ist vielfältig, er bietet langsame Passagen, aber auch hastige oder dialogreiche.
Der Plot steht eindeutig im Vordergrund. Eine Empfehlung für alle, die gern humorvolle, aber doch dunkle Krimis lieben.

Veröffentlicht am 19.05.2017

Dramatisch

Die Hummerkönige
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Loosewood Island liegt zwischen Kanada und den USA. Die Insel ist karg, wird von Stürmen umtost und bietet einem Häuflein Menschen Unterhalt, die als Hummerfischer arbeiten. Der erste Hummerfischer, der ...

Loosewood Island liegt zwischen Kanada und den USA. Die Insel ist karg, wird von Stürmen umtost und bietet einem Häuflein Menschen Unterhalt, die als Hummerfischer arbeiten. Der erste Hummerfischer, der sich auf der Insel niedergelassen hat, hieß Brumfitt Kings. Er war auch ein ambitionierter und talentierter Maler, was heute Touristen auf die Insel strömen lässt, sodass die Insulaner ein zweites Standbein zur Verfügung haben.
Die Familie Kings fischt auch heute noch Hummer und lenkt die Geschicke der Gemeinschaft auf der Insel.
Woody, der Vater, und Cordelia, die Tochter mit dem Hummerfischergen, müssen sich jedoch nicht nur mit dem Meer auseinandersetzen, sondern auch mit den Nachbarn von James Harbor, Drogen und den Mythen der Vergangenheit.
Shakespeare spielt eine Rolle, aber auch die Mythen der Hummerfischer und die von Brumfitt Kings gemalten Geschichten.
Der Roman beginnt ruhig und beschaulich, genauso wie es das Titelbild suggeriert. Es geht hauptsächlich um die Familie, um Tragödien, um den Hummerfang. Man könnte denken, die Geschichte spielt im vorvorigen Jahrhundert. Im zweiten Teil erhöht sich die Spannung dann dramatisch. Plötzlich geht es um Morde und gewaltsame Übergriffe, um Vergewaltigung und gesetzloses Verhalten.
Man hat die Hauptfiguren zu diesem Zeitpunkt bereits so gut kennengelernt, dass man mit ihnen mitfiebert. Was sie sich erlauben (Brandstiftung z.B.), entschuldigt das aber nicht.
Ich weiß nicht wirklich, ob es in den USA oder Kanada einen derart rechtsfreien Raum gibt, hätte die Geschichte jedoch mit weniger (verherrlichten) Gewaltexzessen noch besser gefunden.
Figurenzeichnung, Mythen, Landschaftsbeschreibungen, das alles ist spannend, mitreißend, einfühlsam, so wie man es sich als Leserin wünscht. Die (unnötige) Brutalität und vor allem die Nonchalance, mit der sie gerechtfertigt wird, als einzig logische Lösung verkauft wird, finde ich äußerst traurig.


Veröffentlicht am 23.04.2017

Schön skurril

Wer zuletzt stirbt, lebt am längsten
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Borg und Romanov betreiben die Agentur/Detektei Mystica, die jenen Kunden hilft, die ein irgendwie übersinnlich geartetes Problem haben. Allerdings scheint es zumeist so, als ob die beiden Betreiber die ...

Borg und Romanov betreiben die Agentur/Detektei Mystica, die jenen Kunden hilft, die ein irgendwie übersinnlich geartetes Problem haben. Allerdings scheint es zumeist so, als ob die beiden Betreiber die größeren Probleme haben. Mit ihren Nachbarn, mit einer toten Rom, bösartigen Polizisten, brutalen Kiezgrößen, ehemaligen Mitschülern, einer Domina …
Da ist es nicht hilfreich, dass Romanov entführt wird, Borg an einem Strick auf dem Dach liegt und abzurutschen droht, während in seiner Badewanne eine tote Frau liegt.
Schön, dass es wenigstens Nana Mobango, einem afrikanischen Zauberer, gelingt, den eigentlich toten Hund der Nachbarin wiederzubeleben …
Eine skurrile Idee jagt die nächste. Die Sprache ist spritzig und schnell, da durchweg aus der Perspektive von Borg berichtet wird, erleben die Leserinnen und Leser seine Ideen, Überlegungen, vor allem aber seine Kommentare zu jedem Geschehen hautnah mit. Sie sind präzise und trocken, humorvoll und zumeist eine Handbreit neben dem guten Geschmack, was den Lesepaß noch einmal erhöht.
Es gibt auch einen Krimiplot, also einen tatsächlichen Fall zu lösen. Das tut Borg am Ende auch, sogar mit überraschender Wendung am Ende.
Der einzige Minuspunkt in meinen Augen besteht in der zugrundeliegenden Brutalität. Damit sind keine blutrünstigen, splatterigen Szenen gemeint. Es gibt einige slapstickartige Szenen, in denen zum Beispiel besagter Hund zu Schaden kommt. Es ist aber am Ende so, wenn man genau hinschaut, lebt kaum noch eine der Figuren. Einige hauts nur im Nebensatz weg, der Tod anderer wird genauer beschrieben, was auch nicht wirklich blutrünstig geschaut. Doch trotzdem bleibt eine zugrundeliegende Grundbrutalität – eigentlich gibt es niemand Nettem in dem ganzen Buch. Auch Borg ist kein großartiger Sympathieträger, man lebt und leidet mit ihm mit, ja, aber kennenlernen würde ich ihn nicht wollen.
Ich hab das Buch gern gelesen, Vieles hat mir ausgesprochen gut gefallen, aber es bleibt so ein kleines, unwohles Gefühl.


Veröffentlicht am 28.03.2017

Wichtige Dystopie

Das ist bei uns nicht möglich
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Schon vor rund 80 Jahren hat Sinclair Lewis diese Dystopie für ein Amerika geschaffen, das sich selbst seinen Despoten wählt.
Buzz Windrip gelingt es mit den Themen Patriotismus und echte Werte, zum Präsidenten ...

Schon vor rund 80 Jahren hat Sinclair Lewis diese Dystopie für ein Amerika geschaffen, das sich selbst seinen Despoten wählt.
Buzz Windrip gelingt es mit den Themen Patriotismus und echte Werte, zum Präsidenten gewählt zu werden. Niemand hat vorher so recht daran glauben können. Sofort beginnt er, eine Gruppe treu ergebener Helfer zu installieren, die Minute Men, die ihm helfen unliebsame Widersacher (Feinde genauso wie ehemalige Freunde) zu vernichten.
Ein Gegenspieler, der Journalist Doremus Jessup, braucht eine Weile, bevor er sich der ganzen Tragweite bewusst wird und Gegenmaßnahmen einzuleiten versucht.

Wenn man sich die heutige politische Landschaft anschaut, ist das Buch noch genauso aktuell wie es damals wohl war. Trump, Erdogan, die polnische Regierung, überall wird versucht, die Bürger zu entmündigen.
Lewis zeigt deutlich, dass man rechtzeitig aufstehen muss, wenn man so etwas verhindern will. Allerdings tut er das in einer für unsere Zeit recht langatmigen Story und einer Sprache mit vielen Redundanzen, sodass es mühsam ist, das Buch zu lesen.
Trotzdem lohnt es sich, weil man beim Lesen eben genau die Zeit bekommt, sich mit der Problematik auseinanderzusetzen und nicht einem actionlastigen Geschehen hinterher hastet.