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Veröffentlicht am 18.03.2023

Ein kurzweiliger Krimi mit norddeutschem Hochsommer

Tod am Wockersee
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„Tod am Wockersee“ ist der erste Krimi aus der Feder von Carolyn Srugies. In diesem ermittelt Henri Martensen in einem Cold Case-Fall in seinem Geburtsort Parchim. Erschienen ist das Buch beim Spica Verlag ...

„Tod am Wockersee“ ist der erste Krimi aus der Feder von Carolyn Srugies. In diesem ermittelt Henri Martensen in einem Cold Case-Fall in seinem Geburtsort Parchim. Erschienen ist das Buch beim Spica Verlag im März 2022.

Eine Autopanne verschlägt Henri Martensen zurück in seine Geburtsstadt Parchim. 27 Jahre zuvor hatte er diesen sofort nach seinem Abitur verlassen und wollte eigentlich nie zurückkehren. Natürlich bleibt sein Auftauchen im Ort nicht unbemerkt und schnell stößt er auf den Todesfall seines ehemaligen Lehrers. Dieser wurde tot aus dem Wockersee geborgen und zeitgleich mit ihm sind zwei weitere Klassenkameraden aus dem Ort verschwunden. Dieser Umstand lässt ihm keine Ruhe und so beginnt er zu ermitteln. Dabei trifft er auch auf seine Jugendliebe Ina, die eine echte Überraschung für ihn bereithält.

Das mit den Krimis und mir scheint echt zu werden. Ich werde auch in Zukunft nicht massenhaft Krimis lesen, aber ich denke, ich habe meinen Zugang gefunden und kann so mehr Abwechslung in meine gelesenen Bücher bringen. In diesem Fall haben wir es mit einem Cosy Crime zu tun und da es in letzter Zeit sehr stressig auf Arbeit bei mir war, war das genau das Richtige.
Der Einstieg in diesen Roman war gut. Der norddeutsche Sommer zeigt sich von seiner besten Seite und ich konnte mir Parchim und den Wockersee sehr gut vorstellen. Es lässt sich locker und flockig lesen, so dass ich schnell durch die Seiten geflogen bin.
Vom Spannungsbogen her war es die meiste Zeit eher gleichbleibend. Ich habe Parchim und die Menschen, die in diesen Ort leben, kennen gelernt. Alte Freundschaften werden wieder reaktiviert, alte Konflikte werden aufgearbeitet. Henri Martensen ermittelt privat im Mordfall seines ehemaligen Lehrers. Es dauert bis sich ein Bild zusammensetzt und erst zum Schluss kommt Spannung auf und das Drama kann sich entfalten.
Dies war kein Buch, in dem ich mich besonders intensiv mit den Personen identifiziert hätte. Manche sind mir sympathisch, andere eher weniger. Henri Martensen war mir größtenteils sympathisch. Er ist alleinerziehender Vater von drei Kindern, was ich mir als Hauptkommissar bei der Polizei nicht ganz einfach vorstelle. Zur Unterstützung hat er seine Schwiegermutter an seiner Seite. Ich kann das schwer in Worte fassen, was mir nicht so gut an ihm gefiel, weil es eher so unterschwellig vorhanden war. Seine Jugendliebe Ina fand ich durchaus sympathisch, aber sie ist mir extrem mit ihrer Eifersucht auf die Nerven gegangen. Ich empfand beide in dieser Situation mit ihrer aufgewärmten und wieder entdeckten Liebe als teilweise nicht sehr erwachsen.
Der Rest der Truppe in diesem Buch hat einen bunten Mix an Charakteren ergeben und dieser Mix hat mir gefallen, auch wenn viele bestimmte Rollen erfüllt haben. Es gibt die Petze von früher, den ehemaligen besten Freund, der sauer ist, die arrogante Schönheit, die sehr viel Wert auf ihre Außenwirkung legt, den ehemaligen Klassenkameraden, der auf die schiefe Bahn geraten ist, etc.
Sehr unterhalten haben mich auf jeden Fall die Geschichten von Metke, einer Tochter Henri Martensens. Diese haben das Buch immer wieder aufgelockert und für die ein oder andere amüsante Szene gesorgt. Den Mordfall fand ich auch interessant, aber es ist auch nichts was mich groß vom Hocker gerissen hat. Dies ist, denke ich, bei einem Cosy Crime auch normal. Man soll sich wohlfühlen, dazu gibt es ein bisschen Ermittlungen, wo man mitraten kann. Das hat das Buch im Großen und Ganzen erfüllt und ich habe sogar noch ein bisschen was über Betrugsfälle in der DDR rund um den Mauerfall gelernt.

