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Veröffentlicht am 19.07.2021

Ein hervorragend recherchierter, erschreckend lebensnaher Roman

Ohne Strom / Ohne Strom - Wo sind deine Grenzen? - Band 1
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Mit seinem Debütroman „Ohne Strom 1“ wagt sich Markus Mattzick gleich an eine ganz große Vision – mit Erfolg! Der erste von zwei zusammengehörigen Teilen schildert detailliert den rapiden Niedergang einer ...

Mit seinem Debütroman „Ohne Strom 1“ wagt sich Markus Mattzick gleich an eine ganz große Vision – mit Erfolg! Der erste von zwei zusammengehörigen Teilen schildert detailliert den rapiden Niedergang einer Gesellschaft, die ohne Strom nicht funktionieren kann.

Als plötzlich in ganz Deutschland ohne Vorwarnung sämtliche elektrischen Geräte zu funktionieren aufhören, bricht das Leben, wie wir es kennen, in sich zusammen. Keine Kommunikation, keine Produktion, keine Lieferketten, kein Transport … die rund 2000 Bewohnerinnen des kleinen Örtchens Umbach beginnen schnell damit, sich zu organisieren, aber wer sich zum Zeitpunkt der Katastrophe anderswo aufhielt, muss einen gefährlichen, langen Weg auf sich nehmen. Während bei ihrer Familie in Umbach alles Mögliche von Nahrungsbeschaffung über medizinische Versorgung bis zu Kommunikationswegen neu erschaffen werden muss, befindet sich Simone auf der gefährlichen Wanderung in ihr Heimatdorf und muss dabei feststellen, wie unterschiedlich die Menschen auf die Katastrophe reagieren – und welch schreckliche Blüten diese Reaktionen treiben können.

Auf jeder Seite des Romans wird deutlich, wie gut Hintergründe, mögliche Schwierigkeiten und Potenziale einer solchen Krise recherchiert wurden. Es ist erstaunlich, an was alles gedacht werden muss, wenn der schlimmste Fall eintritt, und entsprechend ist die Vielfalt der im Roman geschilderten Aspekte unglaublich spannend. Fast dokumentarisch wird erzählt, wie sich ein Dorf völlig neu organisiert und wie ein Land ins Chaos driftet. Dabei kommen unterschiedliche Stimmen zu Wort, die ganz unterschiedliche Ansätze verfolgen – manche bewahren ihre Integrität länger als andere, bei manchen ist die Zivilisationsdecke so dünn, dass es nur einen kleinen Kratzer braucht, um alle Hemmungen abzuwerfen.

Leichten Punktabzug gibt es für die oft etwas hölzernen Dialoge, die eine Distanz zwischen den Protagonist
innen und mir als Leserin herstellen. Der dokumentarische Stil passt hervorragend zur Beschreibung der Katastrophe und ihrer Auswirkungen, Emotionales bleibt dahinter allerdings oft zurück. Immer wieder sind Reaktionen einzelner Charaktere und Unterhaltungen eher unnatürlich, sodass die Identifikation schwerfällt.

Trotz dieser leichten Abstriche ist „Ohne Strom 1“ eine absolut bahnbrechende dystopische Fiktion mit vielen aktuellen Bezügen und Diskurspotenzial – die Lust auf den zweiten Band ist auch nach 500 Seiten ungetrübt. Wer sich auf ein intensives, detailliertes und spannendes Szenario einlassen möchte, wird sicher Freude an diesem Buch haben.

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Veröffentlicht am 10.07.2021

Ein starkes dystopisches Setting, das es sich in der Handlung manchmal etwas zu einfach macht

RC2722
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„RC 2722“ von David Moitet brilliert durch ein beklemmendes und erschreckend realitätsnahes Setting in der nahen Zukunft: Aufgrund des Klimawandels steigen die Temperaturen auf der ganzen Welt, und auch ...

„RC 2722“ von David Moitet brilliert durch ein beklemmendes und erschreckend realitätsnahes Setting in der nahen Zukunft: Aufgrund des Klimawandels steigen die Temperaturen auf der ganzen Welt, und auch in Frankreich wird das Wasser knapp. Der Strom der Klimaflüchtlinge geht gen Norden, dann breitet sich jedoch eine Krankheit rasant in den Lagern aus, die einen Großteil der Menschheit auslöscht und den Rest in unterirdische Bunker zwingt. Dort wächst der mittlerweile fast erwachsene Oliver auf und lernt nie etwas anderes kennen, bis sein Bruder an die Oberfläche verbannt wird und er ihm folgen muss.

