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Julia_Matos

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Meinungen aus der Lesejury

Veröffentlicht am 08.07.2021

Provokant, lustig, entlarvend, oder auch: „menschliche Erkenntnis, pussytief reclaimt“

99 Ideen zur Wiederbelebung der politischen Utopie
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Hier präsentiert Martin Sonneborn, Vorsitz der sog. Satire-Partei „Die PARTEI“ und EU-Abgeordneter, ein Sammelsurium an politischen Ideen und Statements. Die Kapitel sind kurz (teils kürzer als 1 Minute) ...

Hier präsentiert Martin Sonneborn, Vorsitz der sog. Satire-Partei „Die PARTEI“ und EU-Abgeordneter, ein Sammelsurium an politischen Ideen und Statements. Die Kapitel sind kurz (teils kürzer als 1 Minute) und kurzweilig. Dabei sind Sternstunden „demokratischer Repräsentanz und -tanten“. Inhaltlich ist das meiste nicht neu (Mainstream-Meinung), aber durch den Wortwitz des Sprachakrobaten Sonneborn, eine solide Recherche rund um Zahlen, Daten, Fakten und zusätzliche Details bekommt es eine entlarvende Note. Mal tiefsinnig (z. B. Kapitel 55 Euphemisierungsverbot), mal offensichtlich und eingängig, extrem lustig (z. B. Kapitel 2 Weniger-peinliche-Namen-Gesetz, 36 Rekorde! Rekorde!, 37 Funklöcher stopfen!, 74 Wer hat uns noch beraten?). Auch wenn das Lachen oft einen faden Beigeschmack hat, weil es ja eben um ernste Themen wie Steuergeldverschwendung und Menschenrechtsverletzungen geht. Es amüsieren Running Gags wie z. B. verfälschte Namen und damit einhergehende Seitenhiebe auf das politische Establishment (CDU, SPD, Grüne, …). Dadurch prägen sich Verfehlungen und Lösungsansätze besonders intensiv ein.
Inhaltlich gehe ich auch mit vielem konform (z. B. Free Assange, Free Snowden, Lösung Welle-Teilchen-Problem), naturgemäß nicht mit allem (z. B. Schulbeginn 10 Uhr).
Ein paar Beiträge sind enthalten, die betont kompliziert geschrieben sind und die für mich weder spaß- noch informationsmäßig einen Mehrwert enthielten (z. B. Kapitel 58 Möglich aber ist es). Einiges war mir zu kurz abgehandelt und ich blieb etwas ratlos zurück. Aber keine Sorge, darüber hilft bereits das nächste Kapitel hinweg. Hier offenbart sich wohl die Diskrepanz zwischen Geschriebenem und dem vollen Programm mit Betonung, Körpersprache und Mimik, wie man es von Facebook-/YouTube-Videos kennt. Der direkte Griff zum Hörbuch könnte sich lohnen. Da sollte man dann anhand Tonlage und Pausen eindeutig erkennen können, was ernst gemeint ist und wo bewusst überspitzt und provoziert wird.
Achtung, das Buch ist nichts für Fans des gepflegten roten Fadens. Eine Struktur, z. B. erst Innenpolitik, dann Außenpolitik usw. gibt es hier nicht. Ich als Verwaltungsbeamtin hab‘s trotzdem überlebt. (Bitte kein Mitleid.) Dann schafft ihr das auch. Flash aus Zoomania hatte Struktur, aber wollen wir dahin?
In diesem Sinne, super Lektüre für Freunde der politischen Satire: Viele Denkanstöße, viel Vergnügen und „Wohlstand für Aale“!
(Zitate aus dem Buch mit Anführungszeichen gekennzeichnet, weil man selbst es ja besser machen möchte als MöchtegernBerlinOberhäuptlingIn und andere von der „Groko Haram“.)

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Veröffentlicht am 16.06.2021

Spannender und stimmungsvoller Band 4 mit bedeutsamen Umbrüchen im Leben der Hauptfiguren

Morgan's Hall
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Band 4 der Familiensaga umfasst einige Wochen im Winter 1962/63. Ein bisschen schade finde ich, dass das Buch in einem Mikrokosmos spielt, der sich völlig auf die Beziehungen gut situierter Hauptfiguren ...