Fazit: Ein Krimi, der sehr kurzweilig ist und einen durchaus interessanten Mordfall zu bieten hat. Der norddeutsche Hochsommer zeigt sich von seiner besten Seite und ich habe mich in Parchim und am Wockersee sehr wohlgefühlt. Wer einen unterhaltsamen Krimi für zwischendurch sucht, ist bei diesem Buch genau richtig.

Veröffentlicht am 25.02.2023

Ukrainische Geschichte aus Sicht einer ukrainischen Nachfahrin

Aleksandra
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In „Aleksandra“ von Lisa Weeda geht es um die Ostukraine und ihre Geschichte, erzählt aus der Sicht einer Nachfahrin dieser Region. Erschienen ist der Roman im Februar 2022 im Kanon-Verlag.

Lisa Weedas ...

In „Aleksandra“ von Lisa Weeda geht es um die Ostukraine und ihre Geschichte, erzählt aus der Sicht einer Nachfahrin dieser Region. Erschienen ist der Roman im Februar 2022 im Kanon-Verlag.

Lisa Weedas Oma heißt Alexandra und ist in der Ostukraine geboren und aufgewachsen. Sie bittet ihre Enkelin darum nach Lugansk zu fahren. Ihr Onkel Kolja ist 2015 verschwunden und kann keine Ruhe finden, solange das Grab nicht gefunden worden ist. Sie macht sich auf den Weg, doch der Soldat am Grenzposten warnt sie, dass Lugansk gefährlich ist und sich nicht für einen kurzen Besuch eignet. Sie flieht über ein Feld und landet auf wundersame Weise im verlorenen Palast des Donkosaken. Dort trifft sie ihren Urgroßvater Nikolaj, der ihr die Geschichte der Ostukraine und der Donkosaken sowie die Geschichte ihrer Familie erzählt. Doch findet sie auch Kolja und kann ihm die Ruhe bringen, die sich ihre Großmutter so sehr für ihn wünscht?

