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Veröffentlicht am 11.05.2021

Döner jetzt auch vegan!

Orient trifft vegan - Köstlichkeiten der orientalischen Küche (Veganes Kochbuch)
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Für überzeugte Carnivoren bricht bei der Vorstellung wohl eine der letzten Bastionen: Döner jetzt auch vegan? Zusammen mit veganer Currywurst ist das für sie dann wohl der endgültige Zusammenbruch der ...

Für überzeugte Carnivoren bricht bei der Vorstellung wohl eine der letzten Bastionen: Döner jetzt auch vegan? Zusammen mit veganer Currywurst ist das für sie dann wohl der endgültige Zusammenbruch der Fast-Food-Kultur. Mit ihrem Buch "Orient trifft vegan" zeigt die Foodbloggerin und Autorin Serayi vegane Alternativen zur Küche des nahen Ostens und des östlichen Mittelmeerraums, wobei sie keine Grenzen zwischen libanesisch, türkisch, israelisch-palästinensisch, persisch usw zieht.

Die Autorin hat nach eigenen Angaben den Schritt zum veganen Leben vollzogen und seitdem fleißig experimentiert, um Geschmack auch ohne totes Tier zu ermöglichen. Nun ist der Vorteil der orientalischen Küche ja, dass es gerade im Bereich Mezze viele leckere Gerichte gibt, für die kein Tier sein Leben lassen musste. Statt dessen: Gemüse, Linsen, Kichererbsen - beste Voraussetzungen für Veganer. Beim veganen Döner, Börek oder Lahmacun natürlich gelten andere Herausforderungen.... Immerhin, mit Lahmacun mit Lauchpaste, Börek mit Linsen und Köfte auf Bulgurbasis gibt es eine Reihe von Alternativen, die auf dem Foto lecker und "original" aussehen. Im übrigen gilt bei der orientalichen Küche ja die Macht der Gewürze!

Klar, dass Falafel und Hummus in einem orientalischen Kochbuch nicht fehlen dürfen und auch ein buntes Couscous-Rezept in der Sammlung enthalten ist. Die Optik macht Lust aufs Ausprobieren, die Bilder der hennaverzierten Autorin in dekorativer Pose sind wohl der Tatsache geschuldet, dass sie auf Instagram startete, ehe sie unter die Kochbuchautorinnen ging.

Nachtisch, nun ja - der ist mir in der orientalischen Küche fast immer zu süß. Begeistert bin ich allerdings über das Rezept der Elmali pastane kurabiyesi, gefüllter Apfelhörnchen. Zwar warnt die Beschreibung, sie seien "schwer", aber aus der türkischen Bäckerei meines Vertrauens kenne ich die Apel-Nuss-Füllung innerhalb einer Teigkugel - das ist dann vielleicht einfacher als in Hörnchenform.

Da ich selbst zwar überwiegend vegetarisch lebe, Käse und Eier in meiner Küche aber nicht missen möchte, bin ich angesichts von "Schafskäse" auf Tofubasis naturgemäß ein bißchen skeptisch. Macht ja auch nichts - im Alltag werde ich sicherlich weiterhin an Schafskäse festhalten. Aber ich finde es toll, meiner veganen Kollegin nun auch die volle vegane Version anbieten zu können. Dieses Kochbuch wird bestimmt reichlich Anwendung finden!

Veröffentlicht am 08.05.2021

Familiengeschichte vor dem Nahostkonflikt

Jaffa Road
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Es liegt sicher auch am Thema, dass Daniel Specks Familienroman "Jaffa Road" nahezu 700 Seiten lang geworden ist (das Lesen hat denn auch ein Weilchen gedauert, habe schließlich noch einen Fulltime-Job): ...

Es liegt sicher auch am Thema, dass Daniel Specks Familienroman "Jaffa Road" nahezu 700 Seiten lang geworden ist (das Lesen hat denn auch ein Weilchen gedauert, habe schließlich noch einen Fulltime-Job): Nicht nur eine generationsübergreifende Familiengeschichte, sondern auch ein an persönlichen Schicksalen erzählter Abriss des Nahostkonflikts und seiner historischen Verflechtungen. Da die Hauptfiguren deutsch, israelisch und palästinensisch sind, ist schon vorprogrammiert, dass sie sich auf zerbrechlichen Boden bewegen - umso mehr, als hier auch noch eine fremde und entfremdete Familie zusammenfinden muss. Da kommt schon mal ein epischer Roman zusammen - allerdings lesbar und auch für den fachfremden Lesern einfach zugänglich.

