Platzhalter für Profilbild

Julia_Matos

Lesejury Star
offline

Julia_Matos ist Mitglied der Lesejury

Melde dich in der Lesejury an, um dich mit Julia_Matos über deine Lieblingsbücher auszutauschen.

Anmelden

Meinungen aus der Lesejury

Veröffentlicht am 22.08.2021

1918 bis 1921 – Informativer, aufregender, wendungsreicher und emotionaler Band 2

Revolution der Träume
0

Dieser historische Roman beleuchtet mit drei Freunden für‘s Leben im Mittelpunkt auf dramatische Weise politische und militärische Turbulenzen, Armut und gesellschaftliche Unterschiede, bandenmäßige Kriminalität ...

Dieser historische Roman beleuchtet mit drei Freunden für‘s Leben im Mittelpunkt auf dramatische Weise politische und militärische Turbulenzen, Armut und gesellschaftliche Unterschiede, bandenmäßige Kriminalität und die aufstrebende Kulturlandschaft (Filme, Bars, …) in den turbulenten Jahren 1918 bis 1921 in Berlin.

Da eine völlig neue Epoche beginnt, ist es nicht zwingend, „Schatten der Welt“ vorher gelesen zu haben. Ich empfehle es dennoch, nicht nur aufgrund der höheren emotionalen Bindung an die drei Hauptfiguren, sondern auch aufgrund des hohen Informationsgehalts im Auftaktband.

Nach fast einjähriger Wartezeit habe ich mich sehr gefreut, zu erfahren, wie es mit Carl, Artur und Isi weitergeht. Etwas schockiert war ich zunächst, auf welchen anrüchigen und gefährlichen Pfaden gewandelt wird. Doch ich habe es schnell zu schätzen gelernt: Mittendrin im spannenden revolutionären Geschehen, in unterschiedlichsten Milieus, vom Adel über Prostituierte, Filmemacher und Politiker bis hin zu Gangstern. Am Puls der Zeit, bei allen wichtigen Ereignissen aus den Geschichtsbüchern hautnah dabei. Informativ, atmosphärisch, unterhaltsam, mit großen Gefühlen und atemberaubenden Wendungen. Rund um die drei Hauptfiguren gleichermaßen fesselnd. Coolerweise werden auch Begegnungen und offen gebliebene Fäden aus dem Auftaktband aufgegriffen.

Meine Kritikpunkte sind die gleichen wie beim Auftaktband:
- Sympathien zwischen bestimmten Figuren (z. B. zu Theo) scheinen einfach da zu sein, mir erschließt sich manchmal nicht der Anlass.
- Bei zentralen Entwicklungen greift der Autor vor, beispielsweise inwieweit Beziehungen unglücklich enden werden. Das drückt auf die Spannung. Ich bin lieber live dabei und fiebere mit.
- Der Roman bietet viele Antworten, endet aber erneut offen. Es bleibt unklar, auf wie viele Bände die Reihe angelegt ist und wann Fortsetzungen verfügbar sein werden.

Ich freue mich darauf, das liebgewonnene wilde Dreiergespann mit Band 3 in den 1920ern zu begleiten. Potenzial für mehrere packende Folgebände ist allemal vorhanden.

  • Einzelne Kategorien
  • Cover
  • Erzählstil
  • Handlung
  • Charaktere
Veröffentlicht am 30.07.2021

Zu Herzen gehende Völkerverständigung der außerirdischen Art – bunt, unvorhersehbar, mit Tiefgang

Der lange Weg zu einem kleinen zornigen Planeten
0

Dies ist ein utopischer Gegenentwurf zu „Krieg der Klone“ von John Scalzi. Viele außerirdische Spezies sind aufeinandergetroffen und entgegen der allermeisten Science-Fiction-Werke herrscht überwiegend ...