Zu diesem Buch hatte ich tatsächlich eine mail von netgalley in meinem Postfach und da ich mich gerade sehr für die Ukraine und ihre Geschichte interessiere, hat mich ein Roman zu diesem Thema, der die Sichtweise der Ukrainerinnen schildert sehr interessiert. Lisa Weeda lebt in den Niederlanden und sie selber musste nicht vor dem aktuellen Konflikt fliehen, aber ihre Familie hat eine sehr wechselvolle Geschichte zu erzählen. Noch ein interessanter Fakt zu diesem Buch. Dieses wurde aus dem niederländischen ins Deutsche übersetzt.
Die Autorin holt einen mit starken Bildern ins Buch hinein. Man kann sich den Checkpoint in Lugansk sehr gut vorstellen, aber auch die Anmerkungen zu Beginn des Buches sind interessant. Die Geschichte hat eine sehr eigene Sprache, die einen dennoch in ihren Bann zieht. Das eine Nachfahrin dieser Region das Buch geschrieben hat, kann man auf jeder Seite spüren. Leider wird hier viel in Monologen erzählt. Ich habe quasi immer jemanden zugehört, der mir gerade diese Geschichte erzählt. Das hat etwas sehr nahbares, hat es manches Mal allerdings eher zäh gemacht.
Ich fand das Buch ein wenig wirr aufgebaut. Es gibt einen Wechsel zwischen unterschiedlichen Perspektiven und Zeiträumen. Am besten konnte ich das noch unterscheiden, wenn ich mich im Jahre 2018 befand. Mal war ich mit Lisa im Palast des verlorenen Donkosaken, dann erzählt wieder ihre Großmutter, ihr Urgroßvater oder auch Hirsche, die die Ereignisse rund um Koljas Verschwinden beobachten.
Dabei wurde ich auf eine Reise durch die Geschichte der Ostukraine und der Region Lugansk entführt. Es geht in diesem Roman um die Proteste auf dem Maidan, um die Zeit im Sowjetreich und den zweiten Weltkrieg, die Annektion der Krim und das einstmals Donkosaken auf diesem Gebiet lebten. Hier ist wirklich sehr viel Wissen über die Region und die Mentalität der Menschen eingewoben und das kann fast schon etwas viel werden. Durch das Lesen einiger Sachbücher zu diesem Thema hatte ich schon ein gewisses Vorwissen und habe vieles wiedererkannt. Ihr braucht aber kein Vorwissen zur Geschichte der Ukraine haben, um dieses Buch lesen zu können. Allerdings würde ich nach dem Lesen des Buches empfehlen, sich über andere Quellen weiter über die Geschichte der Ukraine zu informieren. Dieses Buch enthält eine Perspektive und Sichtweise auf die Ereignisse.
Sehr gefallen hat mir die Symbolik in diesem Buch. Es wird mit Farben gearbeitet, mit oben erwähnten Hirschen und noch einigem mehr. Lisa Weeda hat einige russische Begriffe im Buch untergebracht. Einiges wird in den Anmerkungen zu Beginn des Buches erläutert, anderes direkt im Roman. Ich fand das sehr schön und habe mich sehr gefreut als ich das ein oder andere auch ohne Erklärung verstanden habe. Ich lerne ein paar russische Floskeln und Worte, da der Sohn einer Freundin zweisprachig erzogen wird.
Dadurch das dieses Buch teilweise eher einem Bericht gleicht, habe ich nicht so sehr mit den Protagonisten in diesem Buch mitgefiebert. Mir wurde die Familiengeschichte von einem Verwandten erzählt. Ich war interessiert dabei und empfand es durchaus als eine bemerkenswerte Geschichte, bin allerdings nicht so sehr eingetaucht, als das ich alles mitgefühlt hätte. Es stecken sehr viele Emotionen in den Ereignissen drin. Für mich hätte es anders erzählt werden müssen, damit ich diese spüren kann.
Viel Zusatzmaterial gibt es in dem Buch nicht. Ihr bekommt die Anmerkungen zu Beginn des Buches und im ebook gab es am Ende nochmal eine Karte der Ukraine und des Donbass. Das ist für dieses Buch vollkommen ausreichend. Da dieses Buch anscheinend in Zusammenarbeit mit der bpb entstanden ist, hätte ich mir vielleicht am Ende noch ein kleines Verzeichnis mit weiterführender Lektüre gewünscht.

Fazit: Ein Buch, dass die Geschichte der Ostukraine und der Region Lugangsk erzählt und so einen guten Einblick darauf gibt, wie Ukrainer
innen und deren Nachfahren das aktuelle Geschehen dort empfinden. Dabei muss man Bedenken, dass dies nur eine Perspektive darauf ist. Ich mochte die Symbolik im Buch. Die monologartige Erzählweise war nicht so ganz meins. Ein guter Einstieg, um sich anschließend noch näher mit dem Thema beschäftigen zu können.

Veröffentlicht am 21.08.2021

Gute Unterhaltung und diverse Repräsentation inkl. Sensitivity Reading

Behemoth
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In „Behemoth“ von T. S. Orgel geht es um drei Generationenschiffe im Kampf um neue Ressourcen als sie nach 150 Jahren ein verlorenes Raumschiff entdecken. Die Space-Opera ist im Mai 2021 bei Heyne erschienen. ...