Band 4 der Familiensaga umfasst einige Wochen im Winter 1962/63. Ein bisschen schade finde ich, dass das Buch in einem Mikrokosmos spielt, der sich völlig auf die Beziehungen gut situierter Hauptfiguren konzentriert, dass historische Bezüge und Diversität fehlen, sich kein Kenntniszuwachs generieren lässt.
Dafür gelingt es der Autorin Emilia Flynn, die Beziehungen und persönlichen Schicksale, die zuletzt oft stagnierten, bedeutsam voranzutreiben. Den besonderen Fokus auf James‘ Vorgehen bezüglich Olivia und Liz sowie die zum Spekulieren anregenden Rätsel mag ich. Auch Olivias Perspektive finde ich klasse. Die Schwarz-Weiß-Zeichnung ist mir zu stark. Phil und Liz als ewige Gutmenschen, demgegenüber die immer gleichen Charaktere, denen Boshaftigkeit aus jeder Pore zu triefen scheint. Frischen Wind durch neue, schwer einzuschätzende Figuren würde ich begrüßen. Einige Entwicklungen sind vorhersehbar oder das Verhalten unlogisch, es gibt aber auch stimmige Wendungen und Überraschungen. Der Spannungslevel kann sich sehen lassen.
Ich war über die gesamte Länge emotional dabei.
Herausstellungsmerkmale bilden weiterhin die eingewobene Mystik, die atmosphärischen Wahrnehmungen zur naturbelassenen Umgebung und tiefsinnige, bedeutungsvolle Sätze. Zum Träumen schön und ein wunderbarer Gegenpol zu all den Intrigen, Dramen und krimineller Energie in der übrigen Handlung.
Es wäre möglich, mit der Saga aufzuhören, weil vieles aufgeklärt wird und sich für offene Fragen ein eigener Abschluss ersinnen lässt. Band 5 „Schicksalsland“ ist angekündigt für Mai 2022.

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Veröffentlicht am 12.05.2021

Ein unterhaltsames Mutmachbuch für die ganze Gesellschaft

Was, wenn wir einfach die Welt retten?
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Dies ist ein leicht lesbares Sachbuch, das Service bietet und Mut machen soll. Ein Appell an das richtige Maß und eine Würdigung kleiner Schritte anstatt Verbote. Erkennbar hat hier ein Laie bekannte Informationen ...

Dies ist ein leicht lesbares Sachbuch, das Service bietet und Mut machen soll. Ein Appell an das richtige Maß und eine Würdigung kleiner Schritte anstatt Verbote. Erkennbar hat hier ein Laie bekannte Informationen (oft ohne Quellenangabe) zusammengetragen und kurzweilig aufbereitet. Kurze Leseabschnitte mit gelegentlichen guten Witzen animieren dazu, oft noch ein bisschen weiterzulesen. Ursachen für die Klimakrise werden vergegenwärtigt und mögliche Lösungen (sowohl global als auch bezogen auf den Alltag der Leserschaft) angerissen. Frank Schätzing zeigt zudem in aller Kürze ein fiktives Worst-Case-Szenario und eine fiktive Utopie auf. Meinerseits hätte er gern das „Du“ verwenden dürfen, was weniger sperrig und distanziert gewesen wäre als das ständige Siezen.