Dies ist ein utopischer Gegenentwurf zu „Krieg der Klone“ von John Scalzi. Viele außerirdische Spezies sind aufeinandergetroffen und entgegen der allermeisten Science-Fiction-Werke herrscht überwiegend Frieden, Wohlstand und freies Reisen. Immer mehr Völker schließen sich zur Galaktischen Union zusammen. Zwischen Menschen, Aliens und künstlichen Intelligenzen werden berufliche und freundschaftliche Beziehungen geflochten. Ein Hoch auf Diversität – angenehm unaufdringlich.
Der Roman beleuchtet überwiegend den Alltag an Bord der Wayfarer, eines kleinen Raumschiffs, das kurze Wegerouten im All generiert. Es gibt keine eindeutige Hauptfigur. Die Erzählperspektive wechselt. Zur Crew gehören: Captain Ashby Santoso, Rosemary Harper, Sissix, Kizzy, Mister Jenks, Mister Corbin, Dr. Koch, Ohan und die KI Lovey.
Ein übergeordneter Spannungsbogen zeichnet sich erst am Ende des Romans ab. Zu Beginn eines Kapitels hat man oft keine Idee, was passieren wird. Man lässt sich einfach überraschen, an die Hand nehmen, erlebt episodenhaft die Erlebnisse mit.
Ich brauchte ein paar Seiten, um hineinzufinden. Die X-Ray-Funktion beim eBook hat geholfen, die Teammitglieder, berufliche Qualifikation, Aussehen usw. richtig zuzuordnen. Umso besser ich die Charaktere kennenlernte, desto mehr habe ich es genossen. Ich war betrübt, als der Roman ausgelesen war. Es wirkt liebevoll, farbenfroh, lustig und traurig. Streckenweise kommen auch richtig Spannung und Dramatik auf. Faszinierend sind die Details zu unterschiedlichen Kulturen und Familienstrukturen und zu technischen Möglichkeiten. Religion scheint interessanterweise keine Rolle zu spielen. Enthalten sind Rückblicke auf die Geschichte der Erde sowie reizvolle philosophische Fragen, z. B. was Familie ausmacht und wie es sich anfühlt, wenn man zu den Letzten seiner Art gehört.
Meine Lieblingscharaktere sind Dr. Koch (Tiefgang) und Sissix (Humor, Offenherzigkeit, Andersartigkeit). Großartig sind die lebhaften Einblicke in die Kultur der Aandrisk. Zu meinen Lieblingskapiteln gehören „Port Coriol“, „Zirp“ (Begegnung mit Bär, Nib und Ember), „Der letzte Krieg“ und „Nest, Feder, Haus“. Ich habe mich von der Gefühlsachterbahn liebend gern mitnehmen lassen. Eine Verfilmung wäre sooo schön.
Das tolle Space-Opera-Erstlingswerk endet abgeschlossen. Traurig habe ich festgestellt, dass Band 2 der Reihe im gleichen Universum spielt, aber mit völlig anderen Figuren. Denen gebe ich natürlich auch bald eine Chance, mein Herz zu erobern.

  • Einzelne Kategorien
  • Cover
  • Erzählstil
  • Handlung
  • Charaktere
Veröffentlicht am 19.05.2021

Atmosphärisches Gesamtkunstwerk mit Tragik, Frohsinn, Sinn und Sinnlichkeit - Highlight

Das unsichtbare Leben der Addie LaRue
0

Der Belletristik-Roman um Freiheit, ewige Jugend, soziale Bindungen und den Sinn des Lebens hat neben fantastischen auch historische Züge, weil man die nicht alternde 23-jährige Hauptfigur Addie beispielsweise ...

Der Belletristik-Roman um Freiheit, ewige Jugend, soziale Bindungen und den Sinn des Lebens hat neben fantastischen auch historische Züge, weil man die nicht alternde 23-jährige Hauptfigur Addie beispielsweise bei der französischen Revolution und in Kriegsjahren begleitet und historische Persönlichkeiten trifft. Das Buch bildet eine Hommage an Kunst, Kultur und Inspiration. Ohne aufdringlich zu sein, macht es richtig Lust darauf, sich mit Bildern, Skulpturen, Musik, Theater, Büchern und kreativen Ensembles auseinanderzusetzen, auch wenn man wie ich in Teilbereichen eher ein „Kulturmuffel“ ist.