In „Behemoth“ von T. S. Orgel geht es um drei Generationenschiffe im Kampf um neue Ressourcen als sie nach 150 Jahren ein verlorenes Raumschiff entdecken. Die Space-Opera ist im Mai 2021 bei Heyne erschienen.

Als das Leben auf und um die Erde herum immer unwirtlicher wird, werden drei Generationenschiffe ins Weltall auf die Such nach einem habitablen Planeten entlassen. Schon von Beginn an setzt jedes Schiff auf eine eigene besondere Eigenschaft und im Laufe ihrer langen Reise haben sich die Besatzungen auseinander entwickelt. Als dann ein Raumschiffwrack entdeckt wird, entbrennt ein erbitterter Kampf. Die 150jährige Reise durchs All ist nicht spurlos an den Schiffen vorbeigegangen und es werden dringend neue Ressourcen benötigt, gleichzeitig wissen die Menschen allerdings nicht, was sie auf dem Wrack erwartet.

Ich war sofort neugierig auf dieses Buch als ich es in der Vorschau entdeckt habe. Das mit dem Wrack im All und dem nicht Wissen, was einen erwartet klang unheimlich und Menschen, die sich auseinander entwickelt haben, klang auch spannend. Andererseits wusste ich nicht so recht, ob es das richtige Buch für mich ist, weil es auch nach langer Reise durchs Weltall auf einem Raumschiff klang. Den ausschlaggebenden Punkt zum Lesen hat tatsächlich die Tatsache gegeben, dass es in diesem Buch zum Thema Leben mit nur einem Auge ein Sensitivity Reading gab.
Der Schreibstil des Autorenduos hat mir gefallen. Ich war schnell in der Geschichte drin und konnte mir die verschiedenen Schauplätze gut vorstellen. Ich persönlich empfand das Buch nicht als allzu technisch oder wissenschaftlich. Ein gewisses Grundinteresse sollte für diese Themen vorhanden sein, aber es ist nichts dabei, was man sich nicht mit ein bisschen Fantasie gut vorstellen kann.
Der Spannungsbogen war für mich lange Zeit relativ gleichbleibend bevor es zum Schluss richtig zur Sache geht. Die Geschichte wurde langsam aufgebaut, Neugier wurde geweckt und man hat die Besatzungen der einzelnen Schiffe kennengelernt. Zu Beginn gibt es noch zwei Zeitebenen, was sich allerdings recht schnell auflöst, da hier nur die Grundlage für die weitere Geschichte geschaffen wird.
Ich fand die unterschiedlichen Ansätze der einzelnen Schiffe sehr spannend und möchte hier noch nicht zu viel verraten. Das Autorenduo hat hier ein bisschen mit der Erwartungshaltung des Lesers gespielt und dadurch wirkt es zum Teil etwas klischeehaft. Um hier nur ein Beispiel zu nennen: Eines der Schiffe heißt Tereschkowa und dieses Raumschiff ist nach 150 Jahren im All ein Schrotthaufen, bei dem man sich wundert, dass da überhaupt noch was funktioniert.
Es gab für mich bei diesem Buch mehrere Personen, mit denen ich mitgefiebert habe, ich habe mich aber mit niemanden besonders verbunden gefühlt. Wir gucken von außen auf die Geschichte und beobachten die Ereignisse und sind an diesen beteiligt. Wir erfahren etwas über das Zusammenleben und der Gesellschaftsstruktur auf den einzelnen Schiffen. Sehr spannend wurde es für mich als die Menschen aus den jeweiligen Schiffen aufeinander getroffen sind. Hier geht es dann auch viel darum Vorurteile zu überwinden, die über den langen Zeitraum entstanden sind und seinen eigenen Verstand zu benutzen und nicht nur blind zu folgen.
Assa wird mir wahrscheinlich mit am meisten in Erinnerung bleiben, weil mich ihre Witze immer wieder zum Schmunzeln gebracht haben und diese die Geschichte ein wenig lockerer gemacht haben. Bei Assa sind wir beim Thema Sensitivity Reading angekommen. Assa hat nur ein Auge, benutzt aber zeitweise ein bionisches Auge. Ich denke schon, dass das Sensitivity Reading etwas zur realistischeren Darstellung beigetragen hat, kann hier aber nur von meinem Gefühl ausgehen, da ich selber nicht betroffen bin. Es gab auf jeden Fall einige Szenen, wo ich mir gut vorstellen kann, dass diese durchs Sensitivity Reading verbessert wurden.
Das Buch hat ein halboffenes Ende. Die Geschichte an sich wird in diesem Buch abgeschlossen, es gäbe aber auf jeden Fall auch Raum für ein weiteres Buch. Ich hätte auf jeden Fall noch einige offene Fragen, die mich interessieren würden. Man kann das Buch allerdings auch gut alleine stehen lassen. Einiges wurde, denke ich, bewusst nicht ganz klar beantwortet, damit man seine eigenen Schlüsse ziehen kann.
Am Ende des Buches gibt es ein Personenverzeichnis und ein Glossar zu wichtigen Begrifflichkeiten. Ein ausführliches Nachwort gibt es nicht, was noch mal mehr zeigt, finde ich, dass es hier nicht zu technisch oder wissenschaftlich zugeht, sonst hätte man dazu sicher noch mehr in einem Nachwort zu lesen können.