Teilweise knüpft "Jaffa Road" an Daniel Specks Roman "Piccola Sicilia" an, den ich allerdings nicht gelesen habe. Möglicherweise wissen die Leser des ersten Buchs mehr über die Figuren und ihre Geschichte, es ist aber kein Problem, als "Neuling" in die Handlung hineinzufinden.

Sie haben einen völlig unterschiedlichen Hintergrund, und dennoch werden sie durch einen Todesfall zusammengeführt: Nina, die deutsche Archäologin, Joelle, die französisch-israelische Sängerin und Elias, der palästinensische Arzt. Nina und Joelle wurden von einem Anwalt nach Palermo gebeten: Maurice, ein alter Mann in Palermo, hat sich in seiner Villa das Leben genommen. Für Nina war er nur unter dem Namen Moritz ein Begriff, gesehen hat sie ihn nie. Er war der stets abwesende Großvater, der Vater, nach dem sich ihre Mutter immer gesehnt hatte und der als Wehrmachtsfotograf in den 1940-er Jahren aus dem Leben seiner - wie er da noch nicht wissen konnte - schwangereren Verlobten verschwand.

Für Joelle hingegen war er der geliebte Vater Maurice Sarfati, der den Familiennamen ihrer Mutter angenommen hatte, als er zum Judentum konvertierte, der bei ihren Großeltern in Tunesien Aufnahme fand, als er vor Kriegsende desertierte. Mit der neuen Identität und Joelles Mutter Yasmina sucht er einen neuen Anfang in Palästina, wo Holocaust-Überlebende und Zionisten gleichermaßen die Gründung eines jüdischen Staates anstrebten.

Elias, so stellt sich heraus, war nicht nur der Arzt des Toten, sondern auch dessen Ziehsohn. Und er hat einen komplett anderen Hintergrund als Joelle, seine Stiefschwester: Denn als sich für die Sarfatis und tausende jüdischer Einwanderer eine große Hoffnung erfüllte, schlug für die Palästinenser die Stunde der Katastrophe. Elias´s Mutter, kaum älter als Joelle, hatte sich als junge Frau der Sache der PLO entschieden. Elias, der in den Flüchtlingslagern des Südlibanon aufwuchs, reagiert zutiefst verbittert und ablehnend auf alles, was mit Israel zu tun hat.

Für alle drei ist es bei allen Unterschieden ein Schock, dass Maurice drei derart unterschiedliche Leben führte, dass er drei Familien hatte und ihre Existenzen unberührt voneinander ließ. Wer war er wirklich? Es ist Nina, die Archäologin, die nicht nur eine Generation weiter von Maurice aufgewachsen ist und schon mangels persönlichen Kontakts viel distanzierter mit dieser Familiengeschichte umgehen kann. Die Vergangenheit aufdecken, das hat auch mit ihrem beruflichen Ethos zu tun: "Dinge verschwinden nicht, weil niemand sie sehen will. Im Gegenteil, sie mutieren und folgen uns wie Schatten." Die Neugier treibt sie auch im Beruf an: "Schicht um Schicht in der Zeit zurückgehen. Tausende Scherben sortieren. So lange über einem Rätsel sitzen, bis die Toten zu flüstern beginnen."

Als wäre es nicht schon schwer genug, eine Verbindung oder gar Vertrauen gerade zwischen Joelle und Elias zu finden, steht plötzlich ein Verdacht im Raum: Hat Elias Maurice getötet, weil er hinter dessen Geheimnis gekommen ist? Die Familiengeschichte und der Konflikt um das Land, das von zwei Völkern beansprucht wurde, ziehen sich wie ein roter Faden durch das Buch. Wenn nicht einmal zwei Geschwister es schaffen, miteinander zu sprechen - welche Chance besteht dann für ihre Völker? Nina findet ihre Rolle - sie muss diese Sprachlosigkeit durchbrechen: "In jeder Familie gibt es ein Tabu und jemanden, der den Finger in die Wunde legt."