Die Leseabschnitte sind kurz. Es wird zwischen der Gegenwart (einige Monate 2014 im Leben von Addie und Henry in New York) und der über 300 Jahre umfassenden Vergangenheit von Addie hin- und hergesprungen. Das sorgt für Abwechslung, Spannung und gut platzierte Kenntnisgewinne.
Der Erzählstil wirkt poetisch, einfühlsam und unaufgeregt. Es gibt wenig Action, dennoch zog mich die Geschichte über die gesamte Länge in ihren Bann. Ich habe die individuell gezeichneten Figuren als authentisch wahrgenommen und liebgewonnen, erlebte intensive Gedanken und Gefühle mit Höhen und Tiefen mit und wähnte mich „dabei“. Themen wie Minderwertigkeitsgefühle, Selbstfindungskrisen und Suizid werden mit dem nötigen Ernst und Empathie aufbereitet. Das hat mich sehr angerührt.
Vom Umfeld gewann ich lebhafte Eindrücke. Erwähnenswert ist die moderne Prägung: Klischees werden durchbrochen, mehrere liebenswerte Charaktere sind queer. Ein weiteres Herausstellungsmerkmal stellt die düstere Anziehungskraft zwischen Addie und Luc dar – ein Katz- und Mausspiel mit faszinierender Chemie. Ich hatte ein bisschen Lucifer aus der gleichnamigen Serie vor Augen. Erotik ohne explizite Szenen ist enthalten. Stilvoll und effektvoller umgesetzt als in vielen Liebes- und Erotikromanen.
Toll eingebettet sind allgemeingültige Lehren und bedeutungsvolle lange und kurze Sätze. Ich habe reichlich im eBook markiert. Viele Denkanstöße werden geboten.
Die Übersetzerin Petra Huber hat es geschafft, den Zauber zu bewahren. Das zeitlos elegante Cover ist großartig.
Das Buch bietet ein abgeschlossenes, stimmiges und gut abgerundetes Ende mit überraschender Wendung.
Dieses Werk gehört zu den besten, die ich je gelesen habe. Die Autorin V. E. Schwab verfolge ich weiter.

  • Einzelne Kategorien
  • Cover
  • Erzählstil
  • Handlung
  • Charaktere
Veröffentlicht am 12.05.2021

Emotionsgeladener, dramatischer und informativer historischer Roman

Das letzte grüne Tal
0

Nach „Unter blutrotem Himmel“ gelingt es Mark Sullivan erneut, basierend auf wahren Begebenheiten eine abgeschlossene Familien-, Reise- und Liebesgeschichte um den Zweiten Weltkrieg und seine Nachwirkungen ...

Nach „Unter blutrotem Himmel“ gelingt es Mark Sullivan erneut, basierend auf wahren Begebenheiten eine abgeschlossene Familien-, Reise- und Liebesgeschichte um den Zweiten Weltkrieg und seine Nachwirkungen mit emotionaler Wucht zu erzählen.
Empfehlenswert u. a. für Fans von „Libellenjahre“ von Izabelle Jardin und „Tage des Sturms“ von Ella Zeiss.

Der allwissende Erzähler taucht vor allem in die Gedanken und Gefühlswelt der Eheleute Adeline und Emil ein, die sich mit ihren Söhnen (4 und 6) und Verwandten unter Anleitung der Nazis im Jahr 1944 durch Osteuropa gen Westen aufmachen und eine Odyssee durchmachen. Rückblicke zu prägenden Schicksalsschlägen sind passend integriert. Das sorgt für Abwechslung, klärt offene Fragen und geht intensiv zu Herzen. Auch die Nebenfiguren Resi und Marie und ein gewisser „Sonderling“ werden zu Sympathieträgern. Die Söhne wirken leider gesichtslos und manchmal zu „frühreif“. Streit in der Familie und verschiedenartige Begegnungen verdeutlichen, dass es nicht nur Schwarz-Weiß-Zeichnung gibt.
Ich empfand die Darstellungen als authentisch und packend. Effektheischerei findet in akzeptablen Maßen statt. Ich habe mitgefiebert und gehofft. Das Buch erschüttert, macht dankbar, wahrt eine Balance aus Ruhe (gedanklicher Tiefgang) und Sturm (Dramatik), ist tragisch, hat dabei so viele Lichtblicke, dass es nicht runterzieht.
Die Beschreibungen zum Umfeld sind gut greifbar.