Fazit: Eine interessante Geschichte, die einen weit in die Zukunft führt und das Leben auf drei unterschiedlichen Raumschiffen zeigt. Ein Buch, dass mit der Erwartungshaltung der Leser spielt und in Sachen diverser Repräsentation einiges zu bieten hat. Empfehlenswert für alle, die Space Operas mögen und die, die es noch werden wollen.

Veröffentlicht am 14.08.2021

Eine Zukunftsszenario, dass ich mir gut vorstellen kann

Der Muttercode
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„Der Muttercode“ ist Carole Stivers Debütroman und wurde direkt in mehrere Sprachen übersetzt. Wir begleiten Kai und seine Mutter Rho-Z durch eine postapokalyptische Welt. Erschienen ist der Roman im Juli ...

„Der Muttercode“ ist Carole Stivers Debütroman und wurde direkt in mehrere Sprachen übersetzt. Wir begleiten Kai und seine Mutter Rho-Z durch eine postapokalyptische Welt. Erschienen ist der Roman im Juli 2021 bei Heyne.

Durch eine außer Kontrolle geratene Bio-Waffe wurde ein großer Teil der Menschheit ausgelöscht, doch bevor die Apokalypse voll zuschlagen konnte, wurde noch ein geheimes Projekt auf den Weg gebracht, dass das Überleben der Menschheit an sich gewährleisten sollte. Es wurden Roboter erschaffen, die Kinder zur Welt bringen können und sich um diese kümmern bis diese alleine zurechtkommen. Zu diesem Zweck wurde den Robotern ein sogenannter „Muttercode“ eingepflanzt. Rho-Z ist so eine Mutter. Ihr Sohn heißt Kai und sie hat sich viele Jahre um ihn gekümmert bevor sie sich eines Tages dazu entscheiden, sich auf die Suche nach weiteren Müttern und ihren Kindern zu machen.