Hinweise und Verlinkungen z. B. zu ökologischer Mode, Digitalisierung und nachhaltigen Geldanlagen nehme ich für meinen Alltag gerne mit.
Wer sich mit so mancher Materie tiefergehend auseinandersetzt, merkt die dahinterstehende Naivität. Viele Forderungen werden längst umgesetzt, benötigen aber Zeit, Geld und qualifiziertes Personal, müssen zudem im Spannungsfeld vielfältiger Interessen bestehen. Eine eigene Innenstadtwohnung mit kurzen Wegen oder ein Niedrigenergiehaus mit Elektroauto können sich Normalverdiener nicht leisten. Effizienzregeln stoßen in der Wissenschaft an Grenzen. Deutschland ist kein Silicon Valley und verliert als Vorreiter an Boden. Viele Unternehmen, die sich z. B. mit Photovoltaik auseinandergesetzt haben, sind längst von der Landkarte verschwunden. Konkurrenzfähigkeit von Wasserstofftransportmitteln steht in den Sternen. Atommüll zu produzieren, der ewig sicher gelagert werden muss, ist nicht der Hit. Bei wachsendem Strombedarf wäre es fatal, wenn polnische Kohlekraftwerke aushelfen müssten.
Deutschland hat das Problem, dass Forschende zu wenig gesellschaftlich gewürdigt und finanziert werden. Und dass zu viel gemeckert wird anstatt selbst anzupacken (Ehrenamt, Gründergeist, ...), in die Politik (Kommunalpolitik) und/oder in den öffentlichen Dienst zu gehen und von innen heraus zu verändern. Wahrscheinlich leistet das Buch tatsächlich Denkanstöße für weitere Schritte in die richtige Richtung. Nicht unbedingt für die typischen Leugner, aber für alle, die sich offen zeigen.
Meine Hoffnung, im Nachwort so etwas zu finden wie „xy Cent vom Buchpreis/Gewinn kommen ökologischen Projekten zugute“, blieb leider unerfüllt.
Im Ergebnis gebe ich eine Leseempfehlung für dieses Sachbuch, das ein gutes Gefühl hinterlässt, kurzweilig und zeitgemäß ist, ein breites Publikum sensibilisiert und aufbauend wirkt.

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Veröffentlicht am 15.03.2021

Breakfast Club, Twilight, Harry Potter, Indiana Jones und Marvel-Abenteuer im Weltall

Aurora erwacht
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Ideen, Tempo, Weltenbau und Handlung der Space Opera gefallen, auch wenn man in der Logik manchmal ein Auge zudrücken muss und die Ausführung nicht völlig neu ist: zusammengesteckte Außenseiter und Waisenkinder ...

Ideen, Tempo, Weltenbau und Handlung der Space Opera gefallen, auch wenn man in der Logik manchmal ein Auge zudrücken muss und die Ausführung nicht völlig neu ist: zusammengesteckte Außenseiter und Waisenkinder mit ungeahnten herausragenden Fähigkeiten, unerwiderte Liebe, Regierungsverschwörungen, vogelfrei und auf der Jagd nach Hinweisen und Artefakten …

Zielgruppe sind Jugendliche, die mit der Darstellung von Brutalitäten umgehen können. Während man die Jugendsprache und teils oberflächliches Gebaren mit Wohlwollen noch als für das Alter der Protagonisten (18, 19) passend deklarieren kann, störte ich mich an unpassenden Kindereien in dramatischen Situationen: Hey, während ich mich emotional unbeteiligt an Tötungen beteilige und Gefahr laufe, in den nächsten Minuten zu sterben, betreibe ich Sprücheklopfen. Hauptsache, ich habe das letzte Wort und es meinem Crewmitglied verbal nochmal so richtig gegeben … Und passt auf eure Unterhosen auf. Oh, und mein Gegenüber ist sexy, die/den würde ich gern flachlegen. Äh, ja. Humor schön und gut, muss auch nicht immer anspruchsvoll sein, aber hier wirkt das dermaßen gewollt. Situationsbedingt hat mich der mangelnde Ernst echt genervt und das Mitfiebern erschwert. Vor allem am Anfang. Als die Handlung immer gehaltvoller wurde, empfand ich es nicht mehr als so schlimm.
Positivbeispiel ist „Neon Birds“ von Marie Graßhoff, wo die Protagonisten ebenfalls junge Erwachsene sind.

Die kapitelweise zwischen sieben Figuren wechselnde Ich-Perspektive im Präsens ist clever so gewählt, dass man nichts verpasst, ohne Wiederholungen auskommt und spannenderweise immer in Action ist. Je länger man liest, umso selbstverständlicher erkennt man anhand der Alleinstellungsmerkmale in der Wahrnehmung, im Denken und Fühlen, wen man begleitet. Ich nehme positiv wahr, wie die emotionale Bindung zunimmt, wobei insbesondere die Rückblicke auf die jeweilige Vergangenheit die Figuren tiefgründiger erscheinen lassen. Mein Liebling ist der Krieger Kal.