"Jaffa Road" wechselt Orte und Zeiten - das Palermo der Gegenwart und die Vergangenheit von Maurice/Moritz, seiner Frauen und Kinder in Berlin, Tunis, Haifa, Tel Aviv und anderen Orten. Das große, historische Umfeld wird im kleinen und in den persönlichen Geschichten behandelt. Erst langsam tritt Maurice´s Geheimnis zutage. "Jaffa Road" ist keine historisch-politische Analyse, aber es ist auch mehr als ein reiner Familienroman, selbst wenn manche Einsichten und Reflektionen stark vereinfachend klingen können, wie etwa das Nachdenken darüber, was Identität eigentlich ausmacht: "Die Opfer unserer Großeltern, die Sünden unserer Eltern und das Schweigen darüber am Tisch, um den alle Versammelt waren, die Anwesenden und die Abwesenden ... und irgendwann ist es Zeit, erwachsen zu werden. Herkunft kann man sich nicht aussuchen, Zugehörigkeit schon."

Dabei schafft es der Autor, die verschiedenen Sichtweisen nachvollziehbar und ohne Parteilichkeit zu schildern. Denn das ist ja die Tragik des seit Jahrzehnten dauernden Konflikts - jede Seite hat ihre Logik und ihre nachvollziehbaren Argumente. Doch solange sie nicht die Bereitschaft haben, einander offen zuzuhören und zu begegnen, scheint eine Lösung, die allen gerecht wird, in weiter Ferne. In "Jaffa Road" immerhin schaffen Joelle und Elias, die ersten Schritte aufeinander zu zu gehen.

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Veröffentlicht am 26.04.2021

Eine Putzfrau räumt auf

In Aufruhr
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uby Wright hat Pläne: Sie möchte aufs College gehen und Lehrerin werden. Doch zunächst einmal steht sie vor Hindernissen - dass sie kein Geld hat und aus dem Armenviertel South Central Los Angeles kommt, ...

uby Wright hat Pläne: Sie möchte aufs College gehen und Lehrerin werden. Doch zunächst einmal steht sie vor Hindernissen - dass sie kein Geld hat und aus dem Armenviertel South Central Los Angeles kommt, ist fast schon das geringste. Ruby ist schwarz, und in der US-Gesellschaft der späten 50-er Jahre wird ihr gerade mal ihr derzeitiger Job zugestanden: Als Putzfrau in den weißen Suburbs, ständig konfrontiert mit dem allgegenwärtigen Rassismus. Zwar gärt es in South Central, doch die politischen Reden vom Kampf für Veränderung werden als Männersache gesehen - da ist ihr Freund Joseph keine Ausnahme.

Doch richtig in der Klemme steckt Ruby, als sie zu ihrer Lieblingskundin geht und nur die verstörte Tochter im Garten vorfindet, offensichtlich alleine. Statt ihrer Arbeitgeberin stößt sie in der Küche nur auf eine Blutlache - und als sie die Nachbarin alarmiert und die Polizei gerufen wird, wird Ruby erst mal festgenommen.

Der Detective, der sich um den Vermisstenfall kümmert, ist in der Welt der Vororte selbst ein Außenseiter, auch wenn er die "richtige" Hautfarbe hat: Mick Blanke ist nach einem Skandal im heimischen Revier in Brooklyn nach Kalifornien versetzt worden. Mit irischen und italienischen Gangs kennt er sich aus, in der Welt der Vorstadtfrauen aber fremdelt er nicht nur des ungewohnten kalifornischen Klimas wegen. Schnell wird ihm klar - um an die Geheimnisse dieser Welt scheinbar privilegierter und oft schwer unglücklicher Frauen zu kommen, braucht er Insider-Informationen - und Ruby, für die weißen Frauen oft so unsichtbar wie ein Möbelstück, könnte vieles herausfinden.

Doch Ruby ist aufgrund ihrer Erfahrungen erst einmal höchst misstrauisch. Dass der weiße Polizist in South Central bei ihr auftaucht, bringt sie zudem in Spitzel-Verdacht. Doch da sind auch die tausend Dollar Belohnung für die Aufklärung des Falls - Geld, mit dem sie ihren Traum vom College-Studium erfüllen könnte.