Von der Idee einer Robotermutter war ich sofort begeistert und es war klar, dass ich das Buch direkt nach erscheinen lesen muss. Ich stehe total auf solche Gedankenexperimente und bin gespannt was Autor*innen für Ideen in dieser Hinsicht haben.
Ich war schnell im Buch drin und konnte mir alles sehr gut vorstellen. Die Geschichte wird anfangs auf zwei Zeitebenen erzählt. Wir erleben die Katastrophe mit, die zum aussterben der Menschen führt und was getan wird, um zumindest einem kleinen Teil das Überleben zu sichern und auf der zweiten Zeiteben sehen wir, wie die Kai mit seiner Robotermutter in der Wüste lebt und überlebt und sich irgendwann auf die Suche nach weiteren Kindern macht. Im zweiten Teil des Buches werden diese beiden Zeitebenen schließlich zusammengeführt.
Carole Stivers hat für diesen Roman ihr Fachwissen in Sachen Biochemie genutzt. Eine Biowaffe, die letztendlich außer Kontrolle gerät, ist für mich persönlich ein realistisches Szenario. Ob es aber nun genauso wie im Buch vonstatten gehen kann, habe ich nicht nachgeprüft und auch die Idee mit dem Muttercode, der in die Roboter eingepflanzt wird, fand ich sehr interessant. Ich konnte den Ideen und Erklärungen im Buch gut folgen, es werden allerdings auch Fachbegriffe aus unterschiedlichen Bereichen verwendet. Hierzu gehören z.B. moderne Computertechnologien, Genetik, Biochemie und auch Psychologie.
Ich hatte nicht erwartet, dass sich dieser Roman zu großen Teilen, wie ein Thriller liest. Es geht teilweise sehr rasant zu, man erlebt den typischen Wettlauf mit der Zeit, unterschiedliche Ideen konkurrieren miteinander, es werden voreilige Schlüsse gezogen. Das ist sehr spannend und hat mir durchaus gefallen. Ich lese ja auch gerne Techno-Thriller. Es ist manchmal etwas schwierig mit der eigenen Erwartungshaltung. Ich hatte eigentlich gedacht, dass man fast ausschließlich bei den Kindern und ihren Robotermüttern ist in diesem Roman. Das wir sehen, wie Kinder sich entwickeln, wenn ein Roboter sich um diese Kinder kümmert, der eben mit einem Muttercode ausgestattet wurde. Das bekommt man hier auch und eigentlich müsste ich daher sagen, ich habe mit diesem Roman mehr bekommen als ich erwartet hatte, allerdings war der Part mit den Müttern und der Beziehung zu ihren Kindern durch diesen zweiten Erzählstrang eben auch kürzer gehalten und ich hätte tatsächlich auch einen Roman gelesen und spannend gefunden, der sich nur mit dieser Ebene beschäftigt und dementsprechend ausführlicher in dieser Hinsicht ist.
Zum Glück hat es keine überhand genommen, aber gerade in der Beziehung der Menschen zueinander gab es teilweise echt problematische Verhaltensweisen, die bei mir einen etwas faden Beigeschmack hinterlassen haben. So wurde z.B. die eigene Machtposition ausgenutzt, um alles über die Person herauszufinden, in die man sich verliebt hat oder es wurden Personen in Sippenhaft genommen und es findet keinerlei Einordnung statt, dass dieses Verhalten falsch ist. Ich glaube tatsächlich viele werden da einfach drüber hinweglesen und das als normales menschliches Verhalten einordnen.
Die Geschichten der Personen in diesem Buch habe ich dennoch größtenteils gerne mitverfolgt. Beziehungen zueinander spielen in diesem speziellen Szenario eine wichtige Rolle, immerhin lebten die Kinder in den ersten Jahren komplett alleine nur begleitet und erzogen von ihrer Robotermutter. Allein hieraus ergeben sich viele interessante Fragestellungen. Kai und Sela sind die Kinder, die wir hierbei am meisten kennen lernen. Ihre Robotermütter haben sie unterschiedlich geprägt, dennoch sind sie neugierig aufeinander und entwickeln eine starke Bindung zueinander.
Auch im anderen Handlungsstrang rund um die kommende Apokalypse lernen wir spannende Charaktere kennen. Jeder hat hier sein Feld der Expertise und hält so das Projekt am laufen. Rick Blevins erfüllt hier die militärische Seite, Rose McBride ist an der Ausgestaltung des Muttercodes beteiligt, Wissenschaftler wie James Said arbeiten an einem möglichen Gegenmittel und Kendra beispielsweise ist für die Computerseite zuständig. Es gibt aber noch einige weitere Personen, über die ich an dieser Stelle noch nichts verraten möchte. Hier kommen so philosophische Fragen ins Spiel, wie z.B. die was bleibt, wenn man nicht mehr ist oder ob man sein Leben anders gestaltet hätte, wenn man von der kommenden Katastrophe gewusst hätte oder ob es besser ist nicht Bescheid zu wissen.
Umfangreiches Zusatzmaterial gibt es nicht. Die Geschichte steht für sich und alles Wichtige zum Verständnis wird im Roman selber erklärt. Am Ende findet sich lediglich eine etwas ausführlichere Danksagung.