Oliver stellt bald fest, dass die Erdoberfläche zwar einer Wüste ähnlich sieht und teils radioaktiv verstrahlt, aber keinesfalls völlig unbewohnbar und vom Virus verseucht ist. Gemeinsam mit der gleichaltrigen Tsché, einer hartgesottenen jungen Frau, die sich schon lange in der rauen Wüste durchschlägt, macht er sich auf die Suche nach seinem Bruder. Dabei lernt er schnell die mannigfaltigen Gefahren dieser Welt kennen, die meistens von skrupellosen Mitmenschen und der unbarmherzigen Umwelt ausgehen. Nach und nach erfährt er, wie es zu dieser Katastrophe kommen konnte, und lernt einiges über seine eigene Familiengeschichte.

Die düster geschilderte Welt und das faszinierende Setting machen dieses Jugendbuch zu einer unterhaltsamen Lektüre mit viel aktuellem Potenzial. Leider verläuft die Handlung stellenweise jedoch recht oberflächlich und vorhersehbar und wird damit dem äußerst spannenden Setting nicht ganz gerecht. Viele Konflikte lösen sich zu einfach auf, wodurch die erbarmungslose verbrannte Erde und die brutale Vergangenheit auf merkwürdige Art konterkariert werden. So bleibt einiges etwas unbefriedigend – es ist zwar ein Jugendbuch, jedoch könnte man hier auch jüngeren Lesenden durchaus etwas mehr zumuten.

Alles in allem ein spannendes Buch mit vielen aktuelle Bezügen, einem atmosphärischen Setting und einer gut durchdachten Prämisse. Kleine Abzüge gibt es für die oft etwas stark vereinfachte Handlung, jedoch bleibt das Buch eine Leseempfehlung für Lesende ab 12 Jahren, die Lust auf Dystopien haben.

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Veröffentlicht am 10.07.2021

Charmante Urlaubslektüre mit viel Humor

Erben wollen sie alle
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Was macht man, wenn die eigene Mutter vermeintlich einem Erbschleicher auf Mallorca ins Netz gegangen ist und man seine Felle bezüglich des Erbes schwimmen sieht? Richtig, man packt die Koffer und reist ...

Was macht man, wenn die eigene Mutter vermeintlich einem Erbschleicher auf Mallorca ins Netz gegangen ist und man seine Felle bezüglich des Erbes schwimmen sieht? Richtig, man packt die Koffer und reist spontan nach Mallorca! Das zumindest tun Anja mit Tochter Luisa und ihr Bruder Steffen mit Frau Yvonne, als sie hören, dass ihre Mutter Bianca das Anwesen auf Mallorca verkaufen und das zukünftige Erbe auf einer Weltreise mit dem neuen Lover Wolfgang durchbringen will. Das Chaos ist vorprogrammiert, denn der Kontakt ist seit dem Tod des Vaters spärlich, und einige Geheimnisse aus der Vergangenheit hängen über den Köpfen der Familie. Nur Enkelin Luisa pflegt eine innige Beziehung zu ihrer Oma und unterstützt sie tatkräftig im Umgang mit der lieben Familie.

Mit viel Humor und Liebe zu ihren Charakteren erzählt Tessa Hennig in „Erben wollen sie alle“ eine turbulente Geschichte über Selbstbestimmtheit im Alter, die Wichtigkeit von Familie – und über das herrliche Leben im Urlaubsparadies Mallorca, das in schillernden Farben geschildert wird. Das Buch ist eine unterhaltsame Urlaubslektüre, die jedoch auf leichtfüßige Art und Weise auch schwierige Themen wie Demenz anspricht.

Trotzdem bleibt „Erben wollen sie alle“ vor allem eine Familienkomödie – diesem Genre geschuldet kommt es manchmal zu recht vorschnellen Entscheidungen und rasanten Entwicklungen, die mich als Leserin bisweilen etwas ungläubig zurückgelassen haben. Der Wohlfühlfaktor ist jedoch unbestreitbar, und so ist „Erben wollen sie alle“ ein empfehlenswertes Buch für alle, die nach einer leichten Lektüre am Strand oder im Liegestuhl auf Balkonien suchen.

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Veröffentlicht am 30.06.2021

Wie ein faschistischer Staat entsteht – ein erschreckendes Szenario

Die Morgenröte – Sie nehmen dir dein Leben
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Mit „Die Morgenröte“ entwirft Noah Richter eine schockierende alternative Realität für das Jahr 2021, die so wirklichkeitsnah daherkommt, das einem angst und bange wird. Als der Youtuber Georg Herzfeld ...