Mit ihrem Buch "In Aufruhr" setzt Inga Vesper gleich mehrfach auf Kontraste. nicht nur, dass eine junge schwarze Frau und ein zumindest älterer weißer Mann gemeinsam ermitteln, der Profi und die zunächst unwillige Amateurdetektivin, dass Großstadt und scheinbare Suburbia-Idylle in Gegensatz gestellt werden. Die Aufbruchs- und Wandelstimmung der 60-er Jahre sind schon zu erahnen, doch noch ist die Gesellschaft betonhart in Traditionen und Regeln verwachsen, die auch die Welt der Männer und der Frauen klar teilt. und bei den Hausfrauen in Suburbia ist längst nicht die heile Welt,die Poollandschaften und der perfekt geschorene Rasen von außen vermuten lassen. Da werden Psychopharmaka verschrieben, damit unglückliche, angeblich "frigide" Frauen so als Ehefrauen "funktionieren" wie sie sollen, werden Kunstkurse zum Eskapismus aus der Langeweile des Alltags, herrscht auch unter den Frauen gnadenloser Konkurrenzdruck und Abgrenzung nach unten.

Auch wenn es vordergründig vor allem um den Vermisstenfall geht, zeichnet die Autorin auch das Sittenbild einer Gesellschaft, die sich seitdem zwar deutlich verändert hat. Rassismus und Sexismus dagegen sind noch längst nicht überwunden - insofern ist auch der Blick in die späten 50-er weiterhin voller Aktualität. Vor allem Ruby ist eine sympathische Protagonistin, die im Laufe des Buchs immer mehr an Format gewinnt. Spannende Unterhaltung mit interessanten Charakteren.

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Veröffentlicht am 20.04.2021

Schatten der Vergangenheit

Verfehlt
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ollegen halten die Anspannung von Kommissarin Klaudia Wagner bei der Sicherung des alljährlichen Gurkenfests für übertrieben: Hier ist Lübbenau, nicht Berlin - was sollte schon groß passieren, außer den ...

ollegen halten die Anspannung von Kommissarin Klaudia Wagner bei der Sicherung des alljährlichen Gurkenfests für übertrieben: Hier ist Lübbenau, nicht Berlin - was sollte schon groß passieren, außer den üblichen Gurkenschnapsleichen und eventueller Fest-Schlägerei? Aber natürlich, der Leser ahnt es (sonst hätte Christiane Dieckerhoff ja auch keinen Stoff für ihren neuen Spreewaldkrimi "Verfehlt") kommt es ganz anders - vor den Augen der Polizisten bricht der Schützenkönig in seinem Kahn zusammen - und die Todesursache ist nicht natürlich. Auch auf Wagners alten Freund, den Fährmann Schiepschick, wird ein Anschlag verübt, mitten auf dem Volksfest.

Wagner sorgt sich nicht nur um ihren alten Freund, sie muss sich auch mit einem arroganten LKA-Kollegen auseinandersetzen, der sie nur zu Hilfsarbeiten heranholt - und stößt dabei auf Hinweise, die Schiepschick plötzlich in ein ganz anderes Licht rücken. Ist ein unbekannter Täter auf Rachefeldzug für ein ungeahndetes Verbrechen in der Vergangenheit ? Und wer ist darin verwickelt?

Mit Altlasten aus der Vergangenheit, speziell wenn es um Beziehungen geht, müssen sich auch Wagner und nahezu ihr gesamter Kollegenkreis auseinandersetzen - das kann schon mal von den Ermittlungen ein wenig ablenken. Wie gut, dass wenigstens Kater Dickie bedingungslos zu der Polizistin hält, solange sie nur für Katzenfutter und Streicheleinheiten sorgt.

"Verfehlt" ist Teil einer Serie, und es kommt immer wieder zu Hinweisen auf vergangene Ereignisse, die das aktuelle Beziehungefüge im und um das Lübbenauer Polizeirevier erklären. Und am Ende des Buchs ahnt man: Da ist noch einiges drin an künftigen Entwicklungen, für die sicher noch mindestens ein Buch geschrieben wird.

Ganz nebenbei geht es auch um Wendegewinner und -verlierer, Rassismus im Osten, den Umgang mit Trauer, Verlust und Traumata. Dabei schafft es die Autorin, ihre Andeutungen und Hinweise so zu setzen, dass nicht nur Wagner mit ihren Interpretationen unsicher ist. So bleibt Spannung bis zu Schluss mit einer Kommissarin voller Ecken, Kanten und Unsicherheiten - keine Superfrau, sondern gerade aufgrund ihrer Schwächen überzeugend lebensnah.