Neben der Judenverfolgung werden wenig bekannte Geschehnisse rund um das Dritte Reich beleuchtet. Obwohl ich rund um den Zweiten Weltkrieg schon viel gelesen habe, lässt sich noch etwas dazulernen und - dank der Einbettung in eine spannende Geschichte - in Erinnerung behalten.
„Unter blutrotem Himmel“ (verortet etwa zeitgleich in Italien) hat mich gleichermaßen gebildet und etwas mehr angerührt. Wahrscheinlich weil „Das letzte grüne Tal“ vorhersehbarer gestrickt ist und das Gutmenschentum bei den Protagonisten gefühlt etwas zu stark unterstrichen wird.

Das Ende ist ausführlich und rundet gelungen ab. Es ist mit einem großartigen Nachwort versehen, welches Fiktion und Fakten offenlegt. Dankenswerterweise erfährt man viel zur Entstehung des Romans sowie zu fast allen Figuren wie es ihnen in der Realität ergangen ist. Dafür vergebe ich insgesamt knappe 5 Sterne.

  • Einzelne Kategorien
  • Cover
  • Erzählstil
  • Handlung
  • Charaktere
Veröffentlicht am 24.04.2021

Psychologische Studien in berührendem Rahmen, einfühlsam und mit Nachhalleffekt

Blumen für Algernon
0

In tagebuchähnlichem Stil geschrieben im Jahr 1966 ist das Buch deklariert als häufig gelesener Science-Fiction-Klassiker. Es fühlt sich an wie eine psychologische Fallstudie in unterhaltsamem, nahbarem ...

In tagebuchähnlichem Stil geschrieben im Jahr 1966 ist das Buch deklariert als häufig gelesener Science-Fiction-Klassiker. Es fühlt sich an wie eine psychologische Fallstudie in unterhaltsamem, nahbarem Format.

Fiktiver Dreh- und Angelpunkt der Geschichte ist ein neuartiger medizinisch-technischer Eingriff an einem naiven, offenen, gutherzigen 32-Jährigen mit einem IQ von 68, der daraufhin innerhalb einiger Wochen zum Genie avanciert. Es geht um Lernfortschritte, die unter psychologischer Aufsicht sich verändernde Wahrnehmung insbesondere das soziale Umfeld betreffend, die Aufarbeitung seiner Vergangenheit und eine beängstigende Zukunft.

Der Protagonist Charlie ist ein Sympathieträger. Seine Nöte, Überforderung, Zerrissenheit und Engagement geraten authentisch. Das Buch hat mich emotional erreicht. Ärger, Freude und Traurigkeit entfacht. Auch das Ende hat mich sehr berührt. Das Werk wird mir wohl ewig im Gedächtnis bleiben. Die intelligenzmäßige und charakterliche Wandlung und die Reaktionen des Umfeldes mit einhergehenden emotionalen Problemen (freundlich wahrgenommener Mikrokosmos vs. Welt mit allen Facetten) geben zu denken. Ich fühlte mich zum Beispiel animiert, über die Frage nachzudenken, was Zufriedenheit ausmacht.

Das Buch wirkt nicht veraltet. Es vermittelt zeitlos wertvolle Botschaften: Der Wert eines Menschen bemisst sich nicht am Intelligenzquotienten. Bildung und Wissen sind kein Garant für Glück. Mit unterschiedlichen Startbedingungen und Schicksalen möchten wir unterstützt und als wertvoll wahrgenommen werden und Zuneigung spüren. - Auf unaufdringliche Weise fördert das sehr menschliche Buch damit Empathie, insbesondere (aber nicht nur) im Umgang mit aus dem normalen Rahmen fallenden Menschen. Es tut einen guten Dienst rund um zeitgemäße Themen wie Inklusion, individuelle Förderung und einfache Sprache.
Bestimmt eine gute Lektüre auch für Jugendliche und für die Schule (vorausgesetzt Ernsthaftigkeit, Wille und Zeit zur Aufarbeitung der Eindrücke sind vorhanden).

Kleine Nachteile: Etwas langatmig im Mittelteil, actionarm, teils vorhersehbar. Trotzdem 5 Sterne.

Danke an den Verlag Klett-Cotta für die Neuauflage. Ich hätte ansonsten nichts davon gehört. Das Buch bietet das Potenzial, das Miteinander in unserer Gesellschaft aufzuwerten. Jeder sollte es gelesen haben.

  • Einzelne Kategorien
  • Cover
  • Erzählstil
  • Handlung
  • Charaktere