Fazit: Ein Science-Fiction Roman, dessen Idee mich sofort catchen konnte. Kleinere Schwächen in der Umsetzung und meine persönliche Erwartungshaltung haben den Lesespaß ein wenig getrübt. Wenn ihr Techno-Thriller und Postapokalypse in einem Roman sucht, seid ihr bei „Der Muttercode“ auf jeden Fall an der richtigen Adresse.

Veröffentlicht am 12.06.2021

Das Istanbul des 16. Jahrhunderts und seine Bauten zum Leben erweckt

Der Architekt des Sultans
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Elif Shafak erzählt in „The Architect‘ Apprentice“ vom Leben Jahans, der im 16. Jahrhundert zusammen mit einem weißen Elefanten nach Istanbul kam und Lehrling Sinans wurde, der als berühmtester Architekt ...

Elif Shafak erzählt in „The Architect‘ Apprentice“ vom Leben Jahans, der im 16. Jahrhundert zusammen mit einem weißen Elefanten nach Istanbul kam und Lehrling Sinans wurde, der als berühmtester Architekt des osmanischen Reiches in die Geschichte einging. Erschienen ist der Roman bei penguin im November 2014. Das Buch ist auf Deutsch unter dem Titel „Der Architekt des Sultans“ erhältlich.

Istanbul im 16. Jahrhundert: Jahan erreicht als 12jähriger Junge Istanbul an Bord eines Schiffes zusammen mit einem weißen Elefanten, der ein Geschenk für den Sultan ist. Während eines Feldzuges des Sultans trifft er auf den Architekten Sinan, der ihn fortan unter seine Fittiche nimmt. Auch Chota, der weiße Elefant, ist auf den künftigen Baustellen gerne gesehen und so bauen sie gemeinsam Moscheen, Aquädukte, Paläste und Mausoleen, die viele Jahrhunderte überdauern sollen. Doch nicht alles läuft so gut wie es den äußeren Anschein hat. Jahan muss lernen mit den Unwägbarkeiten des Lebens zurechtzukommen und nicht jeder ist ihm auf seinem Weg wohlgesonnen.