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Veröffentlicht am 17.04.2021

Instinkte und Überraschungen

Doggerland. Fester Grund (Ein Doggerland-Krimi 3)
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Nicht immer zählt die Logik, manchmal muss man den eigenen Instinkten vertrauen - das erfährt Karen Eiken Hornby, die Protagonistin von Maria Adolfssons "Fester Grund" im dritten Teil der Doggerland-Triologie ...

Nicht immer zählt die Logik, manchmal muss man den eigenen Instinkten vertrauen - das erfährt Karen Eiken Hornby, die Protagonistin von Maria Adolfssons "Fester Grund" im dritten Teil der Doggerland-Triologie gleich mehrmals, privat und beruflich. War sie am Anfang des ersten Romans verkatert neben ihrem eigentlich ziemlich unsympathischen Chef aufgewacht, hat sich ihr privates Leben vergleichsweise stabilisiert. Und auch mit der Trinkerei hält sie sich mittlerweile ziemlich zurück - und sei es nur, weil die Blutwerte für die routinemäßige Fitnessprüfung der Doggerländer Polizei stimmen sollen.

Dennoch steht die Polizistin ziemlich unter Druck. Sie soll sich diskret um eine angeblich verschwundene Popdiva Luna kümmern. Der Fall passt Karen gleich aus zwei Gründen überhaupt nicht. Zum findet sie, dass ihr Mitbewohner und Gelegenheitslover Leo der charismatischen blonden Schönheit bei gemeinsamen Studioaufnahmen viel zu viel Aufmerksamkeit geschenkt hat, zumal er Luna in seiner Jugend nahestand. Zum anderen wäre Karen viel lieber bei den Ermittlern dabei, die einen Serienvergewaltiger jagen. Was ist dagegen schon eine launische Sängerin, die es sich vermutlich in irgendeinem Retreat gut gehen lässt. Obendrein sorgt sich die Polizistin ernsthaft um ihre Gesundheit - warum ist sie ständig so erschöpft. abgelenkt und übellaunig?

Dass Karen nicht unbedingt immer ein offenes Ohr für die Anweisungen von Vorgesetzten hat, hat sie in den ersten beiden Bänden der Doggerland-Triologie auf der fiktiven Inselgruppe zwischen Großbritannien und Skandinavien unter Beweis gestellt. Auch jetzt kann sie es nicht lassen, Ermittlungsakten und Vernehmungsprotokolle des Vergewaltigungsfalls neben ihren eigentlichen Aufgaben zu prüfen. Wo ist den Ermittlern bisher ein Detail entgangen, gibt es eine Verbindung zwischen den bisher vier Opfern?

Der Blick fürs Detail ist ebenso wichtig wie das Vertrauen auf den bereits erwähnten Instinkt. Auch Fehlschläge und falsche Vermutungen können die beharrliche Ermittlerin nicht vom Kurs abbringen, eher hingegen lebensverändernde Entscheidungen, die sie sehr schnell treffen muss. Und auch der eigentlich bereits zu den Akten gelegte und beendete Vermisstenfall - von ihrem in England georteten Handy hatte sich Luna bei den doggerländischen Studiomusikern für die Aufregung entschuldigt - erhält unversehens eine neue Wendung.

Manchmal entsteht beim Lesen der Eindruck, dass Adolfsson zwischendurch die Handlungsfäden zerfasern. Doch Geduld - am Ende fügen sich die verschiedenen Stränge durchaus wieder zusammen. Gewalt gegen Frauen, die bereits in den ersten beiden Bänden der Reihe thematisiert wurde, zieht sich auch jetzt wieder wie ein roter Faden durch die Handlung. Dennoch steht am Ende nicht nur für Karen ein neuer Anfang - und sie muss einsehen, dass sie sich gelegentlich nicht nur auf Logik und Instinkt, sondern auch mal auf Gefühle verlassen kann. Eigentlich schade, wenn mit der Triologie Schluss ist mit den Fällen für Karen Eiken Hornby - ich habe die spröde, widersprüchliche und hartnäckige Ermittlerin beim Lesen jedenfalls lieb gewonnen.

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