Ein großer Pluspunkt sind die vorkommenden verschiedenen Rassen, Familienverbände, Gebräuche, Tierwesen (z. B. Ultrasaurus), welche die futuristische Welt lebendig und greifbar und auch für Erwachsene komplex und interessant machen.
Stilistisch gelungen sind die betont kurzweilig gehaltenen Abschnitte an so manchem Kapitelende, welche dabei unterstützen, die Welt im 24. Jahrhundert verständlicher zu gestalten.
Der Roman verzichtet auf komplizierte Ausführungen zu Technik und Naturwissenschaften.
Ich halte den Roman für Neulinge im Genre Science Fiction für geeignet.

Das Ende mag ich, auch wenn es nicht widerspruchsfrei ist. Der Roman endet unabgeschlossen, scheint Band 1 einer Trilogie zu sein. Fairerweise werden die meisten offenen Fragen beantwortet und es gibt ein gutes Zwischenfazit mit neuer Ausgangslage. Ein roter Faden ist erkennbar. Der Abschluss gerät dramatisch, intensiv und atmosphärisch, ist mit bedeutungsvollen kurzen Sätzen versehen, bringt den nötigen Ernst mit und hat es geschafft, mich zu berühren und für die Geschichte im Ganzen einzunehmen.

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Veröffentlicht am 15.03.2021

Wohltuender Roman über die Selbstreflexion, Liebe und Kunst von Romy Schneider als junge, starke Frau

Romy und der Weg nach Paris
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Romy Schneider verband ich bisher mit den Sissi-Filmen, die ich trotz des hohen Kitschanteils gerne um Weihnachten herum sehe. Dieser Belletristik-Roman setzt an im April 1958, als sie im Alter von 19 ...

Romy Schneider verband ich bisher mit den Sissi-Filmen, die ich trotz des hohen Kitschanteils gerne um Weihnachten herum sehe. Dieser Belletristik-Roman setzt an im April 1958, als sie im Alter von 19 Jahren die drei Filme seit ein paar Monaten abgedreht hat, und spannt einen Bogen bis Mai 1962. Neben der Eltern-Tochter-Beziehung werden private und berufliche Erlebnisse rund um drei prägende Wegbegleiter beleuchtet: Liebhaber und Lebensgefährte Alain Delon, Regisseur Luchino Visconti und die 78-jährige Modeschöpferin Coco Chanel.

Der Erzähl- und Sprachstil passt und lässt sich leicht lesen. Ausländische Ausdrücke (österreichisch, französisch) werden erklärt und in kursiver Schrift abgesetzt, ebenso die emotional aufgeladenen und sehr gelungenen Rückblenden auf prägende Erlebnisse in der ansonsten chronologischen Handlung. Angenehm kurze Kapitel von etwa 6 Minuten animierten oft, noch ein bisschen weiter zu lesen. Dank Monatsangaben lassen sich gute Eindrücke zu Zeiträumen gewinnen. Struktur und roter Faden sind erkennbar.

Die Schilderungen imponieren, vor allem als die anfänglichen Wiederholungen in den Gedanken und Gefühlen zu ihrem Elternhaus seltener werden. Es ist spürbar: Eine junge Frau sagt Ja zum Leben, nabelt sich ab, wagt den Imagewandel, trotzt Widerständen.
Was andere Liebschaften und die finanzielle Abhängigkeit angeht, werden Konfrontationen nur angerissen. Zwecks noch mehr Emotionen hätte ich mir gewünscht, dass die Autorin den Finger in die Wunde legt, gegebenenfalls Fiktion beimischt und im Nachwort aufklärt. Dass Michelle Marly selbst in Paris lebte, äußert sich durch lebendige Eindrücke von der Stadt und ihren Eigenheiten inkl. des typisch französischen Lebensstils.
Das Nachwort ist ausführlich und informativ. Zusätzliche Angaben zu Quellen und Fiktionsgehalt hätten bereichert.
Es erfreut, gut unterhalten worden zu sein und Romy Schneider für mich neu entdeckt zu haben.

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