Mit „Die Morgenröte“ entwirft Noah Richter eine schockierende alternative Realität für das Jahr 2021, die so wirklichkeitsnah daherkommt, das einem angst und bange wird. Als der Youtuber Georg Herzfeld den Popstar Götz Wolf auf seinem Weg zum Bundeskanzler unterstützt, ahnt er noch nicht, dass er sich mitten im Aufbau einer neofaschistischen Bewegung befindet, angeleiert von der reichen Amalia von Bülow und dem skrupellosen Spindoctor Lorenz Ziffer. Als ihm diese Gefahr bewusst wird, ist es bereits zu spät und er steckt bis über beide Ohren in der Sache drin …

In präzisen Worten und in journalistischem Stil erzählt Noah Richter von der Eskalation der Meinungsmache und der Aushöhlung der Demokratie – und zwar voller Elan, unter jubelndem Beifall und tosendem Applaus, mit Merchandise und Musik. Götz Wolf bringt ein gewaltiges Charisma mit, das seine Anhänger an seinen Lippen kleben lässt – und sie glauben ihm alles, auch die vergifteten Worte, die ihm „aus dem Off“ in den Mund gelegt werden. Er ist allerdings mehr als eine Marionette und der Dreh- und Angelpunkt der Bewegung. Georg ist anfangs ebenso hingerissen von ihm wie seine Fans, ignoriert die warnende Stimme seiner Freundin im Hintergrund und stürzt sich voller Elan in das Abenteuer. Dabei ist nicht ausschließlich Naivität seine Triebkraft, sondern der Wunsch nach einer Vaterfigur, aber auch finanzielle Sorgen, denn Georg droht eine kostspielige Klage aufgrund einer aus dem Ruder gelaufenen Enthüllungsepisode seiner Show.

So vielschichtig und interessant die Charaktere konzipiert sind, so wenig emotional erscheint der Roman. Hier liegt vielleicht seine einzige Schwäche. Denn während das erdachte Szenario hervorragend gestaltet ist, bleiben die Charaktere stets auf Distanz. Der Stil entspricht eher einer Chronologie, einem Enthüllungsartikel, und lässt nicht allzu viel Empathie zu. Das mindert das literarische Erlebnis ein klein wenig, untermalt dafür aber kraftvoll die Dystopie – die sich unerträglich nah an unserem heutigen Alltag bewegt und durch viele Verankerungspunkte in der Realität eine schockierende Nähe schafft.

Ein starkes Buch über den Faschismus, in dem Emotionen etwas zu kurz kommen, das aber vor allem durch ein herausragend erdachtes, realitätsnahes Szenario besticht. Es sollte uns allen eine Warnung sein!

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Veröffentlicht am 08.06.2021

Humorvoll, scharfzüngig und unterhaltsam – und oft aus dem Leben gegriffen

Nachrichten von Männern
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„Nachrichten von Männern“ liefert, was man sich von den Autorinnen Katja Berlin und Anika Decker erwartet hat: gute Unterhaltung mit viel Selbstironie, ein scharfer Blick auf die Dinge und viele Momente ...

„Nachrichten von Männern“ liefert, was man sich von den Autorinnen Katja Berlin und Anika Decker erwartet hat: gute Unterhaltung mit viel Selbstironie, ein scharfer Blick auf die Dinge und viele Momente des bestätigenden schmunzelnden Nickens.

Das Buch stellt 37 verschiedene „Männertypen“ vor, die aus über Jahre hinweg gesammelten Textnachrichten hervorgehen, darunter etwa „Der Einsilbige“, „Der Autoverkäufer“ oder „Die Massenkarambolage“. In kurzen, knackigen Kapiteln werfen die Autorinnen einen humorvoll-analytischen Blick auf (anonymisierte) Nachrichten, die so tatsächlich an sie oder Frauen in ihrem Umfeld versendet wurden. Da muss frau schon manchmal ungläubig lachen, findet aber erschreckend vieles auch in ihrer eigenen Chat-Biographie wieder.

Der Schreibstil dieses kurzen Büchleins ist flott, locker und stets mit einem Augenzwinkern versehen. Ab und zu blitzen für meinen Geschmack ein paar Klischees zu viel durch (sowohl auf männlicher als auch auf weiblicher Seite), insgesamt ist „Nachrichten von Männern“ jedoch ein großer Lesespaß. Zugegeben: Sehr viel lernen kann man daraus nicht, sich aber prächtig darüber amüsieren. Der Humor steht eindeutig im Vordergrund, sodass Kritik oder auch echte Hinweise, wie frau mit manchem Männertyp umgehen könnte, wenig vertreten sind.

„Nachrichten von Männern“ ist für mich eine ideale Lektüre für zwischendurch, mit viel Unterhaltungspotenzial, aber etwas weniger Anspruch als erwartet. Insgesamt trotzdem ein tolles Buch und zwei starke Frauenstimmen, von denen ich gerne immer mehr lesen möchte!

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