2019 auf der Buchmesse hatte ich mir vorgenommen ein Buch von Elif Shafak zu lesen und nun habe ich dieses Vorhaben endlich umgesetzt. Während der Literaturgala hat sie mich sehr beeindruckt und auch die kurze Lesung aus einem anderen Buch hatte mir sehr gefallen. Meine Wahl ist auf Grund der Zeit, in der es spielt, auf „The Architect’s Apprentice“ gefallen.
Der Schreibstil zieht einen sofort in seinen Bann. Ich konnte mir Istanbul und seine Bauten sowie die Leute, die in dieser Stadt leben, sehr gut vorstellen. Mit dem Englisch im Buch kam ich gut zurecht. Ich habe aber auch neue Worte gelernt, für die ich bisher andere englische Begriffe im Kopf hatte.
Der Erzählstil hat mir gut gefallen. Die Geschichte wird chronologisch erzählt, aber es gibt auch jederzeit etwas fürs Leben zu lernen. Jahan kommt mit 12 nach Istanbul und die Geschichte endet am Ende seines Lebens mit fast 100 Jahren. Wir wachsen mit Jahan mit, mit seinen Erfahrungen, seinen Erfolgen, seinen Rückschlägen. Welchen Menschen kann er trauen und wem nicht. Ich habe Jahans Weg gerne verfolgt und mochte seine Freundschaft mit dem weißen Elefanten sehr. Es ist aber nichts, wo man total mitfiebert. Man verfolgt das Geschehen, genießt die tolle Sprache Elif Shafaks und versucht seine eigenen Schlüsse aus den Ereignissen zu ziehen. Ich glaube, jeder, der das Buch liest, wird etwas ganz eigenes für sich mitnehmen, je nachdem welchen Erfahrungshorizont diese Person besitzt.
Chota, den weißen Elefanten, mochte ich sehr gern. In jedem Teil der Geschichte hat er eine wichtige Rolle gespielt, war dabei aber nie Mittelpunkt der Geschichte. Er hat Krieg gesehen, auf Baustellen gearbeitet, Geheimnisse beobachtet, wurde von Jahan umsorgt und war ihm in allen Lebenslagen eine wichtige Stütze. Lediglich eine Sache fand ich sehr schade. Oft wurde Chota als Biest bezeichnet, selbst von Jahan, was ich sehr respektlos empfand. Es mag zu der Zeit so gewesen sein, dass man Elefanten oder große Tiere allgemein so bezeichnet hat und 1-2 mal im Buch hätte mich das in bestimmten Situationen auch nicht gestört. Meiner Meinung kam das zu häufig vor und hätte so manches Mal auch anders gelöst werden können.
In die Geschichte rund um Jahan und Chota ist die Stadt Istanbul und das Leben in dieser Stadt im 16. Jahrhundert eingewoben. Wir erfahren etwas über die Sultane jener Zeit und deren Kriege. Wir erleben, was es bedeutet, in einer Stadt zu wohnen, in der die unterschiedlichsten Menschen zusammen kommen und in der verschiedene Religionen ihren Platz finden müssen und dann ist da noch die Geschichte Sinans, des berühmtesten Architekten des osmanischen Reiches. Wir lernen etwas über seine Bauten, mit welchen Hindernissen er umgehen musste und wie lange er gelebt hat. Es ist viel Wissen in das Buch eingeflossen, dennoch werden nur selten Jahreszahlen genannt. Das hat mir gezeigt, dass man zwar viel Wissen für sich mitnehmen kann, es aber nicht so darauf ankommt, wann etwas genau stattgefunden hat. Dies wird im Nachwort so auch bestätigt.
Die Kultur des osmanischen Reiches wurde in diesem Buch zum Leben erweckt mit all seinen Facetten. Dazu gehören Bräuche und Verhaltensweisen, die einem eher fremd sind, aber man erkennt auch einiges wieder, was man in historischen Romanen liest, bei denen die Personen im Buch überwiegend christlich sind. So kommt in kleineren Abschnitten des Buches Antisemitismus und Hass gegenüber Roma zur Sprache, insbesondere in Situationen, wo ein Schuldiger für bestimmte Ereignisse gefunden werden muss. Es gibt aber auch Personen im Buch, die die unterschiedlichsten Menschen zusammenbringen und gerade denen helfen, die es am schwersten im Leben haben. An mancher Stelle wirkte mir einiges ein wenig zu konstruiert und mit zu viel Glück im Spiel, insgesamt wurde ich von der Geschichte gut unterhalten.
Viel Zusatzmaterial gibt es nicht. So werden einige arabische Begriffe eingebracht, die über Fußnoten erklärt werden und zum Schluss gibt es noch ein kurzes Nachwort sowie eine Danksagung. Ein Personenverzeichnis sucht man hingegen vergeblich, was einem verraten könnte, welche Personen historisch verbürgt sind und welche nicht. Ein wenig wird das im Nachwort aufgenommen und ich denke, dass man in der Geschichte auch gut erkennt, wen es wirklich gab und wen nicht.

Fazit: Eine Geschichte, die mich gut unterhalten und zum Nachdenken angeregt hat. Ich habe die Geschichte Jahan uns Chotas gerne verfolgt und mochte es sehr Gast im Istanbul des 16. Jahrhunderts zu sein. Empfehlenswert für Personen, die sich für Istanbul und seine Historie interessieren und es mögen, wenn Geschichten gleichmäßig dahinfließen und ein paar Weisheiten fürs Leben bereithalten.